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Beweiskraft einer Zustellungsurkunde bei Ersatzzustellung

Ein scheinbar einfacher Streit um Geld wurde zum Prüfstein für die korrekte Zustellung amtlicher Schreiben. Was, wenn ein Vollstreckungsbescheid an eine Adresse geht, an der der Empfänger nach eigener Aussage gar nicht mehr wohnt? Das Oberlandesgericht Stuttgart kippte nun ein Urteil, weil diese entscheidende Frage des tatsächlichen Wohnsitzes ungeklärt blieb.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 U 153/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Stuttgart
  • Datum: 13.05.2025
  • Aktenzeichen: 6 U 153/24
  • Verfahrensart: Urteil

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Klägerin, die eine Geldforderung von der Beklagten verlangte.
  • Beklagte: Die Beklagte, die die Zustellung von Gerichtsbescheiden bestritt, weil sie angab, umgezogen zu sein.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Klägerin forderte Geld von der Beklagten. Ein gerichtlicher Bescheid sollte der Beklagten per Brief zugestellt werden. Die Beklagte bestritt die Zustellung, da sie umgezogen sei, und legte Einspruch ein. Das Landgericht wies den Einspruch ab.
  • Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Streits war, ob der Einspruch der Beklagten gegen einen gerichtlichen Bescheid zulässig war. Dies hing davon ab, ob der Bescheid wirksam zugestellt wurde, obwohl die Beklagte angab, nicht mehr an der Zustelladresse zu wohnen und das Landgericht dies nicht geprüft hatte.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Berufungsgericht hob das Urteil des Landgerichts auf. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
  • Begründung: Der Einspruch der Beklagten wurde vom Landgericht zu Unrecht abgewiesen. Eine Zustellung per Briefkasten ist nur wirksam, wenn die Person tatsächlich dort wohnt und ihren Lebensmittelpunkt hat. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte noch an der Adresse wohnte, obwohl sie dies bestritt und Beweise vorlegte.
  • Folgen: Das Landgericht muss nun prüfen, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung noch an der Adresse wohnte. Danach wird das Landgericht neu entscheiden, ob der Einspruch zulässig war und wie im Hauptverfahren über die Forderung zu entscheiden ist.

Der Fall vor Gericht


Fragwürdige Zustellung: Gericht kippt Urteil wegen ungeklärten Wohnsitzes und missachteten Einspruchs

Ein alltäglicher Streit um eine Geldforderung eskalierte zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die korrekte Zustellung gerichtlicher Dokumente und die Rechte von Betroffenen im Verfahren. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart musste klären, ob der Einspruch einer Schuldnerin gegen einen Vollstreckungsbescheid – ein amtliches Dokument, das einem Gläubiger erlaubt, seine Geldforderung zwangsweise, beispielsweise durch eine Kontopfändung, durchzusetzen – zu Recht vom Landgericht als unzulässig abgewiesen wurde.

Postbote steckt Vollstreckungsbescheid in Briefkasten, Empfängerin beobachtet aus Fenster.
Vollstreckungsbescheid im Briefkasten: Adresse prüfen, Widerspruch möglich. Wichtig bei Zustellung und Post. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Kern ging es darum, ob ein solcher Bescheid wirksam zugestellt werden kann, wenn die Empfängerin bestreitet, an der angegebenen Adresse noch zu wohnen, und das Gericht diesen Umstand nicht weiter aufklärt.

Beteiligt an diesem Rechtsstreit waren eine Gläubigerin, die aus einer Kontoüberziehung beziehungsweise einem Verbraucherdarlehensvertrag Geld forderte, und eine Schuldnerin, die sich gegen diese Forderung zur Wehr setzte. Der Fall beleuchtet eindrücklich, wie wichtig formale Korrektheit, insbesondere bei der Zustellung von Schriftstücken, für ein faires Gerichtsverfahren ist.

Der Fall im Detail: Worum ging es konkret?

Die Auseinandersetzung begann, als die Gläubigerin ein sogenanntes Mahnverfahren einleitete. Dies ist ein vereinfachtes gerichtliches Verfahren zur Geltendmachung von Geldforderungen, bei dem zunächst ein Mahnbescheid erlassen wird. Ein Mahnbescheid ist ein gerichtliches Schreiben, das den Schuldner auffordert, die genannte Summe zu bezahlen oder dem Bescheid zu widersprechen.

Da die Schuldnerin dem Mahnbescheid offenbar nicht (rechtzeitig) widersprach, erließ das Amtsgericht Hamburg-Altona am 26. Juni 2024 einen Vollstreckungsbescheid gegen sie.

Laut den Gerichtsakten des Mahnverfahrens sollte dieser Vollstreckungsbescheid der Schuldnerin am 29. Juni 2024 unter einer Adresse in der B.straße in R. zugestellt worden sein. Die Zustellung – also die förmliche Bekanntgabe eines amtlichen Schriftstücks an den Empfänger, die oft rechtliche Fristen in Gang setzt – erfolgte laut Aktenlage durch Einlegen des Dokuments in den Briefkasten der genannten Adresse.

Mit einem Schreiben ihres Anwalts vom 17. Oktober 2024 legte die Schuldnerin jedoch beim Mahngericht sowohl Widerspruch gegen den Mahnbescheid als auch Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein. Der Einspruch ist ein Rechtsmittel, mit dem sich ein Schuldner gegen einen Vollstreckungsbescheid wehren kann, wenn er beispielsweise die Forderung bestreitet oder Verfahrensfehler rügt.

Zur Begründung ihres Einspruchs führte die Schuldnerin an, dass ihr weder der Mahnbescheid noch der Vollstreckungsbescheid jemals zugestellt worden seien.

