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Behördliches Einschreiten gegen baugenehmigungsfreie Vorhaben

 VG WEIMAR

Az.:1 K 1100/01.We

Urteil vom 12.12.2001


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Baurechts hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2001 für Recht erkannt:

1. Der Bescheid vom 18.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2001 wird aufgehoben. Die Behörde wird verpflichtet, über den Antrag der Kläger auf Einschreiten gegen die auf dem Grundstück der Beigeladenen stehende Garage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

2. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens. Im Übrigen tragen die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu ½. Die andere Hälfte tragen der Beklagte und die Beigeladenen als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladenen können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte oder die Beigeladenen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger machen gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen eine von den Beigeladenen, ihren Nachbarn, auf der Grundstücksgrenze errichteten Garage und eines Fahrradschuppens geltend.

Kläger und Beigeladene bewohnen Einfamilienhäuser in Elleben. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes “ A“. Die Kläger errichteten ihr Haus im Jahr 1995 auf dem Flurstück a, die Beigeladenen auf dem westlich angrenzenden Grundstück (Flurstück b) 1996/1997 nach Bauanzeige beim Beklagten. Das Gelände fällt von Osten nach Westen hin ab. Der Bebauungsplan (Punkt 329) schreibt vor, dass der natürliche Geländeverlauf nicht verändert werden darf. Nach den Feststellungen des Beklagten, die von den übrigen Beteiligten nicht substantiiert angegriffen worden sind, haben sowohl die Kläger als auch die Beigeladenen den natürlichen Geländeverlauf verändert: Das Hauptgebäude der Kläger wurde um 47 cm, das Hauptgebäude der Beigeladenen um 2,5 cm zu hoch eingeordnet. An der gemeinsamen Grundstücksgrenze ist das Gelände um 47 cm an der Straße, 21 cm an der nördlichen Garagenwand der Beigeladenen, 1,29 m an der südlichen Garagenwand und 1,64 m an der südlichen Grundstücksgrenze erhöht. Die Kläger erklärten schriftlich ihr Einverständnis mit dem Bau des Einfamilienhauses der Beigeladenen durch ihre Unterschriften auf den Bauzeichnungen, in denen vermerkt ist, dass die Höhenangaben der Pläne keine „NN“ – Höhen seien. Unter dem 24.04.1997 zeigten die Beigeladenen einen Wohnhausanbau und den Bau einer Garage an. Hiergegen erhob der Kläger zu 1, wie sich seiner Unterschrift auf den Bauzeichnungen entnehmen lässt, keine Einwendungen. Nach den Zeichnungen weist die Garage eine Wandhöhe (gemessen von der natürlichen Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Außenfläche der Wand mit der Dachhaut) von 2,50 m und eine Giebelhöhe von ebenfalls 2,50 m auf. Die Baufreigabe für die Grenzgarage erfolgte am 25.05.1997. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bescheid erhoben die Kläger erstmals am 21.11.1997 Bedenken gegen die Bauausführung. Die Grenzgarage wurde im Februar 1998 fertiggestellt. Die auf der ostwärtigen Grundstücksgrenze des Grundstücks der Beigeladenen stehende Garagenwand, die dem Grundstück der Kläger zugewandt ist, misst 6 m in der Länger und hat nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Beklagten eine mittlere Wandhöhe von 3,87 m, wobei die Firsthöhe mit 1/3 in Ansatz gebracht worden ist. Der Dachüberstand beträgt nach den Angaben der Kläger, denen die übrigen Beteiligten nicht entgegengetreten sind, straßenseitig 78 cm. Im Rahmen der Nachbarbeteiligung anlässlich eines von den Beigeladenen beim Beklagten gestellten Antrags, ihnen die Errichtung eines überdachten Fahrradabstellplatzes zu genehmigen (22.06.1999), wandten sich die Kläger wiederholt gegen den Bau des Fahrradschuppens und die Grenzgarage. Nach Rücknahme des Bauantrages errichteten die Beigeladenen den Fahrradschuppen unmittelbar angrenzend an die Garage mit einer Grundfläche von 4,6 m², einer Länge auf der Grundstücksgrenze von 2 m und einer Höhe von 2,40 m. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Kläger beträgt der Dachüberstand des Fahrradschuppens gartenseitig 85 cm.

