Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Fahrradunfall beim Überholen: Gerichtsurteil klärt Haftung und den erforderlichen Seitenabstand zwischen Radfahrern
- Ausgangssituation: Fahrradunfall auf Radweg nach Überholmanöver und erhebliche Verletzungen
- Streitpunkt: War der Seitenabstand beim Überholen ausreichend und führte ein Zuruf zum Sturz?
- Entscheidung des Amtsgerichts Neunkirchen: Keine Haftung des Überholenden mangels Beweis
- Berufung vor dem Landgericht Saarbrücken: Gestürzter Radfahrer hält an Forderungen fest
- Endgültiges Urteil: Landgericht Saarbrücken weist Berufung zurück – Keine Haftung für Sturz
- Entscheidungsgründe des Landgerichts: Warum der überholende Radfahrer nicht haftet
- Kosten des Verfahrens und weitere Entscheidungen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche allgemeinen Pflichten haben Radfahrer im Straßenverkehr, insbesondere auf Radwegen?
- Welchen Seitenabstand müssen Radfahrer beim Überholen anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere anderer Radfahrer, einhalten?
- Inwieweit kann ein „Erschrecken“ oder eine „Schreckreaktion“ eines Radfahrers als Ursache für einen Sturz und daraus resultierende Schadensersatzansprüche relevant sein?
- Welche Rolle spielt das Tragen eines Fahrradhelms bei der Beurteilung von Schadensersatzansprüchen nach einem Fahrradunfall?
- Welche Beweismittel sind in einem Rechtsstreit nach einem Fahrradunfall relevant und wie können diese zur Klärung des Unfallhergangs beitragen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 13 S 94/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Saarbrücken
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Haftungsrecht, Verkehrszivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Fahrer eines E-Bikes, der während eines Überholvorgangs auf einem Radweg stürzte. Er verlangte Schadensersatz vom überholenden Radfahrer, da dieser ihn durch zu geringen Abstand und einen Zuruf erschreckt habe.
- Beklagte: Der Fahrer eines Fahrrads, der den Kläger auf einem Radweg überholte. Er behauptete, das Überholen angekündigt zu haben und der Kläger plötzlich nach links gezogen sei, woraufhin er selbst ausgewichen sei.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein E-Bike-Fahrer stürzte auf einem Radweg, als er von einem anderen Radfahrer überholt wurde, der zuvor das Überholen ankündigte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der überholende Radfahrer für den Sturz haftet, insbesondere wegen des Seitenabstands beim Überholen und einer möglichen Schreckreaktion des Überholten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Saarbrücken wies die Berufung des gestürzten Radfahrers gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück, wodurch dessen Klage auf Schadensersatz endgültig abgewiesen wurde.
- Begründung: Das Gericht sah keine Pflichtverletzung des überholenden Radfahrers. Ein Seitenabstand von ca. 60 cm auf einem 2,20 m breiten Radweg bei angekündigtem Überholen wurde als ausreichend erachtet, und das plötzliche Linkslenken des gestürzten Fahrers sei dem Überholenden nicht anzulasten.
- Folgen: Der gestürzte Radfahrer erhielt keinen Schadensersatz und musste die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Fahrradunfall beim Überholen: Gerichtsurteil klärt Haftung und den erforderlichen Seitenabstand zwischen Radfahrern
Ein alltäglicher Vorgang auf deutschen Radwegen – das Überholen eines langsameren Fahrradfahrers – führte zu einem Sturz mit erheblichen Verletzungen und landete schließlich vor Gericht.

Das Landgericht Saarbrücken musste in einem Berufungsverfahren klären, ob der überholende Radfahrer für den Sturz des anderen haftbar gemacht werden kann. Im Mittelpunkt standen dabei die Fragen nach dem ausreichenden Seitenabstand beim Überholen zwischen Fahrrädern und ob eine Schreckreaktion des überholten Radfahrers dem Überholenden angelastet werden kann. Das Urteil liefert wichtige Klarstellungen für das Miteinander auf dem Radweg.
Ausgangssituation: Fahrradunfall auf Radweg nach Überholmanöver und erhebliche Verletzungen
An einem nicht näher genannten Tag befuhr ein Mann mit seinem E-Bike (Pedelec), das bauartbedingt eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreicht, einen linksseitig zur Fahrbahn gelegenen, asphaltierten Radweg. Er kam dabei von einer rechts einmündenden Zuwegung. Wichtig zu erwähnen ist, dass der E-Bike-Fahrer keinen Fahrradhelm trug. Hinter ihm näherte sich ein anderer Mann auf einem herkömmlichen Fahrrad. Dieser kündigte sein Überholmanöver nicht mit einer Klingel an, sondern rief dem vor ihm Fahrenden zu: „Vorsicht, ich möchte vorbei…“. Unmittelbar danach setzte der hintere Radfahrer zum Überholen an. Während dieses Überholvorgangs stürzte der E-Bike-Fahrer.
