Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Verkehrsunfall auf der Autobahn: Fußgänger-Risiko und angepasste Geschwindigkeit im Fokus des Urteils
- Unfallhergang: Kettenreaktion auf der A113 führte zu folgenschwerer Kollision
- Fußgänger verlässt Fahrzeug nach Unfall – Dunkelheit und fehlende Warnweste werden zum Problem
- Geschwindigkeit des Beklagten und Sorgfaltspflicht auf der Autobahn
- Mithaftung des Fußgängers: Fehlende Sicherung und unvorsichtiges Verhalten
- Urteil des OLG Brandenburg: Teilweise Haftung der Beklagten, aber erhebliche Mithaftung des Klägers
- Begründung des Gerichts: Abwägung der Verantwortlichkeiten und Verkehrssicherungspflichten
- Konsequenzen des Urteils: Warnsignal für Autofahrer und Fußgänger auf Autobahnen
- Bedeutung für Betroffene: Was bedeutet das Urteil für zukünftige Unfälle?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Inwieweit hafte ich als Fußgänger, wenn ich auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werde?
- Inwieweit hafte ich als Fußgänger, wenn ich auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werde?
- Welche Rolle spielt meine Geschwindigkeit als Autofahrer bei der Haftungsfrage, wenn ein Fußgänger auf der Autobahn verunglückt?
- Welche Maßnahmen zur Absicherung muss ich als Fußgänger nach einem Unfall auf der Autobahn treffen, um meine Haftung zu minimieren?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 15.06.2023
- Aktenzeichen: 12 U 218/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Zivilrecht (Schadensersatzanspruch aus Verkehrsunfall)
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Verkehrsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Betroffene Partei, die infolge eines Verkehrsunfalls (2015 auf der Autobahn 113) materielle Schäden erlitt und Schadenersatz unter Berücksichtigung eines 50%igen Mithaftungsanteils beansprucht.
- Beklagte: Parteien, die als Gesamtschuldner zur Haftung verpflichtet werden, 50% der übergangsfähigen materiellen Schäden zu ersetzen; ihre weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin erlitt materielle Schäden in Folge eines Verkehrsunfalls (2015) auf der Autobahn 113 und machte Ersatzansprüche geltend, wobei ein Mithaftungsanteil von 50% der Klägerin berücksichtigt wird.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Beklagten als Gesamtschuldner zur Haftung für 50% der übergangsfähigen materiellen Schäden herangezogen werden können, unter Berücksichtigung des Mithaftungsanteils der Klägerin.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil bestätigt die Klage dem Grunde nach. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner der Klägerin 50% der übergangsfähigen materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall ersetzen müssen. Weitergehende Feststellungsanträge und Berufungsanträge wurden abgewiesen.
- Folgen: Die Beklagten sind verpflichtet, den festgesetzten Schadensersatzanteil zu leisten. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 29% der Klägerin und zu 71% den Beklagten auferlegt. Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar; bei Vollstreckung kann Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags verlangt werden. Eine Revision wurde nicht zugelassen und der Streitwert beträgt bis zu 50.000 €.
Der Fall vor Gericht
Verkehrsunfall auf der Autobahn: Fußgänger-Risiko und angepasste Geschwindigkeit im Fokus des Urteils

Das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) hat in einem Urteil vom 15. Juni 2023 (Az.: 12 U 218/22) die komplexe Frage der Haftung bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn neu bewertet. Im Zentrum stand die Kollision eines PKW mit einem Fußgänger, der sich nach einem vorangegangenen Unfall auf der Fahrbahn befand. Das Gericht musste entscheiden, inwieweit der Autofahrer, der den Fußgänger erfasste, und der Fußgänger selbst für den Unfall verantwortlich sind.
Unfallhergang: Kettenreaktion auf der A113 führte zu folgenschwerer Kollision
Dem Urteil zugrunde liegt ein Unfall, der sich bereits im Dezember 2015 auf der Autobahn A113 in Richtung Schönefeld ereignete. Auslöser war ein Pannenfahrzeug auf dem Standstreifen, das zu einer Kettenreaktion führte. Ein erster PKW bremste stark ab, woraufhin der nachfolgende Fahrer, der Versicherte im vorliegenden Fall, auffuhr. Durch den Aufprall wurde sein Fahrzeug auf die Fahrbahn geschleudert.
