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Beweisaufnahme im Zivilprozess – Vernehmung eines sachverständigen Zeugen

OLG München – Az.: 3 U 1791/11 – Urteil vom 11.01.2012

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Schadensersatzbegehren der Klägerin aufgrund von der Beklagten durchgeführter – wie behauptet unzulänglicher – Reparaturmaßnahmen. Das Landgericht Traunstein hat nach Vernehmung eines Zeugen die Klage abgewiesen. Auf das am 22.03.2011 verkündete Endurteil, insbesondere die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen, wird Bezug genommen (Bl. 64/69 d. A.). Des weiteren wird auf die erstinstanziell zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2011 (Bl. 56/60 d. A.) verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzielles Ziel auf Zahlung von 7.008,25 € Schadensersatz nebst Zinsen unverändert weiter. Sie beanstandet, dass das Erstgericht die Aktivlegitimation der Klägerin aufgrund der Zeugeneinvernahme verneint habe. Zumindest hätte das Erstgericht hilfsweise von einer erfolgten Abtretung ausgehen und das hierauf gerichtete Beweisangebot nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Im Übrigen habe das Erstgericht den dargelegten Sachverhalt zum Anspruchsgrund falsch verstanden und daher falsche sachliche gerichtliche Schlüsse gezogen. Wenn das Erstgericht zu der Feststellung gelangt sei, die fragliche Reparatur habe keine negative Veränderung des klägerischen Pkw nach sich gezogen, habe es nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ein neues Steuergerät bezahlen musste, das mangels ordnungsgemäßer Reparatur wieder defekt geworden sei. Seitdem könne das teure Fahrzeug nicht mehr benutzt werden, was zur Forderung nach Nutzungsausfall führe.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründung vom 24.06.2011 (Bl. 85/91 d. A.), den klägerischen Schriftsatz vom 04.10.2011 (Bl. 99 d. A.) sowie den klägerischen Schriftsatz vom 09.01.2012 (Bl. 113/114 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2011 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 7.008,25 nebst Zinsen hieraus von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen BZS ab 05.01.2010 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 22.03.2011 zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Ersturteil. Das Landgericht Traunstein habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nicht Vertragspartner der Beklagten hinsichtlich des Reparaturauftrags geworden sei. Von der erst mit Schriftsatz vom 01.02.2011 angebotenen Vernehmung des Zeugen P. P. für den Sachverhalt, dass die Klägerin Auftraggeberin des Reparaturauftrags gewesen sei, habe das Landgericht Traunstein zu Recht abgesehen, da hierfür ein weiterer Hauptverhandlungstermin erforderlich gewesen wäre. Im Übrigen stünden der Klägerin auch keine Schadensersatzansprüche zu, selbst wenn man von einer Auftragserteilung durch die Klägerin ausgehen sollte. Der Zeuge S. habe die in Auftrag gegebenen Reparaturmaßnahmen ordnungsgemäß und fachgerecht durchgeführt; der Sachverständige G. habe lediglich Schäden an der Verschraubung festgestellt, eine Zuordnung, durch wen diese Schäden verursacht worden seien, sei nicht erfolgt. Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 16.08.2011 (Bl. 95/98 d. A.) sowie den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 18.10.2011 (Bl. 103/105 d. A.) verwiesen.

Der Senat hat am 12.10.2011 mündlich verhandelt (Protokoll Bl. 100/102 d. A.) und mit am 26.10.2011 (Bl. 106/108 d. A.) verkündeten Beschluss Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt, der Klägerin die Beantwortung einer Reihe von Detailfragen und Vorlage von Unterlagen aufgegeben sowie die Ladung des Sachverständigen zu dem Fortsetzungstermin angeordnet, der sich nach vorgängiger Besichtigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Verantwortungsbereich der Beklagten und zur Nachweisbarkeit und Zurechenbarkeit der beschädigten Verschraubung an dem Fahrzeug äußern sollte.

Eine Besichtigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs kam wegen dessen zwischenzeitlichen Verkaufs nicht zustande. Die bis 15.11.2011 erbetenen Angaben wurden erst mit am 10.01.2012 eingegangenem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2012 (Bl. 115/120 d. A.) zu Protokoll beigebracht. Im Termin vom 11.01.2012 fand die Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. statt, auf die Bezug genommen wird.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Nach der vom Senat durchgeführten Beweiserhebung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die – auf andere Gesichtspunkte gestützte – klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis richtig ist.

Festzustellen ist vorab, dass die Klägerin durch zwischenzeitliche Reparatur und Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs, obwohl mit Beschluss vom 26.10.2011 über die Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und das Erfordernis der Fahrzeugbesichtigung in Kenntnis gesetzt, eine entsprechende Beweiserhebung vereitelt hat und auch die mit Ziffer II des Beschlusses vom 26.10.2011 erbetenen Informationen und Unterlagen nicht fristgemäß beigebracht hat. Erst im Termin vom 11.01.2012 wurden das Original des Gutachtens des Sachverständigen G. vom 19.08.2008 sowie die Kopie einer Rechnung der Beklagten vom 15.06.2004 (Anlage BK 2) vorgelegt und wurde die Information erteilt, dass der Wagen an diesem in der Rechnung angegebenen Termin und sonst vor 2007 nicht zur Reparatur in der Werkstatt der Beklagten gewesen sei. Die Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. bildeten neben dem Akteninhalt somit nur die gutachtlichen Feststellungen und Lichtbilder des Privatgutachtens G.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten hinsichtlich der am klägerischen Fahrzeug durchgeführten Reparaturen konnte nach der vom Senat gewonnenen Überzeugung nicht nachgewiesen werden.

Der Sachverständige F. hat, jeweils aus technischer Sicht, zur maßgebenden Thematik folgendes ausgeführt:

Mit der am 22.01.2007 in Auftrag gegebenen Reparatur bei der Beklagten (vgl. Anlage B 1) habe auch die Problematik des Zustands der Wasserabläufe Eingang in die Auftragsunterlagen gefunden und sei dort auch abgehakt worden. Weiterhin sei das Fahrzeug im Oktober 2007 (am 15.10.2007 laut Protokoll vom 11.01.2012) bei der Beklagten abgeholt und bis zur Untersuchung durch die Fa. Sch. 13.000 km gefahren worden (vgl. Anlage K 1: Rechnung vom 18.04.2007 mit KM-Stand 162.777, Auftrag vom 16.05.2008 mit KM-Stand 175.456, Anlage K 3). Aus technischer Konsequenz bedeute dies, dass in diesem gesamten Zeitraum keine Probleme mit der Elektronikfunktion im Bereich der Elektronikbox aufgetreten seien bzw. berichtet würden. Der Sachverständige G. habe das Fahrzeug im Freien bei der Klägerin besichtigt (Besichtigungstag laut Anlage K 8: 14.07.2008). Dem Gutachten sei zu entnehmen (Fundstelle: 3.0, 1. Absatz), dass zu diesem Zeitpunkt weder der Deckel der Elektronikbox noch die Abdeckung des Wasserkastens montiert war. Der im Gutachten mitgeteilte Feuchteeinbruch in der Elektronikbox (siehe Punkt 3.0, 2. Absatz) besitze somit keinen technischen Aussagewert für die nun verfahrensgegenständliche Problematik. Aus technischer Sicht – so der Sachverständige – sei zu beachten, dass nach diesem Sachstand der offene Zustand über wenigstens 4 Wochen bestanden haben könne, womit das Vorhandensein von Korrosionsmerkmalen keine bewertbare Aussage hinsichtlich ihres Entstehungszeitpunkts erlaube. Die Mitteilung der Fa. Sch. (vgl. Anlage K 4, Rechnung vom 12.06.2008 mit dem Annahmetag 16.05.2008), dass Feuchte in der Elektronikbox zu den Störungen bzw. zum Defekt des Motorsteuergeräts geführt habe, sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass damals der Zustand der Wasserabläufe nicht erfasst bzw. berichtet wurde. Das im Sachverständigen-Gutachten G. gezogene Fazit (vgl. 4.0: „aufgrund der beschädigten Verschraubung der Steuergerätebox ist eine Abdichtung gegen Spritz-, Regen- und Kondenswasser nicht mehr gewährleistet“) stelle damit für die hier streitgegenständliche Problematik keine technische Aussage dar. Aus technischer Sicht sei bei dieser Problematik grundsätzlich zu beachten, dass sämtliche Abdichtungen zum Schutz der Fahrzeugelektronik nicht gegen einen hohen Wasserstand zu schützen vermöchten; Sinn und Zweck sämtlicher Abdichtungen liege darin, lediglich eine unmittelbare Kontamination mit Spritzwasser zu unterbinden. Aus technischer Sicht sei beim gegenwärtigen Sachstand ein Rückschluss auf eine Pflichtverletzung der Beklagten, insbesondere bei der Reparatur im Januar 2007, nicht zu vertreten. Zur Erläuterung führte der Sachverständige (außerhalb des Protokolls) aus, dass eine Verstopfung der Wasserabläufe je nach dem Standort des Fahrzeugs quasi über Nacht eintreten könne, wobei der dann vorhandene hohe Wasserstand auch durchaus längere Zeit unbemerkt bliebe.

Die solcherart vom Sachverständigen plausibel gemachte, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Schadensentstehung ursächliche Hergangsalternative lässt einen Rückschluss auf eine Pflichtverletzung der Beklagten anlässlich der einzigen relevanten Reparatur im Februar 2007 nicht zu. Der Senat kann sich den Ausführungen des Sachverständigen, von dessen überragender Sachkenntnis er sich anlässlich einer Vielzahl von Gewährleistungs- und Schadensersatzprozessen im Kfz-Bereich überzeugt hat, nach eigener Beurteilung nur anschließen. Die Einvernahme des Zeugen G. war nicht veranlasst: Was er als sichtbares Ergebnis seiner Fahrzeugbesichtigung zugrunde gelegt hat, hat der Senat unterstellt. Um Schlussfolgerungen sachverständig vorzutragen, hat das Gericht eigens einen Sachverständigen bestimmt. Die Einvernahme weiterer Zeugen kam nicht in Betracht, da ihre Aussagen, auch wenn sie das jeweilige Beweisthema bestätigt hätten, nicht die vom Sachverständigen aufgezeigte mögliche Kausalität der wahrscheinlichen Schadensentstehung hätten in Frage stellen können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 712 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen: Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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