Die Folgen des Sturzes waren für den E-Bike-Fahrer gravierend: Er erlitt eine große, sichelförmige Platzwunde am Kopf, die im Krankenhaus mit 17 Klammern versorgt und dreimal ärztlich nachbehandelt werden musste. Zusätzlich zog er sich Prellungen an der Schulter und am rechten Knie zu. Aufgrund dieser Verletzungen war er 28 Tage arbeitsunfähig. Er gab weiterhin an, dass er nach dem Unfall zwei Monate lang nicht am Straßenverkehr teilnehmen konnte, da seine Kopfbeweglichkeit stark eingeschränkt war. Auch zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlungen litt er nach eigenen Angaben noch unter Narbenschmerzen.
Streitpunkt: War der Seitenabstand beim Überholen ausreichend und führte ein Zuruf zum Sturz?
Der gestürzte E-Bike-Fahrer forderte vom überholenden Radfahrer ein Schmerzensgeld von mindestens 4.200,00 Euro sowie die Übernahme seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Seine Argumentation stützte sich auf die Behauptung, der Radweg sei teilweise matschig gewesen, weshalb er zunächst mittig gefahren sei.
Die Sicht des gestürzten Radfahrers: Zu geringer Abstand und Schreckreaktion als Unfallursache
Der verletzte E-Bike-Fahrer schilderte, der andere Radfahrer habe sich mit höherer Geschwindigkeit genähert und sei vermutlich über seine Fahrweise verärgert gewesen. Nach dem kurzen Zuruf sei der andere Radfahrer auf engstem befahrbarem Raum an ihm vorbeigefahren. Dieses knappe Überholmanöver habe ihn, den E-Bike-Fahrer, so erschreckt, dass er sein Lenkrad verzogen habe und infolgedessen gestürzt sei. Er bewertete das Verhalten des Überholenden als grob fahrlässig, da der Radweg an der Unfallstelle verengt gewesen sei und er deshalb nicht nach rechts habe ausweichen können. Das Verhalten des Überholenden sei somit ursächlich für seinen Sturz und die erlittenen Verletzungen gewesen.
Die Verteidigung des überholenden Radfahrers: Korrektes Überholen und plötzliches Lenkmanöver des Gestürzten
Der überholende Radfahrer stellte den Unfallhergang anders dar. Er sei mit einem normalen Straßenrad unterwegs gewesen. Der E-Bike-Fahrer sei, nachdem er auf den Radweg eingebogen war, am rechten Rand gefahren. Der Radweg selbst sei zwar nass, aber nicht matschig gewesen; Matsch habe sich lediglich neben dem asphaltierten Bereich befunden. Er habe daher gefahrlos überholen können. Als er sich etwa auf gleicher Höhe mit dem E-Bike-Fahrer befand, habe dieser sein Pedelec plötzlich und unerwartet nach links gezogen. Um eine Kollision zu vermeiden, sei er, der überholende Radfahrer, daraufhin noch weiter nach links ausgewichen und außerhalb des Radweges auf dem matschigen Boden weitergefahren. Erst etwa 10 Meter nach diesem Ausweichmanöver habe er ein Sturzgeräusch hinter sich gehört. Eine Berührung der Fahrräder habe es nicht gegeben.
Entscheidung des Amtsgerichts Neunkirchen: Keine Haftung des Überholenden mangels Beweis
Das Amtsgericht Neunkirchen wies die Klage des gestürzten E-Bike-Fahrers in erster Instanz ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte, dass der überholende Radfahrer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt habe. Der gestürzte E-Bike-Fahrer trage hierfür die Beweislast.
Das Gericht stellte fest, dass es keine Berührung der beiden Fahrräder gegeben habe. Auch ein zu geringer Seitenabstand seitens des Überholenden konnte nicht nachgewiesen werden. Die Aussagen der beiden beteiligten Radfahrer zum Unfallhergang widersprachen sich fundamental, wobei das Gericht keiner der beiden Darstellungen einen Vorrang einräumen konnte.
Bei einem Ortstermin wurde der Radweg vermessen: Er wies eine Breite von 2,20 Metern auf. Unter Berücksichtigung der Lenkerbreiten der beteiligten Fahrräder (66 cm beim E-Bike des Gestürzten, 62 cm beim Fahrrad des Überholenden) verblieb laut Gericht eine Restbreite von mindestens 92 cm, was grundsätzlich zum Überholen ausreiche. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der E-Bike-Fahrer tatsächlich mittig gefahren sei, wie von ihm behauptet. Eine Nachstellung der Unfallsituation während des Ortstermins ergab einen wahrscheinlichen Seitenabstand von etwa 60 cm beim Überholvorgang, bevor der E-Bike-Fahrer nach links lenkte. Diesen Abstand bewertete das Amtsgericht auch unter Berücksichtigung möglicher leichter Schwankungen des überholten Radfahrers als ausreichend.
