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Fällung Grenzbaum – Verschulden bei Fällerlaubnis durch vermeintlichen Grundstückseigentümer

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1158/11 – Beschluss vom 08.12.2011

Gründe

I. Es ist beabsichtigt, die Berufung des Beklagten zu 1. gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

1. Der Beklagte zu 1. unterhält in der Gemarkung der klagenden Ortsgemeinde (Flur 13) einen Wohnwagenhandel. Sein Betrieb befindet sich auf der Parzelle 60/2. Die – durch eine Seitenstraße getrennte – Nachbarfläche 52/2 gehört neuerlich einer KG. Beiden Grundstücken ist die Hauptstraße vorgelagert. Nach dem Katasterausweis kommt es aber nicht zu einer unmittelbaren Berührung, weil sich dünne, lang gestreckte Geländestreifen dazwischen schieben, die in der Örtlichkeit nicht gesondert wahrnehmbar sind. Dabei erstreckt sich entlang der Fläche 52/2 die Parzelle 52/4, davor die Parzelle 52/5 und schließlich an die Hauptstraße grenzend die Parzelle 52/3. Das Eigentum an der Parzelle 52/4 steht der Bundesrepublik Deutschland zu, das an den Parzellen 52/5 und 52/3 der Klägerin.

Im Bereich dieser Parzellen hatte man vor mehr als 20 Jahren Alleebäume gepflanzt, darunter nahe des  Seitenstraßenabzweigs und damit nicht weit vom Betriebsgelände des Beklagten zu 1. entfernt eine Platane sowie in gewissem Abstand daneben eine Winterlinde. Die Bäume waren von der Voreigentümerin der Fläche 52/2 über viele Jahre hinweg mit in die Grundstückseinfriedung einbezogen worden. Der Beklagte zu 1. fühlte sich durch das Laub der Platane und der Winterlinde belästigt. Da die KG als neue Eigentümerin auf dem Grundstück 52/2  eine  Tankstelle  errichten wollte  und die Bäume  deshalb auch ihr als störend erscheinen mussten, trat der Beklagte zu 1. an sie heran und bat sie um einen Ortstermin, zu dem deren Mitarbeiter Dietmar P. anreiste. Dabei ging der Beklagte zu 1. – in Unkenntnis der Kataster- und Grundbuchlage – davon aus, dass die Bäume der KG gehörten. Seinem Vorbringen nach wurde er in diesem Glauben durch Dietmar P. bestätigt. Dietmar P. habe sich dann im Namen der KG mit einer Fällung einverstanden erklärt, nachdem er sich zuvor vergewissert habe, dass es dafür  keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse gebe.  Daraufhin ließ der Beklagte zu 1. die Platane und die Winterlinde durch den Beklagten zu 2. absägen. Er hatte ihn zuvor davon unterrichtet, das die KG als Eigentümerin ihre Zustimmung erteilt habe.

Fällung Grenzbaum - Verschulden bei Fällerlaubnis durch vermeintlichen Grundstückseigentümer
Symbolfoto: Von Frank L Junior/Shutterstock.com

Im Hinblick darauf hat die Klägerin die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Anspruch in Höhe von 6.991,81 € nebst Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Dazu hat sie sich, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die beiden abgeholzten Bäume nicht nur auf ihrer eigenen Parzelle 52/4, sondern in Teilen auch auf der Parzelle 52/5 gewachsen waren, die Rechte der Bundesrepublik Deutschland abtreten lassen. Sie hat den Beklagten vorgeworfen, die Eigentumsverhältnisse nicht hinreichend geprüft zu haben. Die behauptete Autorisierung der Beklagten durch die KG habe es nicht gegeben.

Das Landgericht hat Dietmar P. sowie zwei bei dessen Gespräch mit dem Beklagten zu 1. anwesende Personen aus der Nachbarschaft als Zeugen gehört und ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eingeholt. Sodann hat es den Beklagten zu 1. zur Zahlung von 5.761,42 € nebst Zinsen und zur Freistellung der Klägerin von einem überwiegenden Teil der geltend gemachten Anwaltskosten verurteilt. Die weitergehende Klage ist abwiesen worden. Aus der Sicht des Landgerichts trifft den Beklagten zu 1. eine deliktische Schadensverantwortlichkeit, da er nach den vorliegenden Zeugenaussagen nicht von einer Fällerlaubnis durch den Eigentümer der Bäume habe ausgehen dürfen. Demgegenüber habe der Beklage zu 2. nicht fahrlässig gehandelt. Die Schadenshöhe sei – im Sinne eines hinreichend gesicherten Mindestbetrages – auf 5.560,61 € zu schätzen.

Der Beklagte zu 1. greift seine Verurteilung mit der Berufung an und erstrebt die vollständige Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage. Er rügt, anknüpfend an entsprechendes Vorbringen in erster Instanz, dass unklar sei, welche Eigentumsrechte seiner Inanspruchnahme zugrunde liegen, und die Abtretungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Klägerin mangels einer Bestimmung der betroffenen Anteile unwirksam sei. Außerdem wendet er sich gegen die Bemessung der Schadenshöhe.

