Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Dieselgate-Berufung: Gericht legt höheren Wert für Anwaltsgebühren fest als beantragt – § 33 RVG und Kosteninteresse bei Teilerledigung
- Ausgangslage: Schadensersatzklage wegen Diesel-Abschalteinrichtung
- Streit im Berufungsverfahren: Wechselnde Anträge und Teilerledigung durch den Autokäufer
- Der Antrag auf separate Wertfestsetzung für Anwaltsgebühren nach § 33 RVG
- Die Entscheidung des Senats: Höherer Wert festgesetzt als beantragt
- Begründung: Warum wurde der Wert höher angesetzt? Das „Kosteninteresse“ bei einseitiger Teilerledigung
- Wichtiger Grundsatz: Gericht ist im § 33 RVG-Verfahren nicht an zu niedrigen Antragswert gebunden
- Wertfestsetzung vor dem 1. September 2023: Kein Bedarf für separate Festsetzung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Antragsbindung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gegenstandswerts im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)?
- Welche Auswirkungen haben Änderungen der Anträge im Laufe eines Gerichtsverfahrens auf die Höhe der Anwaltsgebühren?
- Was ist eine „einseitige Erledigungserklärung“ und welche Folgen hat sie für die Kostenverteilung im Prozess?
- Wie wird der Gegenstandswert bei einem Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Dieselskandal berechnet?
- Welche Rolle spielt der sogenannte „Differenzschaden“ bei der Berechnung des Streitwerts im Dieselskandal und wie unterscheidet er sich von anderen Schadensersatzansprüchen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 24 U 212/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Verfahrensart: Wertfestsetzungsverfahren (Beschluss)
- Rechtsbereiche: Rechtsanwaltsvergütungsrecht, Kostenrecht, Zivilrecht, Schadensersatzrecht, Verbraucherrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Hat Schadensersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtung gefordert und im Berufungsverfahren mehrfach seine Anträge geändert sowie eine Teilerledigung erklärt.
- Beklagte: Wurde auf Schadensersatz verklagt und hat sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Es ging um einen Schadensersatzanspruch im Dieselgate-Kontext, bei dem der Kläger im Berufungsverfahren seine Zahlungsanträge änderte, einen Teil der Berufung zurücknahm und eine einseitige Teilerledigung des Rests erklärte. Nach einem teilweisen Erfolg beantragte der Kläger die gerichtliche Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, wie der Wert der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 RVG) in einem Berufungsverfahren festzusetzen ist, wenn sich die Anträge ändern und eine einseitige Teilerledigung erfolgt, und ob das Gericht an einen vom Kläger bezifferten Wert gebunden ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Senat hat den Wert der anwaltlichen Tätigkeit ab dem 1. September 2023 auf bis zu 16.000 € festgesetzt. Für die Zeit davor wurde keine separate Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorgenommen, da dort der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert von bis zu 30.000 € gilt.
- Begründung: Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG war erforderlich, da sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für bestimmte Gebühren durch die Antragsänderungen und die Teilerledigung geändert hatte. Der festgesetzte Wert berücksichtigt neben dem verbleibenden Antrag auch das Kosteninteresse des Klägers an der einseitigen Teilerledigung. Das Gericht ist bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht an einen vom Antragsteller bezifferten, aber unzutreffenden Wert gebunden.
- Folgen: Das Verfahren zur Wertfestsetzung ist gebührenfrei; Kosten werden darin nicht erstattet.
Der Fall vor Gericht
Dieselgate-Berufung: Gericht legt höheren Wert für Anwaltsgebühren fest als beantragt – § 33 RVG und Kosteninteresse bei Teilerledigung
Ein aktueller Beschluss eines Oberlandesgerichts wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Berechnung von Anwaltskosten in Zivilprozessen, insbesondere wenn sich die Forderungen im Laufe eines Berufungsverfahrens ändern.

Im Zentrum stand ein Schadensersatzprozess im Kontext des Dieselskandals, bei dem ein Autokäufer gegen einen Hersteller klagte. Das Gericht musste entscheiden, wie der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) festzusetzen ist, nachdem der Kläger seine Anträge mehrfach änderte und den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärte. Überraschend legte das Gericht den Wert für einen Teil des Verfahrens höher fest, als vom Kläger selbst beantragt.
Ausgangslage: Schadensersatzklage wegen Diesel-Abschalteinrichtung
Der Fall begann mit einer Klage eines Autokäufers gegen einen Fahrzeughersteller. Der Käufer forderte Schadensersatz wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in seinem Diesel-Pkw. Die Klage wurde dem Hersteller am 9. November 2020 zugestellt. In der ersten Instanz verlangte der Käufer ursprünglich die Zahlung von 12.751,14 € sowie die Freistellung von noch offenen Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 15.489,49 €, beides nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Zusätzlich beantragte er die Feststellung, dass sich der Hersteller mit der Rücknahme des Autos in Verzug befinde (sogenannter Annahmeverzug).
Streit im Berufungsverfahren: Wechselnde Anträge und Teilerledigung durch den Autokäufer
Nachdem das erstinstanzliche Gericht entschieden hatte, legte der Autokäufer Berufung ein. Mit seiner Berufungsbegründung vom 18. Oktober 2021 änderte er seine Forderungen. Nun verlangte er die Zahlung von 19.542,53 € und die Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 6.553,49 €, ebenfalls Zug um Zug gegen Fahrzeugübergabe. Er beantragte weiterhin die Feststellung des Annahmeverzugs und zusätzlich die Feststellung, dass der Rechtsstreit bezüglich der ursprünglichen, nun nicht mehr verfolgten Forderungen erledigt sei.
