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Schulische Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen

VG Braunschweig

Az.: 6 A 150/99

Urteil vom 18.01.2000


Leitsatzsätze:

1. Es besteht kein zwingendes Stufenverhältnis der Ordnungsmaßnahmen.

2. Bei groben Pflichtverletzungen wie mehrfach unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht, Leistungsverweigerung und beleidigendes Verhalten bei einer schulischen Veranstaltung kann eine Überweisung auf eine andere Schule derselben Schulform angeordnet werben.


Aus dem Entscheidungstext:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,–DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der im März 1983 geborene Kläger war bis März 1999 Schüler bei der Beklagten. Mit seiner Klage wendet er sich dagegen, dass die Beklagten ihn durch eine Ordnungsmaßnahme an eine andere Schule derselben Schulform verwiesen hat.

Am 31. März 1998 beschloss die zuständige Klassenkonferenz der Beklagten, dem Kläger anzudrohen, ihn an eine andere Schule derselben Schulform zu überweisen und ihn von Sportveranstaltungen in der Öffentlichkeit bis Ende des Jahres 1998 auszuschließen. Diese Maßnahme erging, nachdem der Kläger in der Zeit vom 03. September 1997 bis zum 17. März 1998 an mehreren Tagen ohne Entschuldigung den Unterricht ganz oder teilweise versäumt und auch im Unterricht eine mangelhafte Arbeitshaltung gezeigt sowie während einer Mathematikklassenarbeit einen Täuschungsversuch unternommen und anschließend den Lehrer beleidigt hatte.

Am 27. November 1998 äußerte der Kläger gegenüber seinem Klassenlehrer: „Laber mich nicht voll, Alter“. Der Kläger hielt sich bei diesem Vorfall in der Nähe der Klasseneingangstür auf. Bei Stundenbeginn kam der Klassenlehrer des Klägers in das Klassenzimmer und stieß dem Kläger diese Tür in den Rücken. Der Klassenlehrer ärgerte sich über den unvorsichtigen Aufenthalt des Klägers im Bereich der Tür und schimpfte mit ihm, woraufhin es zu der verbalen Entgleisung kam.

Am 13.01.1999 fand im Rahmen des Programms „Jugend trainiert für Olympia“ ein Hallenhandballturnier statt, an dem auch der Kläger mit einer Mannschaft der Beklagten teilnahm. Dabei wurde der Kläger vom weiteren Spielverlauf ausgeschlossen, nachdem er während einer Halbzeitpause die Schiedsrichter beleidigt hatte. Da der Kläger auch für einen Sportverein spielt, wurde er nach einem entsprechenden Bericht der Schiedsrichter daraufhin auch vom Kreishandballverband für zwei Meisterschaftsspiele gesperrt.

Unter dem 25.01.1999 teilte der Klassenlehrer dem Vater des Klägers mit, seit dem letzten Herbst seien seinem Sohn zahlreiche Verfehlungen vorzuhalten. Er habe in der Schule geraucht, unentschuldigt gefehlt und sich Lehrkräften gegenüber beleidigend und pöbelhaft benommen. Außerdem habe er in nahezu allen Fächern eine außerordentlich mangelhafte Arbeitshaltung gezeigt und sei am 18.12.1999 sowie am 20.01.1999 auch zwei Klassenarbeiten ferngeblieben.

Mit Schreiben vom 02. Februar 1999 teilte der Klassenlehrer dem Vater des Klägers mit, der Kläger habe erneut getadelt werden müssen, nachdem er am 28. Januar 1999 bereits um 12.20 Uhr statt zum Unterrichtsschluss um 13.05 Uhr unerlaubt eine Schulsportveranstaltung verlassen und dabei einen für die Schüler gesperrten Ausgang benutzt habe, der verschlossen gewesen, aber mit Gewalt geöffnet worden sei. Aufgrund dieses Fehlverhaltens werde er eine Klassenkonferenz einberufen, um dieses Fehlverhalten zu ahnden.

Die daraufhin einberufene Klassenkonferenz fand am 15. Februar 1999 statt. Über den Verlauf der Klassenkonferenz ist ein Protokoll angefertigt worden. Hinsichtlich des dem Kläger vorgeworfenen Fehlverhaltens verweist das Protokoll auf eine vom Klassenlehrer gefertigte Anlage l, in der folgende Vorwürfe formuliert sind: aufbrausendes Verhalten; ungebührliches, pöbelndes Benehmen Lehrkräften gegenüber; ungebührliches, pöbelndes, beleidigendes Benehmen Dritten gegenüber (Sportveranstaltung); vorzeitiges Verlassen einer Schulveranstaltung; unentschuldigtes Fehlen an zwei Tagen (vor den Weihnachtsferien), eine Entschuldigung liege nur für einen Tag vor; Entfernen aus der Schule vor der ersten Stunde, als eine Englisch-Arbeit geschrieben wurde. Die Teilnehmer dieser Klassenkonferenz schlossen sich dem Vorschlag des Klassenlehrers, deswegen im Wesentlichen einen Schulverweis erneut anzudrohen, nicht an, sondern beschlossen, den Kläger an eine andere Schule derselben Schulform zu überweisen.