Fußgänger verlässt Fahrzeug nach Unfall – Dunkelheit und fehlende Warnweste werden zum Problem
Nach dem ersten Unfall verließ der Versicherte sein Fahrzeug. Die genauen Umstände und der Zeitpunkt des Aussteigens waren zwischen den Parteien streitig. Fest steht, dass der dunkel gekleidete Mann ohne Warnweste versuchte, die Fahrbahn zu überqueren, um den Standstreifen zu erreichen. Dabei wurde er von dem PKW des Beklagten zu 1 erfasst und schwer verletzt.
Geschwindigkeit des Beklagten und Sorgfaltspflicht auf der Autobahn
Das Gericht musste prüfen, ob der Beklagte zu 1, der den Fußgänger anfuhr, eine Mitschuld an dem Unfall trägt. Die Geschwindigkeit des Beklagten wurde mit mindestens 50 km/h festgestellt. Das OLG Brandenburg betonte in seinem Urteil, dass Autofahrer auf Autobahnen grundsätzlich mit Fußgängern rechnen müssen, insbesondere in Situationen wie Stau, stockendem Verkehr oder nach Unfällen. Daraus leitet sich eine erhöhte Sorgfaltspflicht und die Notwendigkeit zur Anpassung der Geschwindigkeit ab.
Mithaftung des Fußgängers: Fehlende Sicherung und unvorsichtiges Verhalten
Das Gericht sah jedoch auch ein erhebliches Mitverschulden des Fußgängers. Dieser hatte sein Fahrzeug nach dem ersten Unfall nicht ausreichend gesichert, weder Warnblinklicht noch Warndreieck eingesetzt. Zudem trug er keine Warnweste und begab sich ungesichert auf die Fahrbahn. Das OLG Brandenburg wies darauf hin, dass es dem Fußgänger zumutbar gewesen wäre, sich hinter die Leitplanken zu begeben, um sich in Sicherheit zu bringen.
Urteil des OLG Brandenburg: Teilweise Haftung der Beklagten, aber erhebliche Mithaftung des Klägers
In seiner Entscheidung wies das OLG Brandenburg das Urteil des Landgerichts Cottbus teilweise ab und modifizierte es. Das Gericht erkannte eine grundsätzliche Haftung der Beklagten für die Schäden des Fußgängers an, berücksichtigte aber gleichzeitig eine erhebliche Mithaftung des Fußgängers von 50 Prozent. Dies bedeutet, dass die Beklagten nur die Hälfte der materiellen Schäden des Fußgängers tragen müssen.
Begründung des Gerichts: Abwägung der Verantwortlichkeiten und Verkehrssicherungspflichten
Das Gericht begründete seine Entscheidung mit einer Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeiten. Einerseits betonte das OLG die Sorgfaltspflicht der Autofahrer auf Autobahnen, die ihre Geschwindigkeit an die Umstände anpassen und mit Fußgängern rechnen müssen. Andererseits stellte das Gericht heraus, dass auch Fußgänger, die sich auf der Autobahn aufhalten, Verkehrssicherungspflichten haben und zu ihrer eigenen Sicherheit beitragen müssen. Dazu gehört insbesondere das Tragen einer Warnweste, das Absichern der Unfallstelle und das Vermeiden unnötiger Gefährdungen.
Konsequenzen des Urteils: Warnsignal für Autofahrer und Fußgänger auf Autobahnen
Das Urteil des OLG Brandenburg sendet ein deutliches Signal an alle Verkehrsteilnehmer auf Autobahnen. Autofahrer dürfen sich nicht darauf verlassen, dass die Fahrbahn „fußgängerfrei“ ist, sondern müssen ihre Fahrweise entsprechend anpassen und bremsbereit sein, insbesondere in unübersichtlichen Situationen oder nach Unfällen. Gleichzeitig macht das Urteil deutlich, dass auch Fußgänger auf Autobahnen eine erhebliche Eigenverantwortung tragen. Wer sein Fahrzeug nach einem Unfall verlässt, muss zwingend für seine eigene Sicherheit sorgen, indem er sich sichtbar macht und sich nicht unnötig in Gefahr begibt.