Sie gab an, bereits seit dem 1. September 2023 nicht mehr in der B.straße in R. zu wohnen und sich auch ordnungsgemäß umgemeldet zu haben.

Der Weg durch die Instanzen: Vom Mahngericht zum Landgericht

Nachdem die Schuldnerin Einspruch eingelegt hatte, wurde das Verfahren an das Landgericht Stuttgart abgegeben, das nun für die inhaltliche Prüfung des Falles zuständig war.

Die Geschäftsstelle des Landgerichts forderte die Gläubigerin am 6. November 2024 auf, ihre Forderung schriftlich zu begründen – ein üblicher Schritt, nachdem ein Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid eingelegt wurde und das Verfahren in ein streitiges Gerichtsverfahren übergeht.

Die Gläubigerin reichte jedoch keine solche Anspruchsbegründung ein.

Stattdessen beantragte sie am 26. November 2024, den Einspruch der Schuldnerin als unzulässig zu verwerfen.

Das Landgericht Stuttgart folgte diesem Antrag der Gläubigerin und verwarf mit Urteil vom 28. November 2024 den Einspruch der Schuldnerin tatsächlich als unzulässig. Eine inhaltliche Prüfung der Forderung fand somit nicht statt.

Gegen dieses Urteil des Landgerichts legte die Schuldnerin Berufung beim Oberlandesgericht Stuttgart ein. Die Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei die Überprüfung eines erstinstanzlichen Urteils durch ein höheres Gericht verlangen kann.

Sie beantragte die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Ihr Ziel war es, dass der ursprüngliche Vollstreckungsbescheid vom 26. Juni 2024 aufgehoben wird.

Die Schuldnerin argumentierte, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsbescheid wirksam an sie zugestellt worden sei.

Die Gläubigerin hingegen verteidigte das Urteil des Landgerichts und beantragte, die Berufung der Schuldnerin zurückzuweisen.

Die Kernfragen für das Oberlandesgericht im Streit um die Zustellung

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte nun mehrere zentrale Rechtsfragen zu klären:

War der Einspruch der Schuldnerin gegen den Vollstreckungsbescheid tatsächlich unzulässig?

Durfte das Landgericht von einer wirksamen Zustellung des Vollstreckungsbescheids ausgehen, obwohl die Schuldnerin ausdrücklich bestritten hatte, zum Zeitpunkt des Zustellversuchs noch an der angegebenen Adresse gewohnt zu haben?

Hätte das Landgericht nicht eigene Feststellungen zum tatsächlichen Wohnsitz der Schuldnerin treffen müssen, bevor es den Einspruch verwarf?

Wurde das rechtliche Gehör der Schuldnerin verletzt? Das rechtliche Gehör ist ein Grundrecht (verankert in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und bedeutet, dass jeder das Recht hat, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung zu den relevanten Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern und dass das Gericht dieses Vorbringen auch zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss.

Das Urteil: OLG Stuttgart hebt Entscheidung auf und verweist zurück

Das Oberlandesgericht Stuttgart gab der Berufung der Schuldnerin statt.

In seinem Urteil vom 13. Mai 2025 hob es das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28. November 2024 auf.

Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.

Das Urteil des OLG Stuttgart ist vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, dass die Entscheidung des OLG (also die Aufhebung des LG-Urteils und die Zurückverweisung) sofort wirksam ist, auch wenn theoretisch noch weitere Rechtsmittel möglich wären (obwohl die Revision hier nicht zugelassen wurde).

Die Revision – ein weiteres Rechtsmittel gegen Berufungsurteile, mit dem eine Überprüfung auf reine Rechtsfehler durch den Bundesgerichtshof beantragt werden kann – wurde vom OLG Stuttgart nicht zugelassen.

Die Begründung des Gerichts im Detail: Warum fiel das Urteil so aus?

Das OLG Stuttgart sah die Berufung der Schuldnerin als zulässig und in der Sache als begründet an. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass das Landgericht den Einspruch der Schuldnerin gegen den Vollstreckungsbescheid fehlerhaft als unzulässig verworfen und dabei fundamentale Rechte der Schuldnerin missachtet hatte.

Fehlerhafte Verwerfung des Einspruchs und Verletzung des rechtlichen Gehörs

Das OLG stellte fest, dass das Landgericht die Zulässigkeit des Einspruchs zu Unrecht verneint hatte.

Ein wesentlicher Fehler des Landgerichts lag laut OLG darin, dass es weder die Einspruchsbegründung der Schuldnerin (insbesondere ihren Vortrag zum Umzug) berücksichtigt hatte, noch ihr die Möglichkeit gegeben hatte, zu dem Antrag der Gläubigerin auf Verwerfung des Einspruchs Stellung zu nehmen.

Durch dieses Vorgehen sei das rechtliche Gehör der Schuldnerin verletzt worden.

Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung nicht beachtet

Das Gericht erläuterte detailliert die Voraussetzungen für eine sogenannte Ersatzzustellung nach den §§ 178, 180 der Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Ersatzzustellung liegt vor, wenn ein Schriftstück nicht direkt an den Empfänger übergeben werden kann. § 180 ZPO regelt dabei die Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten.

Eine solche Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist aber nur dann wirksam, wenn der Adressat, also die Person, für die das Schreiben bestimmt ist, zum Zeitpunkt des Zustellversuchs tatsächlich in der betreffenden Wohnung wohnt. Dies ist in § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO festgelegt.

