Skip to content

Auf Antrag muss ein Sachverständiger im Gerichtsprozess mündlich angehört werden

Sachverständige im Gerichtssaal: Recht auf Anhörung

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hebt die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf und verweist den Fall zurück zur erneuten Verhandlung. Kernpunkt ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten, da ein von ihnen geforderter Sachverständiger im Gerichtsprozess nicht mündlich angehört wurde. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar und betont die Bedeutung des rechtlichen Gehörs in Gerichtsprozessen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: V ZR 3/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung der vorherigen Entscheidung: Der BGH hebt die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf.
  2. Rechtliches Gehör verletzt: Nichtberücksichtigung des Antrags auf mündliche Anhörung eines Sachverständigen.
  3. Bedeutung des Sachverständigen: Der Sachverständige aus dem selbständigen Beweisverfahren wurde nicht gehört, was zentral für die Entscheidung ist.
  4. Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung: Der Fall wird zur neuen Entscheidung zurück an das Berufungsgericht verwiesen.
  5. Gegenstandswert: Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 118.094,17 EUR.
  6. Schadensersatzanspruch: Im Mittelpunkt steht ein Schadensersatzanspruch bezüglich eines Wasserschadens.
  7. Wasserschaden relevant: Der Wasserschaden und dessen Behebung sind zentrale Streitpunkte.
  8. Grundsatzurteil zur Prozessführung: Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit des rechtlichen Gehörs und korrekter Prozessführung.

Die Bedeutung von Sachverständigen in Gerichtsprozessen

Im Rahmen von Gerichtsverfahren spielt die Rolle von Sachverständigen eine entscheidende Rolle, um komplexe Sachverhalte für Gerichte verständlich zu machen. Besonders im Zivilrecht sind sie oft Schlüsselfiguren, wenn es um die Beurteilung von Beweisen und Fachfragen geht. Ihre Expertise und die Art, wie Gerichte diese nutzen, sind von zentraler Bedeutung für das Finden einer gerechten Entscheidung. Der Bundesgerichtshof (BGH), als höchstes deutsches Zivilgericht, setzt hierbei Maßstäbe, wie mit Sachverständigenbeweisen umzugehen ist.

In der Gerichtspraxis werden oftmals Entscheidungen auf Basis von Fachwissen getroffen, das außerhalb des juristischen Kenntnisstandes der Richter liegt. Hier kommt der Sachverständige ins Spiel, der mit seinem Fachwissen entscheidend zur Urteilsfindung beiträgt. Ein aktueller Beschluss des BGH wirft dabei ein Schlaglicht auf die Bedeutung des rechtlichen Gehörs von Sachverständigen und die Konsequenzen, die sich aus dessen Vernachlässigung ergeben können. Dieser Fall, der auch einen Schadensersatzanspruch beinhaltet, zeigt deutlich, wie ein Gerichtsprozess durch die Einbindung und Bewertung von Sachverständigenmeinungen beeinflusst werden kann. Lesen Sie weiter, um mehr über dieses faszinierende und richtungsweisende Urteil zu erfahren, das die Rechtsprechung in Deutschland maßgeblich beeinflussen könnte.

Der Bundesgerichtshof und die Rolle des Sachverständigen im Rechtsstreit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem jüngsten Beschluss ein bedeutsames Urteil im Bereich des Zivilrechts gefällt. Kern des Rechtsstreits ist der Verkauf eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks durch die Beklagten zu 1 und 3 an den Kläger. Der Kaufpreis betrug 661.000 EUR. Im Kaufvertrag wurde festgelegt, dass der Verkäufer bestimmte Mängel, darunter einen Wasserschaden am Dach, vor der Übergabe des Objekts auf eigene Kosten beheben müsse. Trotz mehrfacher Besichtigungen durch den Käufer und sichtbarer Feuchtigkeitsspuren in der Garage sowie Wasserränder im Bereich der Attika, blieb unklar, ob die Verkäufer den Wasserschaden tatsächlich behoben hatten. Als nachträglich weitere Wasserschäden auftraten, ließ der Kläger das gesamte Dach sanieren und forderte die Kosten von 118.094,17 EUR als Schadensersatz.