Ein Verschulden des überholenden Radfahrers sah das Gericht auch nicht darin, dass er nicht abgebremst habe, nachdem der E-Bike-Fahrer nach links gezogen sei. Es sei nicht einmal dargelegt worden, dass ein rechtzeitiges Bremsen in dieser Situation überhaupt noch möglich gewesen wäre. Der überholende Radfahrer hatte zudem angegeben, der E-Bike-Fahrer sei erst nach links gezogen, als er sich bereits auf gleicher Höhe befunden habe. Daraufhin sei er ausgewichen und habe so eine Berührung verhindert.
Berufung vor dem Landgericht Saarbrücken: Gestürzter Radfahrer hält an Forderungen fest
Mit dem Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen wollte sich der gestürzte E-Bike-Fahrer nicht zufriedengeben und legte Berufung beim Landgericht Saarbrücken ein. Er verfolgte seine ursprünglichen Forderungen nach Schmerzensgeld und Erstattung der Anwaltskosten in vollem Umfang weiter. In der Berufungsbegründung führte er nun primär an, er sei durch das laute Rufen des überholenden Radfahrers so erschrocken, dass dies zum Verreißen des Lenkrades und somit zum Sturz geführt habe. Außerdem sei die Feststellung des Amtsgerichts, dass sich die Kleidungsstücke der beiden Fahrer möglicherweise berührt hätten, unvereinbar mit der Annahme, es sei ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten worden.
Endgültiges Urteil: Landgericht Saarbrücken weist Berufung zurück – Keine Haftung für Sturz
Das Landgericht Saarbrücken schloss sich jedoch der Rechtsauffassung des Amtsgerichts an und wies die Berufung des gestürzten E-Bike-Fahrers als unbegründet zurück. Damit ist das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen rechtskräftig. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem unterlegenen E-Bike-Fahrer auferlegt. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts und das Berufungsurteil des Landgerichts wurden ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe des Landgerichts: Warum der überholende Radfahrer nicht haftet
Das Landgericht Saarbrücken prüfte die vom gestürzten E-Bike-Fahrer geltend gemachten Schadensersatzansprüche (Schmerzensgeld und Rechtsanwaltskosten) insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichen unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 Strafgesetzbuch (StGB).
Bindung an Feststellungen des Amtsgerichts und Beweiswürdigung
Das Berufungsgericht betonte, dass es gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) an die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden ist, sofern keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen. Solche Anhaltspunkte sah das Landgericht im vorliegenden Fall nicht. Das Amtsgericht habe sich in nicht zu beanstandender Weise mit den Anhörungen der beiden Radfahrer und der polizeilichen Ermittlungsakte auseinandergesetzt. Zudem habe es die Unfallsituation bei einem Ortstermin sorgfältig nachgestellt und gewürdigt. Die Berufungsbegründung des gestürzten Radfahrers versuche lediglich, seine eigene subjektive Einschätzung der Beweislage an die Stelle der sorgfältigen Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu setzen, ohne dabei jedoch Fehler wie Verstöße gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze oder eine unvollständige bzw. widersprüchliche Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Das Landgericht stellte klar, dass das Amtsgericht durchaus die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, dass sich die beiden Radfahrer während des Überholvorgangs sehr nahegekommen seien und es eventuell sogar zu einer leichten Berührung der Kleidung gekommen sein könnte. Dies sei jedoch – so die nicht zu beanstandende Schlussfolgerung des Amtsgerichts – auf eine Lenkbewegung des gestürzten E-Bike-Fahrers nach links zurückzuführen, die dem überholenden Radfahrer nicht angelastet werden könne. Auch mit der Behauptung des E-Bike-Fahrers, er sei durch den Zuruf des Überholenden erschrocken, habe sich das Amtsgericht auseinandergesetzt, dies jedoch nicht als erwiesen angesehen.
Seitenabstand zwischen Radfahrern: Weniger ist oft genug – Bezugnahme auf § 5 StVO
Ein zentraler Punkt in der Begründung des Landgerichts war die rechtliche Bewertung des Verhaltens des überholenden Radfahrers. Dieses sei weder als rechtswidrig noch als schuldhaft zu qualifizieren. Insbesondere liege kein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vor, der beim Überholen das Einhalten eines ausreichenden Seitenabstands vorschreibt.
Hierzu bezog sich das Gericht auf eine etablierte Rechtsprechung, namentlich ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 29. November 1989 (Az. 17 U 129/88). Laut dieser Entscheidung ist für das Überholen von Fahrradfahrern untereinander ein geringerer Seitenabstand ausreichend als beim Überholen von Fahrrädern durch Kraftfahrzeuge. Die Begründung dafür ist einleuchtend: Bei Kraftfahrzeugen sind aufgrund der höheren Geschwindigkeit, der größeren Masse, des beträchtlichen Luftzugs (Sogwirkung) und des dadurch entstehenden stärkeren subjektiven Bedrohungsgefühls für den Radfahrer deutlich größere Seitenabstände erforderlich. Diese Faktoren sind bei Überholvorgängen zwischen Radfahrern jedoch weit abgeschwächt. Das OLG Frankfurt hatte damals entschieden, dass bei einem angekündigten und vom Überholten auch zur Kenntnis genommenen Überholvorgang auf einem Radweg selbst dann ein Seitenabstand von 40 cm ausreicht, wenn dieser Radweg nur 1,70 Meter breit ist.
