Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ungeeigneter Treppenlift für MS-Patientin: OLG Karlsruhe verurteilt Anbieter zu Rückbau und verneint Zahlungsanspruch
- Der Sachverhalt: Wunsch nach Selbstständigkeit trifft auf unpassende Technik
- Das Verfahren vor dem Landgericht und die Berufung
- Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe: Deutliches Urteil zugunsten der Kundin
- Die wesentlichen Entscheidungsgründe des OLG: Warum wurde so entschieden?
- Kosten des Rechtsstreits und keine Revision
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 19 U 153/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 18.03.2025
- Aktenzeichen: 19 U 153/23
- Verfahrensart: Urteil
- Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Frau mit Multipler Sklerose und körperlichen Einschränkungen, die einen Treppenlift für die selbständige Nutzung kaufen wollte.
- Beklagte: Ein Unternehmen, das Treppenlifte verkauft und installiert.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine gehbehinderte Frau kaufte von der Beklagten einen Treppenlift, um selbständig ihre Kellertreppe zu nutzen. Sie konnte den eingebauten Lift wegen ihrer Einschränkungen und dessen Sitzhöhe nicht allein bedienen und trat vom Vertrag zurück.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral ging es um die Frage, ob der Treppenlift für die körperlich eingeschränkte Käuferin geeignet war und ob das verkaufende Unternehmen sie ausreichend beraten hat. Die Klägerin wollte den Lift zurückgeben und ihr Geld nicht zahlen, die Beklagte bestand auf Zahlung.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht entschied, dass das beklagte Unternehmen den Treppenlift zurückbauen muss und keinen Anspruch auf Bezahlung hat. Die Klage der Käuferin war erfolgreich, die Zahlungsklage des Unternehmens wurde abgewiesen.
- Begründung: Der Treppenlift war für die selbständige Nutzung durch die Käuferin wegen ihrer Körpergröße und Krankheit ungeeignet, was einen Mangel darstellt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Unternehmen die Käuferin nicht ausreichend über die Eignung beraten hatte. Die fehlende Beratung führte zur Haftung des Unternehmens.
- Folgen: Das Unternehmen muss den Treppenlift entfernen und erhält kein Geld dafür. Es muss die gesamten Prozesskosten tragen und einen Teil der Anwaltskosten der Käuferin erstatten.
Der Fall vor Gericht
Ungeeigneter Treppenlift für MS-Patientin: OLG Karlsruhe verurteilt Anbieter zu Rückbau und verneint Zahlungsanspruch
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Urteil vom 18. März 2025 (Az.: 19 U 153/23) entschieden, dass ein Unternehmen einen bereits installierten Treppenlift zurückbauen muss und keinen Anspruch auf Bezahlung hat.

Grund dafür war, dass der Lift für die Kundin, eine an Multipler Sklerose erkrankte Frau, aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen nicht eigenständig nutzbar war und das Gericht eine ordnungsgemäße Beratung durch den Anbieter als nicht nachgewiesen ansah.
Der Sachverhalt: Wunsch nach Selbstständigkeit trifft auf unpassende Technik
Eine an Multipler Sklerose (MS) erkrankte Frau, die gehbehindert ist, keine Kraft in den Händen hat und einen Rollator nutzt, wollte in ihrem Haus einen Treppenlift installieren lassen. Dieser sollte ihr ermöglichen, wieder selbständig vom Untergeschoss ins Erdgeschoss und somit in den Keller zu gelangen.
Sie kontaktierte ein Unternehmen, das Treppenlifte vertreibt. Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens führte am 13. Oktober 2021 ein Beratungsgespräch im Haus der Klägerin durch und nahm Maße. Anwesend waren neben dem Mitarbeiter auch die Klägerin und ihr Ehemann. Die Klägerin schilderte dem Mitarbeiter detailliert ihre MS-Erkrankung, die damit verbundenen Gehprobleme und ihre mangelnde Handkraft. Sie erschien zudem mit ihrem Rollator zum Termin.