Eine wesentliche Wendung nahm das Verfahren mit einem Schriftsatz des Klägers vom 1. September 2023. Der Autokäufer änderte seine Anträge erneut grundlegend: Er forderte nun ausschließlich die Zahlung von 8.810,63 € nebst Zinsen. Für alle anderen Teile seiner ursprünglichen Berufungsforderungen erklärte er den Rechtsstreit einseitig für erledigt. Eine solche Einseitige Erledigungserklärung bedeutet, dass der Kläger den betreffenden Teil seiner Klage nicht mehr weiterverfolgt, weil er meint, das zugrundeliegende Problem habe sich anderweitig gelöst oder er könne/wolle den Anspruch nicht mehr durchsetzen. Der beklagte Autohersteller schloss sich dieser Erledigungserklärung jedoch nicht an, was für die spätere Kostenentscheidung relevant wurde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 28. November 2024 kam es zu weiteren Änderungen. Der Anwalt des Klägers stellte zunächst den Antrag aus dem Schriftsatz vom September 2023 (Zahlung von 8.810,63 €). Vorsorglich (hilfsweise) beantragte er jedoch auch die Zahlung eines sogenannten Differenzschadens. Dieser sollte sieben Prozent des ursprünglichen Kaufpreises (32.550 €) betragen, abzüglich einer Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch den Käufer. Im Laufe der Verhandlung zog der Klägervertreter den Hauptantrag auf Zahlung von 8.810,63 € zurück und machte stattdessen den Hilfsantrag auf Zahlung des Differenzschadens zum neuen Hauptantrag.
Das Berufungsgericht fällte schließlich am 18. Dezember 2024 sein Urteil. Es änderte das Urteil der ersten Instanz teilweise ab und sprach dem Autokäufer einen Teil seiner Forderung zu. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden anteilig zwischen dem Käufer und dem Hersteller aufgeteilt. Wichtig für die spätere Gebührenfrage: Das Gericht setzte in diesem Urteil den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 30.000 € fest. Dieser Wert ist primär für die Berechnung der Gerichtsgebühren relevant.
Der Antrag auf separate Wertfestsetzung für Anwaltsgebühren nach § 33 RVG
Nach Abschluss des Berufungsverfahrens beantragte der Autokäufer beim Gericht eine separate Festsetzung des Werts für die Tätigkeit seiner Anwälte gemäß § 33 RVG. Er wollte unterschiedliche Werte für zwei Zeiträume festgelegt haben:
- Für die Zeit bis einschließlich 31. August 2023: einen Wert von bis zu 19.542,53 €.
- Für die Zeit ab dem 1. September 2023 (nach der deutlichen Reduzierung seines Zahlungsantrags): einen Wert von 8.810,63 €.
Dieser Antrag ist von Bedeutung, weil sich die Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnen. Während einige Gebühren (wie die Verfahrensgebühr) auf Basis des höchsten Streitwerts während des gesamten Verfahrens anfallen, richtet sich eine andere wichtige Gebühr – die Terminsgebühr für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung – nach dem Wert des Streitgegenstands zum Zeitpunkt der Verhandlung. Da der Kläger seine Anträge vor der Verhandlung reduziert hatte, argumentierte er, dass auch der Wert für die Berechnung der Terminsgebühr (und eventuell weiterer Gebühren ab diesem Zeitpunkt) niedriger sein müsse. Der zuständige Einzelrichter hielt die Frage für grundsätzlich bedeutsam und legte sie dem gesamten Senat zur Entscheidung vor.
Die Entscheidung des Senats: Höherer Wert festgesetzt als beantragt
Der Senat traf eine bemerkenswerte Entscheidung: Er setzte den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für die Zeit ab dem 1. September 2023 auf bis zu 16.000 € fest. Dieser Wert war deutlich höher als die vom Kläger beantragten 8.810,63 €.
Für den Zeitraum vor dem 1. September 2023 nahm der Senat keine separate Wertfestsetzung nach § 33 RVG vor. Der Grund: In dieser Phase entsprach der Wert für die Anwaltsgebühren dem bereits im Urteil vom 18. Dezember 2024 festgesetzten Streitwert für die Gerichtsgebühren von bis zu 30.000 €. Eine separate Festsetzung war hier also nicht notwendig.
Das Verfahren zur Wertfestsetzung selbst ist gebührenfrei, und Kosten werden nicht erstattet.
Begründung: Warum wurde der Wert höher angesetzt? Das „Kosteninteresse“ bei einseitiger Teilerledigung
Der Senat stützte seine Entscheidung auf § 33 Abs. 1 RVG. Dieser Paragraph erlaubt eine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren, wenn diese nicht nach demselben Wert wie die Gerichtsgebühren berechnet werden. Dies ist typischerweise der Fall, wenn sich der Streitwert im Laufe des Verfahrens ändert, insbesondere vor der mündlichen Verhandlung, da sich die Terminsgebühr (Nr. 3202 RVG-VV) nach dem Wert zum Zeitpunkt der Verhandlung richtet.
