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Verkehrsunfall –  Straßenüberquerung durch Fußgänger

LG Bielefeld – Az.: 8 O 53/16 – Urteil vom 17.01.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Am 11.01.2015 befuhr die Beklagte zu 1) mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug (amtliches Kennzeichen …) die B 68 aus Halle kommend in Richtung Steinhagen. In Höhe der Einmündung der Hauptstraße in Halle kam es zur Kollision mit dem Kläger, der aus Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) die Straße, die in diesem Bereich gut ausgeleuchtet ist, von links überquerte.

Der Kläger erlitt schwere Schädelverletzungen (SHT mit hinterhemisphärischer SAB) sowie eine Lungenkontusion. Weitere Verletzungen sowie das Ausmaß der Beeinträchtigungen sind streitig.

Der Kläger meint, die Beklagte zu 1) habe den Unfall allein schuldhaft verursacht, da sie aus grober Unachtsamkeit den aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse gut erkennbaren Kläger übersehen habe. Der Kläger habe infolge des Unfalls eine tiefe, 20 cm große Narbe auf dem Schädel als Dauerschaden davongetragen, die insbesondere entstellend wirke. Er habe auch heftige Prellungen an den Beinen erlitten, so dass er fortwährend Schwierigkeiten beim Gehen habe. Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von 45.000 € für angemessen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 45.000,00 € nebst 11,5 % Zinsen seit dem 19.02.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.613,24 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Kläger habe dadurch, dass er in alkoholisiertem Zustand die Bundesstraße betreten, im Bereich der mittig liegenden Sperrfläche zunächst innegehalten hat und dann plötzlich und unvermittelt weitergegangen ist, den Unfall allein schuldhaft verursacht. Für die Beklagte zu 1) sei der Unfall demgegenüber unvermeidbar gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen … und Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen … vom 08.03.2017 sowie mündliche Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.01.2018. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das vorbezeichnete Gutachten sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall -  Straßenüberquerung durch Fußgänger
(Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, insbesondere nicht aus den §§ 7 StVG, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 115 VVG.

1.

Zwar ist der Unfall vom 11.01.2015 bei dem Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zustandegekommen, so dass eine Haftung der Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 StVG im Ausgangspunkt in Betracht kam. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tritt jedoch eine Haftung wegen der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs vollständig hinter dem grob fahrlässigen Fehlverhalten des Klägers zurück (§ 9 StVG, 254 BGB), zumal der Unfall für die Beklagte zu 1) unvermeidbar war. Denn die Beweisaufnahme hat insbesondere ergeben, dass der Kläger zwar – für die Beklagte zu 1) – gut sichtbar von links die Fahrbahn betreten hat, jedoch im Bereich der schraffierten Sperrfläche zunächst innegehalten und der Beklagten zu 1) Veranlassung zu der Annahme gegeben hat, er habe ihr herannahendes Fahrzeug wahrgenommen und werde sein Verhalten darauf einstellen. Stattdessen hat er seinen Überquerungsvorgang plötzlich und unvermittelt zu einem Zeitpunkt wieder aufgenommen, als die Beklagte schon soweit herangenaht war, dass sie eine Kollision nicht mehr vermeiden konnte.

2.

Vorstehendes Beweisergebnis beruht zunächst auf den Angaben des Zeugen …, der bekundet hat, es habe so ausgesehen, als ob der Fußgänger im Mittelbereich der Straße noch kurz angehalten habe, dann aber noch kurz vor dem Auto vorbei huschen wolle. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Richtigkeit seiner Angaben haben sich für das Gericht nicht ergeben.

3.

Auf der Grundlage dieser Darstellung hat der Sachverständige Reuter in seinem schriftlichen Gutachten zunächst ausgeführt, dass aus technischer Sicht bei einer solchen Situation, in der ein Fußgänger auf der Sperrfläche stehen bleibt, nicht zu erwarten ist, dass der Fußgänger möglicherweise weiter gehen und die eigene Fahrspur betreten wird. Aus technischer Sicht erhalte ein PKW-Fahrer also erst dann eine Reaktionssaufforderung, wenn sich der Fußgänger etwa in der Mitte der Sperrfläche befindet. Bei dieser Maßgabe sei der Unfall für die Kraftfahrzeugführerin nicht mehr vermeidbar gewesen, weder bei einer unterstellten Geschwindigkeit von 50 km/h noch von 70 km/h. Es ergäben sich insbesondere keine Hinweise darauf, dass die Fahrzeugführerin zu schnell gefahren sei oder den Fußgänger übersehen oder erheblich verspätet auf ihn reagiert habe. Der Kläger hätte demgegenüber den von rechts kommenden PKW immer rechtzeitig erkennen müssen. Für ihn sei der Unfall immer vermeidbar gewesen.

In der mündlichen Ergänzung des Gutachtens hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Sichtverhältnisse so gut waren, dass auch die Bekleidung des Klägers für die Bewertung des Sachverständigen unerheblich sei. Insbesondere seien die Sichtverhältnisse für den Kläger besonders gut gewesen, der das herannahende Fahrzeug bereits auf sehr große Entfernung hätte erkennen können. Im Übrigen hat der Sachverständige sämtliche Einwendungen gegen seine Feststellungen überzeugend entkräftet. Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen insgesamt haben sich nicht ergeben.

4.

Nach vorstehenden Feststellungen war das Verhalten des Klägers als grob fahrlässig zu bewerten, und zwar unabhängig davon, ob sich der vorherige Alkoholkonsum des Klägers ausgewirkt hat oder nicht. Das Verhalten der Beklagten stellt demgegenüber keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 823 BGB dar. Da der Unfall für die Beklagte zu 1) weder aus rechtlichen noch aus technischer Sicht in irgendeiner Weise vermeidbar war, erschien es geboten, eine etwaige Betriebsgefahr nach § 7 StVG vollständig zurücktreten zu lassen, § 9 StVG, 254 BGB (vgl. hierzu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44 Aufl., § 9 StVG, Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

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