Eine Wohnung im Sinne dieser Zustellungsvorschriften liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Empfänger dort für eine gewisse Dauer seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Der Lebensmittelpunkt ist der Ort, an dem eine Person hauptsächlich wohnt, schläft, ihre Freizeit verbringt und ihre sozialen Bindungen pflegt.

Das bloße Vorhandensein eines Briefkastens mit dem Namen des Empfängers begründet für sich genommen noch keine Wohnung im rechtlichen Sinne, so die herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft und die Praxis der Gerichte, wie der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mehrfach entschieden hat (z.B. Urteil vom 16. Juni 2011 – III ZR 342/09).

Fehlende Feststellungen des Landgerichts zum Wohnsitz der Schuldnerin

Im konkreten Fall hätte das Landgericht Stuttgart nach Ansicht des OLG nicht einfach davon ausgehen dürfen, dass die Schuldnerin im Jahr 2024 ihren Lebensmittelpunkt noch in der B.straße in R. hatte.

Die Schuldnerin hatte bereits in der ersten Instanz vor dem Landgericht substantiiert vorgetragen, das heißt, sie hatte ihre Behauptung nicht nur pauschal aufgestellt, sondern mit konkreten Tatsachen untermauert. Sie hatte dargelegt, im September 2023 aus der Wohnung in der B.straße ausgezogen zu sein und sich auch ordnungsgemäß bei den Behörden umgemeldet zu haben.

Die Gläubigerin hatte diesem detaillierten Vortrag der Schuldnerin in der ersten Instanz nichts Konkretes entgegengesetzt.

Das Landgericht hatte jedoch keinerlei eigene tatsächliche Feststellungen zum Wohnort der Schuldnerin getroffen, bevor es den Einspruch verwarf.

Bedeutung der Postzustellungsurkunde und die Frage der Beweislast

Auch der weitere Vortrag der Parteien im Berufungsverfahren vor dem OLG änderte nichts an dieser Einschätzung.

Die Schuldnerin bekräftigte ihren Vortrag zum Umzug im September 2023 und legte zur weiteren Untermauerung eine amtliche Ummeldebescheinigung vor.

Diese plausible und schlüssige Darstellung der Schuldnerin, so das OLG, entkräftet ein mögliches Indiz für eine erfolgte Zustellung, das sich aus der Postzustellungsurkunde (PZU) ergeben könnte. Eine PZU ist ein Dokument, mit dem der Postzusteller bescheinigt, wie, wann und wo er ein Schriftstück zugestellt hat.

Die Gläubigerin bestritt zwar weiterhin pauschal, dass die Schuldnerin nicht unter der angegebenen Adresse gewohnt habe.

Sie trug aber auch im Berufungsverfahren keine konkreten Tatsachen vor, die belegen könnten, dass die Schuldnerin im Jahr 2024 tatsächlich noch in der B.straße gewohnt hat.

Die Rechtsansicht der Gläubigerin, sie könne allein mit der Postzustellungsurkunde den Beweis für eine wirksame Ersatzzustellung an der Wohnung der Schuldnerin erbringen und die Schuldnerin müsse dann das Gegenteil beweisen, sei rechtlich unzutreffend.

Das OLG betonte, dass der Anspruch auf Rechtliches Gehör es nicht zulasse, die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde auch darauf zu erstrecken, dass der Zustellungsempfänger tatsächlich unter der Zustellungsanschrift gewohnt hat. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung und wurde auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1992 – 2 BvR 884/91) bestätigt.

Der Grund hierfür ist einfach: Die Zustellperson (z.B. der Postbote) trifft bei der Zustellung keine eigenen Feststellungen zur Wohnsituation des Empfängers und kann solche daher auch nicht in der Zustellungsurkunde mit Beweiskraft bescheinigen. Die Urkunde beweist also nur, dass und wie an einer bestimmten Adresse zugestellt wurde, aber nicht, dass diese Adresse auch tatsächlich die Wohnung des Empfängers war.

Kein „Anschein einer Wohnung“ als ausreichende Grundlage für eine Zustellung

Die weitere Rechtsansicht der Gläubigerin, es genüge für eine wirksame Zustellung bereits der bloße „Anschein“ einer Wohnung (etwa durch ein noch vorhandenes Namensschild am Briefkasten), sei ebenfalls rechtlich nicht haltbar.

Eine erweiternde Auslegung der Zustellungsvorschriften, nach der der vom Empfänger möglicherweise zurechenbar gesetzte Rechtsschein einer Wohnung ausreicht, scheidet laut OLG aus.

Die Zustellungsvorschriften haben eine enorme Bedeutung für die Verwirklichung des Grundrechts auf rechtliches Gehör und dienen im Interesse der Rechtssicherheit – also der Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit des Rechts – einem formalen Charakter.

Dieser formale Charakter verbietet es, über den klaren Wortlaut der Gesetze hinauszugehen und eine Zustellung auch dann als wirksam anzusehen, wenn lediglich der äußere Anschein einer Wohnung besteht, diese aber faktisch nicht mehr der Lebensmittelpunkt des Empfängers ist (so auch der BGH, Beschluss vom 14. Mai 2019 – X ZR 94/18).

Das OLG merkte zudem an, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Schuldnerin die Gläubigerin vorsätzlich über ihren Wohnsitz getäuscht habe. Ein solcher Umstand war von der Gläubigerin auch nicht vorgetragen worden.

Klare Begründung für die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht

Die fehlerhafte Verwerfung des Einspruchs durch das Landgericht, die eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts darstellt, rechtfertigte nach Ansicht des OLG gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache. Diese Vorschrift erlaubt einem Berufungsgericht, eine Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, wenn dessen Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet.