Der von den Klägern unter dem 14.10.1999 gestellte Antrag auf behördliches Einschreiten gegen die Beigeladenen blieb ohne Erfolg. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18.04.2000 ab. Zur Begründung führte er aus: Die Kläger könnten sich nicht mehr auf eine mögliche Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen, weil sie ihre Bedenken verspätet geltend gemacht hätten. Seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts sei vorliegend eine längere Zeit verstrichen. Im Bauanzeigeverfahren nach § 62 b ThürBO müsse der Nachbar seine Einwendungen innerhalb eines Monats zwischen bestätigtem Eingang der Anzeigeunterlagen und dem Baubeginn geltend machen. Dieser Zeitraum sei verstrichen.

Unter dem 28.04.2000 legten die Kläger hiergegen Widerspruch ein, den sie damit begründeten, ihre Nachbarrechte seien erheblich verletzt, weil durch die Grenzgarage und den Holzfahrradschuppen eine unzulässige Sichtbeeinträchtigung und Verschattung eingetreten sei. Die Beeinträchtigungen hätten nicht aus den Bauunterlagen, sondern erst nach Fertigstellung der Garage erkannt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2001, zugegangen am 05.05.2001, wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch im Wesentlichen mit den selben Gründen wie die Ausgangsbehörde zurück. Zusätzlich stellte es darauf ab, dass die Kläger selbst entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplanes eine höhenmäßige Änderung des Geländes vorgenommen hätten, weshalb kein Anspruch auf behördliches Einschreiten bestehe.

Am 31.05.2001 haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor: Sie hätten einen Anspruch gegen den Beklagten auf Einschreiten. Sein Ermessen sei auf null reduziert. Durch die Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen würden sie – die Kläger – rechtswidrig in ihren Nachbarschutz entfaltenden Rechten verletzt. Die Bestimmungen zur Dachneigung und zu den Traufhöhen des Bebauungsplanes seien nachbarschützend und würden vorliegend verletzt. Die Vorhaben der Beigeladenen hätten der Genehmigung bedurft, weil die Voraussetzungen für das Bauanzeigeverfahren nicht gegeben gewesen. So seien etwa die Bauanzeigepläne unvollständig und die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht eingehalten. Die Garage und der Fahrradschuppen hielten die Abstandsflächen nicht ein. Die Garage sei nicht nach § 6 Abs. 11 ThürBO privilegiert, weil die zulässige mittlere Wandhöhe um 87 cm überschritten werde. Weil der Holzfahrradschuppen nicht als eigenständiges Gebäude anzusehen sei, werde die zulässige Gesamtlänge der Grenzbebauung von 8 m überschritten. Seine Dachneigung sei unzulässig. Belichtung und freier Ausblick von ihrem Grundstück aus würden über das vertretbare Maß hinaus eingeschränkt. Die Verbauung des Giebels ihres Hauses führe zu einer Beeinträchtigung, deren Wert mit 114.400,- DM zu veranschlagen sei. Auch der Nutzungswert sei gemindert. Die Rechtsverletzungen hätten von ihnen erst nach Vollendung des Baus bemerkt werden können.

Nachdem die Kläger zunächst beantragt hatten, nach Aufhebung der angegriffenen Bescheide den Beklagten zu verpflichten, Grenzgarage und Fahrradschuppen abzureißen, beantragen sie nunmehr sinngemäß, den Bescheid des Beklagten vom 18.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die Grenzgarage und den Fahrradschuppen auf ihrem Grundstück in Riechheim, K, auf das zulässige Maß zurückzubauen sowie hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag auf Einschreiten gegen die auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtete Garage sowie den Fahrradschuppen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er trägt über das im Verwaltungsverfahren Ausgeführte hinaus vor: Die auf dem Grundstück der Beigeladenen festgestellten Abweichungen der Traufhöhen von den genehmigten Vorgaben (bei „bergseitiger Betrachtung“ 1,629 m, bei „talseitiger“ 0,379 m) könnten hingenommen werden, weshalb in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von einem Einschreiten abgesehen worden sei. Die durchgeführte Vermessung der Grenzgarage habe ergeben, dass die mittlere Wandhöhe an der Grundstücksgrenze über der natürlichen Geländeoberfläche 3,87 m betrage. Die Grenzbebauung sei nicht größer als 8 m.

