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Anspruch Nutzungsausfallentschädigung & unentgeltliches Ersatzfahrzeug

Verkehrsunfall: Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung und unentgeltliches Ersatzfahrzeug

OLG Saarbrücken, Az: 4 U 33/16, Urteil vom 01.06.2017

1. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15.02.2016 (Aktenzeichen 12 O 267/15) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger wird unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt, an den Beklagten zu 1 3.418,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2015 zu zahlen.

2. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 60 v. H. und der Beklagte zu 1 40 v. H. Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Klägers trägt der Beklagte zu 1 zu 40 v. H. Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Beklagten zu 1 trägt der Kläger zu 60 v. H. Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 2 trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 52 v. H. und der Beklagte zu 1 zu 48 v. H. zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

verkehrsunfall - Ansprüche
foto: Pixabay

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Zusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge am 12.03.2015 gegen 21 Uhr im Bereich der Kreuzung B-Straße/R-Straße in H., an dem der Kläger als Fahrer und Halter des Pkw Hyundai Elantra 2.0 CRDI GLS mit dem amtlichen Kennzeichen … und der Beklagte zu 1 als Fahrer des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw BMW 730d mit dem amtlichen Kennzeichen … beteiligt waren. Der Kläger und sein Sohn waren seit 2014 in zahlreiche andere Schadensereignisse an derselben Örtlichkeit verwickelt, die sich in nahezu identischer Weise abgespielt hatten, und sie hatten den daraus (angeblich) entstandenen Schaden in Höhe von insgesamt 77.000 € jeweils fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet. Durch den hier interessierenden Zusammenstoß entstand erheblicher Sachschaden am Pkw des Beklagten zu 1, auf den dessen Vollkaskoversicherung an ihn auf Reparaturkosten und Wertminderung 10.759,03 € zahlte.

Der Kläger hat mit der Behauptung, der Beklagte zu 1 habe einen Spurwechsel vorgenommen, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug des Klägers geachtet zu haben, Schadensersatz in Höhe von insgesamt 2.240,32 € beansprucht. Es sei falsch, dass es sich bei diesem Unfall um ein provoziertes oder gar gestelltes Unfallgeschehen gehandelt haben könnte.

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf die beim Amtsgericht Homburg eingereichte und dem Beklagten zu 1 am 28.07.2015 und der Beklagten zu 2 am 27.07.2015 zugestellte Klage, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss vom 10.09.2015 antragsgemäß an das Landgericht Saarbrücken verwiesen worden ist (Bl. 57 d. A.), beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.240,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 382,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, bei dem hier interessierenden Vorfall habe es sich um einen provozierten Unfall gehandelt, der vom Kläger vorsätzlich verursacht worden sei, um die Beklagten in Anspruch nehmen zu können.

Der Beklagte zu 1 hat im Wege der Widerklage vom Kläger Schadensersatz in Höhe von 6.155,21 € verlangt. Seinen Gesamtschaden hat er mit 16.914,24 € beziffert, darunter Nutzungsausfallentschädigung für 37 Tage in Höhe von insgesamt 4.403 € (Bl. 31 d. A.), und davon hat er die Leistung der Vollkaskoversicherung in Höhe von 10.759,03 € abgezogen.

Der Beklagte zu 1 hat unter Bezugnahme auf die dem Kläger am 26.08.2015 zugestellte Widerklage beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten zu 1 6.155,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2015 zu zahlen und