Das später installierte Treppenliftmodell „E.“ hatte eine Sitzhöhe von mindestens 61,5 cm. Nach dem Einbau stellte die Klägerin fest, dass sie den Lift aufgrund ihrer Körpergröße von 1,58 Metern in Kombination mit ihrer Erkrankung nicht selbstständig nutzen konnte – die Sitzhöhe war für sie schlicht zu hoch. Sie bemängelte außerdem, dass sie das Fußbrett erst nach der Drehung des Sitzes am oberen Ende der Treppe erreichen konnte und ihre Füße nicht vollständig darauf abstellen konnte. Zudem drehte sich der Sitz am unteren Ende der Treppe nicht.
Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 31. März 2022 den Rücktritt vom Vertrag. Unter einem Rücktritt versteht man die Erklärung einer Vertragspartei, sich vom Vertrag lösen zu wollen, wodurch der Vertrag in ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird; bereits empfangene Leistungen sind dann zurückzugeben. Sie forderte den Rückbau des Lifts. Das Unternehmen wies dies zurück und verlangte die Bezahlung der Rechnungssumme von 9.650,00 Euro.
Das Verfahren vor dem Landgericht und die Berufung
Die Kundin erhob Klage beim Landgericht Karlsruhe. Sie beantragte zum einen den Rückbau des Treppenlifts. Zum anderen wollte sie gerichtlich feststellen lassen, dass dem Unternehmen kein Anspruch auf die Zahlung der 9.650,00 Euro zusteht (sogenannte negative Feststellungsklage – eine Klage, mit der festgestellt werden soll, dass ein bestimmter Anspruch nicht besteht).
Das Unternehmen wiederum beantragte die Abweisung der Klage und erhob eine sogenannte Widerklage. Mit einer Widerklage macht der Beklagte im selben Prozess eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend – hier die Zahlung der 9.650,00 Euro.
Das Landgericht Karlsruhe wies die Klage der Frau ab und gab der Widerklage des Unternehmens (bis auf geringe Nebenforderungen) statt. Zwar sah auch das Landgericht die Sitzhöhe als Mangel an, meinte aber, das Unternehmen habe seine Hinweispflichten erfüllt. Es sei zudem davon auszugehen gewesen, dass der Ehemann der Klägerin bei der Nutzung des Lifts helfen würde. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Oberlandesgericht ein.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe: Deutliches Urteil zugunsten der Kundin
Das OLG Karlsruhe änderte das Urteil des Landgerichts grundlegend ab und entschied im Wesentlichen zugunsten der Klägerin:
- Das beklagte Unternehmen wurde verurteilt, den Treppenlift „Modell E.“ im Anwesen der Klägerin zurückzubauen.
- Es wurde festgestellt, dass der Rechtsstreit bezüglich der ursprünglichen Forderung, die Nichtschuld festzustellen, in der Hauptsache erledigt ist. Dies ist eine prozessuale Feststellung, die relevant wird, wenn sich der ursprüngliche Streitgegenstand während des Verfahrens ändert (hier durch die Widerklage des Unternehmens).
- Das Unternehmen muss der Klägerin 367,23 Euro für vorgerichtliche Anwaltskosten zuzüglich Zinsen zahlen.
- Eine weitergehende Forderung der Klägerin bezüglich höherer vorgerichtlicher Kosten wurde abgewiesen.
- Die Widerklage des Unternehmens auf Zahlung der 9.650,00 Euro wurde vollständig abgewiesen.
- Die Kosten des gesamten Rechtsstreits über beide Instanzen muss das beklagte Unternehmen tragen.
- Eine Revision zum Bundesgerichtshof – also die Möglichkeit, das Urteil von der höchsten deutschen Instanz in Zivilsachen überprüfen zu lassen – wurde nicht zugelassen.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe des OLG: Warum wurde so entschieden?
Das OLG Karlsruhe begründete seine Entscheidung ausführlich und nachvollziehbar.
Vertragsart und angebliche „Rückbaugarantie“
Zunächst stellte das Gericht klar, dass es sich bei dem Vertrag zwischen der Kundin und dem Unternehmen um einen Werkvertrag gemäß § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handelt. Bei einem Werkvertrag schuldet der Unternehmer die Herstellung eines bestimmten Werkes – hier den Einbau eines funktionstüchtigen und für die Kundin nutzbaren Treppenlifts.