Zulässigkeit des Antrags: Der Senat stellte zunächst fest, dass der Antrag des Klägers zulässig war. Eine Wertänderung vor der Verhandlung (hier durch den Schriftsatz vom 1. September 2023) macht eine separate Wertfestsetzung für die Terminsgebühr notwendig. Das Gericht legte den Antrag des Klägers so aus, dass er die Festsetzung für die Anwälte beider Seiten begehrte. Das ist sinnvoll, da der Kläger als Partei, die möglicherweise Kosten tragen muss (auch die des Gegners), ein Interesse an der korrekten Festsetzung aller Anwaltsgebühren hat.
Wertfestsetzung ab 1. September 2023 (bis zu 16.000 €): Der entscheidende Punkt war die Berechnung des Wertes nach der Antragsänderung vom 1. September 2023. Der Senat erklärte, dass der Wert nicht nur den reduzierten Zahlungsantrag von 8.810,63 € umfasste. Zusätzlich musste das Kosteninteresse des Klägers an der von ihm einseitig erklärten Teilerledigung berücksichtigt werden.
- Was ist das Kosteninteresse? Wenn eine Partei einen Teil des Rechtsstreits einseitig für erledigt erklärt (der Gegner aber nicht zustimmt), entsteht für den Erklärenden ein Interesse daran, wie über die Kosten dieses erledigten Teils entschieden wird. Wer trägt die bisher angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten für diesen Teil? Dieses Interesse hat einen eigenen Wert.
- Berechnung des Kosteninteresses: Dieser Wert wird durch eine Differenzrechnung ermittelt. Man berechnet die gesamten wertabhängigen Kosten (Gerichts- und Anwaltsgebühren beider Seiten), die bis zur Erledigungserklärung auf Basis des ursprünglichen, höheren Streitwerts (hier: bis zu 30.000 €) angefallen wären. Davon zieht man die Kosten ab, die angefallen wären, wenn der Prozess von Anfang an nur über den nicht erledigten, reduzierten Teil (hier: bis zu 9.000 €, entsprechend dem Antrag von 8.810,63 €) geführt worden wäre.
- Konkrete Berechnung im Fall:
- Kosten bei Streitwert bis 30.000 € (unter Berücksichtigung alter und neuer Gebührensätze für 1. und 2. Instanz): 11.085,25 €.
- Kosten bei Streitwert bis 9.000 €: 6.377,06 €.
- Differenz (Kosteninteresse): 11.085,25 € – 6.377,06 € = 4.708,19 €.
- Gesamtwert ab 1. September 2023: Der relevante Wert für die Anwaltsgebühren ab diesem Zeitpunkt setzt sich somit zusammen aus dem verbleibenden Zahlungsantrag (8.810,63 €) und dem Kosteninteresse an der Teilerledigung (4.708,19 €). Das ergibt 13.518,82 €.
- Einordnung in Gebührenstufe: Dieser Betrag von 13.518,82 € fällt nach der Gebührentabelle des RVG in die Stufe „bis zu 16.000 €“. Daher musste das Gericht diesen Wert festsetzen.
Wichtiger Grundsatz: Gericht ist im § 33 RVG-Verfahren nicht an zu niedrigen Antragswert gebunden
Ein zentraler Punkt der Entscheidung ist die Feststellung des Senats, dass das Gericht bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht an den vom Antragsteller genannten Wert gebunden ist, wenn dieser – wie hier – zu niedrig angesetzt wurde.
Der Grundsatz der Antragsbindung (§ 308 Abs. 1 ZPO), wonach ein Gericht einer Partei nicht mehr zusprechen darf, als sie beantragt hat, gilt hier nach Ansicht des Senats nicht. Das Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG diene nicht dazu, eine vollstreckbare Entscheidung gegen den Prozessgegner zu treffen, sondern lediglich dazu, eine Grundlage für die Berechnung der Anwaltsgebühren zu schaffen. Der Antrag nach § 33 RVG stoße das Verfahren nur an, lege aber nicht den Entscheidungsumfang des Gerichts bindend fest.
Das Gericht sei vielmehr verpflichtet, den korrekten Wert zu ermitteln. Dies entspreche auch dem Grundsatz der Streitwertwahrheit und dem Ziel, die Werte für Gerichts- und Anwaltsgebühren möglichst anzugleichen (§ 23 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1 RVG). Eine Bindung an einen unzutreffend niedrigen Antrag würde diesem Prinzip widersprechen.
Wertfestsetzung vor dem 1. September 2023: Kein Bedarf für separate Festsetzung
Für den Zeitraum bis zum 31. August 2023 sah der Senat keine Notwendigkeit für eine separate Wertfestsetzung nach § 33 RVG. In dieser Phase basierten die Anwaltsgebühren auf dem Wert, der auch für die Gerichtsgebühren maßgeblich war und im Urteil bereits auf bis zu 30.000 € festgelegt worden war. Dieser Wert spiegelte die ursprünglichen, höheren Berufungsanträge des Klägers wider (Zahlung plus Darlehensbefreiung). Die schon früher erklärte Teilerledigung (bezogen auf die erste Instanz) änderte nichts daran, dass der maßgebliche Wert für die Gebührenstufe in diesem Zeitraum „bis zu 30.000 €“ betrug.