2. den Kläger zu verurteilen, an die … pp. Rechtsschutz Service GmbH auf deren Konto bei der Commerzbank Frankfurt AG, … 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, eine Nutzungsausfallentschädigung komme allenfalls für die Dauer von fünf Tagen in Betracht. Außerdem sei davon auszugehen, dass dem Beklagten zu 1 ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei. Soweit er möglicherweise vorsteuerabzugsberechtigt sei, müsse er sich dies anrechnen lassen.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Beklagten zu 1 als Partei (Bl. 79 ff. d. A.) mit dem am 15.02.2016 verkündeten Urteil (Bl. 87 ff. d. A.) die Klage abgewiesen und den Kläger unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt, an den Beklagten zu 1 1.752,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2015 zu zahlen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte zu 1 die im Wege der Widerklage gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsentschädigung teilweise weiter. Zur Begründung macht er geltend, das Landgericht habe verkannt, dass die Überlassung eines Ersatzwagens durch die Ehefrau den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Meinung nicht beseitige. Eine Rechtsverletzung liege auch darin, dass das Erstgericht den Beklagten zu 1 nicht darauf hingewiesen habe, dass es die Nutzung des Fahrzeugs der Ehefrau entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für entscheidungserheblich halte und im Weiteren davon ausgehen wolle, dass nicht ersichtlich sei, dass die Nutzung dieses weiteren Fahrzeugs mit fühlbaren Nachteilen verbunden gewesen wäre. Wäre der Widerkläger hierauf hingewiesen worden, hätte er zu den Details des Zweitfahrzeugs und zur Frage der Zumutbarkeit seiner Nutzung und den damit verbundenen Nachteilen das in der Berufungsbegründung näher Ausgeführte (Bl. 141 d. A.) vorgetragen. Das erstinstanzliche Gericht schließe zu Unrecht aus der Tatsache, dass dem Widerkläger gemeinsam mit dessen Ehefrau noch ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe, welches so versichert sei, dass er es auch habe fahren dürfen, darauf, dass der Widerkläger nicht fühlbar in der Nutzung beeinträchtigt sei. Woher das Gericht die Erkenntnis habe, dass der Widerkläger und seine Ehefrau während der Ausfallzeit nicht zwingend auf ein weiteres Fahrzeug angewiesen gewesen seien, bleibe allerdings offen. Das Erstgericht habe hier einen Sachverhalt unterstellt, den es nicht kennen könne und der von keiner der Parteien vortragen sei. Gerade die Tatsache, dass der Beklagte zu 1 und seine Ehefrau in ihrem Haushalt zwei Fahrzeuge vorhielten, zeige, dass beide ihre Fahrzeuge jeweils unabhängig voneinander nutzten.

Mit der Berufung werde der Anspruch (nur noch) in Höhe von 3.213 € weiterverfolgt. Nach den Angaben des Widerklägers im Termin zur mündlichen Verhandlung habe dieser das Fahrzeug am 20.03.2015 in die Reparaturwerkstatt verbracht und erst am 15.04.2015 wieder abgeholt. Hieraus ergebe sich eine Ausfallzeit von 27 Tagen zu 119 € und damit ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 3.213 €, mit dessen Zahlung sich der Kläger auf Grund des als Anlage B 5 bereits vorgelegten Schreibens vom 07.05.2015 seit dem 30.05.2015 in Verzug befinde.

Der Beklagte zu 1 beantragt (Bl. 138 d. A.), den Widerbeklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 15.02.2016 (Aktenzeichen 12 O 267/15) zu verurteilen, an den Widerkläger weitere 3.213 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2015 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Wenn ein nicht berufstätiges Ehepaar für eine gewisse Zeit das Zweitfahrzeug benutze, stelle dies für den Geschädigten ebenso wenig eine unzumutbare Belastung dar wie der Umstand, dass es sich bei dem Zweitfahrzeug um einen Kleinwagen handele, der Fahrer aber normalerweise einen 7er BMW gewohnt sei. Vorsorglich macht die Berufungserwiderung geltend, dem Beklagten zu 1 stünden höchstens 14 Tage Nutzungsausfall zu, weil ausweislich der Rechnung der BMW-Niederlassung Saar-Pfalz der Leistungszeitraum April 2015 gewesen sei, der Kläger das Fahrzeug aber bereits am 15.04.2015 abgeholt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 11.01.2016 (Bl. 78 ff. d. A.) und des Senats vom 18.05.2017 (Bl. 163 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 511, 513, 517, 519 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten zu 1 hat nach Maßgabe der §§ 513, 529 ff., 546 ZPO und des in zweiter Instanz zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstandes in Höhe einer Nutzungsausfallentschädigung von 1.666 € nebst Zinsen Erfolg.

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1. Die vom Landgericht zutreffend bejahte volle Haftung des Klägers dem Grunde nach für die durch das Schadensereignis vom 12.03.2015 verursachten Schäden des Beklagten zu 1 gemäß §§ 7, 18 StVG hat die Berufungserwiderung ausdrücklich außer Streit gestellt (Bl. 153 d. A.).