Die Entscheidung, ob eine Sache zurückverwiesen oder vom Berufungsgericht selbst entschieden wird, liegt im Ermessen des Gerichts und hängt maßgeblich von der sogenannten Sachdienlichkeit ab.

Eine Zurückverweisung ist in der Regel dann sachdienlich, wenn das Interesse an einer möglicherweise schnelleren Entscheidung direkt in der Berufungsinstanz nicht schwerer wiegt als der Nachteil, dass den Parteien eine vollständige Tatsacheninstanz verloren geht.

Im vorliegenden Fall hatte eine inhaltliche Behandlung des eigentlichen Streits – also der Frage, ob die Geldforderung der Gläubigerin überhaupt berechtigt ist – in der ersten Instanz vor dem Landgericht noch gar nicht stattgefunden.

Würde das OLG nun selbst über die Forderung entscheiden, würde den Parteien eine Instanz für die Klärung der Tatsachen genommen, da der gesamte, dem Gericht bislang unbekannte Prozessstoff erstmals vom Berufungsgericht aufgearbeitet werden müsste.

Dieses Interesse am Erhalt beider Tatsacheninstanzen werde auch nicht durch eine möglicherweise schnellere Verfahrenserledigung beim OLG aufgewogen, da auch das OLG zunächst die Parteien zu weiterem Vortrag in der Sache hätte auffordern müssen.

Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit und Nichtzulassung der Revision

Das OLG erklärte sein Urteil abschließend für vorläufig vollstreckbar.

Einen Anlass, die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen, sah das OLG Stuttgart nicht.

Zur Begründung führte es an, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe. Eine solche liegt vor, wenn eine Rechtsfrage zu klären ist, die über den Einzelfall hinaus von allgemeinem Interesse ist oder deren Beantwortung für eine Vielzahl von Fällen relevant wäre.

Auch sei eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich, um das Recht fortzubilden (also weiterzuentwickeln) oder eine einheitliche Rechtsprechung der Gerichte sicherzustellen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Gerichte die korrekte Zustellung von amtlichen Schriftstücken sehr ernst nehmen müssen, besonders wenn jemand nicht mehr an der angegebenen Adresse wohnt. Entscheidend ist, dass ein Gericht nicht einfach einen Einspruch als unzulässig abweisen darf, ohne zu prüfen, ob die Person tatsächlich noch am Zustellort wohnt, wenn dies bestritten wird. Das rechtliche Gehör muss gewahrt werden, und die bloße Existenz eines Briefkastens mit dem Namen bedeutet nicht automatisch, dass jemand dort seinen Lebensmittelpunkt hat.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet eine Ersatzzustellung und wann ist sie zulässig?

Wenn ein offizielles Schreiben, wie zum Beispiel ein Gerichtsdokument oder ein Bescheid einer Behörde, zugestellt werden muss, versucht der Zusteller (oft ein Postmitarbeiter oder ein Gerichtsvollzieher) in der Regel zunächst, das Schreiben direkt an die Person zu übergeben, für die es bestimmt ist. Das nennt man direkte Zustellung.

Manchmal ist die direkte Zustellung aber nicht möglich, zum Beispiel weil die Person nicht zu Hause ist. In solchen Fällen sehen die gesetzlichen Regeln unter bestimmten Voraussetzungen eine Ersatzzustellung vor. Das bedeutet, dass das Schreiben auf eine andere Weise zugestellt wird, die rechtlich als wirksam gilt, auch wenn die Sendung nicht direkt an den Empfänger übergeben wurde.

Wann ist eine Ersatzzustellung zulässig?

Eine Ersatzzustellung ist generell nur zulässig, wenn der Empfänger unter der angegebenen Adresse tatsächlich wohnt oder seine Geschäftsräume hat und dort vorübergehend nicht angetroffen wird. Der Zusteller muss also feststellen, dass die Person dort lebt, aber gerade nicht erreichbar ist. Die gesetzlichen Regeln legen genau fest, wann und wie eine Ersatzzustellung erfolgen darf.

Wie erfolgt eine Ersatzzustellung?

Es gibt verschiedene gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten für eine Ersatzzustellung:

  • Zustellung an eine Ersatzperson: Wenn der Zusteller den eigentlichen Empfänger nicht antrifft, darf er das Schreiben unter Umständen einer anderen Person übergeben, die sich an derselben Adresse befindet. Das können zum Beispiel sein:
    • Ehegatten, Lebenspartner oder volljährige Familienangehörige, die im selben Haushalt leben.
    • Andere volljährige Personen, die im Haushalt des Empfängers leben (sogenannte Hausgenossen).
    • Bei Geschäftsräumen: dort beschäftigte Personen.
    • In Gemeinschaftseinrichtungen (wie Krankenhäusern oder Heimen): der Leiter der Einrichtung oder eine bevollmächtigte Person. Diese Ersatzpersonen dürfen das Schreiben nur annehmen, wenn sie dazu bereit sind.
  • Einlegen in den Briefkasten: Ist keine der genannten Ersatzpersonen anzutreffen, kann das Schreiben auch in den zur Wohnung oder zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden. Dies ist eine sehr häufige Form der Ersatzzustellung, wenn niemand persönlich angetroffen wird.
  • Niederlegung: In seltenen Fällen, wenn auch das Einlegen in den Briefkasten nicht möglich ist (z.B. weil kein Briefkasten vorhanden ist oder er überfüllt ist), kann das Schreiben auch an einer bestimmten Stelle (z.B. bei der zuständigen Postfiliale oder Gerichtsstelle) zur Abholung hinterlegt (niedergelegt) werden. Dann wird eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den Briefkasten eingelegt oder an der Wohnungstür angebracht.