Einen Anspruch auf Rückbau allein aus einer vom Unternehmen beworbenen „Rückbaugarantie“ sah das Gericht nicht. Es schloss sich der Ansicht des Landgerichts an, dass dieser Begriff nicht mit einer Rückkaufgarantie gleichzusetzen sei, zumal es keinen etablierten Markt für gebrauchte Treppenlifte gebe.
Anspruch auf Rückbau wegen Pflichtverletzung des Anbieters
Der entscheidende Punkt für den Rückbauanspruch war jedoch eine vertragliche Haftung des Unternehmens. Das Gericht stützte diesen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß den §§ 280 Abs. 1, 325, 631 BGB. Normalerweise greifen bei Mängeln eines Werkes die sogenannten Gewährleistungsansprüche (z.B. Nachbesserung, Minderung, Rücktritt) nach §§ 634 ff. BGB erst nach der Abnahme des Werkes. Eine Abnahme ist die formale Erklärung des Kunden, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Da die Klägerin den Lift unstreitig nicht abgenommen hatte, waren diese klassischen Gewährleistungsregeln hier nicht die primäre Grundlage.
Das OLG argumentierte jedoch, dass die Klägerin bereits vor der eigentlichen Fälligkeit der Leistung und vor der Abnahme zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt war. Dies ist nach § 323 Abs. 4 BGB möglich, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt eintreten werden – hier also, dass der Lift mangelhaft und unbrauchbar sein würde.
Ob sich die Pflicht zum Rückbau nun direkt aus den Regeln zum Rücktritt (§§ 323 Abs. 4, 346 BGB – Rückgewähr der Leistungen nach Rücktritt) oder anderen rechtlichen Konstruktionen ergibt, ließ das Gericht letztlich offen. Stattdessen stützte es den Rückbauanspruch maßgeblich auf eine Schadensersatzpflicht des Unternehmens aus § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer vertraglichen Beratungspflicht.
Die Verletzung der Beratungspflicht als Kern des Problems
Die Pflichtverletzung des Unternehmens lag darin, dass es der Klägerin einen Treppenlift angeboten und eingebaut hatte, der sich – allein schon wegen der unstrittigen Sitzhöhe von mindestens 61,5 cm – nicht für den vertraglich vorausgesetzten Zweck eignete: die eigenständige Nutzung durch die Klägerin.
Dies stellt nach Ansicht des OLG einen erheblichen Mangel im Sinne von § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB dar. Ein solcher Mangel liegt vor, wenn die Sache sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet. Dieser Mangel war auch nicht durch eine Nachbesserung behebbar.
Das Gericht betonte, dass ein Unternehmer, der Treppenlifte für den privaten Gebrauch installiert, nicht nur die baulichen Gegebenheiten berücksichtigen muss. Er muss insbesondere auch die individuellen Daten des vorgesehenen Nutzers erheben, um eine auf dessen körperliche Voraussetzungen zugeschnittene Lösung zu finden. Diese Pflicht ergebe sich auch aus einer vom Unternehmen selbst verwendeten internen „Checkliste“, die ausdrücklich „Angaben zum Nutzer“ wie Gewicht, Knielänge, Größe und körperliche Beeinträchtigungen vorsah.
Das OLG stellte fest, dass die Klägerin den Treppenlift aufgrund ihrer geringen Körpergröße von 1,58 m in Kombination mit ihrer MS-Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen (gehbehindert, keine Kraft in den Händen) nicht allein nutzen konnte. Die Sitzhöhe von 61,5 cm war unter diesen Umständen für sie zu hoch. Die Klägerin hatte dem Verkäufer im Beratungsgespräch ihre Erkrankung und ihre Einschränkungen geschildert und war zudem mit einem Rollator erschienen. Der Verkäufer (Zeuge M.) hatte dies auch wahrgenommen und sogar ausgesagt, ihm sei klar gewesen, dass die Klägerin den Lift aufgrund der hohen Sitzhöhe nicht alleine würde nutzen können. Schon die Körpergröße allein sei grenzwertig gewesen, die Kombination mit der Erkrankung dann das eigentliche Problem.