Der Weg durch die Instanzen und die Nichtzulassungsbeschwerde

Das Landgericht gab der Klage des Käufers statt, und das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Daraufhin erhoben die Beklagten eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH. Sie argumentierten, dass ihre Rechte im Berufungsverfahren verletzt wurden, insbesondere weil ein von ihnen angeforderter Sachverständiger nicht mündlich angehört wurde. Der BGH sah in dieser Nichtberücksichtigung des Beweisantrags eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten und hob somit den Beschluss des Oberlandesgerichts auf. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und die Entscheidung des BGH

In seinem Urteil betonte der BGH die Wichtigkeit des rechtlichen Gehörs im Gerichtsprozess. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten ernst zu nehmen und erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen. Dies umfasst auch den Antrag auf mündliche Anhörung eines gerichtlichen Sachverständigen. Der BGH stellte klar, dass der Antrag der Beklagten erheblich war und die Nichtberücksichtigung dieses Beweisangebots gegen das Grundgesetz verstößt. Das Gericht hätte dem Sachverständigen die Möglichkeit geben müssen, sein Gutachten mündlich zu erläutern, insbesondere da dessen Ausführungen für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sein könnten.

Zukünftige Auswirkungen und die Rückverweisung an das Berufungsgericht

Die Entscheidung des BGH wirft ein Licht auf die essenzielle Rolle von Sachverständigen in Gerichtsprozessen und die Notwendigkeit, ihnen im Rahmen des rechtlichen Gehörs eine Stimme zu geben. Der Beschluss zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Gerichte alle relevanten Beweismittel sorgfältig und umfassend prüfen. Die Rückverweisung des Falles an das Berufungsgericht bedeutet, dass der Rechtsstreit um den Schadensersatzanspruch des Käufers weitergeführt wird, mit dem zusätzlichen Fokus auf die ordnungsgemäße Berücksichtigung der Beweisanträge. Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen für zukünftige Gerichtsverfahren in Deutschland haben, insbesondere in Bezug auf die Rolle und das Gehör von Sachverständigen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist die Rolle eines Sachverständigen in einem Gerichtsprozess?

Sachverständige spielen in Gerichtsprozessen in Deutschland eine zentrale Rolle, indem sie als neutrale Experten fungieren, die dem Gericht bei der Klärung von Fachfragen zur Seite stehen. Ihre Aufgabe ist es, zu spezifischen, meist technischen oder wissenschaftlichen Fragen Stellung zu nehmen, um dem Gericht bei der Feststellung von Tatsachen zu helfen.

Die prozessuale Stellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist in den §§ 402 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Im Gegensatz zu Parteigutachtern, die von einer der Parteien beauftragt werden, wird der gerichtliche Sachverständige direkt vom Gericht ernannt. Dies soll sicherstellen, dass der Sachverständige unabhängig und unparteiisch agiert und nicht als Nebenpartei im Prozess angesehen wird.

Das Gericht hat bei der Auswahl des Sachverständigen einen Ermessensspielraum und ist nicht an Vorschläge der Parteien gebunden, es sei denn, die Parteien haben sich auf eine bestimmte Person geeinigt. In manchen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen, existieren landesweite Gutachterlisten, die die Auswahl erleichtern.

Ein Sachverständiger muss über spezifisches Fachwissen verfügen, das für das jeweilige Beweisthema relevant ist. Nach Erstellung des Gutachtens muss das Gericht dieses sorgfältig und kritisch würdigen. Bei widersprüchlichen Gutachten muss das Gericht eine fundierte Entscheidung treffen und darf nicht einfach eine non-liquet-Entscheidung fällen, also feststellen, dass die Beweislage unklar ist.

In der Sozialgerichtsbarkeit ist der Einsatz von Sachverständigen nicht unumstritten, insbesondere wenn es um Abrechnungsfragen geht. Hier wird argumentiert, dass das Gericht nicht durch Sachverständige Beweis erheben sollte.

Die Rechtsstellung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen ist hoheitlich, und die Heranziehung durch das Gericht unterliegt nicht den Regeln des Vertragsrechts. Sachverständige haben bestimmte Pflichten, wie die fristgerechte Erstellung und Übermittlung des Gutachtens, und Rechte, wie den Anspruch auf Einschreiten des Gerichts bei Umständen, die die Erstellung eines aussagekräftigen und verwertbaren Gutachtens beeinträchtigen könnten.

Was beinhaltet eine Nichtzulassungsbeschwerde?

