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Flugverspätung – Mäusebefall des Flugzeugs

AG Wedding – Az.: 14 C 376/17 – Urteil vom 19.01.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 400,00 €, zusammen also 800,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.09.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerinnen Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung in Anspruch.

Die Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung für eine Flugbeförderung von Berlin-Tegel nach Istanbul (Zubringerflug …) und von Istanbul nach Dalaman (Anschlussflug …). Der Zubringerflug sollte am 01.06.2017 um 12.20 Uhr planmäßig abfliegen und um 16.05 Uhr in Istanbul ankommen. Der Anschlussflug sollte planmäßig um 17.30 Uhr abfliegen und am 01.06.2017 um 18.50 Uhr in Dalaman ankommen. Die Beklagte war ausführendes Luftfahrtunternehmen der geplanten Flüge.

Die Kläger wurden in der Folge nicht mit dem gebuchten Zubringerflug befördert, sondern auf den Folgetag umgebucht und erreichten Dalaman nach einer Ersatzbeförderung am 02.06.2017 mit einer Verspätung von rund 24 Stunden.

Die Kläger tragen vor, außergewöhnliche Umstände, die die Annullierung oder Verspätung des gebuchten Zubringerfluges zu rechtfertigen vermögen, seien nicht gegeben.

Die Kläger verlangen mit der am 20.09.2017 zugestellten Klage die Zahlung von Ausgleichsleistungen von je 400,00 € von der Beklagten.

Die Kläger beantragen, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie wendet ein, das für den Zubringerflug geplante Fluggerät sei Teil eines Flugumlaufs gewesen und sei planmäßig in Berlin gelandet. Beim Aussteigen des unmittelbaren Vorfluges habe ein Fluggast mitgeteilt, dass er im Flugzeug eine Maus gesehen habe. Darauf sei das Fluggerät einer mehrstündigen Prüfung unterzogen worden und habe nicht wie geplant den Zubringerflug durchführen können. Bei einem Mäusebefall handele es sich um einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der FluggastrechteVO.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Beklagte hat mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22.01.2018 nach Schluss der mündlichen Verhandlung den geltend gemachten Anspruch anerkannt.

Entscheidungsgründe

Flugverspätung - Mäusebefall des Flugzeugs
(Symbolfoto: Von Ralph Paprzycki/Shutterstock.com)

Die Klage ist begründet.

Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung von jeweils 400,00 € wegen der Nichtbeförderung auf dem von ihnen für den 01.06.2017 gebuchten Flug von Berlin-Tegel nach Istanbul sowie der nach Umbuchung und Ersatzbeförderung um rund 24 Stunden verspäteten Ankunft in Dalaman gemäß Art.5, 6 und 7 der VO (EG) Nr.261/2004 in Verbindung mit den Entscheidungen des EuGH vom 19.11.2009 (Sturgeon) und vom 26.02.2013 (Folkerts) gegen die Beklagte zu.

Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung der Ausgleichsleistung nach der VO sind gegeben. Die Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung für die genannte Flugbeförderung und fanden sich zur angegebenen Zeit zur Abfertigung ein. Die Beklagte war ausführendes Luftfahrtunternehmen des beabsichtigten Fluges.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Fluggäste verspäteter Flüge denen annullierter Flüge in den Fällen der so genannten großen Verspätung gleichzustellen. Dies setzt voraus, dass der Fluggast einen Zeitverlust bei der Ankunft am letzten Zielort von mindestens 3 Stunden erleidet. So liegt es hier.

Die Kläger erreichten Dalaman erst am 02.06.2017 mit einer Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunft von rund 24 Stunden.

Der Anspruch ist nicht gemäß Art.5 Abs.3 der VO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dabei ist Art.5 Abs.3 der VO nach der Rechtsprechung des EuGH als Ausnahmebestimmung unter Berücksichtigung des umfassenden Schutzzwecks der VO eng auszulegen. Mithin sind Umstände im Einzelfall nur dann als außergewöhnlich anzusehen, wenn sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und auf Grund ihrer Natur von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

Die genannten Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind vorliegend nicht gegeben.

Zwar trifft es zu, dass der Kontakt freilebender (Klein)Tiere zu Flugzeugen nicht erwünscht ist und eher die Ausnahme darstellt. Gleichwohl ist der Aufenthalt von Mäusen auf Flughäfen die Regel und auch nicht zu unterbinden, so dass abzusehen ist, dass sich Mäuse bei Be- und Entladevorgängen Zugang zu Flugzeugen verschaffen können. Dies ist daher ein dem normalen Betrieb eines Luftfahrtunternehmens zuzurechnender Vorgang. Überdies handelt es sich um ein durch das Luftfahrtunternehmen zu beherrschendes Ereignis, da es ihm obliegt und auch tatsächlich möglich ist, Vorkehrungen zu treffen, die verhindern, dass Mäuse an Bord eines Flugzeuges gelangen (so auch Sauer in RRa 2014, 271 mwN).

Danach ist ein außergewöhnlicher Umstand nicht gegeben. Aus den genannten Gründen ist der Beklagten die Entlastung gemäß Art.5 Abs.3 der VO nicht gelungen.

Nach alledem steht den Klägern unter Berücksichtigung der Entfernung zum letzten Zielort der Ausgleichsanspruch in der geltend gemachten Höhe von jeweils 400,00 € gegen die Beklagte zu.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 247, 288 Abs.1 und 291 BGB begründet.

Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang erfolgreich.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die vorstehenden Ansichten des Gerichts waren Gegenstand der Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen in dem nicht nachgelassenen und nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2018 zur Akte gelangten Schriftsatz vom 22.01.2018 verspätet und gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen ist. Insbesondere ist auch ein nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärtes Anerkenntnis unzulässig und damit unbeachtlich (Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage, § 307 Rn 3), so dass der Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht in Betracht kam.

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