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Bauvertragskündigung – Schadenspauschalierung rechtmäßig?

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 8 U 1030/09

Urteil vom 27.08.2010


In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2010 für Recht erkannt:

1) Die Berufungen der Beklagten gegen das am 20.07.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier und gegen das am 24.08.2009 verkündete Ergänzungsurteil der Einzelrichterin werden zurückgewiesen.

2) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4) Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einer durch die Beklagten erfolgten „Kündigung“ eines Vertrages über die Lieferung und Errichtung eines Ausbauhauses „Sommerhit“ auf Zahlung einer Vergütungspauschale sowie außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch das Urteil vom 20.07.2009 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 14.029,35 Euro, d.h. von 15% des Gesamtpreises für das Haus (93.529 Euro), nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2009 (Rechtshängigkeit) zu zahlen. Weiterhin hat es die Beklagten durch das Ergänzungsurteil vom 24.08.2009 gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 755,80 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2009 zu zahlen.

Das Landgericht ist von einer Kündigung des Werkvertrages ausgegangen, da die Beklagten die vertraglich vereinbarten Rücktrittsvoraussetzungen nicht erfüllt hätten. Aufgrund der Kündigung sei die Klägerin berechtigt, den Vergütungsanspruch aus § 649 BGB i.V.m. der vereinbarten Pauschalierung unter § 8 Nr. 1 Abs. 2 des Hausvertrages geltend zu machen. Die Pauschale von 15% sei noch angemessen.

Gegen die beiden Urteile richten sich die Berufungen der Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung.

Durch Beschluss des Senats vom 21.10.2009 sind die beiden Berufungsverfahren gem. § 518 Satz 2 ZPO verbunden worden.

II.

Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 15% des vereinbarten Gesamtpreises aus § 649 BGB i.V.m. § 8 Ziffer 1 Abs. 2 des Hausvertrages zuerkannt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vertrag nicht durch einen wirksamen Rücktritt beendet worden. Das in § 1 der Zusatzvereinbarung zum Hausvertrag (Bl. 20 GA) vereinbarte Rücktrittsrecht konnten die Beklagten durch die Erklärung in ihrem Schreiben vom 09.01.2008 (Bl. 21 GA) mangels Vorliegens der Rücktrittsvoraussetzungen nicht wirksam ausüben. Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen haben sie der Klägerin weder den Finanzierungsantrag vorgelegt noch nach einer am 16.10.2007 per E-Mail erhaltenen Finanzierungsabsage innerhalb einer Frist von zwei Wochen den Rücktritt erklärt.

Das Landgericht hat die Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 09.01.2008 deshalb zutreffend als Kündigung im Sinne des § 649 BGB gewertet. Durch diese Kündigung ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der gem. § 8 Ziffer 1 Abs. 2 des Hausvertrages vereinbarten Vergütungspauschale begründet worden. Die Vereinbarung hält einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.

Zwar ist anerkannt, dass auf Abwicklungsklauseln gem. § 308 Nr. 7 BGB, die die Höhe der Vergütung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln, wegen der vergleichbaren Interessenlage die Vorschrift des § 309 Nr. 5 b BGB analog Anwendung findet (BGH Urteil vom 10.10.1996 – VII ZR 250/94, NJW 1997, 259; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 308 Rdn. 38 m.w.N.). Danach ist in allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung unwirksam, wenn dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet ist, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Klausel gerecht.

Sie gestattet dem Bauherrn in § 8 Ziffer 1 a.E. ausdrücklich den Nachweis, dass der nach § 649 BGB dem Unternehmer zustehende Betrag wesentlich niedriger als die

Pauschale ist. Zwar fehlt der ausdrückliche Hinweis, dass dem Bauherrn gestattet ist nachzuweisen, dass ein Schaden bzw. ein Anspruch im Sinne von § 649 BGB überhaupt nicht entstanden ist. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hält der Senat dies jedoch für unschädlich. Einen solchen dem Gesetzeswortlaut voll inhaltlich entsprechenden – weiteren – Hinweis zu fordern, käme einer reinen Förmelei gleich, da dies nach objektivem Empfängerhorizont und auch aus der Sicht des „rechtsunkundigen Durchschnittskunden“ (siehe Ulmer/Brandner/ Hensen AGBR 10. Aufl., § 309 Nr. 5 BGB Rdn. 20) bereits aus der vorliegend verwendeten Formulierung erstichtlich ist (AG München Urteil vom 31.08.2007 – 222 C 20175/06, NJW-RR 2008, 139). Wenn es dem Bauherrn gestattet ist nachzuweisen, dass dem Unternehmer ein geringerer Schaden als die Pauschale entstanden ist, ist ihm damit auch der Nachweis gestattet, dass gar kein Schaden entstanden ist. Das AG München (a.a.0.) hat insoweit richtig darauf hingewiesen, dass ein geringerer Schaden auch ein solcher von 0 ist.