2. Über die erstinstanzlich bereits zuerkannte Widerklageforderung hinaus steht dem Beklagten zu 1 nach dem sich im Berufungsrechtszug darstellenden Sach- und Streitstand Nutzungsentschädigung für 14 Tage zu je 119 € in Höhe von 1.666 € zu.

a) Der durch die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs bedingte Nutzungsausfall ist regelmäßig ein nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzender Schaden (BGH NJW 2013, 1149, 1150 Rn. 13). Die Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile des Kraftfahrzeugs setzt voraus, dass der Geschädigte tatsächlich an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert war (Nutzungsentzug) und der Verzicht auf ein Ersatzfahrzeug sich für ihn als „fühlbarer“ wirtschaftlicher Nachteil ausgewirkt hat, weil er das Fahrzeug während der Wiederherstellungszeit in dieser Zeit benutzen wollte (Nutzungswille) und zur Nutzung in der Lage war (hypothetische Nutzungsmöglichkeit) und die Entbehrung der Nutzung nicht in anderer, anrechenbarer Weise aufgefangen worden ist (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR 1. Aufl. § 249 BGB Rn. 211 m. w. Nachw.). Der Nutzungsentzug infolge der Beseitigung der vom Kläger verursachten Beschädigung des Beklagten-Pkw, der durch die abgerechnete Reparatur (Bl. 40 ff. d. A.) indizierte Nutzungswille und die hypothetische Nutzungsmöglichkeit des offensichtlich weiterhin fahrtüchtigen Beklagten zu 1 stehen außer Frage. Schließlich ist entgegen der Auffassung des Landgerichts auch ein „fühlbarer“ wirtschaftlicher Nachteil des Beklagten zu 1 zu bejahen.

aa) Zwar kann die Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung fehlen, wenn dem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht, dessen Einsatz ihm zumutbar ist (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, aaO Rn. 215). Wer über ein weiteres Fahrzeug verfügt, dessen Einsatz ihm zuzumuten ist, kann keine Nutzungsausfallentschädigung, sondern allenfalls Ersatz der Vorhaltekosten beanspruchen (BGH NJW 1976, 286; Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess 27. Aufl. Kap. 3 Rn. 97).

bb) Hingegen bleibt nach überwiegender Auffassung und insbesondere der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, welcher der Senat folgt, der Nutzungsentschädigungsanspruch bestehen, wenn der Geschädigte von Dritten, worunter auch Familienmitglieder fallen, unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug erhalten hat (BGH NJW 1970, 1120, 1122 [fühlbare Einbuße auch dann, wenn statt des „kräfteschonende(n) Fahren(s) in dem leistungsstarken und bequemen (achtsitzigen) Mercedes 600“ vom Arbeitgeber ein Opel Rekord mit Chauffeur gestellt wird]; 1975, 255, 256 [Ehefrau]; 2013, 1151, 1153 Rn. 23 [Vater]; OLG Celle VersR 1973, 281 [Ehefrau]; OLG Koblenz r + s 2014, 46, 47 [Verwandtenkreis]; LG Osnabrück VersR 1984, 1178 [Ls.; Sohn]; Erman/Ebert, BGB 14. Aufl. § 249 Rn. 52; Staudinger/Schiemann, BGB Neubearb. 2017 § 251 Rn. 80; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 25. Aufl. a) Grundsätze Rn. 88; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, aaO Rn. 215; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB 76. Aufl. § 249 Rn. 42; a. A. z. B. AG Kaiserslautern ZfSch 1990, 193 [Ehefrau]; Fielenbach NZV 2015, 272, 273 ff. [Freunde oder Verwandte]). Würde im Fall der vorübergehenden Überlassung eines Fahrzeugs z. B. durch die Ehefrau des Geschädigten eine erst durch den Schadensfall ausgelöste, allein um der Ehe willen bestehende Hilfs- und Beistandspflicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt, so widerspräche das dem in § 843 Abs. 4 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz, dass es nicht zur Entlastung des Schädigers führen darf, wenn die konkrete wirtschaftliche Lage des Betroffenen von einer nachteiligen Veränderung nur dank solcher Leistungen eines anderen verschont geblieben ist, die nicht dem Schädiger zugutekommen sollen (BGH NJW 1975, 255, 256). Dies gilt auch für den Nutzungsausfallschaden (BGH NJW 1970, 1120, 1122; 2013, 1151, 1153 Rn. 23). So geht es beispielsweise den Schädiger offensichtlich auch nichts an, wenn der Geschädigte, der mangels Ersatzwagens zu Fuß geht, von anderen aus Gefälligkeit mitgenommen wird oder wenn der Verkäufer des neu anzuschaffenden Wagens seinem Kunden schon gleich einen Ersatzwagen unentgeltlich zur Verfügung stellt (BGH NJW 1970, 1120, 1122). Insofern ist die – auf die vorstehend unter aa) dargestellte Konstellation anzuwendende – höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Nutzungsausfall für ein beschädigtes Kraftfahrzeug nicht fordern kann, wer (selbst) über mindestens ein zweites derzeit ungenutztes Fahrzeug verfügt, dessen ersatzweiser Einsatz ihm zuzumuten ist (BGH NJW 1976, 286), nicht einschlägig (BGH NJW 2013, 1151, 1153 Rn. 23).

