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Geschwindigkeitsüberschreitung: Beweiskraft eines Geständnisses und Messmethode

OLG Schleswig-Holstein

Az.: 1 Ss OWi 12/03

Beschluss vom 26.02.2003


In der Bußgeldsache hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgericht Ahrensburg vom 4. November 2002 der I. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 26. Februar 2003 nach Anhörung der Staatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Ahrensburg hat den in der Hauptverhandlung anwesenden und verteidigten Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 47 km/h zu einer Geldbuße von 200.- DM, entsprechend 100.- € verurteilt. Außerdem wurde ihm für die Dauer von einem Monat untersagt, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge aller Art zu führen.
Zur Sache hat das Amtsgericht festgestellt:
„Der Betroffene war am 16.5.2001 Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen BOR-WP 16. Er befuhr damit die Bundesautobahn 1 in Richtung Lübeck. Um 13.22 Uhr betrug seine Geschwindigkeit bei km 140,500 in Höhe Barsbüttel 127 km/h. An dieser Stelle ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 80 km/h beschränkt.
Das steht fest, denn der Betroffene hat den Vorwurf in der Hauptverhandlung voll umfänglich eingeräumt. …“
Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene die Aufhebung des Urteils. Er macht mit der ausgeführten Sachrüge geltend, das Urteil enthalte unzulässigerweise keine Feststellungen über die verwendete Messmethode. Allein auf das Geständnis des Betroffenen sei die Verurteilung nicht zu stützen. Darüber hinaus wendet er sich gegen die Verhängung eines Fahrverbotes und macht dazu Ausführungen.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht ist der Rechtsbeschwerde des Betroffenen beigetreten.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Die auf die Sachrüge hin erfolgende umfassende Prüfung der Urteilsgründe hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgedeckt.
1. Die Ausführungen der Urteilsgründe, der Betroffene habe den Vorwurf in der Hauptverhandlung „vollumfänglich eingeräumt“, genügt den Anforderungen noch, die an die Darlegung der Überzeugungsbildung in einem Urteil in Bußgeldverfahren zu stellen sind.
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bedarf es im Falle eines uneingeschränkten, glaubhaften Geständnisses des Betroffenen keiner Angaben zur Methode des verwendeten Messverfahrens. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt (BGHSt 39, 291 ff.), es stelle für sich allein genommen keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit entweder auf ein uneingeschränktes, glaubhaftes Geständnis des Betroffenen oder auf die Mitteilung des Messverfahrens und der nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützt (BGH a.a.O., Leitsatz). Gesteht der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft ein, die vorgeworfene Geschwindigkeit – mindestens – gefahren zu sein, so bedarf es nicht einmal der Angabe des Messverfahrens und der Toleranzwerte (BGH a.a.O., Seite 303; Hervorhebungen durch den Senat ).
b) Der Amtsrichter konnte seine Überzeugung hier auf ein derartiges Geständnis stützen. Der in der Hauptverhandlung verteidigte Betroffene hat den Vorwurf ausweislich der Urteilsgründe „vollumfänglich“ eingeräumt ; dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, das der Amtsrichter dies als Geständnis und die Angaben des Betroffenen als glaubhaft angesehen hat.
Tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen aufkommen ließen, ergeben sich weder aus den Urteilsgründen noch aus den Ausführungen der Rechtsbeschwerde.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft war das Amtsgericht hier auch von Rechts wegen nicht gehalten, weitere Ausführungen zur Glaubhaftigkeit des Geständnisses zu machen. Nach § 261 StPO entscheidet der Tatrichter, soweit nicht wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik und Erfahrungssätze entgegen stehen, nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Der Tatrichter ist weder verpflichtet, in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets darzulegen, auf welchem Weg und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat (BGH a.a.O., S. 295, 296). In welchem Umfang Ausführungen im Urteil geboten sind, richtet sich nach der jeweiligen Beweislage, nicht zuletzt auch nach der Bedeutung, die der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfes und des Verteidigungsvorbringens für die Wahrheitsfindung zukommt (BGH a.a.O., S. 297 m. w. N.).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts dient, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung. Es ist schon im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Unter anderem ist daraus zu folgern, dass an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH a.a.O., S. 299, 300 m. w. N.).