Mit dem nicht weiter begründeten Bescheid der Beklagten vom 22.02.1999 wurde dieser Beschluss umgesetzt und der Kläger wurde an die Realschule in S.-T. überwiesen. Diese Maßnahme genehmigte die Bezirksregierung Braunschweig mit Schreiben vom 23.02.1999.

Dagegen legte der Kläger am 08.03.1999 Widerspruch ein, mit dem sich die Klassenkonferenz vom 25.03.1999 beschäftigte. Nach Anhörung des Vaters des Klägers beschloss diese, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Da der Kläger seit dem Konferenzbeschluss vom 15.02.1999 sein Verhalten nicht gebessert, sondern sich erneut fehl verhalten habe („Rauchen auf dem Schulgelände am 19.02. und 05.03.1999, Verlassen des Schulgeländes am 09.03.1999″), beschloss die Klassenkonferenz ferner, der Verweisungsbeschluss vom 15.02.1999 solle sofort vollzogen werden. Demgemäss ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 26.03.1999 die sofortige Vollziehung des Schulverweises an, die sie mit Schreiben vom 26.04.1999 ergänzend mit pädagogischen Erwägungen zur Gewährung ordnungsgemäßen Unterrichts begründete.

Den dagegen vom Kläger gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs wies das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 11.05.1999 zurück.

Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.1999, den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 28.05.1999 zugestellt, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Ordnungsmaßnahme sei zu Recht verhängt worden, da der Kläger seine Pflichten als Schüler grob verletzt habe. Er habe mehrfach gegen das Verbot, auf dem Schulgelände zu rauchen, verstoßen. Ferner habe er gegen die rechtlichen Bestimmungen über seine Schulpflicht verstoßen, indem er des Öfteren das Schulgelände unerlaubt verlassen habe und wiederholt dem Unterricht unentschuldigt ferngeblieben sei. Darüber hinaus habe er in nicht unerheblichem Ausmaß die von ihm geforderten Leistungen verweigert, Lehrkräfte beleidigt und beim unerlaubten Verlassen der Sporthalle körperliche Gewalt zum Öffnen einer Tür angewendet, wodurch er jeweils auch gegen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstoßen habe.

Der Kläger hat am 28. Juni 1999 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:

Die gegen ihn verhängte Ordnungsmaßnahme sei ermessensfehlerhaft. Der Beschluss der Klassenkonferenz und insbesondere die Widerspruchsentscheidung beruhten auf fehlerhaften bzw. unvollständigen Sachverhaltsermittlungen. Man habe bei der Entscheidung über den Widerspruch das gewaltsame Öffnen der Sporthallentür berücksichtigt, obwohl der Klassenlehrer seinem Vater bereits im März 1999 mitgeteilt habe, dass er nicht der Täter gewesen sei. Der Täuschungsversuch aus dem Februar 1998 sei mitberücksichtigt worden, obwohl dieser Vorfall bereits auf der Klassenkonferenz im März 1998 erörtert worden sei. Der Taschenrechner, den er damals in seinem Etui aufbewahrt habe, sei eindeutig nicht eingeschaltet gewesen, so dass der sogleich verfügte Ausschluss von der Klassenarbeit seinerseits ebenfalls ungerechtfertigt gewesen sei. Auch die Fehltage seien bereits auf der Konferenz im März 1998 erörtert worden. Dabei seien zahlreiche Tage berücksichtigt worden, für die er entschuldigt gewesen sei. Hinsichtlich des Vorwurfs der Verspätungen bzw. des vorzeitigen Verlassens der Schule trägt der Kläger vor, dass er sich stets mit einem dafür vorhandenen Formular abgemeldet habe. Bei der Würdigung seines Verhaltens beim Handballturnier im Januar 1999 sei nicht berücksichtigt worden, dass sein Vater ihm die Teilnahme an weiteren Schulveranstaltungen im Handball in der Öffentlichkeit zuvor untersagt gehabt habe. Wenn die Beklagte offensichtlich nicht in der Lage sei, die herrschende Unart zu unterbinden, dass viele Schüler während der großen Pausen das Schulgelände verlassen, könnten ihm daraus nachteilige Folgen nicht erwachsen. Die Schulverweisung beruhe im Übrigen auf erheblichen Spannungen zwischen ihm und dem Klassenlehrer. Der Klassenlehrer habe ihm gegenüber geäußert: „Auch Dich bekommen wir von der Schule“. Die in Anlage l zum Protokoll der Klassenkonferenz konkretisierten Vorwürfe reichten für sich alleine keinesfalls für einen Schulverweis aus. Der Kläger habe keinesfalls seine Pflichten als Schüler grob verletzt. Vorzuwerfen seien lediglich ein unentschuldigter Fehl tag, ein einmaliges Fernbleiben bei einer Englisch-Arbeit und das beleidigende Verhalten gegenüber dem Klassenlehrer. Hinsichtlich des Vorfalls beim Handballturnier hätte entscheidend mitberücksichtigt werden müssen, dass sein Verhalten bereits durch den Kreishandballverband angemessen sanktioniert worden sei. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass die Androhung der Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform durch den Beschluss der Klassenkonferenz im März 1998, deren Gegenstand in erster Linie seine (angeblichen) Fehltage gewesen seien, insofern gefruchtet habe, als seitdem nur ein unentschuldigter Fehltag hinzugekommen sei. Auch nach der Neufassung des § 61 NSchG müsse die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gewahrt sein. Es müsse überprüfbar sein, dass pädagogische Maßnahmen nicht gefruchtet haben. Trotz des Wortlauts des § 61 NSchG könne ein einmaliger Verstoß gegen eines der dort genannten Regelbeispiele für eine Überweisung an eine andere Schule nicht ausreichen. Mit der Ordnungsmaßnahme sollte eher sein Vater getroffen werden. Auch sei zu beanstanden, dass die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf eine Weisung der Bezirksregierung Braunschweig zurückgehe. Die Beklagte habe die Bezirksregierung Braunschweig nicht darüber informiert, dass der Vorwurf des gewaltsamen Öffnens der Sporthallentür nicht aufrecht erhalten werde. Die im Widerspruchsbescheid erhobenen Vorwürfe des Rauchens auf dem Schulgelände und des wiederholten Fernbleibens vom Unterricht seien nicht Gegenstand der Klassenkonferenz gewesen. Das Protokoll der Klassenkonferenz sei nachträglich ergänzt worden. Die angefochtene Entscheidung sei auch unverhältnismäßig. Es hätte vor der Verhängung einer Ordnungsmaßnahme positiv festgestellt werden müssen, dass Erziehungsmittel nicht ausreichend seien, um das Fehlverhalten des Klägers zu ahnden. Ferner hätte vorher festgestellt werden müssen, dass eine Überweisung in eine Parallelklasse nicht möglich sei. Außerdem sei schulbekannt gewesen, dass er nach der Schule durch seine Großmutter in S.-L. betreut werde.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 22.02.1999 in der Form des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 21.05.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, ein Ermessensfehler sei nicht erkennbar. Allerdings werde der Vorwurf, der Kläger habe eine Tür gewaltsam geöffnet, nicht mehr aufrecht erhalten. Der Klassenkonferenz habe freigestanden, zwischen den Ordnungsmaßnahmen des § 61 Abs. 3 NSchG zu wählen. Allein die von dem Kläger eingeräumten Vorwürfe erfüllten den Tatbestand des § 61 Abs. 2 NSchG. So würden verbale Entgleisungen eingeräumt. Ferner werde eingeräumt, dass der Kläger bei der Klassenarbeit im Februar 1998 ein unzulässiges Hilfsmittel bei sich geführt habe. Ein Ausschluss von der Klassenarbeit sei auch gerechtfertigt, wenn der Taschenrechner nicht eingeschaltet gewesen wäre. Der Nachweis der Benutzung sei nicht erforderlich. Der Kläger räume selber ein, dass in erheblichem Umfang Fehltage vorgelegen hätten. Es komme nicht darauf an, ob der Vater des Klägers diesem verboten habe, an Handballspielen in der Öffentlichkeit teilzunehmen. Die Inhalte des Unterrichts würden auch im Fach Sport von der Lehrkraft und nicht vom Vater bestimmt. Ferner habe der Kläger eingeräumt, häufig eigenmächtig und unabgemeldet das Schulgelände verlassen zu haben. Die verhängte Maßnahme sie nicht unverhältnismäßig. Eine Umsetzung des Klägers in eine Parallelklasse komme angesichts der Art des Verhaltens des Klägers nicht in Betracht. Die von dem Kläger praktizierte weitgehende Selbstgestaltung der Unterrichtsanwesenheit könne nicht durch eine Umsetzung in eine Parallelklasse beendet werden. Die außerschulische Betreuung durch die Großmutter sei den Konferenzteilnehmern bekannt gewesen, habe jedoch keinen Anlass gegeben, von der getroffenen Maßnahme abzusehen. Ein Lebensmittelpunkt habe bei der Großmutter in L. nicht bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den ehemaligen Klassenlehrer des Klägers, Herrn P., im Einvernehmen mit den Beteiligten informatorisch befragt. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sowie der dazu im Verwaltungsrechtsstreit gemäß § 114 Satz 2 VwGO abgegebenen Erklärungen zur Ermessensbetätigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme der Beklagten ist § 61 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 NSchG. Die verhängte Maßnahme hält insoweit trotz gewisser (Begründungs-) Mängel in formeller Hinsicht einer rechtlichen Überprüfung stand.

Keine Bedenken bestehen insoweit hinsichtlich der Besetzung der Klassenkonferenz, namentlich der Teilnahme des Klassenlehrers. Ein Mitwirkungsverbot des Klassenlehrers gemäß § 41 Abs. l NSchG hat nicht bestanden, Nach dieser Vorschrift dürfen Mitglieder von Konferenzen und Ausschüssen bei der Beratung und Beschlussfassung über diejenigen Angelegenheiten, die sie selbst oder ihre Angehörigen persönlich betreffen, nicht anwesend sein. Ist eine Lehrkraft das Opfer des Verhaltens eines Schülers geworden, ist sie von der Beratung und Beschlussfassung über eine daraufhin ergehende Ordnungsmaßnahme ausgeschlossen, wenn sie derart geschädigt worden ist, dass eine Strafanzeige oder ein zivilrechtliches Vorgehen der Lehrkraft gegen den betreffenden Schüler ernsthaft in Betracht kommt (Seyderhelm/Nagel/Brockmann, Niedersächsisches Schulgesetz, § 61 Anm. 8.3).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht dadurch erfüllt, dass der Kläger beim Vorfall am 27. November 1998 seinem Klassenlehrer gegenüber äußerte: „Laber mich nicht voll, Alter“. Zwar erfüllt diese Äußerung den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB). Sie stellt aber keine derart nennenswerte Rechtsverletzung dar, dass zu erwarten gewesen wäre, der Klassenlehrer sei bei seiner Entscheidung voreingenommen. Dies wird auch durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt. Insbesondere die Tatsache, dass der Klassenlehrer ausweislich seines in der Anlage l des Protokolls der Klassenkonferenz vom 15.02.1999 unterbreiteten Entscheidungsvorschlags belegt, dass er dem Kläger gegenüber nicht übertrieben hart eingestellt war, so dass auf seine Voreingenommenheit geschlossen werden könnte. Nur weil andere Mitglieder der Klassenkonferenz auf eine Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform bestanden hatten, wurde ein entsprechender Beschluss gefasst.