b) Die somit erforderliche Abgrenzung, ob die unter aa) – eigenes Ersatzfahrzeug – oder die unter bb) dargestellte Fallgestaltung – Überlassung eines Ersatzfahrzeugs durch Dritte – vorliegt, nimmt der Senat auf der Grundlage des im Berufungsrechtszug maßgeblichen Sach- und Streitstandes dahin vor, dass die für die Nutzungsausfallentschädigung unerhebliche Überlassung eines Ersatzfahrzeugs durch die Ehefrau, also die Konstellation unter bb), gegeben ist.

aa) Im erstinstanzlichen schriftlichen Vorverfahren waren die Frage der Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung für den Beklagten zu 1 und die Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeugs von keiner Partei erwähnt worden. Bei der Parteianhörung durch das Landgericht hat der Beklagte zu 1 auf die Frage, wie er sich in der Zwischenzeit beholfen habe, erklärt, sie hätten noch ein zweites Fahrzeug, einen Citroën. Beide Wagen seien so versichert, dass seine Frau und er sie jeweils fahren dürften. Seine Frau sei Rentnerin. Sie hätten sich in dieser Zeit mit diesem Wagen beholfen (Bl. 80 f. d. A.). Das Landgericht hat auf Grund dieser Erklärung angenommen, der Beklagte zu 1 habe das zweite Fahrzeug auf Grund eigener Rechtsposition selbst nutzen dürfen, so dass keine Leistung eines Anderen vorliege (Bl. 101 d. A. Abs. 1). Nach Auffassung des Senats hat sich aus den damaligen Erklärungen des Beklagten zu 1 indessen nicht zweifelsfrei ergeben, ob das Ersatzfahrzeug im Eigentum der Ehefrau oder im Miteigentum der Eheleute steht. Der Kläger hat zwar erklärt, sie („wir“) hätten noch ein zweites Fahrzeug. Diese Darstellung ist aber laienhaft ungenau erfolgt; denn auch das beschädigte Fahrzeug steht nicht etwa im Miteigentum der Eheleute, sondern unstreitig (Bl. 30, 55 d. A.) im Eigentum des Beklagten zu 1, weshalb Alleineigentum der Ehefrau an dem anderen Fahrzeug näher liegen dürfte als Miteigentum der Ehegatten. Die bloße versicherungsmäßige Gestaltung, dass beide Fahrzeuge von beiden Ehegatten geführt werden dürfen, berechtigt nicht zu dem Schluss, dem Kläger stehe eine Rechtsposition an dem anderen Fahrzeug zu.

