§ 832 BGB
OLG Hamm
Az.: 6 U 92/98
Urteil vom 1.10.1998
Sachverhalt (vereinfacht): Der damals 5jährige Kläger (Kl.) war mit seiner Mutter zu Besuch bei deren Schwester, der Beklagten (Bekl.). Er spielte in der Küche mit deren etwa gleichaltrigem Sohn T auf dem Boden mit Legosteinen. Die Mutter des Kl. saß zunächst am Küchentisch, während die Bekl. auf der Arbeitsplatte in unmittelbarer Nähe des Spielortes der Kinder Kartoffeln schälte. Als sie fertig war, ließ sie das scharfe und spitze Schälmesser auf der Arbeitsplatte liegen und nahm die Kartoffeln zur gegenüberliegenden Spüle mit. Die Bekl. wußte, daß T seit einiger Zeit darauf erpicht war, selbst einmal ein Messer in die Hand zu bekommen. Die Bekl. verließ dann die Küche, um auf die Toilette zu gehen, und bat zuvor die Mutter des Kl., auf die Speisen zu achten, die auf dem Herd standen. Diese wandte daraufhin den Kindern den Rücken zu. Kurz darauf stand der Sohn der Bekl., ohne daß die Mutter des Kl. es bemerkte, vom Fußboden auf, ergriff das immer noch auf der Arbeitsplatte liegende Messer und warf es nach dem Kl. Dieser wurde in erheblichem Umfang am rechten Auge verletzt.
Das Landgericht hat dem Kl. antragsgemäß Schmerzensgeld i. H. v. 60.000,- DM sowie Ersatz des materiellen Schadens i. H. v. 682,92 DM zuerkannt und die Feststellung getroffen, daß die Bekl. sämtliche noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen habe. Die Berufung der Bekl. führte zur Reduzierung des zuerkannten Schmerzensgeldes auf 50.000,- DM; im übrigen blieb sie erfolglos.
Leitsätze:
1. Ein zum Kartoffelschälen benutztes Schälmesser darf auch bei nur kurzfristiger Abwesenheit nicht in der Nähe spielender fünfjähriger Kinder liegenbleiben, auch dann nicht, wenn zwar eine weitere aufsichtspflichtige Person anwesend ist, diese aber mit anderen Aufgaben beschäftigt ist und evtl. nichts von der Gefahrenlage weiß. Verletzt ihr Sohn in ihrer Abwesenheit einen gleichaltrigen Spielkameraden mit dem Messer, ist die Mutter zum Schadenersatz verpflichtet.
2. Ein etwaiges Mitverschulden der anwesenden Mutter des verletzten Kindes kann nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, weder unter dem Gesichtspunkt der Zurechnungseinheit noch unter dem gestörten Innenausgleichs unter Gesamtschuldnern.
3. Bei nahezu vollständiger Erblindung auf einem Auge kann – unter Berücksichtigung dessen, daß einerseits die Genugtuungsfunktion weitestgehend zurücktritt, daß andererseits eine Privathaftpflichtversicherung besteht – ein Schmerzensgeld von 50.000 DM angemessen sein.