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automatische Tür eines Sonderpostenmarktes – Verkehrssicherungspflicht


Landgericht Bielefeld

Az: 5 U 8/13

Urteil vom 17.03.2014


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 15. März 2012 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus dem Unfall an der Eingangstür zum Verkaufsmarkt der Beklagten zu 1. am 11.11.2008 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

3. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu 1. zu 1/4. Die Beklagte zu 1. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. – 4. werden der Klägerin auferlegt.

4. Das Urteil ist vollstreckbar gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheit in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leisten.


Tatbestand

Die Klägerin verlangt – nach Klagerücknahme gegenüber den Beklagten zu 2. bis 4. – von der Beklagten zu 1. ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten zu 1. für künftige materielle und immaterielle Schäden.

Die Beklagte zu 1. schloss mit der G. und H. GbR I. einen gewerblichen Mietvertrag über die Einzelhandelsverkaufsstätte in N., T.weg xx, zum Betrieb eines Sonderpostenmarktes.

§ 2 (Nutzung und Betriebspflicht) des Gewerbemietvertrages lautet auszugsweise wie folgt: “ … 4. Der Mieterin obliegt die Verkehrssicherungspflicht im Mietgegenstand, und sie hat die Vermieterin hinsichtlich sämtlicher Ansprüche Dritter vollkommen schad- und klaglos zu halten.“

§ 7 (Instandhaltung) lautet auszugsweise wie folgt: „1. Der Vermieterin obliegt die Instandhaltung von Dach und Fach der vermieteten Flächen außer der Anlieferungs- und Eingangstüren. … 2. Alle ansonsten erforderlich werdenden Instandhaltungsarbeiten und Schönheitsreparaturen hat die Mieterin auf ihre eigenen Kosten unverzüglich nach ihren Feststellungen in fachmännischer Weise ausführen zu lassen. Bei gemeinsam genutzten Einrichtungen beträgt der Anteil der Mieterin den Flächenanteil ihrer Mietfläche zur Gesamtmietfläche des Gebäudes. Dazu gehört insbesondere die Wartung der folgenden Anlagen: … Autom. Türen“ (Blatt 91 bis 93 d. A.).

Die Beklagte zu 1. schloss mit dem Zeugen T. eine Vereinbarung, mit der diesem das Recht gewährt wurde, einen „T. P. Markt“ in N. zu betreiben. In § 6 des Vertrages findet sich eine Regelung, dass der Zeuge T. von der – im Einzelnen geregelten – Verkaufsprovision alle beweglichen und beeinflussbaren Kosten, wie zum Beispiel Löhne, Gehälter, Energiekosten, Kosten der Telekommunikationseinrichtung und deren Betrieb, Müllabfuhr und -beseitigung, Kleinreparaturen zur Aufrechterhaltung der Geschäftsfähigkeit, sämtliche Inventurkosten etc. zu tragen habe. Die Kosten für größere Reparaturen, notwendige Versicherungen, Zeitungswerbung und für die Miete trägt nach dieser Regelung die Beklagte zu 1. als Mieterin des Objekts (vgl. Anlage B 1).

Ausweislich eines Einsatzberichts sowie einer an die Beklagte zu 1. gerichteten Rechnung vom 2. Juni 2008 kam es zu einem Noteinsatz der S. Türautomation GmbH an den klemmenden Bodenführungen der Eingangstüren des Marktes, die kontrolliert, gereinigt und erneuert wurden (Anlagen B 13, B 14). Auf dem Einsatzbericht findet sich eine handschriftliche Notiz des Zeugen T.: „Tür öffnete sich nicht, Kunden mussten Notausgang benutzen“.

Die in regelmäßigen Abständen durchgeführte Wartung der Türen erfolgte am 18. Juni 2008 durch die E. Automatik GmbH. Den Auftrag erteilte die Vermieterin G. und H. GbR I; eine Faxkopie des Leistungsnachweises wurde an das Faxgerät des Marktes in Minden gesandt. Der Bericht lautet „Wartung gemäß Vertrag ausgeführt. An Innentür Redundant Modul zeitweise ohne Funktion, sollte durch Fa. S. erneuert werden.“ (Blatt 242 d. A.).