Dieser Beschluss verdeutlicht, dass Änderungen von Klageanträgen und einseitige Teilerledigungen im Laufe eines Berufungsverfahrens erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung der Anwaltskosten haben können. Insbesondere das oft übersehene „Kosteninteresse“ kann dazu führen, dass der für die Anwaltsgebühren maßgebliche Wert höher ist als der verbleibende Hauptanspruch. Gerichte sind zudem bei der Festsetzung dieses Wertes nicht an möglicherweise zu niedrig angesetzte Anträge der Parteien gebunden, sondern zur Ermittlung des korrekten Werts verpflichtet.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei Änderungen von Klageanträgen während eines Prozesses der Wert für Anwaltsgebühren nicht nur vom verbleibenden Hauptanspruch abhängt, sondern auch das „Kosteninteresse“ bei Teilerledigungen berücksichtigt werden muss. Das Gericht ist bei der Festsetzung dieser Werte nicht an zu niedrige Anträge der Parteien gebunden, sondern verpflichtet, den korrekten Wert zu ermitteln. Diese Entscheidung ist besonders relevant für Anwälte und Mandanten in Verfahren mit sich ändernden Forderungen, da sie die Kostenberechnung erheblich beeinflussen kann.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Antragsbindung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gegenstandswerts im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)?
Der „Gegenstandswert“ – manchmal auch Streitwert genannt – ist der Geldbetrag, der den wirtschaftlichen Wert des Anliegens in einem Gerichtsverfahren oder einer außergerichtlichen Tätigkeit darstellt. Zum Beispiel bei einer Geldforderung ist der Gegenstandswert meist die Höhe dieser Forderung. Dieser Wert ist sehr wichtig, weil sich danach in der Regel die Höhe der Gebühren für Anwälte und Gerichte richtet. Höhere Werte führen meist zu höheren Kosten.
Die Frage der „Antragsbindung“ betrifft hier die Rolle des Gerichts bei der Festsetzung dieses Gegenstandswerts. Wenn Parteien in einem Verfahren Anträge stellen, zum Beispiel auf Zahlung eines bestimmten Betrags, könnte man annehmen, dass das Gericht an diese Beträge gebunden ist, wenn es den Gegenstandswert festlegt.
Im Recht bedeutet „Antragsbindung“ bei der Festsetzung des Gegenstandswerts im RVG jedoch nicht, dass das Gericht automatisch an die Beträge gebunden ist, die die Parteien selbst vorschlagen oder fordern.
Das Gericht hat die Aufgabe, den Gegenstandswert so festzusetzen, dass er den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Angelegenheit widerspiegelt. Es schaut sich an, worum es im Kern des Streits oder der juristischen Tätigkeit wirklich geht und welchen Geldwert das hat.
Obwohl die Parteien dem Gericht Vorschläge für den Gegenstandswert machen können oder ihre Anträge im Verfahren eine Richtung vorgeben, entscheidet das Gericht letztlich unabhängig über die Höhe des Gegenstandswerts. Es prüft die Sachlage und bestimmt den Wert nach seiner Überzeugung und den gesetzlichen Vorgaben.
Das bedeutet auch: Das Gericht darf den Gegenstandswert durchaus höher festsetzen, als die Parteien ihn eingeschätzt oder beantragt haben, wenn der tatsächliche wirtschaftliche Umfang des Falles nach Ansicht des Gerichts einen höheren Wert rechtfertigt. Genauso kann das Gericht den Wert niedriger ansetzen, wenn die Parteien ihn zu hoch angesetzt haben.
Für Sie als Beteiligten bedeutet dies, dass die endgültigen Kosten des Verfahrens stark davon abhängen, wie das Gericht den Wert Ihrer Angelegenheit einschätzt, unabhängig davon, was Sie oder die andere Seite ursprünglich angenommen oder gefordert haben. Die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts ist maßgeblich für die Berechnung der Anwalts- und Gerichtskosten. –ENDE FAQ-FRAGE–
Welche Auswirkungen haben Änderungen der Anträge im Laufe eines Gerichtsverfahrens auf die Höhe der Anwaltsgebühren?
Wenn Sie in einem Gerichtsverfahren etwas vom Gericht verlangen, nennt man das einen Antrag oder eine Forderung. Die Höhe der Kosten, die Sie für Ihren Anwalt bezahlen, hängt in vielen Fällen maßgeblich vom sogenannten Gegenstandswert ab.
Der Gegenstandswert ist im Grunde der Wert dessen, worum es in dem Streit geht. Stellen Sie sich vor, Sie fordern von jemandem 5.000 Euro. Dann ist der Gegenstandswert in der Regel 5.000 Euro. Die Anwaltsgebühren werden oft anhand von gesetzlichen Tabellen berechnet, die diesen Gegenstandswert zugrunde legen: Je höher der Gegenstandswert, desto höher sind meist auch die Anwaltsgebühren, da der finanzielle Einsatz und damit oft die Verantwortung des Anwalts größer sind.
Ändern sich nun Ihre Anträge im Laufe des Verfahrens, hat das in der Regel auch Auswirkungen auf den Gegenstandswert und somit auf die Anwaltsgebühren:
- Antragserweiterung: Wenn Sie nachträglich mehr verlangen als ursprünglich (z.B. statt 5.000 Euro nun 7.000 Euro), erhöht sich der Gegenstandswert. Dies führt dazu, dass sich die Anwaltsgebühren für den höheren Wert berechnen und dadurch in der Regel steigen.
- Antragseinschränkung: Wenn Sie Ihre Forderung reduzieren (z.B. statt 5.000 Euro nur noch 3.000 Euro verlangen), verringert sich der Gegenstandswert. Das kann zu einer Reduzierung der Anwaltsgebühren führen, da der Wert des Streits gesunken ist.