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Im Übrigen hat sich das Gericht nicht von der Richtigkeit der Behauptung des Klägers überzeugen können, der Klassenlehrer, Herr P., habe im März 1998 gegenüber dem Kläger geäußert: „Auch Dich bekommen wir von der Schule“. Der Klassenlehrer hat bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung indessen erneut und glaubhaft bestritten, sich mit diesen Worten oder zumindest in diesem Sinne geäußert zu haben. Der Vater des Klägers, der im Übrigen unstreitig nicht zugegen war, als der Klassenlehrer nach der Behauptung des Klägers diese Aussage gemacht haben soll, ist dem in der mündlichen Verhandlung zwar entgegengetreten und hat geltend gemacht, er habe Herrn P. auf der Klassenkonferenz im März 1998 mit diesem Vorwurf konfrontiert und der Klassenlehrer habe ihm bestätigt, eine entsprechende Äußerung abgegeben zu haben. Doch ist auch dieses von dem Klassenlehrer sowohl bei seiner Befragung durch das Gericht als auch in seiner (und des damaligen Schulleiters) schriftlichen Erklärung in Abrede gestellt worden.

Selbst wenn der Klassenlehrer sich im März 1998 in der Weise, wie vom Kläger behauptet, geäußert hätte, wäre damit nicht hinreichend wahrscheinlich, dass dieser Lehrer noch nach einem Jahr voreingenommen wäre. Dagegen spricht insbesondere das aktenkundige Verhalten des Klassenlehrers, namentlich seine Bemühungen, mit dem Vater des Klägers zu korrespondieren, um ihn zu gewinnen, die Schwierigkeiten gemeinsam auf erzieherische Weise zu lösen. Dazu hat er dem Vater des Klägers zum Beispiel auch ein Gespräch wegen des Fehlverhaltens des Klägers angeboten, das der Vater trotz Zusage gegenüber dem kommissarischen Schulleiter nicht wahrgenommen hat.

Vor diesem Hintergrund kann das Gericht auch nicht annehmen, dass erhebliche Spannungen gerade zwischen dem Kläger und seinem Klassenlehrer bestanden haben, die – wie vom Kläger der Sache nach behauptet – diesen Lehrer befangen sein ließen. Dem steht auch entgegen, dass der Kläger in der achten Klasse einen anderen Klassenlehrer hatte und der Kläger bereits mit diesem Klassenlehrer ähnliche Probleme hatte, wie der Konferenzbeschluss vom 31. März 1998 zeigt.

Auch im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass das Verfahren fehlerhaft war. Der Kläger und sein Vater haben gemäß § 61 Abs. 6 NSchG Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen gegen den Kläger zu äußern. Die Tatsache, dass der Klassenlehrer das Protokoll über die Konferenz vom 15. Februar 1999 mit verschiedenen Stiften ausgefüllt hat, berechtigt nicht zu der vom Kläger gezogenen Schlussfolgerung, die Entscheidung habe bereits zuvor festgestanden. Naheliegend, aber rechtlich unerheblich ist allein, dass die Niederschrift mit einem anderen Stift ergänzt worden ist. Inhaltliche Manipulationen sind damit erkennbar nicht verbunden. Gegen die Annahme, die Entscheidung habe bereits vorher festgestanden, spricht insbesondere, dass die getroffene Entscheidung als auch der Zeitpunkt des Endes der Konferenz mit demselben Stift eingetragen sind. Daraus ist zu schließen, dass die Niederschrift auch tatsächlich erst während der Konferenz angefertigt wurde.

Der Umstand, dass die gemäß § 61 Abs. 7 NSchG erforderliche Genehmigung der Schulbehörde erst unter dem 23.02.1999 schriftlich mitgeteilt worden ist, während der Bescheid an den Kläger vom 22.02.1999 datiert, berührt die Rechtmäßigkeit der Ordnungsmaßnahme nicht, zumal die materielle Genehmigungsentscheidung nach der vorgelegten Akte der Bezirksregierung Braunschweig (Beiakte A) bereits am 19.02. 1999 getroffen worden ist. Die Zustimmung der Schulbehörde ist ein verwaltungsinterner Vorgang zwischen der Schulbehörde und der Schule und muss nicht vor der Mitteilung der Ordnungsmaßnahme an den Betroffenen auch schriftlich bei der Schule eingetroffen sein.