Bedeutung für Betroffene: Was bedeutet das Urteil für zukünftige Unfälle?
Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für alle, die in Verkehrsunfälle auf Autobahnen verwickelt werden, sowohl als Autofahrer als auch als Fußgänger. Es verdeutlicht, dass die Haftungsfrage in solchen Fällen komplex ist und stets im Einzelfall geprüft werden muss. Das Gericht betont die geteilte Verantwortung und macht deutlich, dass keine Seite pauschal von Schuld oder Unschuld ausgehen kann.
Für Autofahrer bedeutet das Urteil, dass sie auf Autobahnen stets besonders aufmerksam und bremsbereit sein müssen. Die Geschwindigkeit muss den jeweiligen Umständen angepasst werden, und die Möglichkeit von Fußgängern auf der Fahrbahn muss immer in Betracht gezogen werden. Unachtsamkeit oder überhöhte Geschwindigkeit können zu einer Haftung führen, auch wenn der Fußgänger selbst Fehler gemacht hat.
Für Fußgänger, die nach einem Unfall ihr Fahrzeug verlassen müssen, ist die Botschaft des Urteils ebenso klar: Eigene Sicherheit geht vor. Das Tragen einer Warnweste ist unerlässlich, ebenso wie das Absichern der Unfallstelle und das Aufsuchen eines sicheren Bereichs abseits der Fahrbahn. Unvorsichtiges Verhalten kann zu einer erheblichen Mithaftung führen und die Ansprüche auf Schadensersatz deutlich reduzieren.
Das Urteil des OLG Brandenburg unterstreicht somit die Notwendigkeit von gegenseitiger Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein aller Verkehrsteilnehmer, um die Sicherheit auf unseren Autobahnen zu erhöhen und schwere Unfälle zu vermeiden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil lehrt, dass bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen beide Parteien trotz unterschiedlicher Verschuldensgrade haften können. Die Quintessenz: Bei Unfallstellen muss die Geschwindigkeit drastisch reduziert werden, während das Verlassen eines Fahrzeugs ohne Sicherungsmaßnahmen ein erhebliches Risiko darstellt. Seine Bedeutung liegt in der Verdeutlichung, dass sowohl unangepasste Geschwindigkeit beim Heranfahren an Unfallstellen als auch ungesichertes Verlassen des Fahrzeugs zu einer geteilten Haftung führen können – hier 50% für jeden Beteiligten.
Benötigen Sie Hilfe?
Rechtssicherheit bei komplexen Verkehrsunfällen
Bei einem Vorfall auf der Autobahn können die Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die Bewertung beiderseitiger Verkehrssicherungspflichten rasch zu Unsicherheiten führen. Insbesondere wenn veränderte Fahrbedingungen und unvorhergesehene Verhaltensweisen etwa das Verlassen des Fahrzeugs oder unzureichende Sicherungsmaßnahmen – in den Unfallhergang einfließen, bedarf es einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls. Dabei rücken Fragen zur angepassten Geschwindigkeit und zur Eigenverantwortung der Beteiligten immer wieder in den Fokus.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre individuelle Situation präzise zu erfassen und die relevanten Aspekte Ihrer Haftungsfrage zu durchleuchten. Unsere Beratung legt dabei Wert auf eine klare und fundierte Prüfung der Gegebenheiten, um Ihnen eine verlässliche Grundlage für Ihre nächsten Schritte zu bieten. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, um in einem persönlichen Gespräch weiterführende rechtliche Perspektiven zu erörtern.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Inwieweit hafte ich als Fußgänger, wenn ich auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werde?
Als Fußgänger auf der Autobahn tragen Sie in der Regel eine erhebliche Mitschuld bei einem Unfall. Das Betreten der Autobahn ist für Fußgänger grundsätzlich verboten und stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung dar.
Haftung des Fußgängers
Wenn Sie als Fußgänger auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werden, kann Ihnen ein überwiegendes oder sogar alleiniges Verschulden zugerechnet werden. Dies liegt daran, dass Sie sich durch das unerlaubte Betreten der Autobahn in eine besonders gefährliche Situation begeben haben.
Mögliche Konsequenzen
Bei einem Unfall auf der Autobahn müssen Sie als Fußgänger mit folgenden Konsequenzen rechnen:
- Ein Bußgeld von 10 Euro für das verbotswidrige Betreten der Autobahn.