- Teilerledigungserklärung: Manchmal einigen sich die Parteien während des laufenden Verfahrens über einen Teil der Forderung (z.B. der Gegner zahlt 2.000 Euro der 5.000 Euro Forderung freiwillig). Sie erklären dem Gericht dann oft, dass sich der Streit in Höhe von 2.000 Euro erledigt hat. Der Gegenstandswert des noch streitigen Teils (hier 3.000 Euro) beeinflusst dann die weitere Gebührenberechnung. Der erledigte Teil kann aber ebenfalls gebührenrechtlich relevant sein, was zu einer zusätzlichen Gebühr für die Mitwirkung an der Einigung führen kann.
Jede Änderung des Antrags bedeutet für den Anwalt zusätzlichen Aufwand – die Strategie muss angepasst, neue Schriftsätze erstellt oder bestehende geändert werden. Die Struktur der gesetzlichen Anwaltsgebühren trägt dem Rechnung, indem sie solche Änderungen über den Gegenstandswert und manchmal durch zusätzliche Gebührentatbestände abbildet. Daher können sich die Anwaltsgebühren entsprechend anpassen, wenn sich die Anträge im Prozess ändern. –ENDE FAQ-FRAGE–
Was ist eine „einseitige Erledigungserklärung“ und welche Folgen hat sie für die Kostenverteilung im Prozess?
Stellen Sie sich vor, Sie haben jemand anderen verklagt, weil dieser Ihnen Geld schuldet. Nach Beginn des Gerichtsverfahrens zahlt der andere plötzlich den geforderten Betrag. Das ursprüngliche Problem – die Nichtzahlung – existiert nun nicht mehr. Rein rechtlich könnte das Gerichtsverfahren aber weiterlaufen, weil das Gericht ja über die ursprüngliche Forderung entscheiden muss.
In einer solchen Situation, in der das ursprüngliche Anliegen des Gerichtsverfahrens nachträglich weggefallen ist, kann eine Partei erklären, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat.
Was genau ist eine „einseitige Erledigungserklärung“?
Von einer „einseitigen Erledigungserklärung“ spricht man, wenn nur eine der beteiligten Parteien dem Gericht mitteilt, dass sich ihrer Meinung nach der Prozess erledigt hat, weil das Problem, das zum Prozess geführt hat, inzwischen behoben wurde oder aus einem anderen Grund nicht mehr besteht. Die andere Partei stimmt dieser Einschätzung nicht zu. Sie erklärt ihrerseits, dass sich der Rechtsstreit ihrer Ansicht nach nicht erledigt hat.
Dies unterscheidet sich von der „zweiseitigen Erledigung“, bei der sich beide Parteien einig sind, dass der Grund für den Prozess weggefallen ist und der Prozess daher beendet werden kann.
Warum gibt man eine einseitige Erledigungserklärung ab?
Eine solche Erklärung gibt man in der Regel ab, wenn die Gegenseite dem eigentlichen Anspruch nachträglich nachgekommen ist oder die Situation sich so geändert hat, dass der ursprüngliche Antrag im Prozess keinen Sinn mehr ergibt oder nicht mehr verfolgt werden muss, die Gegenseite aber trotzdem nicht bereit ist, die Erledigung des Rechtsstreits gemeinsam zu erklären.
Welche Folgen hat die einseitige Erledigungserklärung für die Kosten?
Wenn eine Partei die einseitige Erledigung erklärt und die andere nicht zustimmt, entscheidet das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits. Das Gericht prüft nun rückblickend, ob sich der Rechtsstreit tatsächlich nach Klageerhebung erledigt hat.
Für die Kostenentscheidung ist entscheidend, wie der Prozess vermutlich ausgegangen wäre, wenn das erledigende Ereignis nicht eingetreten wäre und der Prozess bis zu einem Urteil geführt worden wäre.
Das Gericht prüft also:
- War die Klage zum Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig (formal korrekt eingereicht)?
- War die Klage zum Zeitpunkt ihrer Einreichung begründet (hatte der Kläger rechtlich Anspruch auf das, was er forderte)?
- Ist nach der Klageerhebung ein Ereignis eingetreten, das den Rechtsstreit objektiv erledigt hat (z.B. Zahlung, Rückgabe einer Sache etc.)?
Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und sich der Rechtsstreit durch ein nachträgliches Ereignis erledigt hat (was die einseitige Erklärung ja behauptet), dann wird es der Gegenseite in der Regel die Kosten des Rechtsstreits auferlegen. Das Gericht geht dann davon aus, dass die Gegenseite den Prozess voraussichtlich verloren hätte, wenn es keine Erledigung gegeben hätte.
Wenn das Gericht hingegen feststellt, dass die Klage bereits bei ihrer Einreichung unzulässig oder unbegründet war, wird es die Kosten in der Regel der Partei auferlegen, die die einseitige Erledigung erklärt hat. Denn dann war der Prozess von Anfang an zum Scheitern verurteilt, unabhängig vom nachträglichen Ereignis.
Kurz gesagt: Bei einer einseitigen Erledigungserklärung prüft das Gericht im Nachhinein, wer den Prozess wahrscheinlich gewonnen hätte, um zu entscheiden, wer die Prozesskosten tragen muss. Die Partei, die die Erledigung erklärt, setzt darauf, dass das Gericht die ursprüngliche Klage als begründet ansieht. –ENDE FAQ-FRAGE–
Wie wird der Gegenstandswert bei einem Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Dieselskandal berechnet?