Was muss der Zusteller beachten?

Der Zusteller hat bei der Ersatzzustellung bestimmte Pflichten, um sicherzustellen, dass die Zustellung korrekt erfolgt:

  • Er muss sich vergewissern, dass der Empfänger unter der Adresse tatsächlich wohnt oder tätig ist.
  • Er muss in der Regel zunächst versuchen, die Sendung direkt an den Empfänger zu übergeben.
  • Er muss prüfen, ob eine geeignete Ersatzperson vorhanden ist und bereit ist, das Schreiben anzunehmen.
  • Wenn er das Schreiben in den Briefkasten einlegt oder niederlegt, muss er dies genau dokumentieren. Bei der Niederlegung muss er zusätzlich eine schriftliche Mitteilung darüber am Zustellort hinterlassen.
  • Der Zusteller muss eine Zustellungsurkunde erstellen, in der genau festgehalten wird, wie und wann die Zustellung erfolgt ist (z.B. Übergabe an welche Ersatzperson oder Einlegen in den Briefkasten). Dieses Dokument dient als Nachweis für die wirksame Zustellung.

Für Sie als Empfänger bedeutet eine wirksame Ersatzzustellung, dass das Schreiben als zugestellt gilt, auch wenn Sie es erst später tatsächlich in Händen halten. Ab diesem Zeitpunkt können Fristen zu laufen beginnen. Es ist daher wichtig zu wissen, dass offizielle Post auch dann rechtliche Wirkung entfalten kann, wenn sie nicht direkt an Sie persönlich übergeben wurde.


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Welche Beweiskraft hat eine Zustellungsurkunde bei einer Ersatzzustellung?

Eine Zustellungsurkunde ist ein wichtiges amtliches Dokument, das bescheinigt, dass ein anderes Schriftstück (wie zum Beispiel ein Brief vom Gericht, einer Behörde oder einem Anwalt) zugestellt wurde. Man kann sich das wie eine Art Quittung vorstellen, ausgestellt von der Person, die das Dokument überbracht hat (z.B. einem Gerichtsvollzieher oder Postboten).

Diese Urkunde hat eine hohe Beweiskraft. Das bedeutet, dass das, was in der Zustellungsurkunde steht – zum Beispiel, dass das Dokument an einem bestimmten Tag um eine bestimmte Uhrzeit an eine bestimmte Adresse zugestellt wurde – grundsätzlich als wahr angesehen wird. Die Urkunde dient also als starker Beweis dafür, dass die Zustellung wie beschrieben stattgefunden hat.

Auch bei einer sogenannten Ersatzzustellung hat die Zustellungsurkunde diese hohe Beweiskraft. Eine Ersatzzustellung liegt vor, wenn das Dokument nicht direkt an die Person übergeben werden kann, sondern zum Beispiel einem Nachbarn, einem Mitbewohner oder in den Briefkasten gelegt wird. Die Zustellungsurkunde hält dann fest, wie und wo die Ersatzzustellung erfolgt ist (z.B. „in den Briefkasten gelegt“ oder „Nachbarin Frau Müller übergeben“). Das Dokument beweist zunächst, dass diese Ersatzzustellung stattgefunden hat, wie es in der Urkunde steht.

Allerdings ist diese Beweiskraft nicht absolut und unumstößlich. Sie kann erschüttert werden. Das bedeutet, dass man vor Gericht zeigen kann, dass die Angaben in der Zustellungsurkunde nicht korrekt sind. Stellen Sie sich vor, die Urkunde besagt, das Dokument wurde in den Briefkasten gelegt, aber der Briefkasten war zu diesem Zeitpunkt defekt oder gar nicht vorhanden. Oder sie besagt, es wurde einem Nachbarn übergeben, den es gar nicht gibt.

Wenn Sie behaupten, dass die Zustellung trotz der Urkunde nicht korrekt war oder das Dokument Sie nicht erreicht hat, müssen Sie dies beweisen. Sie müssen also konkrete Tatsachen vortragen und Beweise vorlegen, die klar machen, dass die Angaben in der Zustellungsurkunde falsch sind. Ein einfaches „Ich habe nichts bekommen“ reicht meistens nicht aus, um die hohe Beweiskraft der amtlichen Urkunde zu widerlegen. Sie müssen das Gericht überzeugen, dass die Zustellung anders verlaufen ist, als in der Urkunde beschrieben.

Wenn Sie glaubwürdige Beweise dafür vorlegen, dass die Zustellungsurkunde fehlerhaft ist und die Zustellung daher nicht wirksam war, muss das Gericht diesen Beweisen nachgehen. Das Gericht prüft dann, ob die Zustellung tatsächlich so stattgefunden hat, wie es die Urkunde bescheinigt, oder ob Ihre Gegenbeweise die Urkunde widerlegen. Kann das Gericht nicht mehr davon ausgehen, dass die Zustellung korrekt war, weil Ihre Beweise Zweifel begründen, kann die Zustellung als unwirksam betrachtet werden.


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Was kann ich tun, wenn ich eine Ersatzzustellung bestreiten möchte?

Eine Ersatzzustellung liegt vor, wenn ein wichtiges Dokument, zum Beispiel von einem Gericht oder einer Behörde, nicht persönlich an Sie übergeben werden konnte, sondern stattdessen zum Beispiel bei einem Nachbarn, einem Familienangehörigen in Ihrer Wohnung oder an Ihrem Arbeitsplatz abgegeben oder in Ihren Briefkasten gelegt wurde. Sie möchten eine solche Zustellung möglicherweise bestreiten, weil Sie das Dokument tatsächlich nicht erhalten haben und deshalb zum Beispiel eine wichtige Frist verpasst haben.