Der Betroffene ist durch den Inhalt des Bußgeldbescheides über den gegen ihn erhobenen Vorwurf und die Beweismittel hinreichend informiert. Haben weder der Betroffene noch ein anderer Verfahrensbeteiligter Anlass gesehen, das Messergebnis zu bezweifeln, und richtet sich die Rechtsbeschwerde – wie hier in erster Linie – nicht gegen die betreffenden Feststellungen, sondern gegen die verhängte Sanktion, so würden die Beanstandungen des Rechtsbeschwerdegerichts – mit entsprechender Kostenfolge für den Betroffenen – zu einer erneuten Verhandlung führen, ohne dass dies mit einer Änderung der Sach- und Rechtslage verbunden wäre (vgl. BGH a.a.O., S. 300). Vergleichbar wäre dann der Fall, dass der Amtsrichter ein Sachverständigengutachten zur Frage der Geschwindigkeitsmessung einholt, von einer Einführung des Ergebnisses in die Hauptverhandlung aber absieht, weil der Betroffene im Ermittlungsverfahren angegeben hat, die Messmethode nicht angreifen zu wollen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestand kein Anlass für das erkennende Gericht, an der Zuverlässigkeit der Messmethode oder der Richtigkeit des Geständnisses zu zweifeln. Bei der Frage, in welchem Umfang das Zugestandene zu berücksichtigen ist, gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (BGH a.a.O., S. 303). Der Tatrichter darf die Verurteilung auf eine Einlassung des Betroffenen stützen, wenn er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Vor der Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Konsequenz eines Geständnisses muss er sich aber Klarheit darüber verschaffen, wie die Äußerung des Betroffenen im Zusammenhang mit dem übrigen Verfahrensstoff und im Hinblick auf den konkreten Rechtsverstoß zu verstehen ist. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es sinnvoll gewesen, wenn das Urteil Ausführungen dazu enthielte, was unter „vollumfänglich“ zu verstehen ist und warum der Richter dem Geständnis folgen wollte, etwa, weil Ausführungen des Betroffenen im Ergebnis mit Sachbeweismitteln übereinstimmten oder der Betroffene möglicherweise aus nachvollziehbarem Anlass konkrete Erinnerungen an den Vorfall hatte. Erforderlich in dem Sinne, dass eine unterbliebene Darstellung das Urteil fehlerhaft erscheinen lässt und zur Aufhebung zwingt, war dies jedoch angesichts des vollkommen übersichtlichen Sachverhaltes nicht.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Betroffene den ihm aus dem Bußgeldbescheid bekannten Vorwurf in Kenntnis des ihm bereits dort angedrohten Fahrverbotes einräumen wollte. Wenn er in Kenntnis dieser nachteiligen und schwerwiegenden Folgen den Vorwurf – und sei es ohne Angabe näherer Einzelheiten – einräumen will, kann er dies tun, wenn er konkrete Erinnerungen an die Tatsituation hat und daran bestimmte Überlegungen knüpft. Jedoch auch dann, wenn der Betroffene an den konkreten Vorfall überhaupt keine Erinnerungen hat, aufgrund seines regelmäßigen Fahrverhaltens oder der anders gelagerten Zielrichtung seines Verteidigungsvorbringens die Zuverlässigkeit der Geräte und das Ergebnis der Messung nicht bezweifeln will, handelt es sich um ein Geständnis, das der Tatrichter zugrunde legen kann (vgl. BGH a.a.O., S. 304, 305). Da der dem Amtsgericht zur Entscheidung unterbreitete Sachverhalt, wie er sich aus den Urteilsgründen entnehmen lässt, einfachster Art war und keinen Anlass bot, an der Richtigkeit des Geständnisses des Betroffenen zu zweifeln – entsprechende Anhaltspunkte teilt auch die Rechtsbeschwerde nicht mit – , war der Amtsrichter zu weiteren Ausführungen nicht veranlasst.
2. Auch die Verhängung der Regelgeldbuße und des Regelfahrverbotes begegnet keinen Bedenken. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Betroffene nicht nur grob, sondern auch beharrlich im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 und § 2 Abs. 2 BKatVO in der zur Tatzeit geltenden Fassung in Verbindung mit § 25 Abs. 1 StVG verstoßen hat. Die Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Betroffenen sind ausreichend; entbehrlich war die Angabe des genauen Nettoeinkommens des Betroffenen, da es sich um eine Regelgeldbuße von 100 € handelte. In nicht zu beanstandender Weise hat sich das Amtsgericht schließlich mit der Frage auseinander gesetzt, ob ausnahmsweise das Absehen von einem Fahrverbot gerechtfertigt sei. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der beruflichen Existenz des Betroffenen vermag der Senat den Feststellungen nicht zu entnehmen. Mit dem Fahrverbot verbundene Unannehmlichkeiten beruflicher und persönlicher Art muss der Betroffene als notwendige Konsequenz seines Handelns hinnehmen, soweit darin nicht eine außerordentliche Härte zu sehen ist oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittlicher Umstände ein Absehen von dem Fahrverbot gebieten (st.Rspr. des Senats, vgl. auch die Nachweise bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. A., Rz. 15b zu § 25 StVG ). Dazu geben die Feststellungen des angefochtenen Urteils jedoch ebenfalls keinen Anlass.
Schließlich begegnet es keinen Bedenken, die Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes für erforderlich zu halten, wenn die Rückfallgeschwindigkeit nur wenige Tage mehr als einen Monate beträgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.

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