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Flugreisevertrag – Zusatzkostenerstattung wegen Nichtbeförderung wegen verspäteten Erscheinens

AG Frankfurt – Az.: 32 C 1560/18 (88) – Urteil vom 02.10.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Ersatz von Aufwendungen sowie anteilige Reisepreiserstattung aus einem Reisevertrag in Anspruch.

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugpauschalreise von Frankfurt am Main nach Vietnam, Kambodscha und Bangkok für den Reisezeitraum 21.01. bis 07.02.2018 zum Gesamtreisepreis von 5.536 €. Der Hinflug sollte mit der Fluggesellschaft XXX von Frankfurt am Main nach Hanoi stattfinden, mit planmäßiger Abflugzeit am 21.01.18 um 10:35 Uhr und planmäßiger Ankunft in Hanoi am 22.01.2018 um 7:25 Uhr. Das Boarding in Frankfurt am Main schloss 20 Minuten vor der Abflugzeit. Den Klägern wurde bei Eintreffen am Boarding-Gate mitgeteilt, dass das Boarding bereits geschlossen war. Ihr Gepäck wurde wieder ausgeladen und ihnen am Schalter der Fluggesellschaft mitgeteilt, dass sie sämtliche Flüge erneut buchen müssten. Dies taten die Kläger in der Folge und wendeten dafür jeweils 990,22 € auf. Hanoi erreichten sie am 22.01.2018 um 16:15 Uhr. Die Beklagte erstattete den Klägern Steuern und Gebühren in Höhe von 287,84 €. Die Kläger verfügen über folgende Flugerfahrung: Etwa einmal im Jahr unternehmen sie eine Flugreise ins europäische Ausland, der Kläger darüber hinaus durchschnittlich 2 weitere geschäftliche Inlandsflüge pro Jahr.

Die Kläger behaupten, am 21.01.2018 um 8:30 Uhr eingecheckt zu haben. Dabei hätten sie Bordkarten erhalten, auf denen sich kein Hinweis auf den Boarding-Schluss befunden habe. Auch einen verbalen Hinweis hätten sie nicht erhalten und seien auch nicht ausgerufen worden. Sie seien mindestens um 10:20 Uhr zum Boarding eingetroffen. Zum Zeitpunkt der Mitteilung des bereits erfolgten Boarding-Schlusses ihnen gegenüber seien die Türen des Flugzeugs noch geöffnet gewesen und hätten sich noch Personen in dem „Zugangsschlauch“ aufgehalten. Somit sei es noch möglich gewesen, ihnen den Zutritt zum Flugzeug zu ermöglichen, auch wenn offiziell das Boarding abgeschlossen war, zumal auch die Wiederausladung ihres Gepäcks noch nicht abgeschlossen war.

Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen wegen entgangener Urlaubsfreude für einen halben Urlaubstag ein Ausgleich in Höhe von 153,78 € zustehe. Sie behaupten ferner, vor Buchung der Ersatzflüge eine Mängelrüge gegenüber der Beklagten angebracht zu haben.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 953,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 953,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von den außergerichtlichen Gebühren der XXX, in Höhe von 139,23 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass seitens der Mitarbeiter der Fluggesellschaft am Check-in-Schalter immer auf den Boarding-Schluss hingewiesen werde und bei Boarding-Schluss noch fehlende Passagiere stets ausgerufen würden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass den Klägern etwaig fehlende Angaben zum Boarding-Schluss auf den Bordkarten sowie die Anzeige des Boarding-Beginns auf den Anzeigetafeln am Flughafen hätten auffallen müssen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2018 (Bl. 57 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Entscheidungsgründe

Die Kläger können aufgrund des streitgegenständlichen Sachverhaltes keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen, und zwar weder Aufwendungsersatz für die gebuchten Ersatzflüge aus § 651 c Abs. 1 und 3 BGB, noch Minderung oder Schadensersatz für den entgangenen halben Urlaubstag aus §§ 651 c Abs. 1,651 d i.V.m. §§ 638 Abs. 4, 346 Abs. 1, bzw. § 651 f BGB.

Einem Reisenden obliegen bei der Durchführung einer Reise grundsätzlich Mitwirkungsobliegenheiten, wie etwa bei Flugreisen die Pflicht, rechtzeitig am Flughafen zur Abfertigung und zum Boarding zu erscheinen. Diese vertraglichen Nebenpflichten werden bereits konkludent mit Abschluss des Reisevertrages vereinbart. Regelmäßig werden sie darüber hinaus durch anlässlich des Vertragsschlusses oder nachträglich bis zum Reiseantritt gewährte Informationen des Reiseveranstalters inhaltlich konkretisiert. Eine auf Verletzung seiner Mitwirkungsobliegenheiten zurückzuführende Gefährdung der Durchführung der Reise liegt im Risiko des Reisenden (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.11.2017, Az. 2-24 S 40/17).

Vorliegend hat zwar der Leistungsträger der Beklagten den Klägern zumindest auf den Bordkarten keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des Boarding-Schlusses erteilt, was die Kläger mittels in der mündlichen Verhandlung erbrachtem Urkundenbeweis (§ 416 ZPO) bewiesen haben. Ob darüber hinaus auch weder ein mündlicher Hinweis an die Kläger, noch deren Ausruf erfolgt ist, kann allerdings dahinstehen, ebenso wie die streitige Frage einer Mängelrüge.