Wenn es um Schadensersatzansprüche im Dieselskandal geht, ist der sogenannte Gegenstandswert, manchmal auch Streitwert genannt, eine wichtige Größe. Er ist die Grundlage, um die Höhe der Gerichtsgebühren und der Anwaltskosten zu berechnen. Verändert sich dieser Wert im Laufe eines Gerichtsverfahrens, wirkt sich das direkt auf die Kosten aus.
Die Grundlagen der Berechnung
Bei einem typischen Schadensersatzanspruch, bei dem es um die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises geht, wird der Gegenstandswert im Wesentlichen aus diesen Teilen gebildet:
- Der ursprüngliche Kaufpreis: Das ist meist der Betrag, den Sie seinerzeit für das Auto bezahlt haben. Er bildet oft den Ausgangspunkt der Berechnung.
- Der Nutzungsvorteil: Da Sie das Auto bis zur eventuellen Rückgabe nutzen konnten, wird Ihnen dieser „Vorteil“ angerechnet. Man zieht vom Kaufpreis einen Betrag ab, der dem Wertverlust durch die von Ihnen gefahrenen Kilometer entspricht. Dieser Nutzungsvorteil wird von Gerichten oft nach einer bestimmten Formel berechnet.
Die Berechnung des Nutzungsvorteils erfolgt häufig nach folgender Methode: Nutzungsvorteil = (Von Ihnen gefahrene Kilometer ÷ Erwartete Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs) × Brutto-Kaufpreis
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben das Auto für 30.000 Euro gekauft. Gerichte gehen oft von einer durchschnittlichen Lebensdauer, ausgedrückt in Kilometern (erwartete Gesamtlaufleistung), von z.B. 250.000 Kilometern für ein solches Fahrzeug aus. Wenn Sie das Auto seit dem Kauf 50.000 Kilometer gefahren sind, dann berechnet sich der Nutzungsvorteil so: Nutzungsvorteil = (50.000 km ÷ 250.000 km) × 30.000 Euro = 0,2 × 30.000 Euro = 6.000 Euro
Ihr Schadenersatzanspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises würde sich dann um diesen Nutzungsvorteil mindern. Der Gegenstandswert wäre in diesem vereinfachten Beispiel 30.000 Euro minus 6.000 Euro, also 24.000 Euro (oft kommen noch Zinsen als weiterer Anspruch hinzu, die den Wert leicht erhöhen können).
Weitere mögliche Bestandteile
Neben dem reinen Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteil können noch weitere Ansprüche den Gegenstandswert beeinflussen, zum Beispiel:
- Zinsen: Oft wird neben dem Hauptanspruch auch die Zahlung von Zinsen auf den geforderten Betrag verlangt. Diese Zinsen erhöhen ebenfalls den Gegenstandswert.
- Weitere Schadenspositionen: In manchen Fällen können auch andere Schäden geltend gemacht werden, wie zum Beispiel Kosten für Gutachten oder An- und Abmeldegebühren. Solche zusätzlichen Forderungen erhöhen ebenfalls den Gegenstandswert.
Der Gesamtwert des Schadensersatzanspruchs, der dann als Gegenstandswert für die Kostenberechnung herangezogen wird, ergibt sich also aus der Summe aller geltend gemachten Beträge (Kaufpreis abzgl. Nutzungsvorteil plus Zinsen plus weitere Schäden).
Besondere Situationen im Prozess
Auch während eines laufenden Gerichtsverfahrens kann sich der Gegenstandswert verändern:
- Änderung des Antrags (Antragsänderung): Wenn Sie Ihren ursprünglichen Antrag erweitern oder ändern und dadurch weitere oder höhere Forderungen geltend machen, erhöht sich der Gegenstandswert entsprechend. Stellen Sie sich vor, Sie haben ursprünglich nur die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt und später zusätzlich die Erstattung von Reparaturkosten beantragt. Dann zählt der Wert der Reparaturkosten zum ursprünglichen Wert hinzu.
- Teilerledigung: Wenn sich ein Teil des Streitfalls durch eine Einigung oder eine Zahlung der Gegenseite erledigt, wird der Gegenstandswert für den noch verbleibenden Streitgegenstand angepasst. Ist beispielsweise ein Teil des geforderten Betrags bereits gezahlt worden, reduziert sich der Gegenstandswert für den Rest des Verfahrens auf den noch offenen Betrag. –ENDE FAQ-FRAGE–
Welche Rolle spielt der sogenannte „Differenzschaden“ bei der Berechnung des Streitwerts im Dieselskandal und wie unterscheidet er sich von anderen Schadensersatzansprüchen?
Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal begegnet man oft dem Begriff „Differenzschaden“. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Auto gekauft und erfahren später, dass aufgrund einer unzulässigen Software der tatsächliche Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufs geringer war, als Sie bezahlt haben. Der Differenzschaden beschreibt genau diesen finanziellen Nachteil, der Ihnen durch den Abschluss dieses für Sie ungünstigen Kaufvertrags entstanden ist. Es ist der Unterschied zwischen dem bezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert, den das Fahrzeug ohne den Mangel zum Zeitpunkt des Kaufs gehabt hätte.