Die angegriffene Maßnahme, die gemäß § 79 Abs. l Nr. l VwGO in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu beurteilen ist, hat auch die gemäß § 39 Abs. l VfYfGi.V.m. § l Abs. l Nds. VwVfG erforderliche Begründung enthalten. Allerdings trifft dies für den Bescheid vom 22.02.1999 zunächst nicht zu. Eine solche Begründungspflicht war entgegen der im Bescheid angedeuteten Auffassung nicht gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGi.V.m. § l Abs. l Nds. VwVfG entfallen, da dem Kläger bzw. seinem Vater die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Entscheidung der Klassenkonferenz gerade nicht vollständig bekannt waren, da sie bei der Beratung und Abstimmung in der Klassenkonferenz nicht anwesend gewesen sind. Dieser Mangel ist jedoch gemäß § 45 Abs. l Nr. 2 VwVfG i.V.m. § l Abs. l Nds. VwVfG nachträglich geheilt worden. Eine Nachholung der Begründung ist gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § l Abs. l Nds. VwVfG bis zum Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO durfte die Beklagte ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen und damit auch die gegebene Begründung (unwesentlich) modifizieren.

Die Ordnungsmaßnahme ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 2 i. V.m. Abs. 3 Nr. 2 NSchG sind erfüllt, und die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen letztlich fehlerfrei ausgeübt.

Nach § 61 Abs. 2 NSchG sind Ordnungsmaßnahmen zulässig, wenn Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen, den Unterricht nachhaltig stören, die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat auch nach eigenem Vortrag mehrere der in § 61 Abs. 2 NSchG genannten Regelbeispiele verwirklicht. Die von dem Kläger begangenen Verfehlungen stellen entgegen der Auffassung des Klägers grobe Pflichtverletzungen dar.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger mehrfach und nicht, wie von ihm vorgetragen, nur einmal unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben ist. Dieses lässt sich der in ihrer Richtigkeit insoweit auch vom Kläger (jedenfalls substantiiert) nicht bestrittenen Anlage l zum Protokoll der Klassenkonferenz vom 15. Februar 1999 entnehmen. Dort heißt es u.a.: „unentschuldigtes Fehlen (vor den Weihnachtsferien) an 2 Tagen. Entschuldigung liegt nur für l Tag vor!“. Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass damit nur eine unentschuldigter Fehltag verbleibt – aus dem Schreiben des Klassenlehrers an den Vater des Klägers vom 25. Januar 1999 ist als unentschuldigter Fehltag vor den Weihnachtsferien nur der 20. Dezember 1998 vermerkt -, kommt ferner noch der Tag hinzu, an dem der Kläger die Schule bereits vor Beginn der ersten Unterrichtsstunde wieder verlassen hat. Dazu ist in der Anlage l zum Protokoll vermerkt: „Entfernen aus der Schule vor der 1. Stunde. Entschuldigung liegt bis heute nicht vor. An diesem Tag wurde Eng-Arbeit geschrieben.“ Dabei handelte es sich dem Schreiben des Klassenlehrers vom 25. Januar 1999 zufolge um den 20. Januar 1999. Auch das unentschuldigte Fehlen bei einer Klassenarbeit erfüllt den Tatbestand des unentschuldigten Fernbleibens vom Unterricht. Schließlich findet sich in der Anlage l zum Protokoll noch der Vorwurf „vorzeitiges Verlassen…“. Damit ist der Vorfall vom 28.01.1999 gemeint, als der Kläger bereits um 12,20 Uhr statt um 13.05 Uhr eine Schulveranstaltung verlassen hatte, obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass er bis 13.05 Uhr zu bleiben habe. Insgesamt liegt damit ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht in drei Fällen vor. Diese drei Fälle unentschuldigten Fernbleibens waren ausweislich der zwar unpräzisen, aber noch nachvollziehbaren Ausführungen in der Anlage l des Protokolls vom 15. Februar 1999 auch Gegenstand der Klassenkonferenz.

Zugleich hat der Kläger damit die von ihm geforderten Leistungen verweigert. So ist er am 20.01.1999 einer Englisch-Klassenarbeit ferngeblieben. Dieser Vorfall war ausweislich zum Protokoll der Klassenkonferenz vom 15. Februar 1999 auch Gegenstand der Klassenkonferenz.

Dabei hat der Kläger auch gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Jedenfalls indem er in drei Fällen unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben ist, das Schulgelände unerlaubt verlassen hat und einmal die von ihm geforderten Leistungen verweigert hat, hat er gegen den die Schulpflicht regelnden § 58 NSchG verstoßen. Ferner hat er auch gegen rechtliche Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstoßen. Indem er am 27. November 1998 gegenüber seinem Klassenlehrer äußerte: „Laber mich nicht voll, Alter“, hat er diesem gegenüber seine Missachtung kundgegeben und damit den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllt. Selbst wenn der Klassenlehrer mit dem Kläger zuvor geschimpft und ihn zu dieser Äußerung provoziert haben sollte, lässt dies den Vorwurf der Beleidigung nicht entfallen. Indem er am 13. Januar 1999 beim Handballturnier für „Jugend trainiert für Olympia“ die Schiedsrichter beschimpfte (u.a. fielen die Worte „Arschlöcher“ und „alte Säcke“) und einem Schiedsrichter gegenüber den „Stinkefinger“ zeigte, hat er auch diesen gegenüber seine Missachtung zum Ausdruck gebracht und damit den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Unerheblich ist, ob der Kläger sich zu diesem Verhalten durch laienhafte Schiedsrichterentscheidungen veranlasst gesehen hat. Der Kläger verfugt in seinem Alter von damals 15 Jahren und gerade aufgrund der Tatsache, dass er im Verein Handball spielt und an Sichtungslehrgängen des niedersächsischen Handballverbandes teilnimmt, über die erforderliche Einsichtsfähigkeit, so dass ihm zugemutet werden kann, ggf. auch falsche Schiedsrichterentscheidungen zu akzeptieren. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, dass der Vater des Klägers diesem verboten hatte, an Handballspielen in der Öffentlichkeit („außerschulischen Sportveranstaltungen“) teilzunehmen. Gemäß § 50 Abs. l Satz l NSchG werden die Inhalte auch im Fach Sport von der Lehrkraft und nicht vom Vater bestimmt. Mit dem Verbot des Vaters kann das Verhalten des Klägers nicht gerechtfertigt werden. Auch das Benehmen gegenüber dem Klassenlehrer und den Schiedsrichtern beim Handballturnier war ausweislich der Anlage l zum Protokoll der Klassenkonferenz vom 15. Februar 1999 Gegenstand der Klassenkonferenz.

Schließlich hat der Kläger auch noch nach dem Beschluss der Klassenkonferenz vom 15.02.1999 das Verbot, auf dem Schulgelände zu rauchen, zumindest am 19.02. und 05.03.1999 nicht beachtet und auch das Schulgelände am 09.03.1999 unerlaubt verlassen, wie die Klassenkonferenz am 25.03.1999 festgestellt hat. Auch diese vom Widerspruchsbescheid miterfassten Vorwürfe können nicht unberücksichtigt bleiben.

Bei diesen Verfehlungen handelt es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Klägers auch um grobe Pflichtverletzungen. Voraussetzung für eine grobe Pflichtverletzung ist ein Verhalten, das ein bestimmtes Gewicht hat (Seyderhelm/Nagel/Brockmann, Niedersächsisches Schulgesetz, § 61 Anm. 4.1). Die grobe Pflichtverletzung folgt im Falle des Klägers aus der Anzahl und der Vielfältigkeit seiner Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen und die Schulordnung. Er hat nahezu sämtliche in § 61 Abs. 2 NSchG genannten Regelbeispiele erfüllt. Zwar trifft die Auffassung des Klägers zu, ein einmaliges Fernbleiben rechtfertige noch nicht die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform. Gegenstand der Klassenkonferenz waren jedoch drei Fälle unerlaubten Fernbleibens. Außerdem hat er eine Klassenarbeit unentschuldigt versäumt und in zwei Fällen Beleidigungen begangen. Bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung des Klägers ist insbesondere zu berücksichtigen, dass wegen gleichartiger Verfehlungen bereits im März 1998 eine Klassenkonferenz abgehalten wurde, auf der die Beklagte beschlossen hatte, dem Kläger die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform anzudrohen. Gegenstand dieser Klassenkonferenz waren eine erhebliche Anzahl von Fehltagen sowie eine Beleidigung gegenüber dem damaligen Klassenlehrer des Klägers. Wenn aber bereits Fehltage und beleidigendes Benehmen gegenüber Lehrern auf der Klassenkonferenz im März 1998 zur Androhung der Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform geführt hat, ist es folgerichtig, dass die im Februar 1999 getroffene Maßnahme bereits dann verhängt wird, wenn die Androhung dieser Maßnahme nicht zu einer Veränderung des Verhaltens des Klägers geführt hat. Eine grobe Pflichtverletzung kann in einem solchen Fall bereits gegeben sein, wenn weitere Verstöße hinzukommen, die für sich betrachtet noch nicht zur Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform berechtigt hätten. Nicht erforderlich ist, dass sich das Verhalten des Klägers noch weiter verschlechtert, bevor die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform in Betracht kommt.

Die Beklagte hat auch eine zulässige Ordnungsmaßnahme ausgewählt. In § 61 Abs. 3 NSchG sind die zulässigen Ordnungsmaßnahmen geregelt. § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG sieht die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform vor. Diese Ordnungsmaßnahme hat die Beklagte beschlossen.