Die Beigeladenen beantragen, die Klage abzuweisen. Die geringfügige Überschreitung der vorgeschriebenen Höhe resultiere daraus, dass sie sich beim Bau mangels anderer Fixpunkte an den vorhandenen Schachtdeckeln orientiert hätten. Dies hätten die Kläger auch gewusst, was sich daraus ergebe, dass sie die Bauzeichnungen, in denen hierauf hingewiesen worden sei, unterzeichnet hätten. Auf den Bauzeichnungen befände sich der Hinweis: „Achtung! Höhenangaben sind keine NN – Höhen“. Die Kläger hätten ihre Zustimmung zu den Bauvorhaben durch ihre Unterschrift erteilt. Die Berechnung der mittleren Wandhöhe der Garage sei fehlerhaft vorgenommen worden. Die Kläger hätten der Garage in der errichteten Form und Höhe zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 09.07. und 10.09.2001, den Schriftsatz des Beklagten vom 10.08.2001, die Schriftsätze der Beigeladenen vom 06.08. und 06.12.2001 sowie die das streitgegenständliche Grundstück betreffenden Behördenakten (6 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind, sowie die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.

Dabei ist den Klägern die Berufung auf nachbarrechtliche Abwehrrechte nicht wegen des auch im öffentlichen Recht möglichen Verzichts auf derartige Rechte versagt. Einer nachbarlichen Erklärung, mit einem Bauvorhaben einverstanden zu sein, kommt Bindungswirkung in dem Sinne zu, dass die Geltendmachung nachbarlicher Abwehransprüche gegen ein Bauvorhaben ausgeschlossen ist. Dies ist dann der Fall, wenn sie sich auf ein konkretes Vorhaben bezieht und die Behörde keine Einwendungen hinsichtlich dieser Bauvorlagen erhoben hat. So ist die Unterschrift unter die Baupläne als schlüssige Erklärung des Verzichts auf ein materielles Abwehrrecht zu werten, die nach Eingang bei der Bauaufsichtsbehörde nicht mehr frei widerrufen werden kann (vgl. z.B. OVG NW, Beschl.v.21.2.1992 – 11 B 327, 328/92 – ). So verhält es sich vorliegend zwar hinsichtlich des Haupthauses der Beigeladenen, nicht jedoch in Bezug auf die mittlere Wandhöhe der Grenzgarage. Bezüglich des Haupthauses haben die Kläger durch ihre Unterschriften auf den Bauzeichnungen auf ihre Abwehrrechte verzichtet. Insbesondere in Bezug auf die höhenmäßige Einordnung. Aus den Zusätzen: „Schmutzwasserschacht auf Grundstück = Festpunkt für höhenmäßige Einmessung“ und „Achtung! Höhenangaben sind keine NN-Höhen.“ auf den von den Klägern unterschriebenen Bauzeichnungen (Blatt 23 BA I) geht hervor, dass der Planung keine „NN-Höhen“ zugrunde gelegt worden sind und deshalb auch die Kläger mit einer Abweichung von – bzw. mit einer Erhöhung gegenüber – den Vorgaben des gültigen Bebauungsplans durch das Einfamilienhaus der Beigeladenen rechnen mussten. Wenn sie hiermit nicht einverstanden gewesen sind, hätten sie dies durch Verweigerung der Unterschrift zum Ausdruck bringen müssen. Eine nachträgliche Berufung auf die Abweichung ist ihnen nach Unterschriftsleistung jedoch verwehrt. Dies gilt jedoch nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang, für die mittlere Wandhöhe der Grenzgarage, die 3,87 m beträgt. Zwar hat auch hier der Kläger zu 1) die Bauzeichnungen, die keine Geländehöheangaben, aber Maße der dem Grundstück der Kläger zugewandten Seite der Garage der Beigeladenen enthalten, unterzeichnet. Dabei ist die Unterschrift auch der Klägerin zu 2) zuzurechnen, weil der Kläger zu 1) für sie zumindest mit Anscheinsvollmacht gehandelt hat. Denn er hat dadurch, dass er für “ Familie A“unterschrieben hat, den Rechtsschein erzeugt, er sei von der Klägerin zu 2) hierzu bevollmächtigt. Aus den unterschriebenen Bauzeichnungen ergibt sich eine mittlere Wandhöhe von 3,33 m, so dass hinsichtlich der Überschreitung von 33 cm der Kläger zu 1) eine wirksame Verzichtserklärung abgegeben hat. Allerdings lebt der materielle Abwehranspruch trotz der gegebenen Einverständniserklärung wieder auf, wenn eine Veränderung eine wesentlich neue Beschwer für den Nachbarn darstellt, die es unbillig erscheinen lässt, ihn an der abgegebenen Verzichtserklärung festzuhalten (vgl. Hahn/Schulte, Öffentlich-rechtliches Baunachbarrecht, München, Berlin 1998, Rdnr. 411). So verhält es sich vorliegend: Die mittlere Wandhöhe der tatsächlich gebauten Garage beträgt 3,87 m und überschreitet somit die Planungsmaße um 54 cm, was als nicht von der Einverständniserklärung auf den Bauzeichnungen gedeckt, anzusehen ist. Somit haben vorliegend die Kläger jedenfalls in Bezug auf die Höhe der Grenzgarage durch die Unterschrift unter die Baupläne nicht auf ihre materiellen Abwehrrechte verzichtet.