- Schadensersatzforderungen der beteiligten Autofahrer für Sachschäden an ihren Fahrzeugen.
- Mögliche strafrechtliche Konsequenzen, wenn durch Ihr Verhalten andere Personen zu Schaden kommen.
Ausnahmen und mildernde Umstände
Es gibt jedoch Situationen, in denen Ihre Haftung als Fußgänger auf der Autobahn gemindert sein kann:
- Bei einer Autopanne müssen Sie das Fahrzeug verlassen und sich hinter die Leitplanke begeben. In diesem Fall handeln Sie nicht grob fahrlässig, solange Sie die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.
- Wenn Sie als Helfer bei einem Unfall auf der Autobahn tätig werden, kann Ihre Anwesenheit gerechtfertigt sein. Dennoch müssen Sie äußerst vorsichtig agieren und sich möglichst schnell in Sicherheit bringen.
Bedenken Sie: Selbst in diesen Ausnahmesituationen müssen Sie höchste Vorsicht walten lassen. Tragen Sie eine Warnweste, bleiben Sie möglichst hinter der Leitplanke und versuchen Sie, die Unfallstelle abzusichern.
Rechtliche Grundlagen
Die Haftung bei Unfällen auf der Autobahn basiert auf dem Prinzip der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG) und dem Mitverschulden des Fußgängers (§ 254 BGB). In der Praxis führt das grob fahrlässige Verhalten des Fußgängers oft dazu, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs vollständig in den Hintergrund tritt.
Wenn Sie sich als Fußgänger auf der Autobahn befinden, setzen Sie sich und andere einem erheblichen Risiko aus. Im Falle eines Unfalls müssen Sie mit schwerwiegenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen rechnen. Es ist daher unbedingt zu vermeiden, die Autobahn zu Fuß zu betreten, außer in absoluten Notfällen – und auch dann nur unter Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen.
Inwieweit hafte ich als Fußgänger, wenn ich auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werde?
Als Fußgänger auf der Autobahn tragen Sie in der Regel eine erhebliche Mitschuld bei einem Unfall. Das Betreten der Autobahn ist für Fußgänger grundsätzlich verboten und stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung dar.
Haftung des Fußgängers
Wenn Sie als Fußgänger auf der Autobahn in einen Unfall verwickelt werden, kann Ihnen ein überwiegendes oder sogar alleiniges Verschulden zugerechnet werden. Dies liegt daran, dass Sie sich durch das unerlaubte Betreten der Autobahn in eine besonders gefährliche Situation begeben haben.
Mögliche Konsequenzen
Bei einem Unfall auf der Autobahn müssen Sie als Fußgänger mit folgenden Konsequenzen rechnen:
- Ein Bußgeld von 10 Euro für das verbotswidrige Betreten der Autobahn.
- Schadensersatzforderungen der beteiligten Autofahrer für Sachschäden an ihren Fahrzeugen.
- Mögliche strafrechtliche Konsequenzen, wenn durch Ihr Verhalten andere Personen zu Schaden kommen.
Ausnahmen und mildernde Umstände
Es gibt jedoch Situationen, in denen Ihre Haftung als Fußgänger auf der Autobahn gemindert sein kann:
- Bei einer Autopanne müssen Sie das Fahrzeug verlassen und sich hinter die Leitplanke begeben. In diesem Fall handeln Sie nicht grob fahrlässig, solange Sie die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.
- Wenn Sie als Helfer bei einem Unfall auf der Autobahn tätig werden, kann Ihre Anwesenheit gerechtfertigt sein. Dennoch müssen Sie äußerst vorsichtig agieren und sich möglichst schnell in Sicherheit bringen.
Bedenken Sie: Selbst in diesen Ausnahmesituationen müssen Sie höchste Vorsicht walten lassen. Tragen Sie eine Warnweste, bleiben Sie möglichst hinter der Leitplanke und versuchen Sie, die Unfallstelle abzusichern.
Rechtliche Grundlagen
Die Haftung bei Unfällen auf der Autobahn basiert auf dem Prinzip der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG) und dem Mitverschulden des Fußgängers (§ 254 BGB). In der Praxis führt das grob fahrlässige Verhalten des Fußgängers oft dazu, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs vollständig in den Hintergrund tritt.
