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Geschäftsräume (fremde): Fotografieren ist zur Beweissicherung unzulässig

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Az.: 4 U 62/05

Urteil vom 16.03.2006

Vorinstanz: LG Landau in der Pfalz, Az.: HKO 18/05


In dem Rechtsstreit wegen unlauteren Wettbewerbs, hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil der Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 12. April 2005 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, unter Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, jeweils zu vollstrecken an den Geschäftsführern ihrer Komplementärin, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit Hinweisen wie „Bester Preis vor Ort !“ und/oder „Bester Preis vor Ort ! Wir haben verglichen“ für Preise zu werben, wenn diese Hinweise unzutreffend sind.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in den Geschäftsräumen der Beklagten ohne deren Genehmigung zu fotografieren oder fotografieren zu lassen.

II. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist bezüglich Nr. 2. des Tenors vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Zwangsvollstreckung ihres Vollstreckungsgegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7 000,00 EUR abwenden, wenn nicht ihr Vollstreckungsgegner Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird hinsichtlich der Widerklage zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind große Einzelhandelsunternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Die Beklagte warb am 11. Oktober 2004 in ihrer Filiale L… mit einem Werbeschild, auf dem sie bestimmte Waren u.a. mit „bester Preis vor Ort“ bewarb. Ein Testverkäufer der Klägerin fotografierte das Werbeschild in den Räumen der Beklagten. Anschließend forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Unterlassung der Werbung auf. Sie hat in vorliegendem Rechtsstreit begehrt, der Beklagten die beanstandete Werbung zu untersagen. Die Beklagte hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch anerkannt. Widerklagend begehrt die Beklagte von der Klägerin, dass diese es unterlassen möge, in den Geschäftsräumen der Beklagten ohne deren Genehmigung zu fotografieren. Die Klägerin hat im Laufe des Rechtsstreits gegenüber der Beklagten am 21. März 2005 eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben, welche die Beklagte als ungenügend erachtet.

Durch Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 12. April 2005, auf das zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird, hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt, die von der Klägerin beanstandete Werbung zu unterlassen und die Widerklage abgewiesen. Bezüglich der Widerklage hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Klägerin abgegebene Unterlassungserklärung eine Wiederholungsgefahr ausschließe.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Abweisung der Widerklage. Insoweit bekämpft sie das Urteil in vollem Umfang. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klägerin zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250 000,–€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in den Geschäftsräumen der Beklagten ohne deren Genehmigung zu fotografieren oder fotografieren zu lassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zum Erfolg. Die Beklagte hat gegen die Klägerin  nach §§ 12 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 2, 3 UWG einen Anspruch darauf, dass die Klägerin bzw. ihre Mitarbeiter es unterlassen in den Geschäftsräumen der Beklagten zu fotografieren. Die Unterlassungserklärung, welche die Klägerin am 21. März 2005 abgegeben hat, beseitigt nicht die aufgrund des von der Klägerin begangenen Wettbewerbsverstoßes bestehende Vermutung der Wiederholungsgefahr, weil sie eine unzulässige Einschränkung enthält.

Zwar muss sich ein Mitbewerber gefallen lassen, dass ein wettbewerbliches Verhalten von Mitbewerbern oder Vereinen, Verbänden etc. kontrolliert wird. Er muss deshalb z. B. Testkäufe hinnehmen, sofern sich die Testkäufer wie normale Verbraucher verhalten. Das Fotografieren in den Geschäftsräumen des Verletzers zur Feststellung von Wettbewerbsverstößen ist indes grundsätzlich unzulässig. Solches Verhalten ist geeignet, in den Verkaufsräumen negatives Aufsehen zu erzeugen (BGH GRUR 1991, 843 „Testfoto I“; WRP 1996, 1099 „Testfoto II“). Umstritten ist, ob das Fotografieren zulässig ist, wenn eine Betriebsstörung des Verletzers (z.B. wegen der Art der benutzten Kamera) generell ausgeschlossen oder der Beweis einer schwerwiegenden Verletzung anders nicht zu führen ist (vgl. Krings, GRUR 1991, 844; Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdnr. 10.163).

Das Vorgehen der Klägerin war im vorliegenden Fall unzulässig. Der Wettbewerbsverstoß der Beklagten – die Aufstellung wettbewerbswidriger Reklametafeln – war ohne Weiteres auf andere Weise (z. B. durch Zeugen) zu dokumentieren. Der Inhalt der Reklameschilder „Bester Preis vor Ort !“ bzw. „Bester Preis vor Ort ! Wir haben verglichen“ hätte mit Hilfe einer Beobachtungsperson und einer Gedächtnisskizze problemlos festgehalten werden können.

Die Beklagte stellt ihren Wettbewerbsverstoß auch nicht in Frage.

Ihre mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. März 2004 abgegebene Unterlassungserklärung beseitigt die aufgrund ihres begangenen Wettbewerbsverstoßes bestehende Vermutung der Wiederholungsgefahr, an deren Fortfall strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht. Die Vermutung wird grundsätzlich nur durch eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungserklärung und der Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung beseitigt (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2002, 717; 2001, 453; 1997, 379; 1985, 155; Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdnr. 1.33 f).

In ihrem Schreiben vom 21. März 2005 hat die Klägerin es abgelehnt, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung auch für den Fall abzugeben, dass ohne eine Fotografie ein Wettbewerbsverstoß nicht verfolgt werden könne. Der Vorbehalt bewirkt, dass die Unterlassungserklärung der Klägerin nicht uneingeschränkt ist. Der Kern des wettbewerbswidrigen Verhalten (vgl. dazu BGH GRUR 1997, 931) wird dadurch nur teilweise erfasst, indem sich die Klägerin vorbehält, auch weiterhin – ihrer Ansicht nach anders nicht zu dokumentierende – Wettbewerbsverstöße der Beklagten zu fotografieren.

Eine solche Einschränkung ist unzulässig und zudem unbestimmt.

Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az. I-20 U 16/04), dass es insoweit keine geeigneten Differenzierungskriterien gibt, um festzulegen, wann ein Wettbewerbsverstoß nur durch ein Beweisfoto dokumentiert werden kann, mag es auch, Verstöße (z. B. aus dem Bereich des Markenrechts) geben, die ohne Foto nur schwer darzustellen sind (vgl. hierzu Krings, GRUR 1991, aaO).  Die Klägerin kann es deshalb nicht ihrem Belieben vorbehalten, wann sie die Fertigung solcher Fotos für notwendig erachtet.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf 92 Abs. 1, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

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