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Arbeitsvertrag – doppelte Schriftformklausel und übliche Leistung

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 9 AZR 302/02

Urteil vom 24.06.2003

Vorinstanzen:

Arbeitsgericht Stuttgart, Az.: 16 Ca 9878/00, Entscheidung vom 12.06.2007

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Az.: 17 Sa 61/01, Entscheidung vom 03.04.2002


Leitsatz:

Eine doppelte Schriftformklausel, nach der Ergänzungen des Arbeitsvertrags der Schriftform bedürfen und eine mündliche Änderung der Schriftformklausel nichtig ist, schließt den Anspruch auf eine üblich gewordene Leistung aus.


In Sachen hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2003 für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. April 2002 – 17 Sa 61/01 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet war, für die Monate März, November und Dezember 2000 das Arbeitsentgelt des Klägers pauschaliert nach den Vorschriften über die geringfügige Beschäftigung zu versteuern und die sich so ergebende Steuerschuld im Innenverhältnis zu übernehmen oder berechtigt war, anstatt im Lohnsteuerabzugsverfahren die Lohn- und Kirchensteuer zu Lasten des Klägers von dessen Arbeitsentgelt zu ziehen.

Der Kläger war seit dem 15. November 1994 bei der S GmbH tätig. Über deren Vermögen ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg am 29. Februar 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Der Betrieb, in dem der Kläger tätig war, ging mit Wirkung vom 1. April 2000 auf die M GmbH über.

Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt ein Arbeitsvertrag vom 3./8. September 1994 zugrunde. Danach soll der Kläger als Mitarbeiter im Vorderhaus „M“ in den Bereichen Einlassdienst, Gastronomie und Souvenir tätig sein. In Ziff. 3 – Arbeitszeit – ist vereinbart, dass der Kläger „… durchschnittlich 36 Stunden pro Monat, arbeitet, und zwar entsprechend dem Arbeitsanfall“. Des weiteren ist im Arbeitsvertrag bestimmt:

„4. Entgelt

Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von DM 504,– (8 Shows monatlich) …

11. Sondervereinbarung

Sollte dieses Arbeitsverhältnis den Regeln der Sozialversicherungsfreiheit (z.Zt. maximal 20 Stunden pro Woche sozialversicherungsfrei) unterliegen, erklärt der Mitarbeiter ausdrücklich, dass kein weiteres Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Er erklärt sich ausdrücklich bereit, bei einem eventuellen Verstoß eventuelle Sozialversicherungskosten/Steuern etc., die S abzuführen

hat, der S zu erstatten.

13. Schlussbestimmungen

Im übrigen richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Hotelgewerbe Baden-Württemberg sowie die Arbeitsordnung/Betriebsordnung und die Betriebsvereinbarungen, – falls nicht vorhanden – die Zukünftigen. Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind nichtig.

…“

Nach § 19 des in Bezug genommenen „Manteltarifvertrag(s) für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg vom 17. April 1998″

(MTV) dürfen „Abgaben irgendwelcher Art … in keiner Form erfolgen; ausgenommen sind die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer“. Nach § 23 c) Abs. 1 MTV laufen ab „dem tatsächlichen Ausscheiden“ des Arbeitnehmers aus dem „Betrieb“ tarifliche Ausschlußfristen. Ansprüche sind innerhalb von zwei Monaten ab diesem Zeitpunkt schriftlich und spätestens innerhalb des dritten Monats gerichtlich geltend zu machen. Der Lauf der Frist setzt nach § 23 e) MTV voraus, dass ordnungsgemäß abgerechnet wurde.

Der Kläger war überwiegend – auch in den hier streitbefangenen Monaten März, November und Dezember 2000 – im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig. Neben dieser Tätigkeit übte er eine anderweitige Hauptbeschäftigung aus. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zahlte die Insolvenzschuldnerin für den Kläger und alle anderen Arbeitnehmer für die Monate, in denen die Voraussetzungen der geringfügigen Beschäftigung erfüllt waren, eine Pauschalsteuer nach § 40a EStG an das Finanzamt.

Diese wurde nicht vom Gehalt abgezogen, sondern von ihr übernommen.

Soweit das Monatsgehalt die Geringfügigkeitsgrenze überschritt, behielt die Insolvenzschuldnerin die anfallende Lohn- und Kirchensteuer nach Klasse VI ein und führte sie ab. Die Insolvenzschuldnerin erteilte entsprechende Abrechnungen.