Wenn Sie sich als Fußgänger auf der Autobahn befinden, setzen Sie sich und andere einem erheblichen Risiko aus. Im Falle eines Unfalls müssen Sie mit schwerwiegenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen rechnen. Es ist daher unbedingt zu vermeiden, die Autobahn zu Fuß zu betreten, außer in absoluten Notfällen – und auch dann nur unter Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen.
Welche Rolle spielt meine Geschwindigkeit als Autofahrer bei der Haftungsfrage, wenn ein Fußgänger auf der Autobahn verunglückt?
Die Geschwindigkeit als Autofahrer spielt eine entscheidende Rolle bei der Haftungsfrage, selbst wenn ein Fußgänger auf der Autobahn verunglückt. Grundsätzlich gilt: Je höher Ihre Geschwindigkeit, desto größer ist Ihr potenzieller Haftungsanteil.
Anpassung der Geschwindigkeit an die Verkehrssituation
Als Autofahrer sind Sie verpflichtet, Ihre Geschwindigkeit stets den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Dies gilt auch auf der Autobahn, wo zwar oft keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung besteht, aber dennoch das Gebot der situationsangepassten Geschwindigkeit gilt. Wenn Sie beispielsweise bei Dämmerung fahren und die Sichtverhältnisse eingeschränkt sind, müssen Sie Ihre Geschwindigkeit reduzieren, um auf unerwartete Hindernisse – wie einen Fußgänger auf der Fahrbahn – rechtzeitig reagieren zu können.
Beurteilung der Angemessenheit der Geschwindigkeit
Gerichte beurteilen die Angemessenheit Ihrer Geschwindigkeit im Falle eines Unfalls anhand verschiedener Faktoren:
- Waren Sie innerhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit?
- Haben Sie die Geschwindigkeit an die aktuellen Verhältnisse angepasst?
- Wäre der Unfall bei einer geringeren Geschwindigkeit vermeidbar gewesen?
Stellen Sie sich vor, Sie fahren nachts auf der Autobahn und ein Fußgänger überquert plötzlich die Fahrbahn. Wenn Sie mit 180 km/h unterwegs waren, obwohl die Sichtverhältnisse nur eine Geschwindigkeit von 130 km/h zugelassen hätten, könnte Ihnen eine Mitschuld zugesprochen werden – selbst wenn der Fußgänger sich regelwidrig verhalten hat.
Auswirkungen auf die Haftungsverteilung
Eine unangemessen hohe Geschwindigkeit kann zu einer Mithaftung oder sogar zur überwiegenden Haftung des Autofahrers führen. Dies gilt auch dann, wenn der Fußgänger sich offensichtlich falsch verhalten hat, indem er die Autobahn betreten hat. Die Gerichte berücksichtigen dabei, dass von einem Kraftfahrzeug aufgrund seiner Masse und Geschwindigkeit eine höhere Gefahr ausgeht als von einem Fußgänger.
In einem Fall entschied das OLG Düsseldorf, dass ein Autofahrer trotz des Fehlverhaltens eines Fußgängers zu 20% haftbar war, weil er mit 60 km/h in einer 100 km/h-Zone fuhr. Das Gericht argumentierte, dass ein „besonders vorsichtiger Fahrer“ möglicherweise noch langsamer gefahren und den Unfall ganz vermieden hätte.
Beweislast und Geschwindigkeit
Im Falle eines Unfalls mit einem Fußgänger auf der Autobahn müssen Sie als Autofahrer beweisen, dass Sie nicht zu schnell gefahren sind. Können Sie nicht nachweisen, dass Sie Ihre Geschwindigkeit angemessen an die Situation angepasst haben, wird dies zu Ihren Lasten ausgelegt. Moderne Fahrzeuge mit Fahrtenschreibern oder Telematik-Systemen können hier wertvolle Daten liefern.
Wenn Sie auf der Autobahn fahren, bedenken Sie stets: Eine angepasste Geschwindigkeit kann nicht nur Unfälle verhindern, sondern auch Ihre rechtliche Position im Falle eines Unfalls erheblich verbessern.