Zwar hat das OLG Celle in dem Urteil vom 03.07.2008 – 13 U 68/08 – eine Klausel deshalb für unwirksam gehalten, weil – wie im vorliegenden Fall – der ausdrückliche Hinweis fehlte, dass auch der Nachweis möglich sei, dass ein Anspruch im Sinne des § 649 BGB gar nicht entstanden sei. Dem vermag sich der erkennende Senat jedoch aus den oben dargelegten Gründen nicht anzuschließen.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass das OLG Celle selbst in der vorgenannten Entscheidung darauf hinweist „im Hinblick auf die im Verbandsprozess erforderliche kundenfeindlichste Auslegung ist es auch nicht möglich, die Klausel dahingehend auszulegen, dass die vom Verwender gewählte Formulierung auch die – ausdrückliche – Erklärung enthalte, dass ein Anspruch im Sinne von § 649 BGB gar nicht entstanden ist“. Dem Sinn und Zweck der gegenüber dem früheren AGB-Recht geänderten Klausel, den Kunden unzweideutig und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es ihm gestattet ist, den Gegenbeweis zu führen, ist durch die gewählte Formulierung hinreichend Rechnung getragen (so auch OLG Nürnberg Beschluss vom 01.03.2004 – 13 W 320/04).

Die Pauschalierungsklausel gewährt auch keine unangemessen hohe Vergütung (§ 308 Nr. 7 a BGB).

Prüfungsmaßstab für die Angemessenheit ist, was ohne die Klausel vom Bauherrn geschuldet wäre. Im Falle der freien Kündigung hat der Unternehmer gem. § 649 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben unterlässt.

Der Bundesgerichtshof hat – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung zur Vergü-tungspauschale von 15% im Zusammenhang mit einem Werkvertrag über die Errichtung eines Ausbauhauses getroffen (ein Schadenspauschale gem. § 309 Nr. 5 BGB von 15% im Kfz-Neuwagengeschäft hat er für angemessen erachtet, siehe Palandt/Grüneberg a.a.O. § 309 Rdn. 28 m.w.N.). Von einigen Oberlandesgerichten wurde die Höhe der Vergütungspauschale von 15% als angemessen erachtet (OLG Nürnberg a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.01.2009 – 8 U 49/08 m.w.N.).

Dieser Meinung schließt sich der erkennende Senat an. Im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit ist nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, sondern auf die typische Sachlage abzustellen (BGH Urteil vom 10.03.1983 – VII ZR 301/82, NJW 1983, 1492 m.w.N.). Bei der somit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weicht eine Pauschale von 15% nicht unangemessen davon ab, was der Unternehmer in Anwendung des § 649 BGB zu beanspruchen hätte. Bei Abrechnung nach § 649 BGB sind neben den bereits geleisteten vertragsbezogenen Personal- und Sachkosten auch der kalkulierte Gewinn zu erstatten. Die Pauschalierung dieser Kosten mit 15% des Gesamtpreises erscheint dem Senat nicht unangemessen.

Diesem Ergebnis steht auch die von den Beklagten angeführte Entscheidung des OLG Koblenz vom 17.04.2002 – 1 U 1763/00 – nicht entgegen, weil die jenem Verfahren zugrunde liegende Klage nicht an einer überhöhten Pauschale von 16% des Auftragswertes sondern an der unzureichenden Darlegung durch die Klägerin gescheitert ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist aus Verzugsgesichtspunkten begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZP0.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZP0.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZP0 für die Zulassung der Revision sind im Hinblick auf die von dem OLG Celle in der genannten Entscheidung vorgenommene Auslegung der Pauschalierungsklausel gegeben, da diese Auslegung Bedeutung über den Einzelfall hinaus hat. Deshalb hat der Senat auch bereits in seinem Urteil vom 28.05.2010 – 8 U 1269/09 – die Revision zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.029,35 Euro festgesetzt.

 

 

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