Konkrete Anwendung im Fall: 60 cm Abstand bei 2,20 m Radwegbreite als ausreichend bewertet
Im hier verhandelten Fall stellte das Landgericht Saarbrücken fest, dass der Radweg, wie vom Amtsgericht ermittelt, eine Breite von 2,20 Metern aufwies. Nach den bindenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand vor der unerwarteten Lenkbewegung des E-Bike-Fahrers nach links ein Seitenabstand von circa 60 cm zwischen den beiden Fahrrädern. Der überholende Radfahrer hatte das Überholen zudem unstreitig durch seinen Zuruf „Vorsicht, ich möchte vorbei…“ angekündigt, und der E-Bike-Fahrer hatte diesen Zuruf auch wahrgenommen.
Keine Schuld des Überholenden am Sturz durch Erschrecken oder Lenkfehler
Angesichts dieser Umstände – einer Radwegbreite von 2,20 Metern, eines angekündigten Überholvorgangs und eines zunächst eingehaltenen Seitenabstands von etwa 60 cm (der deutlich über den 40 cm liegt, die das OLG Frankfurt selbst auf einem wesentlich schmaleren Radweg für ausreichend erachtet hatte) – gab es nach Ansicht des Landgerichts Saarbrücken keinen nachvollziehbaren Anlass für ein Erschrecken des E-Bike-Fahrers, das zu einem Verreißen des Lenkers hätte führen können. Es sei nicht plausibel, warum dieser unter diesen Bedingungen plötzlich nach links gelenkt und sich dadurch dem überholenden Radfahrer gefährlich genähert haben sollte. Da das Verhalten des überholenden Radfahrers (Überholen mit ausreichendem Abstand und vorheriger Ankündigung) somit nicht als rechtswidrig oder schuldhaft eingestuft wurde, konnte auch keine Haftung für den Sturz des E-Bike-Fahrers und die daraus resultierenden Folgen festgestellt werden.
Kosten des Verfahrens und weitere Entscheidungen
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens fiel gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zulasten des gestürzten E-Bike-Fahrers, da er mit seiner Berufung keinen Erfolg hatte. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Urteile ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, da die Rechtssache nach Ansicht des Landgerichts keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zum Fahrradunfall beim Überholen klärt zentrale Fragen zum notwendigen Seitenabstand zwischen Radfahrern: Bei angekündigten Überholmanövern unter Radfahrern sind geringere Abstände (60 cm bei 2,20 m Radwegbreite) ausreichend als bei Kraftfahrzeugen gegenüber Radfahrern. Ein überholt werdender Radfahrer kann somit bei ausreichendem Abstand und vorheriger Ankündigung keinen Schadensersatz für einen Sturz fordern, der auf seine eigene Lenkbewegung zurückzuführen ist. Diese Entscheidung bietet wichtige Orientierung für Radfahrer im Alltag und grenzt Verantwortlichkeiten bei Überholmanövern auf Radwegen klar ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche allgemeinen Pflichten haben Radfahrer im Straßenverkehr, insbesondere auf Radwegen?
Radfahrer sind im Straßenverkehr vollwertige Teilnehmer und haben wie alle anderen Verkehrsteilnehmer Pflichten, die der Sicherheit aller dienen. Die wesentlichen Regeln für Radfahrer sind in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) festgelegt.
Grundlegende Pflichten für Radfahrer
Jeder, der mit dem Fahrrad unterwegs ist, muss sich an die allgemeinen Verkehrsregeln halten. Das bedeutet zum Beispiel:
- Rechtsfahrgebot: Grundsätzlich müssen Sie auf der rechten Fahrbahnseite fahren. Wenn Sie nebeneinander fahren, ist das meist nur erlaubt, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird.
- Abbiegen und Handzeichen: Vor dem Abbiegen müssen Sie den Richtungswechsel rechtzeitig und deutlich anzeigen. Dies geschieht in der Regel durch ein Handzeichen.
- Beachtung von Verkehrszeichen und Ampeln: Für Radfahrer gelten die gleichen Verkehrsschilder und Lichtzeichen (Ampeln) wie für Autofahrer.
- Rücksichtnahme: Sie müssen auf andere Verkehrsteilnehmer achten und dürfen diese nicht behindern oder gefährden, insbesondere Fußgänger.