Die Abwehrrechte der Kläger sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB analog, verwirkt. Ein nachbarliches Abwehrrecht kann verwirkt sein, wenn der Bauherr wegen Untätigkeit des Nachbarn während eines längeren Zeitraums davon ausgehen durfte, der Nachbar werde kein Abwehrrecht mehr geltend machen und wenn es illegal erscheint, gleichwohl nach Ablauf der Zeit einen Abwehranspruch zu erheben.

Für den Beginn der Frist kommt es auf die Erkennbarkeit der behaupteten Beeinträchtigungen an. Danach haben die Kläger dadurch, dass sie ca. 7 Monate nach Bauanzeige Bedenken gegen die Bauausführung erhoben haben, ihre Nachbarrechte nicht verwirkt. Entgegen der Ansicht des Beklagten, die er unter Berufung auf Jäde/Weinl/Dirnberger/Michel: Bauordnungsrecht Thüringen, Kommentar, Loseblattausgabe, Stand Juli 2001, § 62 b Rdnr. 59) vertritt, ist vorliegend keine „Monatsfrist“ zu beachten. Dabei kann dahinstehen, ob der zitierten Ansicht zu folgen ist, weil eine Monatsfrist für die Geltendmachung von Einwendungen nur für die Fälle vertreten wird, in denen sich die geltend gemachte Beeinträchtigung bereits aus den Bauunterlagen ergibt (Dirnberger in: Jäde/Weinl/Dirnberger/Michel, a. a. O. § 62 b Rdnr. 59). So verhält es sich hier jedoch nicht: Die Beeinträchtigung wird – zumindest auch – daraus hergeleitet, dass abweichend von den Bauunterlagen die Garagenwand zu hoch gebaut worden ist. Nach den unwidersprochen gebliebenen Behauptungen der Kläger haben sie erst bei der Bauausführung die Überschreitung erkannt, weshalb hinsichtlich der im November vorgebrachten Einwendungen im Hinblick darauf, dass das Gebäude komplett erst im Februar 1998 fertiggestellt worden ist, kein Verlust des Abwehrrechts durch Verwirkung eingetreten ist.