Der Differenzschaden unterscheidet sich von einem anderen häufig geltend gemachten Anspruch im Dieselskandal: der Rückabwicklung des Kaufvertrages. Bei der Rückabwicklung geben Sie das Auto zurück und erhalten im Gegenzug den Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die gefahrenen Kilometer („Nutzungsvorteile“) erstattet. Der Differenzschaden hingegen setzt voraus, dass Sie das Fahrzeug behalten und lediglich einen Ausgleich für den beim Kauf vorhandenen Minderwert erhalten. Es ist also eine Form des Schadensersatzes, die darauf abzielt, den beim Kauf zu viel bezahlten Betrag auszugleichen.
Die Berechnung des Differenzschadens erfolgt grundsätzlich, indem vom ursprünglichen Kaufpreis der geschätzte Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufs abgezogen wird, wobei dieser Wert den Mangel berücksichtigt. Dieser Minderwert wird von Gerichten oft als ein prozentualer Anteil des Kaufpreises angesetzt. Wichtig ist, dass bei dieser Form des Schadensersatzes (Differenzschaden für den Abschluss eines nachteiligen Vertrages) die Nutzungsvorteile (also die Entschädigung für die gefahrenen Kilometer) nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vom Schadensersatzbetrag abgezogen werden.
Der Streitwert in einem Gerichtsverfahren entspricht dem Betrag, den Sie als Schadensersatz vom Hersteller fordern. Wenn Sie den Differenzschaden geltend machen, ist der Streitwert dieser konkrete Geldbetrag, der sich aus dem Kaufpreis abzüglich der Wertminderung im Zeitpunkt des Kaufs plus eventueller Zinsen ergibt. Da der Differenzschaden nur einen Teil des ursprünglichen Kaufpreises ausmacht (im Gegensatz zur Rückabwicklung, bei der fast der gesamte Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteile gefordert wird), ist der Streitwert bei Geltendmachung des Differenzschadens in der Regel niedriger als bei einer Klage auf Rückabwicklung.
Die Berechnung des Differenzschadens hat auch Auswirkungen auf die sogenannte Antragsbindung. Wenn Sie vor Gericht ausdrücklich den Differenzschaden in einer bestimmten Höhe beantragen, binden Sie Ihren Antrag an diese Forderung. Sie können dann in der Regel nicht mehr ohne Weiteres zur vollständigen Rückabwicklung wechseln oder einen höheren Betrag verlangen, der sich aus einer anderen Schadensberechnung ergeben würde (wie z.B. Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteile). Sie haben sich mit Ihrem Antrag auf die Kompensation des Minderwerts festgelegt. –ENDE FAQ-FRAGE–
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Gegenstandswert
Der Gegenstandswert (auch Streitwert genannt) ist der Geldbetrag, der den wirtschaftlichen Wert des Streitgegenstands in einem Gerichtsverfahren oder einer anwaltlichen Tätigkeit ausdrückt. Er bildet die Grundlage für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Im Kontext des Dieselgate-Schadensersatzprozesses spiegelt der Gegenstandswert den Wert der geltend gemachten Forderungen und Ansprüche wider, etwa die Höhe des Schadensersatzes oder des Differenzschadens. Eine Änderung der Anträge im Verfahren führt deshalb oft zu einer Anpassung des Gegenstandswerts und damit der Kosten.
Beispiel: Fordern Sie im Prozess Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro, beträgt der Gegenstandswert meist 10.000 Euro. Wenn Sie später nur noch 5.000 Euro fordern, sinkt der Gegenstandswert entsprechend.
Einseitige Erledigungserklärung
Eine einseitige Erledigungserklärung ist eine Erklärung einer Partei im Gerichtsverfahren, dass ein Teil oder der ganze Rechtsstreit für erledigt gilt, ohne dass die Gegenseite dem zustimmt. Diese Erklärung besagt, dass sich die streitigen Ansprüche aus Sicht dieser Partei erledigt haben, etwa weil der Anspruch anderweitig erfüllt oder aufgegeben wird. Das Gericht muss dann klären, ob der Prozess tatsächlich erledigt ist und wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die einseitige Erledigung unterscheidet sich von einer beidseitigen Einigung, bei der beide Parteien zustimmen.
Beispiel: Der Kläger verlangt 15.000 Euro Schadensersatz, erklärt aber einseitig, die Forderung in Höhe von 7.000 Euro sei erledigt, ohne dass der Beklagte zustimmt. Das Gericht entscheidet dann, wer für die Kosten in diesem Bereich aufkommt.
§ 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) – Wertfestsetzung
§ 33 RVG regelt die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit, wenn dieser vom Gegenstandswert für das Gericht abweicht oder sich im Verfahrensverlauf ändert. Die Wertfestsetzung bestimmt die Bemessungsgrundlage für die Anwaltsgebühren, insbesondere wenn unterschiedliche Werte für verschiedene Verfahrensabschnitte gelten. Insbesondere kann eine getrennte Wertfestsetzung für Zeiträume vor und nach einer Antragsänderung oder Erledigung erfolgen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gebühr für etwaige Terminsgebühren oder Verfahrensgebühren korrekt berechnet wird.
Beispiel: Wenn Sie im Berufungsverfahren zunächst 20.000 Euro fordern, diese Forderung dann aber auf 8.000 Euro reduzieren, kann nach § 33 RVG eine Wertfestsetzung erfolgen, die beiden Zeiträumen unterschiedliche Werte zugrunde legt.