- Verkehrssicherheit des Fahrrads: Ihr Fahrrad muss bestimmte Ausrüstung haben, um verkehrssicher zu sein. Dazu gehören funktionierende Bremsen, eine Klingel sowie die vorgeschriebene Beleuchtung und Reflektoren (besonders wichtig bei Dunkelheit oder schlechter Sicht).
- Fahrtüchtigkeit: Wie bei allen Fahrzeugführern ist es auch Radfahrern untersagt, unter Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zu fahren, wenn die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist.
Regeln auf Radwegen
Es gibt verschiedene Arten von Radverkehrsanlagen, wie separate Radwege, gemeinsame Geh- und Radwege oder Radfahrstreifen auf der Fahrbahn. Die Nutzung dieser Wege ist oft vorgeschrieben.
- Benutzungspflicht: Ein blaues, rundes Schild mit einem Fahrrad symbolisiert einen Radweg, der benutzt werden muss. Sie dürfen dann nicht auf der Fahrbahn fahren, es sei denn, es gibt bestimmte Ausnahmen (z.B. wenn der Radweg unbenutzbar ist).
- Gemeinsame Geh- und Radwege: Bei einem Schild, das einen Fußgänger und ein Fahrrad auf blauem Grund zeigt, müssen sich Radfahrer und Fußgänger den Weg teilen. Hier ist besondere Rücksicht auf Fußgänger geboten.
- Radfahrstreifen: Dies sind oft farblich markierte Bereiche auf der Fahrbahn. Sie sind ebenfalls benutzungspflichtig.
- Vorfahrt: Auch auf Radwegen oder beim Verlassen eines Radwegs gelten die allgemeinen Vorfahrtsregeln (z.B. „Rechts vor Links„, Schilder beachten). Es ist wichtig, an Kreuzungen oder Einmündungen besonders aufmerksam zu sein.
Die Einhaltung dieser Regeln trägt maßgeblich dazu bei, sicher unterwegs zu sein und Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern zu vermeiden.
Welchen Seitenabstand müssen Radfahrer beim Überholen anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere anderer Radfahrer, einhalten?
Beim Überholen anderer Verkehrsteilnehmer ist grundsätzlich ein ausreichender Seitenabstand einzuhalten. Das gilt auch für Radfahrer, wenn sie andere Radfahrer, Fußgänger oder andere Fahrzeuge überholen.
Es gibt keine starre gesetzliche Vorschrift, die vorschreibt, wie viele Zentimeter oder Meter Abstand Radfahrer beim Überholen voneinander halten müssen, insbesondere nicht beim Überholen anderer Radfahrer. Der Gesetzgeber fordert aber generell im Straßenverkehr, dass sich jeder so verhalten muss, dass niemand geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Dies ist die grundlegende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme.
Der notwendige Seitenabstand hängt stark von der konkreten Situation ab. Es kommt darauf an, dass der Abstand ausreicht, um ein sicheres Vorbeifahren zu gewährleisten und eine Gefährdung zu vermeiden.
Entscheidende Faktoren für einen ausreichenden Seitenabstand können sein:
- Die Geschwindigkeit: Je schneller überholt wird, desto größer sollte der Abstand sein.
- Die Breite des Weges: Auf einem engen Radweg ist es schwieriger, einen großen Abstand zu halten als auf einer breiter Straße. Trotzdem muss ein Überholen sicher möglich sein.
- Das Fahrverhalten der überholten Person: Fährt die Person unsicher oder schwankend (z.B. ein Kind oder jemand mit viel Gepäck), muss mehr Platz eingeplant werden.
- Die Fahrbahnbeschaffenheit: Schlaglöcher oder Hindernisse können dazu führen, dass die überholte Person oder der Überholende plötzlich ausweicht. Ein größerer Abstand gibt hier Sicherheit.
- Windverhältnisse: Starker Seitenwind kann das Gleichgewicht beeinträchtigen.
Stellen Sie sich vor, Sie überholen ein Kind auf einem Radweg. Hier ist besondere Vorsicht und ein größerer Abstand geboten als beim Überholen eines erfahrenen Radfahrers, der eine gerade Linie fährt.
Auch wenn kein fester Meterwert vorgeschrieben ist, muss der gewählte Abstand immer so groß sein, dass keine Gefahr durch plötzliche Bewegungen entsteht und das Überholen für beide Seiten sicher erfolgen kann. Im Zweifelsfall bedeutet ein ausreichender Abstand, dass ein Überholen unter den gegebenen Bedingungen vielleicht nicht möglich ist und man warten muss.
Inwieweit kann ein „Erschrecken“ oder eine „Schreckreaktion“ eines Radfahrers als Ursache für einen Sturz und daraus resultierende Schadensersatzansprüche relevant sein?
Ja, das Erschrecken oder eine Schreckreaktion eines Radfahrers kann rechtlich als Ursache für einen Sturz und mögliche Schadensersatzansprüche relevant sein. Juristisch spricht man hier von „Kausalität“. Es geht darum, ob ein bestimmtes Verhalten, zum Beispiel ein knapper Überholvorgang durch einen anderen Radfahrer, tatsächlich den Sturz des überholten Radfahrers verursacht hat.