Die Ablehnung des Antrags der Kläger auf Einschreiten mit dem angegriffenen Bescheid vom 18.4.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2.5.2001 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, §§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, gegen die Grenzgarage der Beigeladenen einzuschreiten. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten darauf, über ihren Antrag auf Einschreiten ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Ein Anspruch auf Einschreiten besteht nicht.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Bauordnung – ThürBO – kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer baulichen Anlage anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde und auf andere Weise keine rechtmäßigen Zustände geschaffen werden können. Die Beseitigungsanordnung darf demnach ergehen, wenn die bauliche Anlage zum Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsanordnung formell und materiell baurechtswidrig ist und keinen Bestandsschutz genießt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Frage der formellen Illegalität stellt sich hier vorliegend nicht, weil das Vorhaben lediglich anzeige- und nicht genehmigungsbedürftig ist. Die Grenzgarage ist jedoch nicht genehmigungsfähig, denn in den errichteten Ausmaßen stehen dem Vorhaben nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die zumindest auch die Kläger schützen. Die Kläger sind in Nachbarrechten des Bauordnungsrechts verletzt, denn die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 und Abs. 5 ThürBO erforderlichen Abstandsflächen werden nicht eingehalten. Den Abstandsflächen ist in ihrer jeweiligen konkreten Ausgestaltung Nachbarschutz zuzumessen (ständige Rechtsprechung der Kammer; vgl. auch Dirnberger in: Jäde/Weinl/Dirnberger, a.a.O., § 6 Rdnr. 15 m.z.w.N.). Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, ob der Nachbar tatsächlich beeinträchtigt wird. Er kann gegenüber einer baulichen Anlage, die die vorgeschriebenen Mindestabstandsflächen einhält, grundsätzlich kein Abwehrrecht beanspruchen, sondern hat die damit verbundene Beeinträchtigung hinzunehmen. Andererseits kann der Nachbar sich grundsätzlich gegen jede Unterschreitung der Mindestabstandsfläche zur Wehr setzen, ohne den Nachweis einer gerade dadurch hervorgerufenen tatsächlichen Beeinträchtigung führen zu müssen (ThürOVG, ThürVBl. 1999, S. 757 f.; 261 m.z.w.N.). Auf eine tatsächliche Beeinträchtigung kommt es deshalb insoweit nicht an. Das Gebäude der Beigeladenen hält gegenüber dem Grundstück der Kläger die erforderliche Abstandsfläche nicht ein. Eine Ausnahme nach § 6 Abs. 11 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 ThürBO besteht nicht. Die Voraussetzungen der Vorschrift, die eine Garage in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen gestattet, liegen nicht vor. Nach § 6 Abs. 11 Satz 2 ThürBO darf die mittlere Wandhöhe 3 m über der Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze nicht übersteigen. Diese Vorgabe ist bei der Grenzgarage der Beigeladenen nicht eingehalten. Die mittlere Wandhöhe beträgt vorliegend 3,87 m, wobei zu der gemessenen Wandhöhe zu Recht ein Drittel der Giebelfläche hinzugerechnet worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urt.v.10.5.2000 – 1 K 3938/99 We – ), die vom Thüringer Oberverwaltungsgericht bestätigt worden ist (Urt.v.16.8.2001 – 1KO 946/00. – ), ist die Berechnungsweise der Giebelfläche nicht zu beanstanden.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat zur Berechnungsweise von Giebelflächen bei Grenzgaragen ausgeführt: „Zwar stellt § 6 Abs. 11 ThürBO eine spezielle – abstandsrechtliche – Regelung – u. a. für Grenzgaragen dar, die in Satz 2 2. Halbsatz nur bestimmt, dass die Höhe von Giebelflächen im Bereich des Daches zu einem Drittel – zur Wandhöhe – hinzugerechnet wird, wenn beide (Dach-)Seiten eine Neigung von mehr als 70° haben. § 6 Abs. 11 ThürBO regelt die Berechnung der Wandhöhe von Grenzanlagen jedoch nicht abschließend mit der Folge, dass insoweit auch die allgemeinen Regelungen in § 6 Abs. 4 ThürBO maßgebend sind. § 6 Abs. 11 ThürBO ist zunächst insofern nicht abschließend, als die Vorschrift selbst den Begriff der Wandhöhe nicht definiert und keine Bestimmung darüber trifft, wie bei geneigter Geländeoberfläche zu verfahren ist. Zur Bestimmung der Wandhöhe von Grenzanlagen – auch bei geneigter Geländeoberfläche – ist daher auf § 6 Abs. 4 Sätze 2 und 3 ThürBO zurückzugreifen. § 6 Abs. 11 ThürBO ist ferner insoweit nicht abschließend, als er keine Regelungen über die Anrechnung von Dächern und Dachteilen sowie von Giebelflächen im Bereich des Daches enthält, wenn – wie im vorliegenden Fall – seine (Dach-)Seiten eine Neigung von weniger als 70 Grad haben. Insofern ist auf die allgemeinen Regelungen in § 6 Abs. 4 Satz 4 ThürBO zurückzugreifen. Der Teilregelungscharakter des § 6 Abs. 11 ThürBO ergibt sich aus dem allgemeinen Regelungszweck der Abstandsflächenvorschriften und der Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 11 Satz 2 2. Halbsatz ThürBO. Zweck der allgemeinen Regelungen ist es, eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung auch auf den Nachbargrundstücken zu gewährleisten; diesem Zweck trägt auch § 6 Abs. 11 Satz 2 ThürBO Rechnung, indem er – neben der Anrechnung der Höhe von Giebelflächen bei einer beiderseitigen Dachneigung von mehr als 70° – bestimmt, dass die Gesamtlänge von Grenzgebäuden an keiner Grundstücksgrenze größer als 8 m sein und die mittlere Wandhöhe 3 m über der Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze nicht übersteigen darf. Ließe man Giebelflächen bei einer beiderseitigen Dachneigung von weniger als 70 Grad und die Höhe von Dächern und Dachteilen etwa bei Grenzgaragen völlig außer Acht, so könnten – ungeachtet der Belange des durch eine Grenzbebauung ohnehin stärker beeinträchtigten Nachbarn – an der Grenze relativ hohe Gebäudekörper entstehen (vgl. auch Meißner/Graef, Das Baurecht in Thüringen [Loseblattsammlung, Stand Dez. 1998] § 6, Rdnr. 29). Dass dieses Ergebnis vom Gesetzgeber selbst nicht gewollt war, lässt sich der Begründung zum Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bauordnung vom 27.5.1994 (GVBl. S. 521) entnehmen. Durch dieses Gesetz wurde § 6 Abs. 11 des Gesetzes über die Bauordnung vom 20.7.1990 (GBl. I S. 929) u. a. um die Bestimmung über die Anrechnung der Giebelflächen bei einer beiderseitigen Dachneigung von mehr als 70° in Satz 2 2. Halbsatz erweitert. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drucks. 1/3002, S. 54) ist die Grenzbebauung einerseits im Interesse des Grundstückseigentümers erweitert, andererseits im Interesse des Nachbarn beschränkt worden; eingeschränkt worden ist sie „hinsichtlich der Beschränkung des zulässigen Maßes“, um insbesondere in Wohngebieten eine aufgelockerte Bebauung zu erreichen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber nicht abweichend von den allgemeinen Regelungen in § 6 Abs. 4 ThürBO Grenzgebäude unter erleichterten Bedingungen zulassen wollte, weil ihm etwa – wie dem bayerischen Gesetzgeber (vgl. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BayBO und zur Entstehungsgeschichte Simon, Bayerische Bauordnung [Loseblattsammlung, Stand 1/2001] Art. 7, Rdnr. 431) – Garagen mit Dächern bestimmter Neigung als Typus vorgeschwebt hätten, sondern dass er dem – dargestellten – allgemeinen Zweck der Abstandsflächenvorschriften nicht nur in § 6 Abs. 4, sondern auch im Rahmen des § 6 Abs. 11 ThürBO Rechnung tragen wollte.“ Dem schließt sich die Kammer an. Danach überschreitet die mittlere Wandhöhe der Grenzgarage der Beigeladenen den zulässigen Wert um 87 cm.