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf, der in Deutschland im Zivil- und Verwaltungsprozess verwendet wird, um gegen die Nichtzulassung einer Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) oder beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vorzugehen. Sie wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision durch ein Gericht und richtet sich, außer im Verwaltungsverfahren, wenn das Ausgangsgericht die Revision nicht zugelassen hat, an das nächsthöhere Gericht.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt oder das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Sie ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen.

Das Gericht prüft bei einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht den gesamten Fall inhaltlich, sondern lediglich, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision erfüllt sind. Die Revision ist immer dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Benötigen Sie Hilfe in einem ähnlichen Fall? Schildern Sie uns jetzt in unserem Kontaktformular Ihren Sachverhalt und fordern unsere Ersteinschätzung an.

Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Wenn die Beschwerde abgelehnt wird, bleibt die Entscheidung der Vorinstanz bestehen und das Verfahren wird beendet.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: V ZR 3/23 – Beschluss vom 28.09.2023

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2023 beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 6. Dezember 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 118.094,17 EUR.

Gründe:

I.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Oktober 2018 verkauften die Beklagten zu 1 und 3 an den Kläger ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 661.000 EUR. In Ziffer VII. Nr. 4 des Vertrages heißt es: „Der Käufer hat den Kaufgegenstand eingehend besichtigt; er kauft ihn in seinem derzeitigen gebrauchten und altersbedingten Zustand. Der Verkäufer hat jedoch vor Besitzübergabe noch folgende Mängel fachgerecht auf seine Kosten zu beheben: Verkleidung des Oberlichtes, Behebung Wasserschaden Dach (…). Rechte des Käufers wegen Mängeln des Gebäudes sowie von Grund und Boden sind ansonsten (bis auf Fälle des Vorsatzes oder der Arglist) ausgeschlossen.“

Das Gebäude, das 1978 errichtet wurde, und die daran angebaute Garage haben ein Flachdach. Der Kläger hatte das Kaufobjekt vor Vertragsschluss mehrmals besichtigt, wobei Feuchtigkeitsspuren in der Garage und Wasserränder im Bereich der Attika, die das Dach des Wohngebäudes umrandet, sichtbar geworden waren. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Verkäufer vor Übergabe des Kaufobjekts den Wasserschaden an der Attika behoben haben. Eine Sanierung des Dachs des Gebäudes und der Garage haben sie nicht durchgeführt. Nach Regenfällen im Mai/Juni 2019 trat Wasser durch das Garagendach ein und aus der Attika aus. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1 ließ der Kläger die gesamte Dachfläche sanieren. Mit der Klage verlangt er von den Beklagten zu 1 und 3 Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 118.094,17 EUR.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die damit verbundene Nichtzulassung der Revision wenden sich die Beklagten zu 1 und 3 mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1 und 3 in Höhe von 118.094,17 EUR gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB. Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung vorgelegen. Die Parteien hätten eine Beschaffenheit dahingehend vereinbart, dass die Verkäufer unter anderem den Mangel „Wasserschaden Dach“ fachgerecht auf ihre Kosten zu beheben hätten. Die Zusage der Beseitigung des Wasserschadens am Dach umfasse sämtliche Schäden und Schadensursachen am Haupthaus und an der Garage und nicht nur die Feuchtigkeitsspuren im Bereich der Attika. Das ergebe die Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB. Für die Beseitigung der Ursache der Feuchtigkeitsschäden sei nach den Feststellungen des Gutachtens in dem selbständigen Beweisverfahren eine vollständige Sanierung des betroffenen Dachrandbereichs und der Dachflächen notwendig, wofür Kosten in Höhe von insgesamt 118.094,17 EUR entstünden. Der Kläger habe den Verkäufern erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB gesetzt. Der Haftungsausschluss (§ 444 BGB) gelte für die vereinbarte Beschaffenheit nicht. Ein Abzug neu für alt sei nicht vorzunehmen.

