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Geschwindigkeitsüberschreitung – Identifizierung des Betroffenen anhand eines Lichtbilds

OLG Koblenz – Az.: 2 SsBs 54/12 – Beschluss vom 21.09.2012

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 13. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Linz am Rhein zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 13. März 2012 hat das Amtsgericht Linz am Rhein gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs außerhalb geschlossener Ortschaft um 46 km/h eine Geldbuße in Höhe von 240 € verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet, welches erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. August 2011 gegen 9.30 Uhr die Bundesautobahn A 3 in der Gemarkung …[X] mit einer Geschwindigkeit von 146 km/h, obgleich die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich durch mehrfach beidseitig neben der Fahrbahn aufgestellte Verkehrszeichen auf 100 km/h beschränkt war. Zur Identifizierung des Betroffenen, der sich zur Sache nicht eingelassen hatte, hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

„Die Identität des Betroffenen mit dem auf Bl. 6/6a d.A. abgebildeten Fahrer steht fest aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen, …[A], der aufgrund langjähriger forensischer Erfahrung über die erforderliche Sachkunde zum Vergleich von Gesichtern auf Fotos besitzt. Auszugehen ist von dem Foto, mit welchem dann der Betroffene im Wege des Augenscheins durch das Gericht und Betrachtung durch den Sachverständigen verglichen wird.

Der Sachverständige hat das Messfoto trotz Teilverdeckung des Gesichts durch Hand und Wageninnenspiegel nachvollziehbar als brauchbar bezeichnet, da er noch 21 Merkmalsausprägungen darauf erkennen konnte. Dabei ergab sich als Unähnlichkeit lediglich die vom Fahrer getragene Brille, während der Bet. kein Brillenträger ist, ansonsten keine wesentlichen Widersprüche. Diese Unähnlichkeit erachtet das Gericht nicht als ausreichenden Zweifel, da nicht feststeht, ob es sich um eine Brille mit optischer Stärke handelt, das Tragen ansonsten auch kein unveränderliches Merkmal darstellt.

An Ähnlichkeiten stellte der Sachverständige folgende, vom Gericht auch durch augenscheinlichen Vergleich mit dem anwesenden Betroffenen nachvollzogene Ähnlichkeiten; die Form der Wangen, den Verlauf der Furche vom Nasenansatz nach unten am Mund vorbei, die Form und Größe der Nase (Rücken, Spitze und Boden), den Verlauf des Stirnhaaransatzes, den vergleichsweise engen Augenabstand, sowie eingezogene Mundwinkel und die Höhe des Oberlippenraums. Vorbehaltlich der Möglichkeit, dass ein naher Blutsverwandter gefahren sei, kommt der Sachverständige zu einer Wahrscheinlichkeitsbewertung von wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich, was auf einer siebenstufigen Skala mit sieben als „sicher“ zwischen Stufe vier und fünf liegt. Dies reicht dem Gericht aus, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Betroffene der abgebildete Fahrer ist. Die Ausführungen des Sachverständigen konnten in Anwesenheit des Betroffenen nachvollzogen werden.“

Gegen das Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und die allgemeine Sachrüge erhoben.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die lückenhaften Feststellungen lassen nicht erkennen, ob das von Gericht und Sachverständigem zur Identifizierung des Betroffenen herangezogene Lichtbild des Fahrers als Beweisfoto überhaupt geeignet war.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Antragsschrift vom 6. September 2012 dazu auszugsweise wie folgt geäußert:

„Die Feststellungen im Urteil vom 13.03.2012 sind lückenhaft und entsprechen nicht den Anforderungen der §§ 261, 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Urteilsgründe lassen nicht in rechtlich überprüfbarer Weise erkennen, ob die vom Sachverständigen oder vom Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht des Betroffenen, vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung ist (vgl. Senat, Beschluss vom 02.10.2009 – 2 SsBs 100/09 – zitiert nach juris). Hat der Tatrichter den Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (Senat a.a.O., Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rdnr. 47a m.w.N.). Die Urteilsfeststellungen enthalten insoweit keinerlei Ausführungen zur Bildqualität des Messfotos und beschreiben die abgebildete Person oder mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale nicht so präzise, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wurde, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (vgl. Göhler a.a.O.).

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Messfoto nur Teile des Gesichts des Fahrers wiedergibt. Anhand der weiteren Beschreibung erschließt sich nicht, welche Teile des Gesichts durch Hand- und Wageninnenspiegel verdeckt werden und welche Gesichtspartien noch erkennbar sind (UA S. 3). Angaben zur Bildqualität im Übrigen enthält das Urteil nicht.

Eine Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG liegt hinsichtlich des Messfotos ebenfalls nicht vor. Die Verweisung im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss grundsätzlich prozessordnungsgemäß sein, Zweifel am Vorliegen einer Verweisung müssen ausgeschlossen sein; die bloße Mitteilung der Fundstelle und die Mitteilung, das Lichtbild sei in Augenschein genommen worden, genügen hierzu nicht (Göhler a.a.O., § 71 Rdnr. 47b m.w.N.).

Die Urteilsausführungen enthalten keine über die reine Mitteilung der Fundstelle und der Inaugenscheinnahme hinausgehenden Feststellungen (UA S. 3 oben). Eine prozessordnungsgemäße Bezugnahme liegt nicht vor; eine eigene Würdigung durch das Rechtsbeschwerdegericht scheidet insoweit aus.

Ob und inwieweit das vom Bußgeldrichter zum Vergleich herangezogene Lichtbild bzw. Lichtbilder zur Identifizierung geeignet sind, kann somit anhand der Urteilsfeststellungen durch das Rechtsbeschwerdegericht im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Das gilt auch soweit der Bußgeldrichter seine Überzeugung überdies auf das Gutachten eines Sachverständigen gestützt hat. Hat der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtenerstattung auch Lichtbilder ausgewertet, muss dem Rechtsbeschwerdegericht in der oben beschriebenen Weise – prozessordnungsgemäße Verweisung auf ein Lichtbild oder Beschreibung – die Nachprüfung ermöglicht werden, ob die Lichtbilder für eine Überzeugungsbildung überhaupt geeignet sind (OLG Bamberg, NZV 2008, 211 m.w.N.). Daran fehlt es hier.“

Den zutreffenden Ausführungen (vgl. hierzu auch Beschlüsse des Senats vom 7. Dezember 2010 – 2 SsBs 76/10 -, vom 14. Juli 2004 – 2 Ss 40/04 – und vom 5. Juli 2012 – 2 SsBs 64/12 -; OLG Hamm in SVR 2009, 269; OLG Celle in NZV 2002, 472) tritt der Senat bei.

Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG hat der Senat die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Linz am Rhein zurückverwiesen.

 

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