Zu Recht ist bei Bestimmung der Höhe von der natürlichen Geländeoberfläche (§ 6 Abs. 4 Satz 2 ThürBO ) und nicht von der tatsächlichen Geländeoberfläche, die auf erheblichen Aufschüttungen beruht, ausgegangen worden. Geländeoberfläche im Sinne der Vorschrift ist die Fläche, die sich aus der Festsetzung des Bebauungsplans ergibt, im Übrigen die natürliche Geländeoberfläche (§ 2 Abs. 2 ThürBO). Folglich ist die Grenzgarage nicht nach § 6 Abs. 11 Satz 1 Nr. 1 ThürBO privilegiert. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass eine Abstandsfläche gegenüber dem Grundstück der Kläger einzuhalten ist. Die von den Beigeladenen errichtete Garage verstößt gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 ThürBO.

Durch den Fahrradschuppen werden jedoch keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die auch dem Schutz der Kläger dienen, verletzt. Dabei kann dahinstehen, ob der Fahrradschuppen verunstaltend i.S.d. § 12 ThürBO wirkt, weil die Vorschrift den Klägern keinen Nachbarschutz vermittelt. Gleiches gilt für die Dachneigung. Auch die nachbarschützenden Normen des Abstandsflächenrechts sind durch den Fahrradschuppen nicht verletzt. Der Schuppen ist nach § 6 Abs. 11 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 ThürBO in den Abstandsflächen eines Gebäudes ohne eigene Abstandsflächen zulässig. Die Grundfläche ist nicht größer als 15 m2 , die mittlere Wandhöhe übersteigt 3 m nicht und die zulässige Gesamtlänge von 8 m an der Grundstücksgrenze wird eingehalten. Nach § 6 Abs. 11 Satz 2 ThürBO darf die Gesamtlänge der Gebäude an keiner Grundstücksgrenze größer als 8 m sein. Die danach zulässigen 8 m werden vorliegend nicht überschritten. Die Länge der Grenzgarage beträgt 6 m, die des Fahrradschuppens 2 m, so dass die Vorgabe der Vorschrift eingehalten ist. Bei der Berechnung der Gesamtlänge bleiben die Dachüberstände von straßenseitig 78 cm und gartenseitig 85 cm unberücksichtigt. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 6 Abs. 7 Satz 1 ThürBO, wonach vor die Außenwand tretende Bauteile, u. a. Dachvorsprünge, dann nicht anzurechnen sind, wenn sie nicht mehr als 1,50 m hervortreten, was vorliegend nicht der Fall ist. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift folgt daraus, dass § 6 Abs. 11 Satz 2 ThürBO keine Regelung über vortretende Bauteile trifft, also eine – offensichtlich ungewollte – Lücke aufweist und sich die rechtlichen Anknüpfungspunkte in § 6 Abs. 7 Satz 1 ThürBO, vornehmlich die Berechnung der Abstandsflächen, in Bezug auf den Bauhauptkörper entsprechen. Demnach sind für den Fahrradschuppen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 11 ThürBO erfüllt. Er ist in den Abstandsflächen zulässig. Insoweit sind keine die Kläger schützenden Normen verletzt.