Fehlender Beweis für eine abweichende Vereinbarung zulasten des Anbieters
Das beklagte Unternehmen trug die Beweislast dafür, dass ausnahmsweise eine andere Vereinbarung getroffen wurde. Eine solche Beweislast bedeutet, dass die Partei, die etwas behauptet, dies auch gerichtsfest nachweisen muss. Gelingt der Beweis nicht, geht dies zu ihren Lasten.
Das Unternehmen hätte also beweisen müssen, dass die Klägerin den Lift in Kenntnis seiner Ungeeignetheit für die selbstständige Nutzung dennoch bestellt hat oder dass die fortwährende Hilfe durch ihren Ehemann zur vertraglichen Grundlage gemacht wurde. Diesen Beweis konnte das Unternehmen laut OLG nicht erbringen.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage des Verkäufers
Das Gericht konnte sich nach der im Berufungsverfahren wiederholten Beweisaufnahme nicht die erforderliche Überzeugung (§ 286 ZPO – Grundsatz der freien Beweiswürdigung) davon verschaffen, dass die Darstellung des Verkäufers (Zeuge M.) zutraf. Der Verkäufer hatte ausgesagt, er habe auf die Problematik der Sitzhöhe hingewiesen und der Ehemann habe daraufhin gesagt, er sei ohnehin immer zur Hilfe anwesend.
Das Gericht begründete seine Zweifel an dieser Aussage wie folgt:
- Die vom Verkäufer behauptete „Prämisse“ der ständigen Hilfe durch den Ehemann sei ein ungewöhnlicher Umstand. Es wäre naheliegend gewesen, dies in der internen „Checkliste“ des Unternehmens unter der Rubrik „Besonderheiten“ zu dokumentieren. Dies war jedoch nicht geschehen, obwohl dort Platz gewesen wäre. Eine solche Dokumentation wäre umso mehr zu erwarten gewesen, wenn die Ungeeignetheit des Lifts für die selbstständige Nutzung für den Verkäufer – wie er angab – von Anfang an klar gewesen sei. Dann wäre die Erhebung der individuellen Nutzerdaten (die ja gerade für eine selbstständige Nutzung relevant sind) weitgehend überflüssig gewesen.
- Der Verkäufer hatte zudem die Knielänge der Klägerin nicht erfasst, obwohl dies in der Checkliste vorgesehen war. Dies deutete für das Gericht darauf hin, dass er nicht bestrebt war, eine sorgfältige und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung durchzuführen.
- Besonders schwer wog für das Gericht, dass der Verkäufer nach eigenen Angaben bei allen Kunden in der Checkliste unter „Körperliche Beeinträchtigung“ pauschal nur den undifferenzierten Begriff „Konditionsprobleme“ eingetragen hatte. Seine Begründung: „es niemand etwas angeht“. Dieses Vorgehen, so das OLG, unterlaufe den Zweck der individuellen Datenerhebung für eine passgenaue Lösung und lasse erhebliche Zweifel an der Sorgfalt der Beratungspraxis des Unternehmens erkennen.
- Die Aussage des Verkäufers stand im direkten Widerspruch zu den glaubhaften Angaben des Ehemanns der Klägerin (Zeuge K.) und der Klägerin selbst (die informatorisch, also ohne Eid, angehört wurde). Beide hatten überzeugend dargelegt, dass sie dem Verkäufer klar gesagt hatten, die Klägerin müsse den Lift alleine benutzen können. Sie hätten den Lift nicht bestellt, wenn man ihnen gesagt hätte, dass dies nicht möglich sei oder ständige Hilfe erforderlich wäre. Ihr Ziel sei die Wiedererlangung der Selbstständigkeit der Klägerin gewesen.
- Obwohl alle Beteiligten (Verkäufer, Ehemann, Klägerin) einen glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterließen, nahm laut Gericht keiner eine neutrale Stellung ein (der Verkäufer war auf Provisionsbasis tätig, der Ehemann ist naturgemäß der Klägerin verbunden). Daher konnte letztlich nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit geklärt werden, wessen Darstellung zutraf.