bb) In der Berufungsbegründung ist nunmehr ausdrücklich von einem „Zweitfahrzeug der Ehefrau“ die Rede (Bl. 141 d. A.). Die Berufungserwiderung hat diese Behauptung einer einfachen Rechtstatsache nicht bestritten, sondern im Rahmen des Referats der erstinstanzlichen Entscheidung bestätigt (Bl. 154 d. A. Abs. 1): „Das Landgericht hat … im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger ja ein Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe (das Fahrzeug seiner Frau).“. Obschon gerade dieser Klammerzusatz in der angefochtenen Entscheidung fehlt, hat der Senat das somit von der Berufungserwiderung nicht bestrittene Berufungsvorbringen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Neuer unstreitiger Tatsachenvortrag ist in der Berufungsinstanz selbst dann zuzulassen, wenn dies dazu führt, dass vor einer Sachentscheidung eine Beweisaufnahme erforderlich wird (BGHZ 161, 138, 144; BGH NJW 2009, 685, 687 Rn. 22), was hier nicht einmal der Fall ist. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung unter Beachtung der für die Überlassung eines Ersatzfahrzeugs durch einen Dritten geltenden Rechtsgrundsätze nicht mit der Begründung verneint werden, dass beide Eheleute nicht berufstätig und nicht zwingend auf ein weiteres Fahrzeug angewiesen sind. Diese Umstände rechtfertigen es nicht, dem Schädiger ausnahmsweise die freiwillige Unterstützung des Geschädigten durch einen Dritten zugute kommen zu lassen. Regelmäßig wird die auch nur vorübergehende Überlassung an den Geschädigten eine entsprechende Entbehrlichkeit beim Dritten voraussetzen. Wollte man aber eine Nutzungsausfallentschädigung verneinen, falls das überlassene Fahrzeug für den Dritten entbehrlich ist, liefe die höchstrichterliche Rechtsprechung weitgehend leer.

c) In zeitlicher Hinsicht besteht der Anspruch allerdings nur für 14 Tage.

aa) Die Ausfallzeit eines Fahrzeugs setzt sich aus der notwendigen Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit zusammen (BGH NJW 2013, 1151, 1153 Rn. 22; VersR 2017, 115, 117 Rn. 23). Der Geschädigte hat substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass sein Fahrzeug an im Einzelnen zu bezeichnenden Tagen bei bestehendem Nutzungswillen und bestehender Nutzungsmöglichkeit reparaturbedingt nicht nutzbar war. Allein der Nachweis, dass das Fahrzeug repariert worden ist, genügt nicht für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Nutzungsausfall (OLG Frankfurt a. M. NZV 2010, 525; OLG München DAR 2014, 30, 31; Knerr in Geigel, aaO Kap. 3 Rn. 97).

bb) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Berufungsbegründung, der Beklagte zu 1 habe das Fahrzeug am 20.03.2015 in die Reparaturwerkstatt verbracht und erst am 15.04.2015 wieder abgeholt, woraus sich eine Ausfallzeit von 27 Tagen ergebe (Bl. 143 d. A.), nicht gerecht.

(1) Der Beklagte zu 1 hat erstinstanzlich in der Widerklagebegründung lediglich pauschal (und ohne Beweisantritt) dargelegt, bis zur Fertigstellung des Fahrzeugs seien insgesamt 37 Tage vergangen (Bl. 31 d. A.). Bei der Anhörung als Partei hat der Beklagte zu 1 vor dem Landgericht erklärt, sie seien mit dem insoweit noch fahrtüchtigen Wagen noch nach Hause gefahren. Er habe das Fahrzeug am 20.03.2015) in die Werkstatt gebracht, wo es auch von einem Gutachter der Versicherer in Augenschein genommen worden sei. Ab diesem Tage sei der Pkw ununterbrochen in der Werkstatt geblieben, bis er repariert worden sei. Am 15.04.(2015) habe er ihn wieder von der Werkstatt abgeholt (Bl. 80 d. A.).

(2) Aus diesen Erklärungen geht nur (im Groben) die vom Beklagten zu 1 tatsächlich in Anspruch genommene Zeitspanne, d. h. die Verweildauer seines Pkw in der Reparaturwerkstatt, hervor, nicht aber die erforderliche Zeit für Schadensfeststellung und Reparatur. Es ist schon unklar, warum der Beklagte zu 1 das Fahrzeug am 20.03.2015 – also mehr als eine Woche nach dem Unfall am 12.03.2015 – gebracht hat und ob das Fahrzeug in der Zwischenzeit genutzt werden konnte. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass in der Zeit vom 20.03.2015 bis zum 31.03.2015 Maßnahmen zur Schadensfeststellung oder -beseitigung ergriffen worden wären. In der Reparaturrechnung vom 17.04.2015 ist als Leistungszeitpunkt bzw. Zeitraum „04.2015“ vermerkt.