Da die Grenzgarage gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 ThürBO verstößt, sind die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 ThürBO erfüllt, weshalb die Behörde zum Eingreifen ermächtigt ist.

Ein Anspruch der Kläger auf Einschreiten gegen den Beklagten besteht jedoch nicht, weil es im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde steht, ob sie einschreitet und dieses Ermessen nicht auf „Null“ geschrumpft ist. Nach Ansicht der Kammer kommt eine Ermessensreduktion auf „Null“ im Rahmen des Nachbarschutzes bei anzeigepflichtigen Bauvorhaben nur dann in Betracht, wenn das Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche nachbarschützende Vorschriften verstößt, hierdurch geschützte Belange des Nachbarn mehr als nur geringfügig berührt werden und keine besonderen Gründe gegen ein Einschreiten sprechen. Die Kammer folgt damit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. z.B. Bayerischer VGH, Beschl.v.26.7.1996, NVwZ 1997, 923; SächsOVG, Beschl.v.22.8.1996, NVwZ 1997, 922 f.; VG Meiningen, Beschl.v.13.12.1996., NVwZ 1997, 926 ff.; Hahn/Schulte, a.a.O., Rdnr. 446, 447, 507, 508 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, 257 ff.; Strauch, in: Huber, Thüringer Staats- und Verwaltungsrecht, Rdnr. 103). Vorliegend fehlt es bereits an der Voraussetzung, dass die Kläger mehr als nur geringfügig in ihren geschützten Belangen berührt werden, so dass dahinstehen kann, ob für eine Ermessensschrumpfung der Behörde eine hohe Intensität der Störung oder Gefährdung des Nachbarn zu fordern ist (BVerwG, Urt.v.4.6.1996, BRS 58 Nr. 244). Die Kläger haben nicht dargetan, geschweige denn bewiesen, dass eine mehr als nur geringfügige tatsächliche Beeinträchtigung dadurch entsteht, dass die Grenzgarage die erlaubte Höhe um 87 cm und die von ihnen zugestandene Überschreitung um 54 cm übersteigt. Im Hinblick darauf, dass sie selbst im Bereich der Grenzgarage das Gelände um ca. 1,40 m aufgeschüttet haben und damit die Vorgaben der Thüringer Bauordnung zur mittleren Wandhöhe eingehalten werden, wenn die tatsächliche Geländeoberfläche zugrunde gelegt wird, sowie den Umstand, dass sie ihr Hauptgebäude um 47 cm zu hoch eingeordnet haben, sind ihre pauschalen Hinweise auf Rechtsbeeinträchtigungen – Belichtung und freier Ausblick von ihrem Grundstück aus, würden über das vertretbare Maß hinaus eingeschränkt – zur Darlegung einer mehr als geringfügigen Beeinträchtigung nicht geeignet. Die Behauptung, der Giebel ihres Hauses werde verbaut und dies führe zu einer Wertminderung von 114.400,- DM, ist nicht nachvollziehbar. Da somit eine mehr als geringfügige tatsächliche Beeinträchtigung der Kläger nicht dargetan ist, fehlt es bereits an einer wesentlichen Voraussetzung für eine Ermessensreduktion auf Null im Hinblick auf ein Einschreiten des Beklagten gegen die Grenzgarage der Beigeladenen. Der als Hauptantrag gestellte Verpflichtungsantrag ist deshalb abzuweisen.

