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Pauschalreisevertrag – Rücktritt wegen Auswirkungen der Corona-Pandemie

AG Düsseldorf – Az.: 56 C 574/20 – Urteil vom 30.03.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.508 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2020, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 326,31 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 10.10.2020 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 2.508 €.

Tatbestand

Der Kläger buchte am 13.12.2019 bei der Beklagten eine Pauschalreise in die Türkei für den Reisezeitraum vom 10.10. bis zum 18.10.2020. Ausweislich der Buchungsbestätigung der Beklagten betrug der Gesamtreisepreis 2.508 €.

Der Kläger hat den vereinbarten Reisepreis vollständig an die Beklagte gezahlt.

Mit Erklärung vom 03.09.2020 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Reisevertrag unter Berufung auf die Corona-Pandemie.

Der Kläger forderte die Rückzahlung des geleisteten Reisepreises. Die Beklagte wies die Stornierung des Reisevertrages zurück.

Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Unsicherheiten und Risiken zum kostenfreien Rücktritt vom Vertrag berechtigt war. Insbesondere ergebe sich dies daraus, dass das Zielgebiet durchgehend vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft worden ist.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Stornierung des Klägers fünf Wochen vor Reisebeginn sei verfrüht erfolgt, zu diesem Zeitpunkt hätten keine Reisewarnungen für die Provinz Antalya vorgelegen. Die Reise hätte vom Kläger angetreten werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist vollumfänglich begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten die Rückzahlung des für die gebuchte Reise in die Türkei gezahlten Reisepreises in Höhe von 2.508 € gemäß § 651 h Abs. 5 BGB verlangen.

Pauschalreisevertrag - Rücktritt wegen Auswirkungen der Corona-Pandemie
(Symbolfoto: Enrique Micaelo/Shutterstock.com)

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Buchungsbestätigung belief sich der Reisepreis auf diese Höhe. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung bestätigt, dass der Kläger den Reisepreis in vollständiger Höhe erbracht hat. Soweit dort von einem Reisepreis von 1.586 € die Rede ist, ist dies offensichtlich auf ein Redaktionsversehen bei Abfassung der Klageerwiderung zurückzuführen, da der vollständige Reisepreis durch die Buchungsbestätigung belegt ist.

Die Beklagte ist zur Rückzahlung des vollständigen Reisepreises verpflichtet, und kann sich nicht auf einen Entschädigungsanspruch nach § 651 h Absatz 1 S. 3, Abs. 2 BGB berufen. Denn ein solcher Anspruch der Beklagten auf Entschädigung im Falle der Stornierung durch den Reisenden ist vorliegend gemäß § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Danach kann ein Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Urlaubsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen.

Für die Beurteilung der Frage, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt des Rücktritts an, wobei jeweils auf die Geschehnisse des Einzelfalls abzustellen ist. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung, für die es auf eine ex-ante Betrachtung ankommt (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2020, Az. 234 C 203/20). Nach diesen Maßgaben ist entgegen der Auffassung der Beklagten der Rücktritt des Klägers nicht verfrüht erfolgt.

Es ist allgemein bekannt, dass seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 die Lage europaweit und darüber hinaus von einer großen Unsicherheit geprägt war und ist. Bereits zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers vom Reisevertrag war absehbar, dass diese Unwägbarkeiten nicht bis zum Zeitpunkt des gebuchten Reiseaufenthaltes in den Griff zu bekommen sein würden. Es ist unerheblich, dass zu diesem Zeitpunkt und möglicherweise auch noch zum geplanten Zeitpunkt des Aufenthaltes das Infektionsgeschehen in der Türkei möglicherweise keine größeren Auswirkungen als in Deutschland zeigte und der Kläger und seine Begleitung damit vor Ort möglicherweise keinem höheren Risiko ausgesetzt gewesen wären als in Deutschland selbst. Auch das Vorliegen einer bestimmten Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ist keine zwingende Voraussetzung für die Prognoseentscheidung. Maßgeblich ist eine ausreichende Ungewissheit der Lage vor Ort zum Aufenthaltszeitraum mit ungewissen Folgen für den Aufenthalt oder die Beförderungsleistungen. Anderslautende Entscheidungen des Amtsgerichts Düsseldorf, die zum Ergebnis gekommen sind, dass zum jeweiligen Rücktrittszeitpunkt noch keine bestimmten Beeinträchtigungen für den Reisezeitraum ausreichend absehbar gewesen seien, und darauf abstellen, ob die Infektionsgefahr konkret am Bestimmungsort höher gewesen wäre als zu Hause, übersehen nach Auffassung des erkennenden Gerichts den Umstand des geplanten Aufenthaltszeitraums und die Notwendigkeit der Beförderung mittels eines Flugzeugs.