(3) Da durch Vorlage der Rechnung die Durchführung der Reparatur eines Unfallschadens hinreichend plausibel ist und der Beklagte zu 1 das Fahrzeug bereits am 15.04.2015 abgeholt hat, schätzt der Senat den Zeitraum für den Nutzungsausfall auf 14 Tage. Allerdings hat der für die Ausfallzeit nicht darlegungs- und beweisbelastete Kläger in der Widerklageerwiderung behauptet, eine derartige Reparatur dauere höchstens fünf Tage, und er hat dies unter Beweis gestellt durch Sachverständigengutachten (Bl. 55 d. A.). Dieses Vorbringen hat er in der Berufungserwiderung jedoch nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr hat er nunmehr vorgetragen, da der Widerkläger das Fahrzeug bereits am 15.04.2015 abgeholt habe, könnten insoweit maximal 14 Tage in Ansatz gebracht werden (Bl. 154 d. A.).

d) Der berechnete Tagessatz von 119 € ist erforderlich und angemessen.

aa) Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung bestimmt sich nach dem Nutzungswert. Dieser war ursprünglich nicht etwa an den frustrierten Vorhaltekosten, sondern an den durchschnittlichen Mietwagenpreisen ausgerichtet, welche um die einem gewerblichen Vermieter entstehenden Kosten (z.B. Gewinnspanne, Verwaltungskosten, Vermittlungsprovisionen, erhöhte Abnutzung, erhöhte Versicherungsprämien) bereinigt waren. Dementsprechend wiesen die in der straßenverkehrsrechtlichen Praxis zur Bemessung meist herangezogenen Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch früher einen an den Mietwagenkosten orientierten Wert aus, der in einem Bereich von 35 bis 40 v. H. der üblichen Miete und 200 bis 400 v. H. der Vorhaltekosten für ein vergleichbares Fahrzeug lag (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, aaO Rn. 216). Mit Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ersatzfähigkeit von Unfallersatztarifen (grundlegend BGHZ 160, 377 ff.) war die Basis der heranzuziehenden Mietpreise in Frage gestellt. Deshalb wurde zum 01.01.2009 die inzwischen halbjährlich fortgeschriebene Tabelle (nunmehr: „Schwacke-Liste Nutzungsausfallentschädigung“) umgestellt und der Nutzungswert auf das durchschnittlich 3,5-fache der Vorhaltekosten bestimmt (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, aaO Rn. 217). Die Tabelle ist allerdings nicht verbindlich; der Tatrichter kann daher den Nutzungswert auch in anderer Weise, etwa durch Hinzuziehung eines Sachverständigen, nach § 287 ZPO schätzen (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, aaO Rn. 217).

bb) Der vom Beklagten zu 1 geltend gemachte Tagessatz entspricht dem Tabellenwert für den beschädigten BMW 730d Limousine, Erstzulassung 28.03.2014, von 119 € (vgl. EurotaxSchwacke GmbH (Hrsg.), Nutzungsausfallentschädigung Sanden, Danner, Küppersbusch, Ausgabe I/2015, S. 80). Diesen auch von der Berufungserwiderung nicht in Frage gestellten Tagessatz legt der Senat seiner Schätzung zugrunde.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO findet keine Anwendung, weil die Vorschrift bei nur sachlicher Verweisung gemäß § 506 ZPO – wie hier – nicht gilt; denn der Kläger hatte in einem solchen Fall ja beim ursprünglich sachlich zuständigen Amtsgericht geklagt (Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. § 506 Rn. 7). In diesem Punkt und in Bezug auf den weitergehenden Erfolg der Widerklage war auch die Verteilung der erstinstanzlichen Kosten abzuändern. Das Rechtsmittelgericht hat stets von Amts wegen den Kostenausspruch der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen. Dieser ist gegebenenfalls auch bei erfolglosem Rechtsmittel abzuändern, und zwar auch dann, wenn dadurch ein nicht mehr am Verfahren beteiligter Streitgenosse betroffen wird (BGH MDR 1981, 928; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO 14. Aufl. § 97 Rn. 5).Der Gewährung rechtlichen Gehörs für die ausgeschiedene Beklagte zu 2 bedarf es hier nicht, weil die Abänderung ihr gegenüber nicht nachteilig ist.

 

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

6. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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