Was bedeutet „Ursache“ rechtlich in diesem Fall?
Damit ein Verhalten als Ursache für einen Schaden (hier: den Sturz und die Folgen) gilt, muss es eine direkte Verbindung zwischen dem Verhalten und dem Schaden geben. Wenn ein Radfahrer durch ein plötzliches, unerwartetes oder gefährlich enges Überholen so erschrickt, dass er daraufhin stürzt, kann dieses Erschrecken als Auslöser und somit als Ursache des Sturzes gewertet werden. Es ist also denkbar, dass das Verhalten des Überholenden rechtlich für den Sturz verantwortlich gemacht werden kann, wenn es die Schreckreaktion und den anschließenden Sturz hervorgerufen hat.
Wer muss beweisen, dass das Erschrecken der Grund war?
Hier kommt die Beweislast ins Spiel. In der Regel muss derjenige, der einen Schaden erlitten hat und dafür Schadensersatz fordert, beweisen, dass der andere Verkehrsteilnehmer den Schaden verursacht hat. Für Sie als gestürzten Radfahrer bedeutet das: Sie müssen nachweisen, dass Ihr Sturz gerade auf diese Schreckreaktion zurückzuführen war und nicht auf einen anderen Grund. Ein Sturz kann viele Ursachen haben, zum Beispiel ein eigener Fahrfehler, eine Unachtsamkeit, eine Fahrbahnunebenheit oder ein technisches Problem am Fahrrad.
Wie beweist man den Zusammenhang zwischen Erschrecken und Sturz?
Diesen Nachweis zu führen, ist oft nicht einfach. Sie müssen glaubhaft darlegen können, dass das Verhalten des überholenden Radfahrers objektiv geeignet war, eine Schreckreaktion auszulösen, und dass diese Reaktion unmittelbar und direkt zu Ihrem Sturz führte.
Das Gericht oder die entscheidende Stelle prüft, ob es nach allgemeiner Lebenserfahrung und den Umständen des Einzelfalls plausibel ist, dass der Sturz durch das geschilderte Erschrecken verursacht wurde. Dabei können Zeugenaussagen eine wichtige Rolle spielen, die den Überholvorgang, Ihre Reaktion und den anschließenden Sturz beobachtet haben. Es muss nachvollziehbar sein, dass der Überholende beispielsweise zu dicht, zu schnell oder unerwartet überholt hat und dass Ihr Sturz eine natürliche und unmittelbare Folge der Schreckreaktion war, die durch dieses Überholen ausgelöst wurde. Sie müssen darlegen, dass der Sturz ohne dieses spezifische Ereignis (das überholende Verhalten, das zum Erschrecken führte) nicht passiert wäre.
Welche Rolle spielt das Tragen eines Fahrradhelms bei der Beurteilung von Schadensersatzansprüchen nach einem Fahrradunfall?
In Deutschland gibt es keine allgemeine gesetzliche Pflicht, beim Fahrradfahren einen Helm zu tragen. Das bedeutet, dass Sie nicht gegen ein Gesetz verstoßen, wenn Sie ohne Helm unterwegs sind.
Allerdings kann das Nicht-Tragen eines Helms nach einem Unfall eine Rolle bei der Höhe Ihres Schadensersatzanspruchs spielen. Dieser Anspruch bezieht sich auf die Forderung nach Ausgleich von Schäden, die Ihnen durch den Unfall entstanden sind, zum Beispiel für Arztkosten, Verdienstausfall oder Schmerzensgeld.
Hier kommt das Prinzip des Mitverschuldens ins Spiel. Stellen Sie sich vor, ein anderer Verkehrsteilnehmer hat den Unfall verursacht. Wenn Sie aber durch Ihr eigenes Verhalten dazu beigetragen haben, dass Ihr Schaden – insbesondere Verletzungen am Kopf – schlimmer ausgefallen ist, als er mit Helm gewesen wäre, kann Ihnen ein Teil der Verantwortung für diesen erhöhten Schaden zugerechnet werden. Dies wird als Mitverschulden bezeichnet.
Die wichtige Bedingung dafür ist: Es muss im konkreten Fall nachgewiesen werden, dass die Kopfverletzungen durch das Tragen eines geeigneten Helms hätten verhindert oder zumindest deutlich gemindert werden können. Wenn dies der Fall ist und Ihnen Mitverschulden vorgeworfen wird, kann das dazu führen, dass Ihr Anspruch auf Schadensersatz reduziert wird. Das Gericht prüft dann, in welchem Umfang das Nicht-Tragen des Helms zu den erlittenen Verletzungen beigetragen hat.
Kurz gesagt: Obwohl keine Helmpflicht besteht, kann das Fehlen eines Helms im Einzelfall zu einer Kürzung des Schadensersatzes führen, wenn dadurch Kopfverletzungen schwerwiegender wurden.