Wenn Sie die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung anzweifeln, weil das Dokument Sie Ihrer Meinung nach nicht erreicht hat, ist es wichtig zu wissen, dass das Gesetz Wege vorsieht, um dies gerichtlich oder behördlich prüfen zu lassen.

Wie kann man eine Ersatzzustellung in Frage stellen?

Die Art und Weise, wie Sie gegen eine fehlerhafte Zustellung vorgehen können, hängt entscheidend davon ab, welches Dokument Ihnen zugestellt wurde und in welchem Verfahren (z.B. Zivilprozess, Strafverfahren, Verwaltungsverfahren) dies geschah.

  • Handelt es sich zum Beispiel um ein Urteil, einen Strafbefehl oder einen Vollstreckungsbescheid, gibt es spezielle Rechtsbehelfe wie den Einspruch. Hier machen Sie geltend, dass die Zustellung nicht ordnungsgemäß war und Sie das Dokument nicht erhalten haben.
  • Bei anderen gerichtlichen Entscheidungen oder behördlichen Bescheiden kann eine Beschwerde oder ein Widerspruch der passende Weg sein.

In jedem Fall müssen Sie sich formell an das Gericht oder die Behörde wenden, das/die das Dokument verschickt hat. Sie müssen klar darlegen, warum Sie die Zustellung für unwirksam halten.

Fristen sind entscheidend

Bei der Anfechtung einer Zustellung sind unbedingt gesetzliche Fristen zu beachten. Diese Fristen sind oft sehr kurz und beginnen in der Regel mit dem Zeitpunkt, zu dem Sie nachweisen können, dass Sie tatsächlich Kenntnis von dem Dokument erhalten haben oder hätten erhalten müssen. Die genauen Fristen ergeben sich aus den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften, die für das spezifische Verfahren gelten. Das Verstreichenlassen dieser Fristen kann gravierende Folgen haben, da das Dokument und die damit verbundenen Entscheidungen dann oft als wirksam gelten, auch wenn die Zustellung ursprünglich fehlerhaft war.

Hilfreiche Beweismittel

Um Ihre Behauptung, dass die Zustellung nicht wirksam war oder Sie das Dokument nicht erhalten haben, zu untermauern, können Sie verschiedene Beweismittel vorlegen:

  • Eine Meldebescheinigung: Diese kann belegen, dass Sie zum Zeitpunkt der Zustellung nicht an der angegebenen Adresse gemeldet waren.
  • Zeugenaussagen: Personen, die bezeugen können, dass Sie zum Zeitpunkt der Zustellung abwesend waren (z.B. im Urlaub, im Krankenhaus) oder dass die Zustellungsperson nicht versucht hat, Sie persönlich anzutreffen, können wichtige Zeugen sein. Auch der Ersatzempfänger kann aussagen, unter welchen Umständen er das Dokument erhalten hat und ob er Sie zeitnah erreichen konnte.
  • Reiseunterlagen, ärztliche Atteste oder andere Dokumente, die Ihre Abwesenheit oder Unfähigkeit, die Post zu erhalten, belegen.
  • Fotos oder andere Beweise für Mängel am Briefkasten oder der Wohnsituation, die eine ordnungsgemäße Zustellung verhindern.

Das Ziel ist es, dem Gericht oder der Behörde glaubhaft zu machen, dass die Zustellung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach oder Sie trotz der Zustellung keine Möglichkeit hatten, von dem Inhalt des Dokuments rechtzeitig Kenntnis zu nehmen. Wenn Sie damit Erfolg haben, wird die Zustellung als unwirksam betrachtet.


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Welche Rolle spielt der Wohnsitz bei der Zustellung von Dokumenten?

Die Zustellung von Dokumenten, insbesondere von Gerichten oder Behörden, ist ein formaler Schritt, der sicherstellen soll, dass Sie offizielle Schreiben auch tatsächlich erhalten und zur Kenntnis nehmen können. Der Wohnsitz spielt dabei eine zentrale Rolle, da er in der Regel als die Adresse gilt, an die solche wichtigen Schriftstücke rechtlich wirksam gesendet werden können.

Warum die korrekte Adresse entscheidend ist

Eine Zustellung bedeutet, dass ein Dokument einer Person in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Form übergeben wird. Nur wenn diese Form eingehalten wird und das Dokument als zugestellt gilt, können damit rechtliche Wirkungen verbunden sein, wie zum Beispiel der Beginn einer Frist. Ein Dokument, das an eine falsche oder veraltete Adresse gesendet wird, kann grundsätzlich nicht ordnungsgemäß zugestellt werden und erreicht Sie möglicherweise nicht.

Was im rechtlichen Sinn „Wohnsitz“ bedeutet

Ihr Wohnsitz im rechtlichen Sinne ist der Ort, an dem Sie tatsächlich leben und den Mittelpunkt Ihrer Lebensinteressen haben. Das ist nicht nur die Adresse, an der Sie gemeldet sind, sondern vor allem der Ort, an dem Sie sich überwiegend aufhalten und Ihre sozialen Bindungen haben.

Die Pflicht zur Adressaktualisierung

Jeder Bürger in Deutschland hat die gesetzliche Pflicht, seinen Wohnsitz bei der zuständigen Behörde (Einwohnermeldeamt) zu melden und jede Änderung unverzüglich anzuzeigen (Meldepflicht). Wenn Sie an einem Gerichtsverfahren beteiligt sind, ist es darüber hinaus sehr wichtig, dem Gericht Ihre aktuelle und korrekte Adresse mitzuteilen und jede Änderung sofort bekannt zu geben.