Da das Unternehmen als Beklagter somit nicht beweisen konnte, dass es seine Beratungspflicht erfüllt hatte, ging dies zu seinen Lasten. Die Verletzung der Beratungspflicht führte dazu, dass ein für den Vertragszweck (eigenständige Nutzung) ungeeigneter Treppenlift angeboten und eingebaut wurde. Dies begründete die Schadensersatzpflicht des Unternehmens, aus der sich wiederum der Anspruch auf Rückbau des Lifts ableitete.
Kein Anspruch auf Bezahlung für den Anbieter und Erledigung der Feststellungsklage
Als logische Konsequenz der wirksamen Lösung vom Vertrag (durch Rücktritt bzw. Schadensersatz) und des festgestellten Mangels stand dem Unternehmen kein Anspruch auf Bezahlung des Treppenlifts zu. Die Widerklage des Unternehmens auf Zahlung der 9.650,00 Euro wurde daher abgewiesen.
Bezüglich des ursprünglichen Klageantrags der Klägerin auf Feststellung, dass dem Unternehmen kein Zahlungsanspruch zusteht (negative Feststellungsklage), stellte das Gericht fest, dass dieser Antrag ursprünglich zulässig und auch begründet gewesen wäre. Durch die spätere Erhebung der Widerklage durch das Unternehmen, mit der es ja gerade die Zahlung einklagte, entfiel jedoch das sogenannte Feststellungsinteresse der Klägerin für ihren Antrag. Über den Zahlungsanspruch wurde nun im Rahmen der Widerklage entschieden. Dieses Entfallen des Feststellungsinteresses wertete das Gericht als ein nach Beginn des Rechtsstreits eingetretenes erledigendes Ereignis, dessen Feststellung die Klägerin zu Recht begehrte.
Kosten des Rechtsstreits und keine Revision
Die Entscheidung über die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin basierte auf dem Wert ihres ursprünglichen Klageantrags und wurde in der zuerkannten Höhe als angemessen erachtet.
Die Kosten des gesamten Verfahrens über beide Instanzen (Landgericht und Oberlandesgericht) muss das beklagte Unternehmen tragen, da die Klägerin im Ergebnis überwiegend erfolgreich war.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, da der Fall nach Ansicht des OLG Karlsruhe weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des höchsten deutschen Zivilgerichts erfordert. Das Urteil ist somit rechtskräftig.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Karlsruhe stellt in seinem Urteil eindeutig klar, dass Anbieter von Treppenliften eine umfassende Beratungspflicht haben und Produkte auf die individuellen körperlichen Einschränkungen des Nutzers abstimmen müssen. Bei unterlassener oder unzureichender Beratung haftet der Anbieter für einen ungeeigneten Lift, was zur Rückabwicklung des Vertrags führen kann – ohne Zahlungsverpflichtung für den Kunden. Für Verbraucher mit Behinderungen bedeutet das Urteil einen wichtigen Schutz: Nicht der Kunde muss beweisen, dass die Beratung mangelhaft war, sondern der Anbieter muss nachweisen, dass er ordnungsgemäß beraten hat.
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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Rücktritt vom Vertrag
Der Rücktritt vom Vertrag bedeutet, dass sich eine Vertragspartei einseitig vom geschlossenen Vertrag löst. Dies hat zur Folge, dass die erbrachten Leistungen zurückgegeben werden müssen und beide Seiten so gestellt werden, als wäre der Vertrag nie geschlossen worden (Rückgewährschuldverhältnis, §§ 346 ff. BGB). Ein Rücktritt ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, etwa wenn eine Leistung mangelbehaftet ist und der Mangel erheblich ist (§ 323 BGB). Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin vom Vertrag zurücktreten, weil der Treppenlift für sie aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen unbrauchbar war.
Beratungspflicht und Beratungshaftung
Die Beratungspflicht verpflichtet den Verkäufer oder Dienstleister, den Kunden umfassend, richtig und individuell über das Produkt zu informieren und zu beraten, bevor ein Vertrag abgeschlossen wird. Werden dabei entscheidende Informationen über die Eignung des Produkts für den Kunden unzureichend oder falsch gegeben, verletzt der Anbieter diese Pflicht. Die daraus folgende Beratungshaftung bedeutet, dass der Anbieter für Schäden haftet, die dem Kunden aufgrund dieser fehlerhaften Beratung entstehen (§ 280 BGB). Im Beispiel hatte der Treppenliftanbieter seine Beratungspflicht verletzt, weil er nicht ausreichend auf die körperlichen Bedürfnisse der Kundin einging.