Welche Beweismittel sind in einem Rechtsstreit nach einem Fahrradunfall relevant und wie können diese zur Klärung des Unfallhergangs beitragen?
In einem Gerichtsverfahren nach einem Fahrradunfall geht es darum, den genauen Hergang zu klären und festzustellen, wer welche Verantwortung trägt. Das Gericht stützt sich dabei auf verschiedene Informationen, die als Beweismittel dienen. Diese helfen dem Gericht, sich ein Bild von den Ereignissen zu machen.
Wichtige Arten von Beweismitteln
Um den Unfallhergang zu verstehen und zu bewerten, werden in der Regel verschiedene Arten von Beweismitteln herangezogen:
- Zeugenaussagen: Personen, die den Unfall beobachtet haben, können vor Gericht ihre Beobachtungen schildern. Dazu gehören andere Verkehrsteilnehmer, Passanten oder Begleiter. Ihre Aussagen sind oft entscheidend, um Details wie Geschwindigkeiten, Abstände, Ampelschaltungen oder das Verhalten der Beteiligten direkt nach dem Unfall zu erfahren. Das Gericht beurteilt die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Nachvollziehbarkeit ihrer Schilderungen.
- Sachverständigengutachten: Wenn technische Fragen auftauchen oder der Unfallhergang komplex ist, kann das Gericht einen Sachverständigen beauftragen. Ein Unfallanalytiker kann beispielsweise anhand von Schäden an den Fahrzeugen, Spuren auf der Straße oder der Unfallstelle den Ablauf rekonstruieren. Ein medizinischer Sachverständiger kann die Art und Schwere der Verletzungen beurteilen und klären, ob diese zum Unfall passen. Solche Gutachten liefern oft wissenschaftliche oder technische Erklärungen.
- Fotos und Videos: Bilder oder Videos von der Unfallstelle, den beteiligten Fahrzeugen (Fahrrad, Auto etc.) und den Verletzungen sind sehr anschauliche Beweismittel. Sie dokumentieren den Zustand direkt nach dem Unfall, die Positionen der Fahrzeuge, Schäden, Bremsspuren oder die örtlichen Gegebenheiten (z.B. Beschilderung, Straßenzustand).
- Polizeilicher Unfallbericht: Die Polizei nimmt oft den Unfall auf. Der Bericht enthält Feststellungen der Beamten, Angaben der Beteiligten und Zeugen sowie Skizzen. Dieser Bericht dient dem Gericht als wichtige Informationsquelle, ist aber nicht selbst das endgültige Beweismittel. Das Gericht prüft die darin enthaltenen Informationen selbst.
- Ärztliche Unterlagen und Atteste: Dokumente von behandelnden Ärzten oder Krankenhäusern belegen die erlittenen Verletzungen, die notwendige Behandlung und den Heilungsverlauf. Sie sind wichtig, um das Ausmaß des Schadens zu erfassen, insbesondere bei Personenschäden.
Wie das Gericht Beweise würdigt
Das Gericht betrachtet alle vorliegenden Beweismittel gemeinsam und bewertet sie nach der sogenannten freien richterlichen Beweiswürdigung. Das bedeutet, das Gericht ist nicht an eine bestimmte Reihenfolge oder Gewichtung der Beweise gebunden. Es prüft die Glaubwürdigkeit der Zeugen, die Überzeugungskraft der Gutachten, die Aussagekraft von Fotos und den Inhalt von Dokumenten.
Ziel ist es, aus der Gesamtheit der Beweise die volle Überzeugung vom tatsächlichen Unfallhergang zu gewinnen. Das Gericht bildet sich also auf Basis aller gesammelten Informationen und deren Bewertung eine eigene Meinung darüber, wie sich der Unfall ereignet hat und wer dafür verantwortlich ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Beweislast
Die Beweislast bezeichnet im Recht die Pflicht einer Partei, die Behauptung, die sie vor Gericht aufstellt, mit Beweisen zu belegen. Im vorliegenden Fall trifft die Beweislast den gestürzten E-Bike-Fahrer, der nachweisen muss, dass der überholende Radfahrer schuldhaft den Unfall verursacht hat. Ohne diesen Nachweis wird seine Klage abgewiesen. Beispiel: Wenn jemand verlangt, dass ein anderer für einen Schaden aufkommt, muss er zunächst zeigen, dass dieser den Schaden verursacht hat, sonst wird ihm nicht stattgegeben.
Unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB
Eine unerlaubte Handlung liegt vor, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt und dadurch zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. Im Fall des Fahrradunfalls bedeutet das, dass geprüft wird, ob der Überholende durch sein Verhalten die körperlichen Verletzungen des E-Bike-Fahrers verursacht hat. Nur wenn dies rechtswidrig und schuldhaft geschah, besteht eine Haftung. Beispiel: Wer durch unvorsichtiges Autofahren einen Fußgänger verletzt, begeht eine unerlaubte Handlung und muss Schadenersatz leisten.