Mit Schreiben vom 12.11.2008 forderte der Zeuge C., der bei der Beklagten zu 1. beschäftigt ist, für diese bei S. Türautomation GmbH an, die Anlage nochmals auf diesen Mangel zu überprüfen, weil – nachdem die Anlage am 02.06.2008 neu eingestellt worden war, sich aktuell wieder ein Unfall ereignet habe. Das Schreiben endet: „Sollte das Türsystem überaltert oder reparaturunfähig sein, erbitten wir einen entsprechenden Bericht und ein Erneuerungsangebot“ (Blatt 220 d. A.).

Mit Datum vom 21.11.2008 empfahl die S. GmbH gemäß DIN 18650 die Nachrüstung von Radarbewegungsmeldern und Anwesenheitssensor zur Absicherung des lichten Durchgangs (Blatt 222 d. A.).

Dieses Schreiben reichte der Zeuge C. für die Beklagte zu 1. an die Vermieterin weiter und bat, zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit bzw. zur Beseitigung der Gefahrenquelle den Auftrag zu erteilen, weil sich der Mietgegenstand in keinem vertragsgemäßen Zustand befinde (Blatt 219 d. A.).

Mit Schreiben vom 03.12.2008 nahm der Zeuge C. Bezug auf sein Schreiben vom 21.11.2008, bat um Sachstandmitteilung sowie um Übersendung des aktuellen Wartungsnachweises, welcher ihm ausweislich einer handschriftlichen Notiz auf diesem Schreiben zu diesem Zeitpunkt zugefaxt wurde (Blatt 221 d. A.).

Die Klägerin behauptet, als sie am 11.11.2008 den Einkaufsmarkt der Beklagten zu 1. durch die automatische Eingangstür habe betreten wollen, sei diese unvermittelt und unerwartet zurück zugeschlagen, als sie sich schon unmittelbar davor befunden habe. Daher sei sie gegen die geschlossene Tür gelaufen und erheblich an Gesicht und Nase verletzt worden. Die Nase sei gebrochen gewesen und durch Schwellungen fast doppel so groß geworden. Im Übrigen habe sie eine Gehirnerschütterung mit Schädeltrauma erlitten. Der Unfallarzt habe die Klägerin sofort ins Krankenhaus geschickt, wo sie nach sehr starken Schmerzen erst am Folgetag hätte operiert werden können. Es sei zu Übelkeit, Erbrechen, Schlaflosigkeit und starken Schmerzen gekommen. Die Nahrungsaufnahme sei in den nächsten Tagen sehr eingeschränkt gewesen. Zwar sei sie am 14.11.2008 aus dem Krankenhaus entlassen worden, die Beschwerden seien aber weiterhin vorhanden gewesen, sie habe bei Toilettengängen oder beim Aufstehen Hilfe von dritter Seite benötigt. Das gesamte Gesicht sei in erheblichem Maße geschwollen gewesen. Am 18.05.2009 sei es zu einer zweiten Operation unter Vollnarkose gekommen. Stationär sei sie bis zum 26. Mai 2009 geblieben. Sie sei bis zum 13.06.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen, musste sich schonen und habe keine schnellen Bewegungen machen dürfen. Wegen der lang anhaltenden Schwellungen auf der Nase habe sie auch ihre Brille nicht tragen können. Die Augen seien zeitweise kaum zu öffnen gewesen. Das Fädenziehen nach der zweiten Operation am 30.06.2009 sei sehr schmerzhaft gewesen.

Die Klägerin behauptet weiter, der Zeuge T. habe ihr und ihrer Familie gegenüber eingeräumt, dass die automatische Tür bereits den ganzen Tag über nicht ordnungsgemäß funktioniert habe und bereits der ein oder andere Kunde beim Betreten Probleme gehabt habe.

Die Klägerin beantragt – nach Klagerücknahme hinsichtlich der Beklagten zu 2. – 4.,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. wie erkannt.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, aus der mit dem Zeugen T. geschlossenen Vereinbarung folge, dass dieser den Markt als selbständiger Kaufmann führe und betreibe, und sie, die Beklagte zu 1., demnach nicht für eine etwaige Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ihres Kommissionärs T. verantwortlich sei.

Die Beklagte zu 1. behauptet, der Zeuge T. habe nicht eingeräumt, dass die Automatiktür bereits den ganzen Tag über nicht ordnungsgemäß funktioniert habe. Im Rahmen der regelmäßigen Kontrollen sei festgestellt worden, dass die Eingangstür einwandfrei funktioniere. Probleme seien nicht gemeldet worden. Die Automatiktür sei durch die Eigentümerin des Objekts regelmäßig und ordnungsgemäß gewartet worden, nämlich jährlich durch die E. Automatik GmbH & Co. KG; die letzte Wartungsmaßnahme habe am 2. Juni 2008 stattgefunden. Allerdings hätten ihr, der Beklagten zu 1., keine Wartungsprotokolle vorgelegen.

Aus der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit der Automatiktür ergebe sich, dass die Klägerin den Unfall selbst verschuldet habe, sie sei beim Passieren des Türbereichs offensichtlich abgelenkt gewesen und habe infolge dessen nicht gemerkt, dass die Tür geschlossen gewesen sei.

Der mit dem Vermieter geschlossene Gewerbemietvertrag sei zwischen den Vertragsparteien anders gelebt worden; so sei für die Wartung der Türanlage ausschließlich die Vermieterin zuständig gewesen (Anlagenkonvolut B 7). Die Vermieterin habe die Wartung für alle Standorte in Auftrag gegeben und diese Wartungskosten über die Nebenkosten mit der Mieterin, der Beklagten zu 1., regelmäßig abgerechnet.

Im Übrigen habe sie, die Beklagte zu 1., sogenannte Revisoren für die einzelnen Märkte eingesetzt, die die Einhaltung der Kommissionsvereinbarung in regelmäßigen Abständen überwachen. Diese hätten bei vorhandenen Mängeln am Mietobjekt – ebenso wie der Marktbetreiber – eine Mitteilung zu machen, die im Vorfeld des streitgegenständlichen Unfalls jedoch nicht erfolgt sei.

Da nicht sie als Mieterin, sondern die Vermieterin den Wartungsvertrag abgeschlossen habe, erhalte sie keine Kopien der Wartungsprotokolle.

Die Klageschrift ist am 30. Dezember 2011 per Fax bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen. Mit gerichtlicher Verfügung vom 5. Januar 2012 ist eine Wertangabe bezüglich des Antrages zu 2 angefordert worden, die per Fax mit Schriftsatz vom 24. Januar 2012 eingereicht wurde. Nachdem am Folgetag durch das Gericht Anknüpfungspunkte hinsichtlich des mit 5.000,00 EUR angegebenen Streitwertes angefordert wurden, wurde dies mit Schriftsatz vom 7. Februar 2012 binnen der gerichtlich gesetzten Frist unter Einreichung einer ärztlichen Stellungnahme vorgenommen.

Nachdem der Streitwert mit Beschluss vom 8. Februar 2012 festgesetzt worden war, erfolgte die Einzahlung des mit Datum vom 10. Februar 2012 gerichtlich angeforderten Gerichtskostenvorschusses am 22. Februar 2012. Die Klageschrift wurde daraufhin den Beklagten am 14. März 2012 zugestellt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T., C. sowie Wilhelm und Anna Penner. Die Klägerin wurde persönlich angehört.

Ergänzend wird Bezug genommen auf das gesamte schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie die erteilten gerichtlichen Hinweise.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht ein Schmerzensgeldanspruch in der zuerkannten Höhe gegenüber der Beklagten zu 1. zu. Des Weiteren kann sie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten zu 1. für künftige materielle und immaterielle Schäden verlangen.

Die Beklagte zu 1. hat eine fahrlässige widerrechtliche Körperverletzung zu Lasten der Klägerin im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB begangen.

Die Beklagte zu 1. hat die ihr als Mieterin des Sonderpostenmarktes obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt.

Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, ist grundsätzlich dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst lediglich die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. zuletzt: BGH, NJW 2013, 48 m.v.w.N.). Ein Einzelhandelsunternehmen hat in den Grenzen des technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren dafür zu sorgen, dass Kunden durch die dem allgemeinen Verkehr zugänglich gemachten technischen Einrichtungen nicht gefährdet/geschädigt werden. Dabei steigen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten mit der Gefährlichkeit der der Öffentlichkeit zugänglich gemachten technischen Anlage. Automatische Türsysteme, deren Anforderungen und Prüfverfahren in einer eigens geschaffenen DIN (hier: DIN 18650) geregelt sind, unterliegen demnach hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten dessen, der diese automatischen Türen der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Der Beklagten zu 1. obliegt die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des gesamten Sonderpostenmarktes: Auf sie wurde die Verkehrssicherungspflicht – u. a. auch ausdrücklich hinsichtlich der Automatiktüren – wirksam übertragen. Weder übertrug sie die Verkehrssicherungspflicht weiter noch verlor sie diese auf andere Weise.

Ausweislich des zwischen der Beklagten zu 1. als Mieterin und dr G. und H. GbR I. als Vermieterin geschlossenen Gewerbemietvertrages wurden die Instandhaltungs- und Wartungspflichten u. a. hinsichtlich der automatischen Türen von der Vermieterin als Eigentümerin auf die Beklagte zu 1. als Mieterin übertragen (vgl. § 7 des Mietvertrages, Blatt 93 d. A.). Ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien geregelt wurde auch, dass der Beklagten zu 1. die Verkehrssicherungspflicht im Mietgegenstand obliege (vgl. § 2 des Mietvertrages). Eine solche Übertragung von Verkehrssicherungspflichten auf den Mieter ist in einem Formularmietvertrag bei Gewerberaummietverhältnissen zulässig (vgl. Palandt-Weidenkaff, 73. Auflage 2014, § 535 BGB Rn. 60 m. w. N.).

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten zu 1. folgt aus der Tatsache, dass die Vermieterin die Auftraggeberin der Wartungsaufträge war/ist, nichts anderes: Auch wenn der Vermieter – hier wegen der Vielzahl der Objekte und des besonderen Interesses an einer gleich – und ordnungsgemäßen Wartung – selbst mit dem Wartungsunternehmen den zivilrechtlichen Vertrag abgeschlossen hat, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte zu 1. als Mieterin gegenüber der Vermieterin zur Wartung verpflichtet war; dies ist indiziell auch daran zu erkennen, dass ihr das Wartungsentgelt und gegebenenfalls Reparaturkosten im Rahmen der mietvertraglichen Nebenkostenabrechnung in Rechnung gestellt wurden. Wenn Mitarbeiter der Beklagten zu 1. – hier beispielsweise der Zeuge C. – dem Irrtum unterlegen sein sollten, dass wegen der zivilrechtlichen Beauftragung des Wartungsunternehmens durch die Vermieterin die Verkehrssicherungspflicht letztlich nicht bei der Beklagten zu 1. liege, so ist dies für die vertraglich erfolgte Übertragung der Verkehrssicherungspflicht gänzlich irrelevant. Wenn die Beklagte zu 1. sich – wie der Zeuge C. bei seiner Vernehmung unumwunden eingeräumt hat – nicht für die Wartungsprotokolle, d. h. das Ergebnis der regelmäßigen Überprüfungen der Verkehrssicherheit der automatischen Türen interessiert hat und diese – bei Nichtübersendung durch den Vermieter oder den Marktbetreiber T. – zu keinem Zeitpunkt angefordert hat, sondern sich allein mit der – mietvertraglichen – Übersendung der Rechnungen zufriedengegeben hat, so führt dies dazu, dass die Beklagte zu 1. die ihr wirksam übertragenen Verkehrssicherungspflichten nicht hinreichend erfüllt hat.

Die Beklagte zu 1. kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Verkehrssicherungspflichten bei dem Marktbetreiber, dem Zeugen T. gelegen hätten. Zum einen findet sich in dem von ihr mit dem Zeugen T. geschlossenen Vertrag (Anlage B 1) gerade überhaupt kein Hinweis darauf, dass eine solche Übertragung gewollt und vereinbart sein könnte. Zum anderen reicht allein die Tatsache, dass seitens der Beklagten zu 1. nicht täglich Personal im Markt vor Ort war/ist, sondern dieser in Eigenverantwortung durch den Zeugen T. im Rahmen der mit der Mieterin getroffenen Vereinbarung geführt wurde, keinesfalls aus, von einer konkludenten oder faktischen Weiterübertragung der Verkehrssicherungspflichten auf den Zeugen T. auszugehen. Hierfür fehlt im Übrigen gerade angesichts des eindeutigen Wortlautes der Vereinbarung der Beklagten zu 1. mit dem Zeugen T. jeglicher Anhalt; die Beklagte zu 1. hat hierzu auch nichts Zusätzliches vorgetragen.

Auch wenn bzw. gerade weil letztlich der Zeuge T. als vor Ort tätiger Marktbetreiber konkrete Kenntnisse über Mängel an der der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Anlage hatte, hatte die Beklagte zu 1. jedenfalls zusätzlich dessen ordnungsgemäßes Verhalten zu überprüfen und zu kontrollieren.

Der Zeuge C. hat bei seiner Vernehmung allerdings eindrucksvoll deutlich gemacht, dass die Beklagte zu 1. ihren Pflichten, die sie aufgrund des Mietvertrages mit der Vermieterin übernommen hatte als auch hinsichtlich der Überwachung der Tätigkeiten des Marktbetreibers T. nicht hinreichend nachgekommen ist. So hat der Zeuge C. angegeben, für sehr viele Märkte – arbeitsteilig mit zwei bis drei Kollegen – zuständig gewesen zu sein, so dass man sich darauf verlassen habe, dass einerseits der Vermieter bei Unregelmäßigkeiten, die bei Wartung o. ä. auffielen, tätig würde oder andererseits der Marktbetreiber sich ggf. an sie wenden würde. Dass dies gerade nicht ausreichend war, zeigt der vorliegende Unfall.

Die Beklagte zu 1. hat sich vielmehr grundsätzlich darauf beschränkt, hinsichtlich der von ihr überhaupt nicht wahrgenommenen Wartung der Automatiktüren gegenüber dem Vermieter im Rahmen der Nebenkostenabrechnungen die Kosten zu begleichen, jedoch hat sie weder gegenüber dem Vermieter noch gegenüber dem Marktbetreiber T. die an beide übersandten Wartungsprotokolle angefordert und geprüft. Dies hätte sich allerdings bei dem Marktbetreiber T. geradezu aufgedrängt; dieser war ausweislich seiner – weitgehend gänzlich unglaubhaften – Angaben bei seinen Vernehmungen offensichtlich mit dem Betrieb des Marktes überfordert.

Hinzu tritt im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass es unmittelbar vor der turnusmäßigen Wartung einen der Beklagten zu 1. ausweislich der Rechnung vom 2. Juni 2008 und der Aussage des Zeugen C. bekannten Noteinsatz wegen der klemmenden Automatiktür gegeben hatte. Selbst wenn die hierzu notfallmäßig eingesetzte S. GmbH den Auftrag als erledigt bezeichnet hatte, hätte es die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 1. in diesem Fall geboten, die unmittelbar im Anschluss erfolgende Wartung durch die eigentliche Wartungsgesellschaft E. nicht nur als finanziell relevanten Posten abzuhaken, sondern sich über das Ergebnis dieser Wartung zu informieren, zumal im Rahmen einer Wartung sämtliche Funktionsweisen und -träger einer Anlage überprüft werden, wohingegen es bei einem Noteinsatz lediglich auf die sofortige Wiederherstellung der unmittelbaren Funktionsfähigkeit ankommt.

Dass der Beklagten – vertreten durch den Zeugen C. – die Notwendigkeit der grundsätzlichen Anforderung der Wartungsprotokolle, die auch dem Zeugen T. ausweislich seiner Vernehmung im Nachhinein klar geworden sein dürfte, aber gerade auch die Anforderung dieses dem Noteinsatz nachfolgenden Wartungsprotokolls nicht notwendig erschien und erscheint, belegt den objektiven Pflichtverstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1.

Dass dem Zeugen C. dieser Pflichtenverstoß allerdings nach dem streitgegenständlichen Unfall bewusst wurde, zeigt die – zunächst von der Beklagten zu 1. nicht vorgelegte – Korrespondenz nach dem Unfall: So forderte der Zeuge C. mit Schreiben vom 12.11.2008 nicht nur die S. Türautomation GmbH zur Überprüfung des nun zweimal aufgetretenen Mangels und Abgabe eines Erneuerungsangebots auf (vgl. Blatt 220 d. A.), sondern zeigte nunmehr auch gegenüber der Vermieterin an, dass sich der Mietgegenstand in keinem vertragsgemäßen Zustand befinde. Nach Übersendung des Angebotes der S. GmbH übersandte der Zeuge C. für die Beklagte zu 1. dieses nunmehr an die Vermieterin und bat um Übersendung des aktuellen Wartungsnachweises, der ihm ausweislich des handschriftlichen Zusatzes auf der Anlage dann auch übersandt wurde (vgl. Blatt 221 d. A.).

Für die Kausalität zwischen der objektiven Pflichtverletzung der Beklagten zu 1. und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung der Klägerin spricht ein Anscheinsbeweis, weil sich in dem Schadensereignis gerade diejenige Gefahr, der durch die Auferlegung der Verkehrspflicht begegnet werden soll, verwirklichte (vgl. BGHZ 114, 273, 276).

Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts nach der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Anhörung der Klägerin und der Vernehmung ihrer Tochter und ihres Mannes fest, dass diese sich am Unfalltag an der Automatiktür erheblich verletzt hat, weil sich diese zunächst in für diese Türen üblicher Weise öffnete und dann unmittelbar bevor die Klägerin die Tür erreichte, plötzlich wieder zusammenschlug.

Diese Schilderung des Unfallsablaufes seitens der Klägerin korrespondiert im Übrigen mit der unmittelbar nach dem Unfall festgestellten Fehlfunktion der Tür, die durch Nachrüstung von Radarbewegungsmeldern und Anwesenheitssensoren zur Absicherung (Herstellung der DIN 18650) durch die Firma S. GmbH behoben werden musste und die ausweislich des Wartungsprotokolls der E. GmbH vom 18.06.2008 spätestens seit diesem Zeitpunkt bekannt war und über die sich zu informieren, die Beklagte zu 1. pflichtwidrig unterlassen hatte.

Die Verletzung der äußeren Sorgfalt indiziert die Verletzung der inneren Sorgfalt, – dies umso mehr, weil hier eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, die durch eine DIN-Norm konkretisiert wird (vgl. BGH, NJW 2008, 3778). Hinsichtlich des beklagtenseits in´s Blaue behaupteten Mitverschuldens der Klägerin fehlt hinreichend substantiierter Vortrag. Insbesondere ist weder hinreichend dargetan noch nachgewiesen, dass die Klägerin gegen die sich gar nicht öffnende Tür gelaufen sein könnte; dies ist angesichts der zweifach festgestellten Fehlfunktion der Tür auch fernliegend.

Der Schmerzensgeldanspruch gemäß § 253 II BGB ist in Höhe von 5.000,00 EUR angemessen: Dies berücksichtigt zunächst die ganz erheblichen Schmerzen und Beeinträchtigungen, die mit dem Unfall verbunden waren. So steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Nase der Klägerin gebrochen, das Gesicht ganz erheblich angeschwollen und hämatös verfärbt war, und dass die Klägerin am Folgetag des Unfalls unter Narkose operiert werden musste. Im Anschluss musste die Klägerin sich nicht nur einige Tage stationär behandeln lassen, sondern war in der Folge auch für viele Wochen arbeitsunfähig und zur Führung eines „normalen“ Lebens nicht in der Lage, weil zum einen die Schwellungen und Verfärbungen des Gesichts lange anhielten, die Klägerin dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen war und zum anderen nicht nur die mit dem Unfall und der Operation verbundenen Schmerzen anhielten, sondern auch infolge der Migräne der Klägerin Übelkeit und Erbrechen hinzutraten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im Mai zu einer weiteren Operation der Klägerin kam, bei der die Nase erneut gebrochen werden musste; auch diese Folgeoperation stellt eine zuzurechnende Schadensfolge dar. Auch hier sind die mit einer Operation verbundenen erheblichen Unannehmlichkeiten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Heilung der Nasenbrüche mit den – hierfür typischen – Verknorpelungen verbunden, die gegebenenfalls in der Zukunft zu weiteren Problemen/Schäden/Operationen führen können. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist letztlich auch zu berücksichtigen, dass gerade ausweislich der eindrucksvollen Angaben des Zeugen C. die Verkehrssicherungspflichtverletzung sich nicht nur als einfach fahrlässig, sondern als grob fahrlässig im Grenzbereich zum bedingten Vorsatz darstellt. Im Übrigen beruht die erhebliche Verzögerung bei der Bearbeitung des Schadensfalls nicht lediglich auf der späten Einreichung der Klage, sondern auch auf den zunächst keineswegs vollständigen Angaben der Beklagten zu 1., die ihrer Wahrheitspflicht gemäß § 138 I ZPO nicht genügt hat. Spätestens bei Eingang der Klage hätte die Beklagte zu 1. sich über die Ergebnisse der Wartungen erkundigen müssen, zumal – was zunächst verschwiegen worden ist – der Notfalleinsatz vom 2. Juni 2008 bei der Beklagten zu 1. durchaus bekannt und schriftlich festgehalten war; der lange aufrechterhaltene Beklagtenvortrag, dass es mit der Tür vor dem Unfall der Klägerin zu keinen Problemen gekommen sei, der Unfall nur auf dem Fehlverhalten der Klägerin beruhe, war demnach bewusst falsch.

Auch der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat nicht nur das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO, die Klage ist auch insoweit begründet. Dass gegebenenfalls materielle wie immaterielle Folgeschäden eintreten können, ist bei derart schwerwiegenden Verletzungen regelmäßig der Fall und ergibt sich zudem aus der ärztlichen Bescheinigung vom 20. Oktober 2009 (Anlage K 6).

Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Zwar wurde die Klage der Beklagten zu 1. erst am 14.03.2012, also nach Ablauf der Regelverjährungsfrist zugestellt. Die Zustellung ist jedoch demnächst i.S.d. § 167 ZPO erfolgt, so dass die verjährungsrelevante Frist gewahrt wurde: Die Klage wurde einschließlich Anlagen per Fax am 30. Dezember 2011, d. h. innerhalb der Frist gemäß §§ 195, 199 I BGB bei dem Landgericht Bielefeld eingereicht. Die Einzahlung des Kostenvorschusses erfolgte am 22. Februar 2012 nach einer entsprechenden gerichtlichen Vorschussrechnung vom 10. Februar 2012, d. h. innerhalb von (nur) zwölf Tagen; das Gericht hatte erst mit Beschluss vom 08.02.2012 den Streitwert festgesetzt. Der Klägerbevollmächtigte hatte zuvor auf die beiden gerichtlichen Nachfragen hinsichtlich des Streitwertes zeitnah und jeweils fristgerecht reagiert, wobei es sich nicht zulasten der Klägerin auswirken kann, dass der Klägerbevollmächtigte zunächst ohne weitere Begründung den Wert mit 5.000,00 EUR angegeben hatte; so hatte das Gericht mit Verfügung vom 5. Januar 2012 auch schlicht zur Angabe des Wertes binnen zwei Wochen aufgefordert (vgl. Zöller-Greger, 30. Aufl. 2014, § 167 ZPO, Rn. 15 m.w.N.).

Die Beklagte zu 1. schuldet Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 I 2, 187 I BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 269 III, 709 S.1, 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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