Die Rechtsgrundlage § 61 Abs. 2 i. V.m. Abs. 3 Nr. 2 NSchG räumt der zuständigen Klassenkonferenz bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessen ein. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft gehandelt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte nicht von einem fehlerhaften bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Allerdings geht das Gericht nunmehr (die anderslautende Annahme im Beschluss vom 11.05.1999 war der insoweit missverständlichen Aktenlage geschuldet) davon aus, dass der Kläger am 28. Januar 1999 die Sporthallentür nicht (selbst) gewaltsam geöffnet hat. Soweit die Bezirksregierung Braunschweig in ihrer Widerspruchsentscheidung (offenbar in Anlehnung an den Kammerbeschluss vom 11.05.1999) gleichwohl darauf abstellt, der Kläger habe beim unerlaubten Verlassen der Sporthalle körperliche Gewalt zum Öffnen einer Tür angewendet und dadurch gegen § 303 StGB verstoßen, trifft dies nicht zu. Dennoch ist die Beklagte (selbst) nicht von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen, weil der Vorwurf des gewaltsamen Öffnens der Sporthallentür nicht Gegenstand der Klassenkonferenz war. Dieses steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Aussage des Klassenlehrers in der mündlichen Verhandlung und aufgrund der Eintragung in Anlage l des Protokolls zur Klassenkonferenz vom 15. Februar 1999 fest, wo nur das vorzeitige Verlassen der Schulveranstaltung als Vorwurf formuliert ist. Dies stellt auch der Kläger nicht ernsthaft in Frage. Zumindest vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken anzunehmen, dass die Beklagte die fehlerhafte Begründung im Widerspruchsbescheid gemäß § 114 S. 2 VwGO geheilt hat, indem sie diesen Vorwurf im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich fallengelassen und damit ihre Ermessenserwägungen dahin ausdrücklich ergänzt hat, dass auch ohne diesen Vorwurf ein Schulverweis ausgesprochen worden wäre. Nach § 114 S. 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die Behörde kann gemäß §114 VwGO auch einzelne Vorwürfe fallen lassen. Ein „Nachschieben“ von Ermessenserwägungen durch die Verwaltungsbehörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren findet seine Grenze erst dann, wenn die Begründung völlig ausgewechselt wird oder wenn die Behörde kein Ermessen ausgeübt hat. Dieses ist vorliegend aber nicht der Fall. Die übrigen gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe finden sich in der Begründung im Widerspruchsbescheid.

Auch hinsichtlich des Vorfalls am 27. November 1998, als der Kläger gegenüber seinem Klassenlehrer äußerte „Laber mich nicht voll, Alter“, hat die Beklagte den Sachverhalt nicht unvollständig der Entscheidung zu Grunde gelegt. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vom Kläger behauptet, dass die Beklagte die Entstehungsgeschichte des Vorfalls nicht berücksichtigt hat. Selbst wenn der Klassenlehrer dem Kläger zuvor unbeabsichtigt die Tür in den Rücken gestoßen und daraufhin mit ihm geschimpft haben sollte, lässt dies den Vorwurf der Beleidigung nicht entfallen, so dass auch in diesem Fall eine Ahndung des Vorfalls in Betracht kommt.

Die Beklage hat auch nicht bei der Würdigung des Vorfalls beim Handballturnier „Jugend trainiert für Olympia“ – fraglos eine schulische Veranstaltung – unberücksichtigt gelassen, dass der Vater des Klägers diesem verboten hatte, an Handballspielen in der Öffentlichkeit (bzw. an außerschulischen Veranstaltungen) teilzunehmen. Die Inhalte des Unterrichts werden auch im Fach Sport gemäß § 50 Abs. l Satz l NSchG von der Lehrkraft und nicht vom Vater bestimmt. Anordnungen eines Elternteils sind insoweit unbeachtlich. Die Beklagte hätte den Vorfall beim Handball daher nicht aufgrund der entgegenstehenden Anordnung des Vaters unberücksichtigt lassen müssen. Etwas anderes könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn es eine Absprache zwischen der Beklagten und dem Vater des Klägers gegeben hätte. Davon hat sich das Gericht indessen nicht überzeugen können.

Die Klassenkonferenz der Beklagten hat sich bei ihrer Entscheidung auch nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung das Verhalten des Klägers ahnden und nicht dessen Vater treffen wollen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Protokoll der Klassenkonferenz vom 15. Februar 1999 vermerkt ist, „sein (des Vaters) Benehmen ist noch schlimmer als das seines Sohnes“. Aus dem Protokoll geht trotz dieser Bemerkung hervor, dass Gegen- stand der Klassenkonferenz allein das Fehlverhalten des Klägers war. Die Protokollierung des Verhaltens des Vaters in der Konferenz diente vielmehr der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung der Klassenkonferenz. Die Konferenz brachte damit zum Ausdruck, dass sie davon ausging, mit einer Besserung des Verhaltens des Klägers sei aufgrund einer Einwirkung des Vaters auf den Kläger nicht zu rechnen, da das Verhalten des Klägers aus der Sicht der Klassenkonferenz offensichtlich vom Vater gedeckt werde.

Nach den vorstehenden Ausführungen zur Unbegründetheit der Annahme, der Klassenlehrer habe gegenüber dem Kläger aus sachfremden Motiven, voreingenommen gehandelt, bleibt kein Raum für die darauf gestützte Behauptung des Klägers, die Entscheidung beruhe auf sachfremden Erwägungen. Ein persönlicher Streit war erkennbar nicht Grundlage der Entscheidung der Klassenkonferenz, sondern vielmehr die in der Anlage l zum Protokoll konkretisierten bzw. von der Klassenkonferenz am 25.03.1999 ergänzten Vorwürfe gegen den Kläger. Die Entscheidung wurde auch nicht vom Klassenlehrer des Klägers allein getroffen, sondern von der zuständigen Klassenkonferenz. Hinzu kommt, dass der Klassenlehrer sich in der Klassenkonferenz lediglich für eine erneute Androhung der Überweisung des Klägers an eine andere Schule derselben Schulform, die Mehrheit der übrigen Konferenzteilnehmer jedoch gegen die bloße erneute Androhung ausgesprochen hatte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es ausweislich des Protokolls der Klassenkonferenz vom März 1998 bereits mit dem vorherigen Klassenlehrer des Klägers zu Unstimmigkeiten kam, so dass von einem persönlichen Streit zwischen dem Kläger und seinem Klassenlehrer in der 9. Klasse – wie ausgeführt – nicht ausgegangen werden kann.