Zum Zeitpunkt der Kündigung war allgemein bekannt, dass das Pandemiegeschehen nicht vollständig in den Griff zu bekommen war und eine sogenannte zweite Welle drohte. Der Kläger hat vorliegend für einen Zeitraum von acht Tagen einen Aufenthalt an einem Ort gebucht, der ernstzunehmender Weise nur mittels Flugzeugs zu erreichen ist. Flüge gehörten ja auch zu den gebuchten Reiseleistungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Allgemeinheit schon genügend Erfahrungen damit gemacht, dass sich aufgrund der Veränderung der Infektionszahlen Ein- und Rückreisebestimmungen sowie auch Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit plötzlich und sogar von einem Tag auf den anderen ändern konnten. Selbst wenn der Kläger daher davon hätte ausgehen wollen, dass zum Reisezeitpunkt eine Anreise problemlos möglich sein könnte, musste er zu Recht im Hinterkopf behalten, dass sich aufgrund aktueller Veränderungen vor Ort die Aufenthaltsmöglichkeiten bis hin zu einer etwaigen Quarantänepflicht hätten verändern können. Eine Quarantäne lässt sich aber in der eigenen Wohnung im eigenen Land verträglicher ertragen, als in einem Hotelzimmer im Ausland. Bei einem für die Pandemie-Lage durchaus erheblichen Zeitraum von acht Tagen war zudem zu bedenken, dass aufgrund eines dynamischen Geschehens in der Zwischenzeit ein Rückflug möglicherweise nicht möglich sein würde, sowie es im Frühjahr beim Auftreten der sogenannten ersten Welle der Fall war. Insoweit ist in Erinnerung zu rufen, dass bei Ausbruch der Pandemie mehrere tausend deutsche Staatsangehörige nicht mehr die Rückreise aus dem Ausland antreten konnten und nur durch eine aufwändige Rückholaktion der Bundesregierung zurückbefördert worden sind. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers war schon die eindeutige Äußerung des Bundesaußenministers für die Bundesregierung bekannt, dass eine solche Aktion in Zukunft nicht noch einmal durchgeführt werden würde.

Die Rücktrittserklärung ist damit nicht verfrüht erfolgt, da aufgrund des dynamischen Geschehens der Pandemie jederzeit mit dem Eintritt derartiger, massiver Beeinträchtigungen der gebuchten Reise gerechnet werden musste, unabhängig davon, ob sie auch tatsächlich eingetreten sind oder nicht. Die Pandemie-Lage war jedenfalls im beschriebenen Maße derart unsicher, dass der Kläger berechtigt war, derartige Unwägbarkeiten in seine Prognoseentscheidung einzubeziehen. Mit den aufgeführten etwaigen Folgen eines Aufenthalts in der Türkei hätte er in Deutschland nicht rechnen müssen. So wären er und seine Begleiterin innerhalb Deutschlands schon nicht auf die Erforderlichkeit eines Rückfluges angewiesen gewesen. Schon deshalb ist es unerheblich, dass sich zu diesem Zeitpunkt sich in der Türkei möglicherweise ein Infektionsgeschehen nicht höheren Ausmaßes als in Deutschland abgespielt hat. Darüber hinaus war der Fortbestand einer geringen Intensität nicht mit ausreichender Sicherheit garantiert, was sich schon daraus ergibt, dass das Pandemie-Geschehen gezeigt hat, dass Länder, welche die erste Welle überdurchschnittlich gut überstanden haben, in der sogenannten zweiten Welle schlechter als der Durchschnitt da standen und umgekehrt. Auch aktuell kann die Erfahrung gemacht werden, dass sich innerhalb kürzester Zeiträume Ein- und Ausreiseregelungen mit verschärften Testpflichten und Quarantäneregeln ändern können. Für den  Kläger bestand daher die Unsicherheit, ob während eines achttägigen Aufenthaltes in einem ernstzunehmender Weise nur mittels Flugzeugs zu verlassenden Landes, eine Situation entstehen könnte, die den Aufenthalt und das Verlassen des Landes erheblich erschwert hätte.

Es war für den Kläger bereits zum Rücktrittszeitpunkt am 03.09.2020 damit hinreichend feststehend, dass die beschriebene Unsicherheit der gesamten Pandemie-Lage nicht bis zum Aufenthaltszeitraum würde beseitigt sein können. Eines war nämlich zu diesem Zeitpunkt bereits gewiss, nämlich, dass Ungewissheiten während des Reiseaufenthaltes bestehen würden. Die getroffene Prognoseentscheidung eines zu hohen Risikos für den Antritt der Reise ist damit nicht zu beanstanden.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt, die Beklagte befindet sich in Verzug.

Als Kosten notwendiger Rechtsverfolgung hat die Beklagte dem Kläger auch die Kosten der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit zu erstatten. Einwendungen gegen die Gebührenhöhe hat die Beklagte nicht erhoben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

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