Anläßlich des am 1. April 1999 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 388) vereinbarte die Insolvenzschuldnerin zunächst mit dem Betriebsrat, die Pauschalsteuer zunächst nur noch bis zum 30. Juni 1999 zu übernehmen. Darüber wurden die Arbeitnehmer mit Aushang vom 19. April 1999 informiert. Diese Regelung wurde einmalig noch bis zum 31. August 1999 verlängert. Anschließend behielt die Insolvenzschuldnerin bei den geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern die Lohnsteuer auch für Monate der geringfügigen Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer nach der Klasse VI und die Kirchensteuer ein und führte sie an das Finanzamt ab.

Entsprechend dieser Praxis wurden auch vom Arbeitsentgelt des Klägers in den streitbefangenen Monaten Abzüge in Höhe von insgesamt 260,36 DM getätigt.

Der Kläger hält diese Abzüge für unberechtigt. Nachdem er sich dagegen zunächst außergerichtlich gewandt hatte, hat er sie mit gegen den Beklagten gerichteter Klageerweiterung vom 23. April 2001, zugestellt am 26. April 2001, erstmals gerichtlich geltend gemacht. Er vertritt die Ansicht, der Beklagte habe sowohl auf Grund der steuerrechtlichen Regelungen, als auch auf Grund einer bei der Insolvenzschuldnerin entstandenen betrieblichen Übung für seine geringfügige Beschäftigung die Pauschalsteuer abzuführen und diese zu übernehmen.

Der Kläger beantragt im Revisionsverfahren noch,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 260,36 DM netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Revision ist unbegründet. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe für die streitbefangenen Monate sein Arbeitseinkommen pauschal versteuern, diese Steuer übernehmen und ihm das Arbeitseinkommen deshalb abzügefrei auszahlen müssen. Er macht also restliche Entgeltansprüche für diese Monate geltend. Da es sich um Monate nach der Insolvenzveröffnung handelt, geht es um Masseforderungen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt., § 108 Abs. 2 InsO). Der Kläger war daher nicht verpflichtet, diese Forderungen zur Tabelle anzumelden.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung restlichen Nettolohns für die Monate März, November und Dezember 2000 (§ 611 Abs. 1 BGB).

1.

Für die Monate November und Dezember 2000 folgt dies bereits daraus, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Beklagten durch Betriebsübergang mit Wirkung zum 1. April 2000 geendet hat. Da die Entgeltforderung für die Monate November und Dezember 2000 erst in diesen Monaten und damit nach dem Betriebsübergang entstanden ist, haftet der Beklagte nicht mehr (§ 613a Abs. 2 BGB).

Für im März 2000 und damit vor dem Betriebsübergang entstandene Entgeltansprüche bleibt zwar nach § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB der frühere Arbeitgeber verpflichtet.

Der Entgeltanspruch des Klägers ist jedoch erloschen. Der Beklagte hat ihn ordnungsgemäß erfüllt (§ 362 Abs. 2 BGB), indem er vom Arbeitsentgelt des Klägers Steuern einbehalten und abgeführt hat (zur Erfüllungswirkung der Einbehaltung und Abführung von Steuern vgl. BAG 7. März 2001 – GS 1/00 – BAGE 97, 150, 153). Der Beklagte war nicht verpflichtet, im März 2000 wegen einer geringfügigen Beschäftigung Pauschalsteuern an das Finanzamt abzuführen und die Steuern selbst zu tragen.

2.

Der Beklagte hatte steuerrechtlich die Wahl zwischen der Pauschalbesteuerung und Abzugsverfahren. Er war weder arbeitsvertraglich noch aus sonstigen Rechtsgründen verpflichtet, die Pauschalbesteuerung zu wählen und die sich daraus ergebende Pauschalsteuer zu tragen.

a) Der Beklagte war steuerlich berechtigt, nicht die Pauschalversteuerung sondern den Einkommensteuerabzug zu wählen.

Nach § 3 Nr. 39 EStG ist das Arbeitsentgelt eines geringfügig Beschäftigten steuerfrei, soweit sein weiteres Einkommen nicht positiv ist. Das war beim Kläger aber der Fall, da er neben der Tätigkeit beim Beklagten noch eine anderweitige Hauptbeschäftigung hatte. Nach § 40a Abs. 2 EStG in der bis zum 31. März 2003 geltenden Fassung „kann“ der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 20 % des Arbeitslohns erheben. In diesem Falle ist steuerrechtlich der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer, die bei der Veranlagung der Einkommenssteuer im Lohnsteuerjahresausgleich außer Ansatz zu bleiben hat (§ 40a Abs. 5 iVm. § 40 Abs. 3 EStG). Wählt der Arbeitgeber nicht die Pauschalierung, verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen der §§ 38 bis 39d EStG. Danach wird die Lohnsteuer dadurch erhoben, dass der Arbeitgeber sie vom Arbeitslohn abzieht und an das Finanzamt abführt. In diesem Fall ist steuerrechtlich der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber ist lediglich Mithaftender (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG) mit der Folge, dass steuerrechtlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber insoweit Gesamtschuldner werden (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG).