Werkvertrag
Ein Werkvertrag ist eine spezielle Vertragsart nach § 631 BGB, bei der der Unternehmer die Herstellung eines bestimmten Werkes schuldet, etwa die Herstellung oder Installation eines Produkts. Anders als beim Kaufvertrag steht hier die erfolgreiche Herstellung oder das fehlerfreie Werk im Vordergrund. Im Fall wurde zwischen der Kundin und dem Anbieter ein Werkvertrag geschlossen, durch den die ordnungsgemäße Installation und Nutzbarkeit des Treppenlifts für die Kundin geschuldet wurde.
Mangel (§ 633 BGB)
Ein Mangel liegt vor, wenn die vereinbarte Beschaffenheit des Werkes fehlt oder das Werk sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 633 Abs. 2 BGB). Dabei kann ein Mangel technischer Art sein, aber auch darin bestehen, dass das Produkt für den vorgesehenen Zweck ungeeignet ist. Im konkreten Fall war der Treppenlift mangelhaft, weil er trotz der bekannten körperlichen Einschränkungen der Kundin nicht eigenständig genutzt werden konnte, was eine erhebliche Einschränkung darstellte.
Widerklage
Die Widerklage ist eine Gegenklage des Beklagten im selben Gerichtsverfahren, mit der er eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend macht (§ 33 ZPO). Sie ermöglicht es, beide Ansprüche (ursprüngliche Klage und Gegenforderung) im selben Prozess zu klären. Im vorliegenden Fall hat der Treppenliftanbieter eine Widerklage gegen die Klägerin auf Zahlung der Kaufpreisforderung erhoben, um seine angebliche Forderung im selben Verfahren durchzusetzen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 631 BGB – Werkvertrag: Ein Werkvertrag verpflichtet den Unternehmer zur Herstellung eines versprochenen Werkes, hier eines funktionsfähigen Treppenlifts, der den vertraglichen Anforderungen entspricht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG stellte fest, dass ein Werkvertrag vorliegt, sodass das Unternehmen für die mangelhafte Leistung haftet, da der Treppenlift nicht für die eigenständige Nutzung der Klägerin geeignet war.
- § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung: Dieser Paragraph regelt die Schadensersatzpflicht bei Verletzung vertraglicher Pflichten, insbesondere der Beratungspflicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht begründete den Rückbauanspruch der Klägerin mit einem Schadensersatz statt der Leistung, da das Unternehmen seine Beratungspflicht verletzt und einen ungeeigneten Treppenlift angeboten und eingebaut hatte.
- § 323 Abs. 4 BGB – Rücktritt vor Fälligkeit bei voraussehbarer Leistungsstörung: Der Rücktritt ist vor Fälligkeit möglich, wenn sicher ist, dass die Leistung mangelhaft oder nicht vertragsgemäß sein wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin konnte bereits vor der Abnahme und Fälligkeit vom Vertrag zurücktreten, weil offensichtlich war, dass der Treppenlift wegen der Sitzhöhe und ihrer körperlichen Einschränkungen unbrauchbar war.
- § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB – Sachmangel: Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Sache sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die mangelnde Eignung des Treppenlifts zur eigenständigen Nutzung durch die Klägerin stellte einen erheblichen Mangel dar, der nicht durch Nachbesserung behebbar war.
- § 346 BGB – Rückgewähr der Leistung nach Rücktritt: Nach Rücktritt vom Vertrag sind bereits erhaltene Leistungen zurückzugewähren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund des wirksamen Rücktritts musste der Treppenlift zurückgebaut werden und das Unternehmen hatte keinen Anspruch auf die Zahlung.
- § 286 ZPO – Grundsatz der freien Beweiswürdigung: Das Gericht entscheidet nach freier Überzeugung von der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der vorgelegten Beweise. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG zweifelte die Aussage des Verkäufers an, der eine fortwährende Hilfe durch den Ehemann als vertragliche Grundlage behauptete, sodass das Unternehmen seiner Beweislast nicht nachkam.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 19 U 153/23 – Urteil vom 18.03.2025
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