Die Klage hat jedoch mit dem sinngemäß gestellten Hilfsantrag Erfolg. Dabei hat das Gericht gemäß § 88 VwGO die ausdrücklich gestellten Anträge dahin ausgelegt, dass in ihnen als “ minus“ ein Bescheidungsantrag enthalten ist, der – hilfsweise – wirkliches Rechtsschutzziel ist. Der Antrag hat nach § 113 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 114 VwGO Erfolg. Die Kläger sind in ihrem Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung verletzt. Die behördliche Entscheidung unterliegt gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkter richterlicher Überprüfbarkeit. Das Gericht überprüft nur, ob die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht geworden ist. Letzteres ist jedoch vorliegend der Fall. Der Beklagte hat zwar im Klageverfahren, was nach § 114 Satz 2 VwGO möglich ist, vorgetragen, dass die festgestellten Abweichungen bei den Traufhöhen hingenommen werden könnten, weshalb in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von einem Einschreiten abgesehen worden sei. Die von dem Beklagten getroffene Feststellung, dass die mittlere Wandhöhe an der Grundstücksgrenze 3,87 m über der „natürlichen Geländeoberfläche“ betrage, hat ihn jedoch nicht zu Ermessenserwägungen veranlasst. Der Beklagte hat demnach sein Ermessen nicht ausgeübt. Die Entscheidung leidet deshalb an dem Fehler des Ermessensausfalls, weshalb die Entscheidung aufzuheben ist. Bei der nach § 113 Abs. 5 Satz 5 VwGO vom Beklagten zu treffenden neuen Entscheidung wird der Beklagte einerseits zu berücksichtigen haben, dass wegen der die Kläger schützenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 ThürBO grundsätzlich ein Einschreiten geboten ist. Die bauaufsichtliche Beseitigungsanordnung ist ein Fall des sogenannten intendierten Ermessens, bei dem regelmäßig bereits das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen den Eintritt der in der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolge rechtfertigt (ständige Rechtsprechung der Kammer und des ThürOVG; vgl. z.B. ThürOVG, ThürVBl. 1999, S. 19 f. (22)). Das öffentliche Interesse gebietet grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände. Die Behörde macht daher im Regelfall von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie die Beseitigung rechtswidrig errichteter Anlagen anordnet, weil nur so die Rechtsordnung wiederhergestellt werden kann. Dem Ermessen in der Vorschrift ist deshalb die Tendenz eigen, die in der Natur der Sache nach gebotene Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen. Das behördliche Ermessen wird durch die Norm nur eröffnet, um in Ausnahmefällen zu ermöglichen, von dem an sich gebotenen Einschreiten abzusehen, wenn dies nach den konkreten Umständen opportun ist (ThürOVG, ThürVBl. 1998, 137). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die Kläger durch ihre Unterschrift unter die Bauzeichnungen betreffend die Grenzgarage bereits mit einer Überschreitung der zulässigen Wandhöhe um 33 cm einverstanden erklärt und durch Aufschüttungen ihres Grundstücks sowie der erhöhten Einordnung ihres Hauses eine Situation geschaffen haben, durch die die Überschreitung der Wandhöhe der Grenzgarage möglicherweise nicht mehr belastend wirkt. Um die notwendige Abwägung vornehmen zu können, wird es für den Beklagten unumgänglich sein, bei entsprechend konkretem Vortrag der Kläger zu Art, Umfang und Intensität der durch die Überschreitung der Wandhöhe von 54 cm geltend gemachten Beeinträchtigung ihrer Rechte festzustellen, ob diese tatsächlich und wenn ja, in welchem Umfang sie besteht.

Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und war der Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 161 Abs. 1 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 1, 711 S. 1 ZPO.


Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird bis zur Klagerücknahme auf 19.500,- DM, im Übrigen auf 7.500,- DM festgesetzt.

Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG. Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Klageantrag der Kläger für sie ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen und liegt im Ermessen des Gerichts. Die Kammer bemisst den Antrag auf Verpflichtung zum Abriss der Garage mit dem Regelstreitwert von 8.000,- DM und den bezüglich des Fahrradschuppens auf die Hälfte des Regelstreitwerts, 4.000,- DM. Sie schätzt das Interesse der Kläger an der beantragten Verpflichtung zum Rückbau auf das rechtlich zulässige Maß für die Garage auf 6.000,- DM und des Schuppens auf 1.500,- DM.

 

 

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