Aus der gesetzlichen Formulierung, nach der der Arbeitgeber eine Pauschalbesteuerung vornehmen „kann“ ergibt sich, dass ihm ein Wahlrecht zusteht, ob er diese Pauschalbesteuerung vornimmt oder beim Abzugsverfahren bleibt (BAG 5. August 1987 – 5 AZR 22/86 – BAGE 56, 14; BFH 3. Juni 1982 – VI R 48/79 – BFHE 136, 224).

b) Die steuerrechtliche Verpflichtung des Beklagten gegenüber dem Finanzamt ist von der arbeitsrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Kläger zu trennen. Wer steuerrechtlich Steuerschuldner ist, sagt für sich genommen nichts darüber, wer arbeitsrechtlich die Steuer zu tragen hat (BAG 22. Juni 1978 – 3 AZR 156/77 – AP EStG § 40a Nr. 1 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4 und ständig; BFH 7. Februar 2002 – VI R 80/00 – BFHE 197, 554). Daher ergibt sich allein aus dem Arbeitsrecht, ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Pauschalbesteuerung durchzuführen und die Pauschalsteuern zu tragen.

c) Der Kläger hatte im März 2000 gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme steuerlicher Lasten. Das ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, der auf einem Formblatt abgeschlossen wurde und deshalb als typische Vereinbarung auch vom Revisionsgericht ohne Einschränkung ausgelegt werden kann (ständige Rechtsprechung vgl. nur Senat 8. September 1998 – 9 AZR 255/97 – AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 10 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 32; ArbGV-Düwell § 73 Rn. 18). Die in diesem Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung ist entgegen der Ansicht des Klägers durch betriebliche Übung nicht abgeändert worden.

aa) Nach Ziff. 4 des Arbeitsvertrages steht dem Kläger ein „monatliches Bruttogehalt“ zu. Eine derartige Bruttolohnabrede schließt regelmäßig eine Pflicht der Beklagten zur Übernahme der Pauschalsteuer aus.

Soweit in arbeitsrechtlichen Regelungen die Begriffe „Bruttobetrag“ oder „Nettobetrag“ sowie „Abzüge“ verwendet werden, wird üblicherweise unter „Bruttobetrag“ das Arbeitsentgelt vor den gesetzlichen Abzügen, unter „Abzügen“ die gesetzlichen Abzüge, soweit sie im regelmäßigen Abzugsverfahren erfolgen ohne Berücksichtigung sonstiger steuerlicher Vor- und Nachteile und unter „Nettobetrag“ der Bruttobetrag nach Abzug der gesetzlichen Abzüge verstanden (Senat 28. März 2003 – 9 AZR 61/02 – BuW 2003, 571; 1. Oktober 2002 – 9 AZR 298/01 -; 25. Juni 2002 – 9 AZR 155/01 – AP ATG § 3 Nr. 4 = EzA ATG § 3 Nr. 2; 8. September 1998 – 9 AZR 255/97 – aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien diesen Begriff hier anders hätten verwenden wollen, gibt es nicht. Die Regelung ist insofern eindeutig. Das heißt, dass das arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt steuerlich berechtigte Abzüge noch enthält. Der Kläger muss, wenn sein Arbeitgeber steuerrechtlich berechtigt Abzüge vornimmt – wie dies der Beklagte hier getan hat -, dies hinnehmen und die Abzüge wirtschaftlich tragen. Das entspricht auch der Regelung in § 19 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen MTV.

bb) Der Beklagte war im März 2000 auch nicht nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung verpflichtet, das Arbeitsentgelt des Klägers pauschal zu versteuern und die darauf anfallenden Steuern zu übernehmen.

(1) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann (BAG 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 64 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 36). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (BAG 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37 und ständig). Der Arbeitgeber kann durch einen Vorbehalt verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend; erforderlich ist jedoch, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kund getan wird (BAG 16. September 1998 – 5 AZR 598/97 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 54 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 41).

(2) Danach wäre es denkbar, dass eine betriebliche Übung zugunsten des Klägers dadurch entstanden ist, dass die Insolvenzschuldnerin nicht nur die Pauschalbesteuerung des Einkommens aus seiner geringfügigen Beschäftigung gewählt, sondern diese Steuer auch getragen hat. Da grundsätzlich jeder arbeitsvertraglich regelbare Gegenstand durch betriebliche Übung geregelt werden kann, gilt dies auch für die Frage, wer arbeitsvertraglich verpflichtet ist, eine Steuer zu tragen.