Die angefochtene Maßnahme ist auch nicht unter Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ergangen. Entgegen der Auffassung des Klägers fordert § 61 NSchG ersichtlich nicht, dass Ordnungsmaßnahmen erst nach vergeblicher Ausschöpfung einiger oder aller Erziehungsmaßnahmen und ferner nur in der Abstufung angewendet werden dürfen, in der sie in § 61 Abs. 3 NSchG aufgezählt sind. Eine Ordnungsmaßnahme kann schon mit Blick auf die Schwere des Vergehens auch dann geboten sein, wenn zuvor Anlass für erzieherische Maßnahmen oder weniger intensive Ordnungsmaßnahmen nicht bestanden hat (Seyderhelm/ Nagel/ Brockmann, Niedersächsisches Schulgesetz, § 61 Anm. 3.2).

Im vorliegenden Fall rechtfertigt die Schwere der Verfehlungen die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform. Die ergriffene Ordnungsmaßnahme erscheint insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger, obwohl ihm bereits aufgrund seines Fehlverhaltens im März 1998 die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform angedroht war, sich weitere Verfehlungen in erheblichem Umfang – wie ausgeführt – hat zu Schulden kommen lassen. Außerdem hat die Beklagte durchaus versucht, auf andere Weise auf den Kläger einzuwirken, wie sich aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten ergibt. So enthält die Akte unter dem 15. Oktober 1998 einen Tadel des Klägers wegen unerlaubten Verlassens des Schulgeländes, wegen Rauchens in der Schule und wegen unentschuldigten Versäumens des Unterrichts. Im Anschluss an den Vorfall vom 28. Januar 1999 bot der Klassenlehrer dem Vater des Klägers ein Gespräch an, das dieser trotz mündlicher Zusage gegenüber dem kommissarischen Schulleiter nicht wahrnahm. In dem Schreiben vom 25. Januar 1999 wies der Klassenlehrer den Vater des Klägers daraufhin, dass bei erneutem Fehlverhalten des Klägers eine Klassenkonferenz einberufen werde und dem Kläger die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform drohe. Trotzdem entfernte er sich nur wenige Tage später am 28. Januar 1999 unerlaubt vom Unterricht. Es ist nicht ersichtlich, aufweiche Weise die Beklagte sonst noch auf den Kläger hätte einwirken können.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es nicht in Betracht gezogen hat, den Kläger in eine Parallelklasse zu überweisen. Denn das Verhältnismäßigkeitsprinzip fordert nur, dass unter mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste zu wählen ist. Die Überweisung in eine Parallelklasse ist aber nicht geeignet, das Fehlverhalten des Klägers für die Zukunft zu unterbinden, insbesondere ihn vom unentschuldigten Fernbleiben vom Unterricht abzuhalten. Diese Maßnahme ist nicht einmal geeignet, die von dem Kläger behaupteten Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und seinem Klassenlehrer zu unterbinden. Denn auf diese Weise ist nicht sichergestellt, dass sich der Kläger und sein Klassenlehrer künftig aus dem Wege gehen. So sind weitere Konfrontationen z.B. bereits dann vorhersehbar, wenn der Klassenlehrer des Klägers in den Pausen Aufsicht über den Schulhof führt.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch nicht etwa deshalb verletzt, weil der Kläger, wie dieser vorträgt, nach dem Unterricht von seiner Großmutter in S.-L. betreut wird. Es kann dahinstehen, ob der Kläger, der mit seinem Wohnsitz nur in S. gemeldet ist, tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt bei seinen Großeltern in S.-L. gehabt hat. Selbst in diesem Fall würden die Auswirkungen den Kläger nicht unverhältnismäßig hart treffen. Wenn er von der Wohnung seiner Großeltern aus die mit dem Schulwechsel womöglich verbundene Erschwernis eines längeren Schulweges nicht hinnehmen will, wären Gründe nicht ersichtlich, dass er nicht von der Wohnung seines Vaters aus unter zumutbaren Bedingungen zur neuen Schule gelangen könnte. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der Kläger derzeit die Schule in S.-T. besucht, so dass es ihm offensichtlich sehr wohl möglich ist, unter zumutbaren Umständen zur Schule zu gelangen.

Schließlich ist die Maßnahme auch nicht im Hinblick auf bevorstehende Bewerbungen des Klägers um einen Ausbildungsplatz als unverhältnismäßig anzusehen. Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich keine Probleme dadurch, dass der Kläger das Bewerbungszeugnis (Schulzeugnis der 9. Klasse) von der Beklagten, das endgültige Zeugnis jedoch von der Realschule in S.-T. bekommt. Wie aus der Akte hervorgeht, hat der Kläger von der Realschule in S.-T. bereits ein Schulzeugnis der 9. Klasse erhalten, das er als Bewerbungszeugnis verwenden kann. Vielmehr würden sich die von dem Kläger angesprochenen Probleme erst dann ergeben, wenn er an seine alte Schule zurückversetzt würde. .

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. l VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. l GKG.

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