Denn selbst wenn dies jeweils der Fall gewesen wäre, beruft sich die Beklagte mit Recht auf den Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB). Die Kläger sind nach ihrer unstreitig vorgetragenen Flugerfahrung zwar keine Vielflieger, haben jedoch vor der streitgegenständlichen Flugreise bereits mehrere Flugreisen in regelmäßigen Zeitabständen unternommen. Auf der Grundlage auch dieser durchschnittlichen Flugerfahrung hätte den Klägern auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf den Boarding-Schluss oder Aufruf von vornherein klar sein müssen, dass das Boarding – wie allgemein üblich und einem jeden auch nur gelegentlich Flugreisenden bekannt – nicht erst wenige Minuten vor der planmäßigen Abflugzeit schließt. Dies ist für einen jeden schon einmal eine Flugreise absolviert habenden bereits daraus ersichtlich, dass die planmäßige Abflugzeit in der Regel mit dem Verlassen der Parkposition des Fluggerätes einhergeht und zuvor seitens der Besatzung noch eine Reihe von für die Passagiere erkennbaren und notwendigerweise erst nach Boarding-Schluss erfüllbaren Aufgaben durchgeführt werden, wie etwa Sichtkontrollen ordnungsgemäßer Anlegung der Anschnallgurte und ordnungsgemäßer Verstauung des Handgepäcks durch jeden Passagier. Es bedurfte daher vorliegend keines (streitigen) Hinweises seitens der Beklagten auf den Zeitpunkt des Boarding-Schlusses zur Konkretisierung der bereits bei Abschluss des Reisevertrages vereinbarten Nebenpflichten der Kläger. Vielmehr mussten jene bereits aufgrund ihrer eigenen Flugerfahrung damit rechnen, dass mit ihrem (streitig) vorgetragenen Eintreffen zum Boarding erst etwa 15 Minuten vor der planmäßigen Abflugzeit eine Gefährdung der Durchführung der Reise einhergeht. Wie die Beklagte zutreffend geltend macht, wären die Kläger bei Anstreben einer derart kurzfristigen Ankunft am Boarding-Gate gehalten gewesen, sich am Check-in-Schalter rückzuversichern, ob dies noch hinreichend ist. Jedenfalls aber wären die Kläger gehalten gewesen, sich so rechtzeitig in Richtung des Abfluggates am richtigen Terminal zu begeben, dass sie ab dem auf den Anzeigetafeln allgemeinbekannt angezeigten Boarding-Beginn binnen weniger Minuten das Gate erreichen.

Die nach alledem auch bei Zugrundelegung des streitigen Klagevorbringens festzustellende Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten der Kläger hat zur Folge, dass Ansprüche dieser in Gänze ausgeschlossen sind und nicht etwa lediglich ein prozentualer Abzug vorzunehmen ist (vgl. LG Frankfurt am Main, a.a.O.). Entgegen der mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.10.2018 noch geäußerten Rechtsaufassung der Kläger ist insoweit auch nicht zwischen den Kosten für den unmittelbar verpassten Flug und den Kosten für die weiteren Flüge zu differenzieren. Die Kausalität der Obliegenheitsverletzung der Kläger für das Verpassen des ersten Fluges wirkt auch hinsichtlich eines durch den Nichtantritt jenes Fluges bedingten Verfalls der Tickets für die weiteren Flüge fort.

Die Kläger können die begehrten Ansprüche auch nicht daraus herleiten, dass der Leistungsträger der Beklagten ihnen kein nachträgliches Boarding mehr ermöglicht hat. Insoweit fehlt es bereits an einem Reisemangel. Wie vorstehend ausgeführt, ist es zur Gewährleistung eines rechtzeitigen Verlassens der Parkposition des Fluggerätes – die wiederum zur Einhaltung des diesem zugewiesenen Start-Slots unabdingbar ist – erforderlich, ab einem gewissen Zeitpunkt das Boarding zu schließen und keinen weiteren Passagieren mehr das Betreten des Fluggerätes zu gestatten, damit die erforderlichen Sichtkontrollen und weiteren Vorbereitungsaufgaben der Besatzung bis zur planmäßigen Abflugzeit abgeschlossen werden können.

Dies gilt auch dann, wenn die letzten unmittelbar vor Boarding-Schluss zugelassenen Passagiere gerade noch dabei sind, das Fluggerät zu betreten. Denn aufgrund deren feststehender Anzahl lässt sich die verbleibende Zeit, bis sämtliche zugelassenen Passagiere im Fluggerät Platz genommen haben, kalkulieren. Ließe man dagegen auch noch den nachträglichen Zustieg weiterer, erst nach Boarding-Schluss eingetroffener Passagiere zu, wäre die zur Einhaltung der planmäßigen Abflugzeit erforderliche zeitliche Kalkulation der Besatzung gefährdet. Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Wartezeit bis zur erfolgten Wiederausladung ihres Gepäcks berufen. Zu jener Maßnahme war der Leistungsträger der Beklagten gemäß Ziff. 5.1 Abs. 2 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 aus Sicherheitsgründen verpflichtet. Derartige Maßnahmen sind regelmäßig nicht in dem Zeitraum zwischen Boarding-Schluss und planmäßigem Verlassen der Parkposition einkalkuliert und führen vielfach zu einer Verspätung des Fluges, woraufhin sich Fluggesellschaften in solchen Fällen bereits mit Entschädigungsklagen von an Bord befindlichen Passagieren auf Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 konfrontiert gesehen haben. Vor diesem Hintergrund und § 242 BGB können sich die Kläger nicht auf jenes – durch ihr verspätetes Erscheinen zum Boarding überhaupt erst eröffnete – Zeitfenster bis zum erfolgten Ausladen ihres Gepäcks berufen.

Mangels Bestehen von Ansprüchen in der Hauptsache können die Kläger auch weder Zinsen, noch Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB von der Beklagten verlangen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.

Weder der erst zum Schriftsatzschluss eingegangene beklagtenseitige Schriftsatz vom 02.10.2018, noch der nicht nachgelassene klägerseitige Schriftsatz vom 16.10.2018 gaben Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

 

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