(3) Wegen der doppelten Schriftformklausel ist keine dauerhafte Bindung des Arbeitgebers zustande gekommen. Nach § 125 Satz 2 BGB hat der Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Formvorschrift im Zweifel die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Eine Schriftformklausel kann deshalb die dauerhafte Übernahme einer Verpflichtung durch eine betriebliche Übung ausschließen (vgl. BAG 18. September 2002 – 1 AZR 477/01 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 59 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 48). Wie eine Schriftformklausel auszulegen ist, ergibt sich aus dem Zweck, den die Vertragsparteien mit ihr verfolgen (BAG 27. März 1997 – 7 AZR 527/85 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 29 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 22 für Inbezugnahme tariflicher Schriftformklauseln).

Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht.

Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine so vereinbarte Schriftform auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden. Das gilt sogar dann, wenn die Parteien bei Abschluß der an sich formbedürftigen Vereinbarung nicht an die Schriftform gedacht haben (BAG 28. Oktober 1987 – 5 AZR 518/85 – AP AVR Caritasverband § 7 Nr. 1 = EzA BGB § 125 Nr. 10).

Anders verhält es sich dagegen bei einer Schriftformklausel, die – wie hier Nr. 13 des Arbeitsvertrages – nicht nur Vertragsänderungen von der Schriftform abhängig macht, sondern auch die Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits einer besonderen Form unterstellt, indem sie die mündliche Aufhebung der Schriftformklausel ausdrücklich ausschließt. Eine so formulierte doppelte Schriftformklausel kann dann nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden (BGH 2. Juni 1976 – VIII ZR 97/74 – BGHZ 66, 378 für Vereinbarungen unter Kaufleuten; BFH 31. Juli 1991 – I S 1/91 – BFHE 165, 256 für GmbH-Geschäftsführervertrag). In der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird nämlich deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen.

Ein Verstoß soll zur Unwirksamkeit einer Änderungsabrede führen (MünchKomm-Förschler 3. Aufl. BGB § 125 Rn. 77).

Dagegen kann nicht angeführt werden, eine Schriftformklausel müsse schon wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit immer auch mündlich abbedungen werden können (so aber Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 125 Rn. 14; aA MünchKomm-Förschler aaO § 125 Rn. 77). Dagegen spricht, dass dann § 125 Satz 2 BGB ins Leere liefe.

Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juli 1996 (- 3 AZR 352/95 – AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1), die ihrerseits auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. September 1982 (- 3 AZR 5/80 – BAGE 40, 126) verweist. Dort ist die Rechtsfrage entschieden worden, wann die Berufung eines Arbeitgebers auf den Formmangel gegen Treu und Glauben verstößt. Dass der Beklagte hier mit seiner Berufung auf die vertragliche Schriftformklausel gegen Treu und Glauben verstößt, macht der Kläger nicht geltend. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich.

Insbesondere liegt nicht der Fall der überraschenden Abkehr von einer jahrelang gewährten Leistung vor, wie sie das Bundesarbeitsgericht für die 16jährige Gewährung auf der Basis eines ministeriellen Erlasses angenommen hat (vgl. BAG 7. September 1982 – 3 AZR 5/80 – aaO). Der Kläger konnte auch nicht auf die dauerhafte Übernahme der Pauschalbesteuerungspraxis trotz fehlender schriftlicher Verpflichtungserklärung vertrauen. Die Insolvenzschuldnerin oder der Beklagte haben gegenüber dem Kläger niemals zum Ausdruck gebracht, sich nicht auf die Schriftformklausel berufen zu wollen (dazu: BAG 18. September 2002 – 1 AZR 477/01 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 59 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 48).

cc) Der Grundsatz, wonach Individualvereinbarungen Allgemeinen Geschäftsbedingungen – hier dem Arbeitsvertrag der Parteien – vorgehen (vormals § 4 AGBGesetz, nunmehr § 305b BGB) kommt hier nicht zum Tragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er trotz der zum 31. Dezember 2001 geltenden Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht (§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz) hier Anwendung findet (zur Anwendung allgemeiner Grundsätze des AGB-Rechtes auf Arbeitsverhältnisse: BAG 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – BAGE 81, 317). Der Kläger macht nicht geltend, zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin sei eine individuelle Vereinbarung abgeschlossen worden.

Er beruft sich vielmehr darauf, durch ein Verhalten der Insolvenzschuldnerin gegenüber allen Arbeitnehmern sei eine für eine Vielzahl von Arbeitnehmern betriebliche Übung und damit keine individuelle ausgehandelte Verpflichtung entstanden.

3.

Der Kläger ist auch nicht wegen der vom Beklagten mit dem Betriebsrat geschlossenen Vereinbarungen über die zeitlich begrenzte Übernahme der Steuerlast forderungsberechtigt. Diese Vereinbarungen liefen ohne Nachwirkung mit dem 31. August 1999 aus.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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