Was passiert bei Umzug ohne Mitteilung an das Gericht?

Wenn Sie umziehen und dem Gericht, das Ihnen Dokumente zustellen möchte, Ihre neue Adresse nicht mitteilen, kann es problematisch werden. Das Gericht ist unter Umständen berechtigt, weiterhin an Ihre letzte bekannte Adresse zuzustellen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gesetz sogar davon ausgehen, dass Ihnen das Dokument an dieser alten Adresse wirksam zugestellt wurde, auch wenn Sie es dort nicht mehr empfangen haben.

Das bedeutet für Sie: Wichtige Dokumente und darin enthaltene Fristen können rechtlich bindend werden, ohne dass Sie davon erfahren. Dies kann schwerwiegende Nachteile nach sich ziehen, da Sie möglicherweise Gelegenheiten zur Reaktion oder Verteidigung verpassen. Die Verantwortung, für die Erreichbarkeit unter der aktuellen Adresse zu sorgen, liegt beim Bürger.


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Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung, wenn mein Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid abgelehnt wurde?

Wenn Sie gegen einen Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt haben, wird das Verfahren von einem Mahnverfahren in ein reguläres Gerichtsverfahren umgewandelt. Das Gericht prüft dann den Anspruch, der dem Vollstreckungsbescheid zugrunde liegt, umfassend. Die Entscheidung des Gerichts in diesem Verfahren ergeht in der Regel als Urteil.

Wenn das Gericht mit seinem Urteil entscheidet, dass der Anspruch besteht – was Sie als „Ablehnung des Einspruchs“ wahrnehmen könnten –, dann ist dieses Urteil die neue Grundlage. Gegen dieses Urteil stehen Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel zur Verfügung.

Das typische Rechtsmittel gegen ein Urteil im Zivilverfahren der ersten Instanz ist die Berufung.

Was bedeutet Berufung?

Mit der Berufung können Sie das Urteil des Gerichts der ersten Instanz von einem höheren Gericht (meist Landgericht oder Oberlandesgericht, je nach Streitwert) überprüfen lassen. Das Berufungsgericht betrachtet den Fall oft noch einmal weitgehend neu, sowohl hinsichtlich der Fakten als auch der rechtlichen Bewertung.

Unter welchen Voraussetzungen kann Berufung eingelegt werden?

Eine Berufung ist nicht immer möglich. Meistens hängt es vom Wert des Streitgegenstandes ab. Liegt dieser über einem bestimmten Betrag (aktuell meist 600 Euro), ist die Berufung in der Regel zulässig. Auch wenn der Streitwert darunter liegt, kann die Berufung vom ersten Gericht im Urteil oder vom Berufungsgericht auf Antrag zugelassen werden, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil fehlerhaft erscheint.

Fristen und Formvorschriften bei der Berufung

Die Einlegung der Berufung unterliegt strengen Fristen und Formvorschriften. Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt in der Regel einen Monat. Diese Frist beginnt ab der Zustellung des vollständigen Urteils des Gerichts der ersten Instanz. Innerhalb dieser Frist müssen Sie die Berufung beim zuständigen Berufungsgericht einlegen. Später muss die Berufung auch begründet werden. Für die Begründung gilt meist eine weitere Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils.

Weitere Rechtsmittel: Die Revision

Nach einer Entscheidung im Berufungsverfahren (durch Urteil) kann unter nochmals strenger gefassten Voraussetzungen die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zulässig sein. Die Revision prüft das Urteil des Berufungsgerichts aber nur noch auf Rechtsfehler, nicht mehr auf die Feststellung von Tatsachen. Sie wird nur in seltenen Fällen zugelassen, oft wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsgericht von Entscheidungen höherer Gerichte abweicht.

Für Sie ist relevant zu wissen: Wenn das Gericht nach Ihrem Einspruch ein Urteil gegen Sie fällt, ist die Berufung das standardmäßige Rechtsmittel, das Sie prüfen können, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Das Verfahren erfordert die Einhaltung genauer Fristen und formaler Anforderungen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Vollstreckungsbescheid

Ein Vollstreckungsbescheid ist ein gerichtliches Schreiben, mit dem ein Gläubiger das Recht erhält, eine Geldforderung zwangsweise durchzusetzen, beispielsweise durch Kontopfändung. Er wird häufig nach einem Mahnverfahren erlassen, wenn der Schuldner dem Mahnbescheid nicht widersprochen hat (§ 688 ff. ZPO). Der Vollstreckungsbescheid hat die Wirkung eines vollstreckbaren Titels, das heißt, der Gläubiger kann auf dessen Grundlage Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Der Schuldner kann gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch einlegen, damit die Forderung in einem regulären Gerichtsverfahren geprüft wird.


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Ersatzzustellung

Die Ersatzzustellung ist eine besondere Form der Zustellung, die greift, wenn eine persönliche Übergabe eines Schriftstücks an den Empfänger nicht möglich ist (§§ 178, 180 ZPO). Dabei wird das Dokument zum Beispiel in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen oder einer anderen anwesenden Person übergeben, wenn der Empfänger vorübergehend nicht erreichbar ist und tatsächlich an der angegebenen Adresse wohnt. Für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung ist entscheidend, dass der Empfänger zum Zeitpunkt der Zustellung seinen Lebens- oder Geschäftspunkt an der Adresse hat. Die Ersatzzustellung gilt als wirksam, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen beachtet werden und eine entsprechende Zustellungsurkunde vorliegt.