2. Mit diesen Rechtsmittelangriffen vermag der Beklagte zu 1. nicht durchzudringen.

a) Die erste Berufungsrüge lautet: „Die Klägerin hat an den hier in Rede stehenden streitbefangenen Bäumen Teileigentum. Demzufolge hat die Klägerin darzulegen, in welchem Umfang sie genau Teileigentum hat, erst wenn dieser Punkt geklärt ist, kann die Klägerin einen genauen Zahlungsantrag stellen. Die Klägerin hat allerdings den gesamten Betrag eingeklagt. Nachdem festgestellt wurde, dass das Land Rheinland-Pfalz ebenfalls Teileigentum an diesen Bäumen hatte, hat die Klägerin sich einen nicht näher bestimmten Anspruch abtreten lassen. Demzufolge ist folgendes festzustellen: Die Klägerin hat bisher einerseits nicht dargelegt, in welchem Umfange ihr ursprünglich ein Anspruch gegen den Beklagten zustand, andererseits ist die Abtretungserklärung unwirksam, da zu ungenau. Es ergibt sich aus dieser Abtretungserklärung nicht, in welcher Höhe das Land Rheinland-Pfalz eine Forderung gegen die Beklagten hatte, so dass diese Abtretungserklärung wegen Ungenauigkeit ungültig ist.“

Dem kann so nicht gefolgt werden. Die Klägerin klagt aus eigenem Recht. Dabei stützt sie sich auf ihr originär zustehende Ansprüche und auf Ansprüche, die ihr mit einer am 12./21.07.2010 getroffenen Vereinbarung von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Landesbetrieb Mobilität  Rheinland-Pfalz, zediert wurden. Es ist außer Frage, dass die Summe dieser Ansprüche den gesamten streitigen Schaden erfasst.

Allerdings ist unklar, welche Schadensanteile einerseits auf die schon von vornherein bei der Klägerin stehenden Ansprüche und andererseits auf die ursprünglich für die Bundesrepublik Deutschland erwachsenen Ansprüche entfallen. In dieser Ungewissheit sieht der Beklagte zu 1. einen Umstand, der die Abtretungsvereinbarung vom 12./21.07.2010 unwirksam gemacht habe. Damit zielt er auf den anerkannten Grundsatz ab, dass die Bestimmbarkeit der zu übertragenen Forderung Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit der Abtretung ist (BGH NJW 2011, 2713; Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 398 Rn. 14). Dieser Grundsatz verlangt indessen nur, dass die Forderung individualisiert und von anderen Forderungen abgegrenzt werden kann, so dass über ihre Identität kein Zweifel besteht (OLG Düsseldorf WM 1995, 1112, 1113; Busche in Staudinger, BGB, 2005, § 398 Rn. 7; Roth in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 398 Rn. 81, 138 f.; Westermann in Erman,  BGB, 13. Aufl., § 398 Rn. 10). Damit besteht für Zedenten und Zessionar regelmäßig Veranlassung, Schuldner, Gegenstand und – im Sinne des Entstehungssachverhalts – Rechtsgrund der Forderung zu erwähnen (Rohe in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 398 Rn. 33). Der Angabe eines Werts bedarf es jedoch nicht, solange sich der Zedent nicht lediglich eines Teils seines Rechts entäußern will (vgl. dazu BGH NJW 2000, 276, 277; BGH NJW 2011, 2713; Rohe a. a. O. Rn. 34).

Vor diesem Hintergrund ist die Zessionsvereinbarung vom 12./21.07.2010 nicht zu beanstanden. Sie betraf Ansprüche, die unverwechselbar waren, weil sie sich unter Hinweis auf den vorliegenden Rechtsstreit auf die gesamte Rechtsposition bezog, die die Bundesrepublik Deutschland aus dem streitigen Schadensereignis („Beseitigung der beiden Laubbäume auf den Parzellen 52/4 und 52/5 im Herbst 2008“) erlangt hatte. Eine weitergehende Ersatzberechtigung, die von der Abtretung hätte ausgenommen werden sollen, gab es nicht.

b) Mit der zweiten Berufungsrüge wird moniert: „Auch das Sachverständigengutachten kommt nicht zu einem endgültigen Ergebnis, einmal vorausgesetzt, dass die Klage schlüssig war. Der Sachverständige konnte den Schaden nur schätzen.  Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht ausreichend. Unabhängig davon hätte das Gericht den tatsächlichen Schaden der Klägerin berücksichtigen müssen. Die Fa. S. hat die hier in Rede stehenden Bäume über Jahrzehnte hinweg gepflegt, so dass der Klägerin keine Kosten entstanden sind.“

Auch dem ist nicht beizupflichten. Zwar konnte sich der Sachverständige F., da die gefällten Bäume nicht mehr vorhanden waren, zur Schadensermittlung nur auf die verbliebenen Wurzelstöcke und annähernd gleich alte Referenzobjekte in der Nachbarschaft stützen. Aber das war eine tragfähige Basis für die Urteilsfindung, weil es insoweit keiner mathematischen Gewissheit bedurfte. § 287 Abs. 1 ZPO erlaubt dem Gericht, die Schadenshöhe zu schätzen  (BGH NJW-RR 2000, 1340 f.; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 2). Das ist im vorliegenden Fall fehlerfrei geschehen. Den bestehenden Unsicherheiten ist insofern Rechnung getragen worden, als vorsorglich Sicherheitsabschläge gemacht wurden.

Der Umstand, dass die gefällten Bäume, wie der Beklagte zu 1. vorbringt, nicht von der Klägerin, sondern von der Rechtsvorgängerin der KG gepflegt worden waren, ist ohne Gewicht. Die Klageforderung knüpft nicht an vergangene Aufwendungen, sondern an den Verlust der Bäume an. Bezugspunkt ist eine Eigentumsverletzung. Deren Ausmaß und schadensrechtliche Beurteilung hängen nicht davon ab, woraus sich der Wert des verletzten Eigentums erklärt.

 

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