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„Amerikanische Auktion“ ein Spiel im Sinne von § 762 BGB

AG Kiel, Az.: 113 C 151/11, Urteil vom 06.01.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte ist ein E-Commerce-Unternehmen, das seit 2009 Onlineauktionen im Internet betreibt. Sie betreibt die Auktionsplattform pp.. Die dort angebotenen Auktionen beginnen bei einem Preis von 0 €. Mit jedem von einem Teilnehmer abgegebenen Gebot steigt der Preis des angebotenen Produkts um 1 Cent an. Zugleich wird die Laufzeit der Auktion um eine fest definierte Restzeit, die je nach Auktion 10 oder 5 Sekunden beträgt, verlängert. Der letztbietende Teilnehmer erhält den Zuschlag nach Zeitablauf. Der letztbietende Teilnehmer hat die Möglichkeit, den Kaufvertrag über das ersteigernde Produkt abzuschließen. Im Rahmen der Auktion wird nicht das Produkt selbst versteigert, sondern das verbindliche Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Kaufvertrages über das jeweilige Produkt. Um an der Auktion teilzunehmen, müssen sich die Teilnehmer auf der Seite der Beklagten registrieren lassen und Gebotsrecht, sogenannte Gebote für bis zu 50 Cent pro Gebot erwerben. Gebote können zu folgenden Stückelungen erworben werden: 20er Gebotspaket = 20 Gebote plus ein Bonusgebot für 10,00 €

"Amerikanische Auktion" ein Spiel im Sinne von § 762 BGB
Symbolfoto: Stanislau_V/Bigstock

50er Gebotspaket = 50 Gebote plus 5 Bonusgebote für 25,00 €

100er Gebotspaket = 100 Gebote plus 15 Bonusgebote für 50,00 €

250er Gebotspakete = 250 Gebote plus 50 Bonusgebote für 125,00 €

500er Gebotspakete = 500 Gebote plus 125 Bonusgebote für 250,00 €.

Die Gebotspakete sind ihrer Funktion nach mit einer Prepaidmobilkarte vergleichbar, die zu einem Wert erworben wird und die dann von dem Teilnehmer abkautioniert wird. Beim Onlinebieten kann dann jeweils per Mausklick ein Einzelgebot abgegeben werden. Mit Abgabe dieses Gebots ist dieses verbraucht. Das Gebot wird vom Konto des Teilnehmers abgebucht. Im Falle, dass der Teilnehmer nicht der Sieger der Auktion wird, erhält er die eingesetzten Gebote bzw. einen Gegenwert dafür nicht zurück. Im März 2011 wurde der Kläger auf die Plattform der Beklagten aufmerksam. Er beobachtete die Plattform über längere Zeit und informierte sich über die genauen Abläufe über verschiedene Internetforen. In der Folgezeit erwarb der Kläger mehrere Gebotspakete und setzte diese zu Test- und Versuchszwecken ein. Am 29.03.2011 entdeckte der Kläger schließlich gegen 13.00 Uhr auf der Seite der Beklagten eine Auktion über ein IPhone 4 32 GB, welches zu diesem Zeitpunkt bereits einen relativ hohen Preis von 45,00 € erreicht hatte. Im Verlauf der Zeit setzte der Kläger für das IPhone, das einen Wert von ungefähr 850,00 € hatte, insgesamt 1225,00 € ein, um das IPhone zu ersteigern. Der Kläger stieg schließlich mangels weiterer Geldmittel aus der Auktion aus. Das IPhone wurde zu einem Preis von rund 113,00 € versteigert. Mit der Klage begehrt der Kläger sämtliche von ihm erworbenen Gebotspakete im Wert von 1.335,00 €, bestehend aus einem Paket vom 12.03.2011 über 10,00 €, vom 13.03.2011 über 50,00 €, für ein Paket vom 24.03.2011 für 50,00 € und für diverse Pakete vom 29.03.2011 über 1.225,00 € zurück.

Er ist der Auffassung, dass es sich bei den abgeschlossenen Verträgen nicht um Kaufverträge handelt. Vielmehr handele es sich insgesamt um ein Spiel der Teilnehmer. Er werbe mit den Gebotspaketen quasi virtuelle Spieljetons, die sodann in dem Spiel eingesetzt werden würden. Zudem seien die Geschäfte auch sittenwidrig. Unter Berücksichtigung aller eingesetzten Gebote habe der Preis für das IPhone in vielfacher Weise den tatsächlichen Wert des IPhones überstiegen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.335,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger keinen Rückerstattungsanspruch hat. Die Beklagte betreibe ein seit mindestens 2005 in Deutschland etabliertes in sämtlichen großen Medien bekanntes und weltweit verbreitetes Auktionssystem.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von 1.335,00 € für die erworbenen Gebotspakete.

Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Nach dieser Norm kann das zurückverlangt werden, was ohne Rechtsgrund geleistet worden ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Der Kläger hat von der Beklagten Gebotspakete erworben. Hierbei handelt es sich um Kaufverträge. Diese sind nicht nichtig. Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er für sein Geld keine Gegenleistungen, sondern lediglich Spieljetons erhalten habe.

Bei einem Spiel geht es um ein Wagnis. Sein Zweck ist Unterhaltung und / oder Gewinn. Ein ernsthafter, sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck fehlt. Die Vertragspartner sagen sich für den Fall des Spielgewinns, der von der Geschicklichkeit oder und vom Zufall abhängt, eine Leistung, meist Geld zu. Der Spieler erhält nach den Regeln in Form des Gewinns eine seinem Einsatz gleiche oder höhere Leistung, im Falle des Verlierens muss er ihm den Gegenspieler überlassen. Beim Glückspiel hängen Gewinn und Verlust ganz oder doch hauptsächlich vom Zufall ab. Beim Geschicklichkeitsspiel hängen Gewinn oder Verlust vorwiegend, unter Umständen ganz von den persönlichen Fähigkeiten des Beteiligten ab. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Bei den Auktionen der Beklagten handelt es sich nicht um ein Spiel. Es fehlt bei dem Auktionssystem vollständig an einem Zufall oder Glücksmoment. Vielmehr handelt es sich um eine Auktion. Der Sieg bei der Auktion hängt ausschließlich vom Bietverhalten der übrigen Bieter ab. Solange die Beklagte nicht selbst mit bietet und einen technisch einwandfreien Ablauf der Auktion gewährleistet, wie es vorliegend unstreitig der Fall war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Ausgang der Auktion von irgendwelchen Zufallsmomenten abhängt.

Im Übrigen verfolgt die Auktion insgesamt einen ernsthaften wirtschaftlichen Geschäftszweck, nämlich dem Erwerb des angebotenen Produkts. Auch hiernach ist nach der oben genannten Definition ausgeschlossen, vom Vorliegen eines Spiels auszugehen.

Hinzu kommt, dass gemäß § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB die von dem Kläger an die Beklagten geleisteten Beträge selbst dann nicht zurückverlangt werden könnten, wenn es sich um ein Spiel handeln sollte. Denn das aufgrund des Spiels oder der Wette Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf Sittenwidrigkeit der geschlossenen Verträge berufen. Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt. Ein solcher Fall kann insbesondere auch dann angenommen werden, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände festzustellen. Dies führt vorliegend dazu, davon auszugehen, dass es sich bei der Auktion nicht um ein sittenwidriges Geschäft handelt. Zwar trifft es durchaus zu, dass Teile der angebotenen Produkte weit über Marktwert versteigert werden. Andere Produkte werden dem gegenüber weit unter Marktwert versteigert. Erst durch die Mischkalkulation ergibt sich für die Beklagte ihr Geschäft.

Solange, was vorliegend unstreitig ist, der technische ordnungsgemäße Ablauf gewährleistet ist und davon auszugehen, dass dem Teilnehmer der Auktion vollumfänglich bewusst ist, welche Spielregeln herrschen, kann nicht von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden.

Das Gericht konnte sich vielmehr im Rahmen der persönlichen Anhörung des Klägers davon ein Bild machen, dass dem Kläger sehr genau bewusst war, was er gemacht hat. So gab er im Rahmen seiner Anhörung an, dass er zunächst die Plattform beobachtet hat, sich über mehrere Internetforen über Spielregeln schlau gemacht hat, mehrere Probeeinsätze gemacht habe und dabei das Spielverhalten genau beobachtet hat und erst dann an dem fraglichen 29. März 2011 ernsthaft an einer Auktion teilgenommen hat. Der Kläger, der Jurastudent ist, hat damit ersichtlich geplant gehandelt. Es ist auch in keiner Weise davon auszugehen, dass es ihm am Urteilsvermögen mangelt oder er an einer erheblichen Willensschwäche leidet.

Nach alledem ergeben sich Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 11, 711 ZPO.

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