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Zustellung

Zustellung bezeichnet die formelle Übermittlung eines amtlichen Dokuments oder Schriftstücks an eine bestimmte Person, wodurch rechtliche Fristen in Gang gesetzt oder Rechte und Pflichten ausgelöst werden (§ 166 ZPO). Die Zustellung muss so erfolgen, dass der Empfänger das Dokument tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann, meist durch persönliche Übergabe oder durch Ersatzzustellung. Eine wirksame Zustellung ist Voraussetzung dafür, dass der Empfänger von der Verfügung oder Entscheidung rechtlich gebunden ist. Ist der tatsächliche Wohnsitz des Empfängers ungeklärt oder unzutreffend angegeben, kann die Zustellung unwirksam sein.


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Einspruch

Der Einspruch ist ein formelles Rechtsmittel, mit dem der eingeschriebene Empfänger eines Vollstreckungsbescheids gegen diesen vorgeht (§ 694 ZPO). Mit dem Einspruch kann der Schuldner beantragen, die Zwangsvollstreckung zu stoppen und die Rechtmäßigkeit der Forderung in einem regulären Gerichtsverfahren überprüfen zu lassen. Der Einspruch bewirkt die Umwandlung des Mahnverfahrens in ein streitiges Verfahren, in dem der Sachverhalt vollständig geklärt wird. Wird der Einspruch untätig oder unzulässig verworfen, wird der Vollstreckungsbescheid endgültig rechtskräftig.


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Rechtliches Gehör

Das rechtliche Gehör ist ein Grundprinzip des Verfahrensrechts, das jedem Beteiligten das Recht einräumt, vor einer gerichtlichen Entscheidung seine Sichtweise darzustellen und die relevanten Tatsachen und Argumente vorzubringen (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Gericht muss diese Ausführungen anhören, berücksichtigen und in seiner Entscheidung würdigen. Wird dieses Recht verletzt, etwa wenn das Gericht wesentliche Argumente unberücksichtigt lässt oder dem Beteiligten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, ist die Entscheidung anfechtbar. Im beschriebenen Fall bedeutete die Missachtung des rechtlichen Gehörs, dass das Landgericht den Einspruch ohne ausreichende Berücksichtigung der Angaben der Schuldnerin abgewiesen hat.


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Berufung

Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Urteile eines erstinstanzlichen Gerichts, mit dem eine Überprüfung des Urteils durch ein höheres Gericht angestrebt wird (§§ 511 ff. ZPO). Sie ermöglicht es, sowohl Tatsachen als auch Rechtsfragen erneut prüfen zu lassen, um Fehler im erstinstanzlichen Verfahren zu korrigieren. Berufung kann innerhalb bestimmter Fristen eingelegt werden, wenn gesetzliche Voraussetzungen wie der Streitwert erfüllt sind. Im vorliegenden Fall legte die Schuldnerin Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein, um die unzulässige Verwerfung ihres Einspruchs überprüfen zu lassen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 178 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Voraussetzungen der Ersatzzustellung, insbesondere dass eine Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten nur wirksam ist, wenn der Empfänger tatsächlich an der Zustelladresse wohnt. Dies schützt vor unrechtmäßiger Zustellung und wahrt die Formstrenge bei Verfahrenshandlungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob die Schuldnerin tatsächlich an der angegebenen Adresse wohnte, bevor der Vollstreckungsbescheid als zugestellt gelten konnte.
  • § 180 Zivilprozessordnung (ZPO): Bestimmt, dass die Zustellung unter anderem durch Einwurf in den Briefkasten erfolgen kann, sofern dieser dem Empfänger zugeordnet ist und der Empfänger an der Adresse wohnt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids per Einwurf in den Briefkasten war streitig, da die Schuldnerin angab, dort nicht mehr wohnhaft zu sein.
  • Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG): Verbürgt das Recht auf rechtliches Gehör, wonach jede Partei in einem Gerichtsverfahren vor Entscheidung angehört und ihr Vorbringen berücksichtigt werden muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht hat das rechtliche Gehör der Schuldnerin verletzt, indem es ihre substantiierten Angaben zum Ausland nicht richtig berücksichtigte und ihr keine Stellungnahme zum Antrag der Gläubigerin ermöglichte.
  • § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Ermöglicht dem Berufungsgericht, eine Sache wegen Verfahrensmängeln an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, wenn die weitere Behandlung dort zweckmäßiger ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG verwies die Sache zurück an das Landgericht, da dort die Feststellung zum Wohnsitz und die materielle Prüfung des Einspruchs noch zu erfolgen hatten.
  • Postzustellungsurkunde (PZU) und Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Die PZU belegt den Zustellvorgang an einer Adresse, ohne jedoch zu bestätigen, dass die Adresse tatsächlich der Wohnsitz des Empfängers ist; dies ist durch die Rechtsprechung als nicht beweiskräftig für die Wohnsitzfrage anerkannt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gläubigerin konnte trotz Vorlage der PZU nicht beweisen, dass die Wohnung der Schuldnerin war; das OLG lehnte eine Umkehr der Beweislast ab.
  • Grundsatz der Rechtssicherheit und Formstrenge im Zustellungsrecht: Zustellungen müssen klar und nachvollziehbar erfolgen, um die Verlässlichkeit gerichtlicher Verfahren sicherzustellen; der bloße Anschein einer Wohnung (z.B. Namensschild am Briefkasten) reicht für eine wirksame Zustellung nicht aus. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG wies die Berufung der Gläubigerin zurück, weil das Landgericht ohne Feststellung des tatsächlichen Lebensmittelpunkts keine wirksame Zustellung annehmen durfte.

Das vorliegende Urteil


OLG Stuttgart – Az.: 6 U 153/24 – Urteil vom 13.05.2025


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