Kosteninteresse bei einseitiger Teilerledigung
Das Kosteninteresse bezeichnet den finanziellen Wert, den eine Partei an der Entscheidung über die Kostenverteilung im Fall einer einseitigen Teilerledigung hat. Wenn eine Partei einen Teil ihres Anspruchs einstellt (einseitige Teilerledigung) und die Gegenseite nicht zustimmt, entsteht ein Interesse daran, wie die Kosten dieses erledigten Teilbereichs verteilt werden. Dieses Kosteninteresse beeinflusst den Wert der anwaltlichen Tätigkeit, da die Gebühr sich nicht nur am verbliebenen Anspruch, sondern auch an diesem Kosteninteresse orientiert.
Beispiel: Ein Kläger erklärt 50 % seiner Forderung für erledigt, der Beklagte stimmt nicht zu. Die Kosten für den erledigten Teil könnten dem Beklagten auferlegt werden. Dadurch hat der Kläger ein Kosteninteresse, das in die Gebührenfestsetzung einfließt.
Differenzschaden
Der Differenzschaden bezeichnet den finanziellen Nachteil, der einem Käufer eines mangelhaften Produkts durch den Kaufpreis entsteht, der über dem tatsächlichen Wert des Produkts zum Kaufzeitpunkt lag. Er wird berechnet als Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert, den das Produkt ohne den Mangel gehabt hätte. Im Dieselskandal ist der Differenzschaden relevant, wenn der Käufer das Auto behalten möchte und daher nur eine Wertminderung ausgleichen will, anstatt den Kauf rückabzuwickeln. Im Gegensatz zur Rückabwicklung wird hier meist kein Abzug für Nutzungsvorteile vorgenommen.
Beispiel: Sie haben ein Auto für 30.000 Euro gekauft, das wegen einer verbotenen Abschalteinrichtung nur 27.000 Euro wert war. Der Differenzschaden beträgt somit .000 Euro.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): Regelt die gesonderte Wertfestsetzung für die anwaltliche Tätigkeit, wenn der Wert für die Anwaltsgebühren von dem für die Gerichtsgebühren abweicht, insbesondere bei Änderungen des Streitwerts im Verfahren. Dadurch kann für verschiedene Verfahrensabschnitte ein unterschiedlicher Streitwert für die Gebührenberechnung festgelegt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger beantragte eine separate Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren, da sich sein Zahlungsantrag im Berufungsverfahren mehrfach reduziert hatte, was eine abweichende Festsetzung nach § 33 RVG erforderlich machte.
- Nr. 3202 RVG-Vergütungsverzeichnis (Terminsgebühr): Bestimmt, dass die Terminsgebühr nach dem Wert des Streitgegenstands zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung berechnet wird. Dieser Wert kann sich im Verfahrensverlauf ändern, was für die Gebührenermittlung relevant ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Reduzierung des Zahlungsantrags kurz vor der Verhandlung führte dazu, dass der Wert für die Terminsgebühr niedriger sein sollte, was das Gericht durch die separate Wertfestsetzung prüfte.
- § 308 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) – Antragsbindung: Grundsatz, wonach das Gericht sein Urteil nicht über den Antrag einer Partei hinaus fällen darf, um diese nicht zu überraschen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt für Wertfestsetzungsverfahren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte klar, dass es bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht an den vom Kläger beantragten Wert gebunden ist und den korrekten Wert selbst ermitteln muss, auch wenn dieser über dem Antrag liegt.
- Kosteninteresse bei einseitiger Teilerledigung: Begriff aus der Prozesskosten- und Streitwertrechtsprechung, wonach eine Partei, die Teile des Rechtsstreits einseitig erledigt, dennoch ein eigenständiges Interesse an der Kostenentscheidung für den erledigten Teil hat. Dieses führt zu einer Wertkomponente über den reinen Zahlungsantrag hinaus. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Durch die einseitige Teilerledigung des Klägers ohne Zustimmung des Herstellers entstand ein Kosteninteresse, das das Gericht in die Wertfestsetzung einbezog und somit einen höheren Wert für die Anwaltsgebühren ab 1. September 2023 festsetzte.
- Streitwertprinzip und Grundsatz der Streitwertwahrheit (vgl. § 23 Abs. 1, § 32 Abs. 1 RVG): Die Gebühren bemessen sich grundsätzlich am Streitwert, der den wirtschaftlichen Wert des Verfahrensgegenstands korrekt abbilden soll. Eine korrekte Wertfestsetzung ist essenziell für eine gerechte Gebührenberechnung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verpflichtete sich zur objektiven Ermittlung des korrekten Werts, der neben dem reduzierten Zahlungsanspruch auch das Kosteninteresse einschließt, um die Gebührenberechnung angemessen vorzunehmen.
- Recht auf gesonderte Gebührenfestsetzung im Gebührenstreitverfahren: Verfahrenstechnisch ist die Festsetzung des Streitwerts für die Anwaltsgebühren gesondert gebührenfrei möglich, ohne dass eine vollstreckbare Entscheidung gegen den Gegner ergeht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger beantragte diese Festsetzung, um Klarheit über die Anwaltskosten zu erlangen, und das Gericht entschied unter Berücksichtigung aller rechtlichen Gesichtspunkte, den Wert höher als beantragt anzusetzen.
Das vorliegende Urteil
OLG Celle – Az.: 24 U 212/22 – Beschluss vom 25.04.2025
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