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten zu 1 und 3 auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1. a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen, und zwar auch des Sachverständigen aus einem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 – V ZR 170/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 22. Mai 2007 – VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2). Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2015 – V ZR 214/14, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 19. November 2014 – IV ZR 47/14, NJW-RR 2015, 510 Rn. 8). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 – V ZR 170/16, juris Rn. 5 mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2019 – VII ZR 204/17, NJW 2020, 1141 Rn. 15). So liegt es hier.

b) Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. K. nicht mündlich angehört, obwohl die Beklagten zu 1 und 3 seine Vernehmung („sachverständiges Zeugnis“) beantragt haben. Mit dem Beweisantritt aus der Klageerwiderung, den die Beklagten zu 1 und 3 in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts wiederholt haben, befasst sich das Berufungsgericht nicht. Es erwähnt ihn nicht und ist ihm nicht nachgegangen. Diese Vorgehensweise findet im Prozessrecht keine Stütze.

aa) Der Beweisantritt der Beklagten zu 1 und 3 ist erheblich. Zwar kann ein Sachverständiger gemäß § 414 ZPO nur zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, als sachverständiger Zeuge vernommen werden. Wird dagegen – wie hier – ein Gutachten im Wege des Sachverständigenbeweises verwertet und soll der Sachverständige sein Gutachten erläutern, richtet sich seine Befragung nach § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der Antrag der Beklagten zu 1 und 3 auf Vernehmung des Sachverständigen als sachverständiger Zeuge unterliegt aber – wie auch sonstige Prozesshandlungen – der Auslegung, die der Senat selbst vornehmen kann. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2023 – V ZR 128/22, NJW-RR 2023, 718 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – VIII ZB 64/09, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. Februar 2021 – VII ZB 8/21, BauR 2021, 1008 Rn. 11). Daran gemessen ist der Antrag der Beklagten zu 1 und 3 dahingehend auszulegen, dass sie die Anhörung des Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO beantragen, damit dieser die zur Beseitigung des Wasserschadens erforderlichen Maßnahmen und die damit verbundenen Kosten auf ihre Einwendungen hin überprüft und erläutert.

bb) Die Anhörung des Sachverständigen kann insbesondere nicht, wie in dem Zurückweisungsbeschluss ausgeführt, deshalb unterbleiben, weil sich nach dem Verständnis des Berufungsgerichts die Erforderlichkeit der Überarbeitung der gesamten Dachfläche aus dem Gutachten ergibt und das Berufungsgericht dieses Ergebnis angesichts der festgestellten Schädigung von Attika und Dachabdichtung als überzeugend ansieht. Dem steht entgegen, dass eine Partei dem Sachverständigen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen darf. Auch wenn das Gericht selbst das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht, dürfen diese Fragen nicht zurückgewiesen werden, da ansonsten eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 – VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2 f.; Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 273/13, r + s 2015, 44 Rn. 6; jeweils mwN). Im Hinblick darauf hätte das Berufungsgericht den Sachverständigen anhören müssen.

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Gutachten des Sachverständigen, dessen Anhörung die Beklagten zu 1 und 3 beantragt haben, nicht in dem Hauptsacheprozess, sondern in einem selbständigen Beweisverfahren erstattet worden war.

(1) Nach § 493 Abs. 1 ZPO steht in Fällen, in denen sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, soweit die jeweiligen Verfahrensbeteiligten identisch sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 – VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2; Beschluss vom 14. November 2017 – VIII ZR 101/17, NJW 2018, 1171 Rn. 13). Die vorgezogene Beweisaufnahme wirkt zwischen den Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens wie eine unmittelbar im Hauptsacheverfahren selbst durchgeführte Beweiserhebung; die Beweiserhebung des selbständigen Beweisverfahrens wird deshalb im Hauptsacheprozess verwertet, als sei sie vor dem Prozessgericht selbst erfolgt.

(2) Sind an dem Hauptsacheprozess weitere Parteien beteiligt – wie hier der Beklagte zu 3 -, so treten die Wirkungen des § 493 ZPO zwar ihnen gegenüber nicht ein. Das Sachverständigengutachten kann aber nach § 411a ZPO verwertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2015 – VII ZB 57/12, NZBau 2016, 158 Rn. 22; BecKOK ZPO/Kratz [1.9.2023], § 493 Rn. 1; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl., § 411a Rn. 3; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 493 Rn. 8), wie es hier erfolgt ist. Die Verwertung des Gutachtens stellt einen Sachverständigenbeweis dar. Auf das weitere Verfahren sind die Regeln des Sachverständigenbeweises und damit § 411 Abs. 3 ZPO anzuwenden.

2. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob für die Beseitigung des Wasserschadens (Schaden und Schadensursache am Dach des Haupthauses und am Garagendach) eine vollständige Sanierung dieser Bereiche erforderlich und die Beklagten zu 1 und 3 die dafür erforderlichen Kosten zu ersetzen haben (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB), zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es den Sachverständigen angehört hätte.

3. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos