OLG Karlsruhe
Az.: 12 U 93/12
Urteil vom 06.12.2012
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 15.05.2012 – 2 O 30/11 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die Bestandteil eines Kapitallebensversicherungsvertrags mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein vom 15.12.1997) ist, der u.a. die besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde liegen. Deren § 2 Absatz 1 lautet:
„Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Der am 9.4.1970 geborene Kläger war seit Mai 1997 als selbständiger Gas- und Wasserinstallateur-Meister tätig. Sein Unternehmen „war auf sanitäre Anlagen, Gasanlagen und Blechbearbeitung spezialisiert und als Ein-Mann-Betrieb ausgestaltet“.
Im Jahr 1998 erkrankte der Kläger erstmals an einer ausgeprägten Depression. Aufgrund der häufigen schweren depressiven Episoden musste der Kläger seinen Betrieb zum 31.12.2001 auflösen. Der Kläger machte im Mai 2002 Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gegenüber der Beklagten geltend. Diese erkannte die Berufsunfähigkeit an und erbrachte bedingungsgemäß Leistungen ab dem 01.08.2001. In der Folgezeit überprüfte die Beklagte ihre Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge in regelmäßigen Abständen durch Zusendung von Fragebögen zu den gesundheitlichen und beruflichen Verhältnissen des Klägers. Ab Januar 2003 nahm der Kläger an einer Umschulung zum medizinisch-technischen Laborassistenten (MTLA) teil. Diese Ausbildung musste er im Jahr 2005 aus gesundheitlichen Gründen unterbrechen, da er erneut aufgrund seiner Depression krankgeschrieben wurde. Im Juli 2006 konnte der Kläger die Ausbildung fortsetzen und im Jahr 2007 erfolgreich beenden. Seit Mitte Mai 2008 ist der Kläger als medizinisch-technischer Laboratoriums-Assistent bei der Universitätsklinik H beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt derzeit 2.450,00 EUR.
Mit Schreiben vom 12.7.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihre Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge ab dem 01.09.2010 einstellen werde und dass ab diesem Zeitpunkt wieder die Beiträge zu zahlen seien. Die Tätigkeit als MTLA erfülle die bedingungsgemäße Anforderung der Wahrung der bisherigen Lebensstellung. Diese werde im Wesentlichen durch das erzielte Einkommen geprägt. Mit der heutigen Tätigkeit erziele der Kläger gegenüber seiner früheren Tätigkeit ein gleichwertiges Einkommen. Ab Oktober 2010 zahlte der Kläger wieder fortlaufend Beiträge in Höhe von monatlich 157,37 EUR an die Beklagte. In der Folgezeit forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte mehrfach auf, die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge wieder aufzunehmen. Der Kläger war mehrfach auch längerfristig arbeitsunfähig. Zunächst wurde ihm mitgeteilt, dass eine Verlängerung seines Arbeitsvertrages über den 30.06.2011 nicht mehr in Betracht komme. Erst nach einem anwaltlichen Schriftsatz mit Klagandrohung wurde der Vertrag dann bis zum 31.12.2012 verlängert.
Der Kläger hat behauptet, er könne nicht auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden könne und seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Die neue Tätigkeit als Angestellter MTLA entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung. Ein selbständiger Handwerksmeister mit eigenem Betrieb müsse eine wesentlich höhere Qualifikation aufweisen als ein medizinisch-technischer Laboratoriums-Assistent. Der Aufgabenbereich des Klägers als MTLA beschränke sich auf rein weisungsgebundene und ausführende Tätigkeiten. Es fehle bei der Tätigkeit als MTLA an einer hinreichenden Eigenständigkeit der zu treffenden Entscheidungen. In seinem eigenen Betrieb sei der Kläger unternehmerisch und gestaltend tätig gewesen. Dies fehle bei seiner jetzigen Tätigkeit als MTLA völlig. Er habe zur Erlangung des Meisterbriefes betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse erwerben und anwenden und in seinem Betrieb stets betrieblich und finanziell folgenschwere Entscheidungen treffen müssen. Ferner würden die Weiterbildungs- und Aufstiegschancen in seiner jetzigen Tätigkeit als angestellter MTLA weit hinter den Chancen seines bisherigen Berufs zurückbleiben. Der Meisterbrief biete die Möglichkeit, auch ohne Abitur an Universitäten und Fachhochschulen zu studieren. Diese Möglichkeit bestehe bei einer abgeschlossenen Ausbildung zum MTLA nicht. Die Aufstiegschancen eines Handwerksmeisters mit gut laufendem eigenen Betrieb seien sowohl in finanzieller als auch in beruflicher Hinsicht erheblich. Der Kläger hätte sich beispielsweise auf Zukunftsmärkte wie alternative Energieanlagen oder die sanitäre Ausstattung altersgerechter Wohnformen spezialisieren können. Die Stelle als MTLA im Klinikum der Universität Heidelberg entspreche auch nicht den Einkommenserwartungen, die der Kläger als selbständiger Gas- und Wasserinstallateur hätte erzielen können. Die Einkünfte hätten sich von 1999 zum Jahr 2000 nahezu verdoppelt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Betrieb des Klägers ohne dessen Erkrankung und die daraus resultierende Berufsunfähigkeit stetig gewachsen wäre und er zum jetzigen Zeitpunkt deutliche höhere Einkünfte erzielen würde als im Jahr 2000. In den Anfangsjahren seiner Selbständigkeit habe er in seinem Betrieb alleine gearbeitet. In den Folgejahren hätte er Mitarbeiter einstellen und dadurch eine deutlich höhere Zahl an Aufträgen annehmen können, was zu einer erheblichen Einkommenssteigerung geführt hätte. Auch sei der Beruf des MTLA mit einer geringeren sozialen Wertschätzung verbunden als der eines selbständigen Gas- und Wasserinstallateur-Meisters mit eigenem Betrieb.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 248127806 ab dem 01.02.2011 jeweils zum Ersten eines Monats im Voraus Leistungen in Höhe von jeweils monatlich 1.709,50 EUR Garantierente zuzüglich monatlicher Rentenerhöhung gemäß Überschussbeteiligung aus dem jährlichen Geschäftsergebnis für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Versicherungsende am 31.12.2029, zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Oktober 2010 bis einschließlich Dezember 2010 aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 248127806 rückständige Gesamtrente in Höhe von 3 mal 1.794,00 EUR, insgesamt 5.382,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils
1.794,00 EUR seit dem 01.10.2010,
1.794,00 EUR seit dem 01.11.2010,
1.794,00 EUR seit dem 01.12.2010
zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise Auskunft über die Höhe der ihm ab 01.01.2011 zustehenden monatlichen Rentenerhöhung gemäß Überschussbeteiligung zu erteilen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2011 aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 248127806 rückständige Garantierente in Höhe von 1.709,50 EUR zuzüglich Rentenerhöhung gemäß Überschussbeteiligung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen, wobei der Kläger die geforderte Rentenerhöhung nach Erteilung der Auskunft gemäß Nr. 3 beziffern wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.10.2010 von der Verpflichtung zur Zahlung des Beitrages für die Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 248127806 für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Versicherungsende am 31.12.2029, zu befreien und die seitdem geleisteten Beiträge in Höhe von 4 mal 157,37 EUR, insgesamt 629,48 EUR zurückzuerstatten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils
157,37 EUR seit dem 01.10.2010,
157,37 EUR seit dem 01.11.2010,
157,37 EUR seit dem 01.12.2010,
157,37 EUR seit dem 01.01.2011.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Sie hat vorgetragen, die Depressionen seien beim Kläger nicht mehr vorhanden. Der Kläger könne auf den ausgeübten Beruf des MTLA verwiesen werden. Allein die Tatsache der Selbständigkeit sei nicht geeignet, einen Bonus für den bisher ausgeübten Beruf zu gewähren. Von einem spürbaren Abfallen der Tätigkeit in der sozialen Wertschätzung gegenüber dem bisher ausgeübten Meisterberuf könne nicht gesprochen werden. Das jährliche Bruttoeinkommen belaufe sich auf 29.400,00 Euro bei einer Tätigkeit von acht Stunden täglich. Unter Berücksichtigung der Hochrechnung in der Klagschrift auf ein Einkommen als Meister ergebe sich allenfalls eine Reduzierung um nicht einmal drei Prozent. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass bei einem Selbständigen von dem Einkommen die gesamten Sozialversicherungsleistungen in vollem Umfang abgezogen werden müssten. Die jetzige Tätigkeit des Klägers stelle keine Unterforderung dar.
Sämtliche Angaben, die der Kläger in seinem Schriftsatz vom 14.02.2012 zu seiner selbständigen Tätigkeit gemacht habe, würden bestritten. Der Kläger befinde sich seit längerem in stationärer Behandlung. Es könne ihm nur geraten werden, ggfs. einen neuen Leistungsantrag bei der Beklagten zu stellen, sofern es sich um einen Dauerzustand handeln sollte.
Das Landgericht hat nach Einholung eines berufskundlichen Gutachtens der Klage stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils wird Bezug genommen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, auf die jetzige Berufstätigkeit könne der Kläger trotz fehlender Einkommenseinbußen nicht verwiesen werden. Seine frühere Tätigkeit als selbständiger Gas- und Wasserinstallateur liege hinsichtlich der Qualifikation und der gesellschaftlichen Wertschätzung über dem Niveau der Beschäftigung als angestellter medizinisch-technischer Laborassistent.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Klagabweisungsbegehren weiter verfolgt. In der Sache rügt die Beklagte, dass das Landgericht von der Einschätzung des berufskundlichen Sachverständigen sei; alte und neue Berufstätigkeit des Klägers seien unter Einbeziehung der Einkommensseite und der nunmehr deutlich geringeren Arbeitszeit als gleichwertig anzusehen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass er bei seiner gesundheitlichen Vorgeschichte bislang kein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingehen konnte und – wohl auch im Hinblick auf seine gesundheitsbedingten Ausfälle bei seiner derzeitigen Tätigkeit – auf das Wohlwollen Dritter und die Genehmigung von Fördermitteln angewiesen ist. Diese Ungewissheit habe er als gesunder selbständiger Handwerksmeister nicht hinnehmen müssen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
A.
Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass der Kläger nicht auf seine derzeit ausgeübte Berufstätigkeit verwiesen werden kann. Das Landgericht hat die bilanzierenden Erwägungen des Sachverständigen zu Recht nicht übernommen.
Gemäß § 2 Abs. 2 der vereinbarten Bedingungen kommt eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht. Die bisherige Lebensstellung des Versicherten wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Die Qualifikation dieser Tätigkeit orientiert sich – ebenso wie ihre Vergütung – wiederum daran, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist demgemäß dann gefunden, wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinkt. Entscheidend ist also eine Gesamtbetrachtung, bei der die die Qualifikation der bisherigen Tätigkeit und die der Vergleichstätigkeit prägenden Umstände verglichen werden (Senat Urteil v. 15.3.2007 -12 U 196/06- VersR 2007, 1212; BGH VersR 1997, 436; BGH VersR 1986, 1113).
Eine Vergleichbarkeit der neuen Tätigkeit lässt sich nicht schon deshalb verneinen, weil der Versicherte seine frühere Selbständigkeit eingebüßt hat. Auch einem früher Selbständigen ist die Aufnahme einer Tätigkeit in sozial abhängiger Stellung nicht generell unzumutbar (BGH RuS 2003, 164). Hat aber die frühere selbständige Tätigkeit dem Versicherten ein qualifizierteres oder selbständigeres Arbeiten ermöglicht, so scheidet eine Verweisung im Regelfall aus (BGH NJW-RR 1992, 1052). Zudem darf die Wertschätzung der neuen Tätigkeit nicht spürbar unter der des bis zum Versicherungsfall ausgeübten Berufes liegen. So wird z.B. der in Abhängigkeit beschäftigte Leiter eines Warenhauses sicher höhere oder zumindest gleiche Wertschätzung erfahren als der selbständige Betreiber eines Kiosk; ähnlich wird es sein im Verhältnis des angestellten Leiters einer Kur- bzw. Rehaeinrichtung zum selbständigen Physiotherapeuten in einer Ein-Mann-Praxis. Dagegen geniest der Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei eine höhere Wertschätzung als der bei einem Versicherer beschäftigte Sachbearbeiter, selbst wenn dieser ebenfalls beide juristische Staatsexamen bestanden hat.
Nach den auf sachverständiger Beratung beruhenden Feststellungen des Landgerichts, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, musste der Kläger nicht nur organisatorische Arbeiten verrichten, sondern die handwerklichen und körperlichen Tätigkeiten „vor Ort“ selbst erledigen, die ein Gas- und Wasserinstallateur zu verrichten hat, da er in seinem früheren Beruf als selbständiger Gas- und Wasserinstallateur-Meister allein gearbeitet hat. Neben der eigentlichen Montagetätigkeit hat er auch die notwendigen Dispositionen selbst getroffen, um seine verschiedenen Aufträge zu koordinieren. Auch musste er das gesamte Rechnungswesen, einschließlich Kalkulation, also den „Bürobereich“ übernehmen und den gesamten Materialeinkauf und die Organisation der Betriebsstoffe, die er benötigte, um seinen Beruf ausüben zu können, selbst ausführen. Ferner musste der Kläger sich um seine Kundenbeziehungen kümmern und diese pflegen und Neukunden gewinnen. Er hat demnach eine sehr vielschichtige Tätigkeit ausgeführt, gerade aufgrund der Tatsache, dass er seinen Handwerksbetrieb allein geführt hat. Als selbständiger Handwerksmeister musste der Kläger auch das Risiko tragen, gewinnbringend zu arbeiten und seinen Betrieb so zu führen, dass er davon seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Als medizinisch-technischer Laboratoriums-Assistent hat der Kläger die entsprechende drei Jahre dauernde Berufsausbildung durchlaufen. In seinem Beruf ist er nunmehr weisungsgebunden, allerdings im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe selbständig und eigenverantwortlich tätig. Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bestehen in beiden Berufsbildern. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nunmehr über ein höheres Einkommen verfügt als in seiner früheren Tätigkeit.
Das im ersten Rechtszug eingeholte berufskundliche Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Qualifikation und der gesellschaftlichen Wertschätzung die frühere Tätigkeit als selbständiger Gas- und Wasserinstallateur über dem Niveau der derzeit ausgeübten Berufstätigkeit als MTLA liegt, die Weiterbildungsmöglichkeiten in beiden Berufen vergleichbar sind und die jetzige Vergütung spürbar höher sei.
Zutreffend ist daher das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht auf seine derzeitige Tätigkeit verwiesen werden kann. Zurecht ist das Landgericht dem Sachverständigen nicht gefolgt bei dessen Auffassung, das Mehr an Qualifikation und gesellschaftlicher Wertschätzung in der früheren selbständigen Tätigkeit werde durch die jetzige kürzere Arbeitszeit, das höhere Entgelt und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung abgeschmolzen und ausgeglichen. Qualifikation und Wertschätzung sind keine Faktoren die allein durch Geld und Freizeit ausgeglichen werden können. Schließlich wählen die Menschen aus den ihnen zugänglichen Berufen auch nicht stets den, der höchsten Lohn und geringste Arbeitszeit verspricht.
Der Senat hat mit den Parteien erörtert, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung insbesondere bei der – hier vereinbarten – Möglichkeit der abstrakten Verweisung zumindest in den Randbereichen deutliche Gerechtigkeitsdefizite aufweisen kann. So kann ein aus gesundheitlichen Gründen einkommensloser Versicherter keine Leistungen erhalten, weil er auf einen anderen Beruf verwiesen werden kann, in dem er aus Gründen des Arbeitsmarkts keine Stelle findet, während ein anderer Versicherter Leistungen bezieht, obwohl er gar keine finanziellen Einbußen hinnehmen muss. Derartige Missverhältnisse kann die Rechtsprechung aber weder in die eine noch die andere Richtung korrigieren.
B.
Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die jetzige Berufstätigkeit dem Kläger nur möglich ist, weil er nach Eintritt des Versicherungsfalls neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Setzt aber erst der freiwillige Erwerb neuer beruflicher Fähigkeiten den Versicherten in den Stand, eine andere Tätigkeit im Sinne des BB-BUZ § 2 Abs 1 auszuüben, darf der Versicherer von seinem Recht zur Leistungseinstellung erst dann Gebrauch machen, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf erlangt hat oder sich um einen solchen nicht in zumutbarer Weise bemüht (Senat VersR 2006, 59; BGH VersR 2000, 171). Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass er bei seiner gesundheitlichen Vorgeschichte bislang kein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingehen konnte und – wohl auch im Hinblick auf seine gesundheitsbedingten Ausfälle bei seiner derzeitigen Tätigkeit – auf das Wohlwollen Dritter und die Genehmigung von Fördermitteln angewiesen ist. Schon dieser Umstand steht der Annahme, der Kläger übe jetzt einen Verweisberuf aus, entgegen (vgl. hierzu auch Lücke in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 2 BU Rdn. 73; Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., J Rdn. 28 ff). Daran ändert auch nichts die Vermutung der Beklagten, der Kläger könne nunmehr einen Anspruch auf Festanstellung gerichtlich geltend machen. Solange ein entsprechender rechtskräftiger Ausspruch nicht vorliegt und die Unsicherheit andauert, bleibt der Beklagten die Verweisung des Klägers auf neuerworbene berufliche Fähigkeiten versagt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.