Schmerzensgeld
Schmerzensgeld ist ein Geldbetrag, den eine verletzte Person als Ausgleich für erlittene körperliche oder seelische Schmerzen sowie immaterielle Beeinträchtigungen nach einem Unfall erhält. Im Fahrradfall fordert der Verletzte Schmerzensgeld für Kopfverletzungen und die langfristigen gesundheitlichen Folgen. Dieses Entgelt dient dem Ausgleich von nicht materiellen Schäden, die über bloße Behandlungskosten hinausgehen. Beispiel: Nach einem Unfall, bei dem jemand dauerhaft Schmerzen behält, zahlt der Schädiger oft Schmerzensgeld als Anerkennung dieser Belastung.
Seitenabstand gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO
Der Seitenabstand beim Überholen regelt, wie viel Platz ein Fahrzeugführer mindestens zum Überholten lassen muss, um eine Gefährdung oder Behinderung zu vermeiden. Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss beim Überholen ein ausreichend großer Abstand eingehalten werden. Im Fall des Überholens zwischen Radfahrern gilt – anders als bei Kraftfahrzeugen – ein geringerer Abstand als beispielsweise 1,5 Meter. Das Gericht akzeptierte hier etwa 40 cm als ausreichend. Beispiel: Beim schnellen Überholen in einem Auto überholt man mit mindestens 1,5 Meter Abstand, Radfahrer können enger vorbeifahren, ohne andere gefährlich zu bedrängen.
Beweiswürdigung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
Die Beweiswürdigung bezeichnet die richterliche Bewertung aller vorgelegten Beweise und Zeugenaussagen, um die Wahrheit des Sachverhalts festzustellen. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist das Berufungsgericht an die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, sofern keine gravierenden Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Im Fahrradfall bestätigte das Landgericht die sorgfältige und widerspruchsfreie Beweiswürdigung des Amtsgerichts, was für die Ablehnung der Klage entscheidend war. Beispiel: Im Prozess überprüft das Berufungsgericht die vorgebrachten Beweise des ersten Gerichts nur bei gewichtigen Fehlern, sonst übernimmt es dessen Entscheidung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt die Haftung für unerlaubte Handlungen bei Verletzung eines Rechtsguts wie Leben, Körper oder Eigentum durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten. Derjenige, der schuldhaft einen Schaden verursacht, ist zum Schadensersatz verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der geschädigte E-Bike-Fahrer verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen erlittenen Verletzungen, was auf eine Haftung des Überholenden für eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB gestützt wird.
- § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Gibt vor, dass beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand einzuhalten ist, um die Sicherheit der überholten Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Daraus folgt, dass der Überholende so viel Abstand halten muss, wie die Verkehrssicherheit erfordert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Streitfrage ist, ob der Überholende den vorgeschriebenen Seitenabstand beim Überholen eingehalten hat; das Gericht erkannte den Abstand von etwa 60 cm auf einem 2,20 Meter breiten Radweg als ausreichend an.
- § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB (Körperverletzung): Beinhaltet die Haftung für fahrlässige Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit. Körperverletzung kann zivilrechtlich zu Schadensersatz führen, wenn fahrlässiges Verhalten ursächlich war. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der E-Bike-Fahrer macht eine fahrlässige Körperverletzung geltend, indem er das Verhalten des Überholenden als grob fahrlässig und damit schadensursächlich ansieht.
- § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Bestimmt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden ist, sofern keine erheblichen Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht Saarbrücken folgte den sorgfältigen Feststellungen des Amtsgerichts Neunkirchen und wies die Berufung zurück, da keine neuen, begründeten Zweifel an der Beweiswürdigung vorlagen.
- § 97 Abs. 1 ZPO: Regelt die Kostentragungspflicht bei unterliegenden Parteien in Zivilverfahren; diejenige Partei, die den Prozess verliert, trägt die Kosten des Rechtsstreits. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der E-Bike-Fahrer mit seiner Klage und Berufung keinen Erfolg hatte, musste er sowohl die Prozesskosten der ersten Instanz als auch die des Berufungsverfahrens tragen.
- OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.1989 (Az. 17 U 129/88): Präzisiert, dass bei Überholvorgängen zwischen Fahrradfahrern auf engen Radwegen ein geringerer Seitenabstand ausreichend ist als beim Überholen durch Kraftfahrzeuge, da hier die Gefahrenlage und die subjektive wahrgenommene Bedrohung geringer sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht orientierte sich an dieser Rechtsprechung, um zu beurteilen, dass der Seitenabstand von etwa 60 cm auf einem 2,20 Meter breiten Radweg ausreichend und rechtlich nicht zu beanstanden war.
Das vorliegende Urteil
LG Saarbrücken – Az.: 13 S 94/23 – Urteil vom 20.06.2024
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