Welche Maßnahmen zur Absicherung muss ich als Fußgänger nach einem Unfall auf der Autobahn treffen, um meine Haftung zu minimieren?
Nach einem Unfall auf der Autobahn ist es für Fußgänger entscheidend, sich korrekt zu verhalten, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten und die Haftung zu minimieren. Folgende Maßnahmen sind dabei besonders wichtig:
1. Sofortige Sicherung der Unfallstelle
- Warnblinker einschalten: Falls Sie sich noch in Ihrem Fahrzeug befinden, aktivieren Sie die Warnblinkanlage, um den nachfolgenden Verkehr auf die Gefahr aufmerksam zu machen.
- Warndreieck aufstellen: Platzieren Sie ein Warndreieck in ausreichendem Abstand zur Unfallstelle. Die empfohlene Entfernung beträgt 100 Meter auf Autobahnen.
- Warnweste tragen: Ziehen Sie eine Warnweste an, bevor Sie das Fahrzeug verlassen. Dies erhöht Ihre Sichtbarkeit und ist seit 2014 Pflicht für alle Autofahrer in Deutschland.
2. Sichere Position einnehmen
- Gefahrenzone verlassen: Verlassen Sie die Fahrbahn sofort und suchen Sie Schutz hinter der Leitplanke oder an einem anderen sicheren Ort abseits des Verkehrs.
- Nicht zurückkehren: Keinesfalls sollten Sie versuchen, zur Unfallstelle zurückzukehren oder sich unnötig lange auf der Fahrbahn aufhalten. Dies könnte als grob fahrlässiges Verhalten gewertet werden und Ihre Haftung erhöhen.
3. Weitere Maßnahmen
- Unfall dokumentieren: Falls möglich, dokumentieren Sie den Unfallhergang durch Fotos oder Notizen. Tauschen Sie außerdem Daten mit anderen Beteiligten aus.
- Notruf wählen: Bei Personenschäden oder gefährlichen Situationen sollten Sie sofort den Notruf wählen und Erste Hilfe leisten, soweit dies sicher möglich ist.
Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 25 Abs. 3 StVO sind Fußgänger verpflichtet, besondere Vorsicht walten zu lassen und dürfen den Fahrzeugverkehr nicht gefährden. Verstöße gegen diese Sorgfaltspflichten können zu einer Mithaftung führen. Ein grob fahrlässiges Verhalten, wie das Verweilen auf der Fahrbahn oder das Überqueren ohne Sicherheitsmaßnahmen, kann Ihre Haftungsquote erheblich erhöhen.
Durch die oben genannten Maßnahmen können Sie nicht nur Ihre eigene Sicherheit gewährleisten, sondern auch vermeiden, dass Ihnen ein Mitverschulden am Unfall angelastet wird.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Mithaftung
Mithaftung bezeichnet im Schadensersatzrecht die Situation, in der mehrere Personen für denselben Schaden verantwortlich sind und daher anteilig haften müssen. Sie basiert auf § 254 BGB (Mitverschulden) und berücksichtigt den Beitrag jeder Partei zum Schadensereignis. Der prozentuale Haftungsanteil wird nach der Schwere des jeweiligen Verschuldens bemessen und kann von einer geringen Beteiligung bis zur hälftigen oder überwiegenden Haftung reichen.
Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall, bei dem sowohl der Autofahrer zu schnell fuhr als auch der Fußgänger unachtsam die Autobahn betrat, kann das Gericht eine Mithaftung festlegen – wie im vorliegenden Fall 50% für jeden Beteiligten.
Gesamtschuldner
Gesamtschuldner sind gemäß §§ 421-426 BGB mehrere Personen, die gemeinsam für eine Schuld haften und vom Gläubiger jeweils für die gesamte Leistung in Anspruch genommen werden können. Der Geschädigte hat die Wahl, von welchem Schuldner er die Leistung verlangt – entweder von einem einzelnen, mehreren oder allen zusammen. Wer die Schuld begleicht, befreit automatisch alle anderen von ihrer Verpflichtung. Im Innenverhältnis können die Schuldner untereinander Ausgleich nach ihren Haftungsanteilen verlangen.
Beispiel: Wenn mehrere Beklagte für einen Verkehrsunfall verantwortlich sind, kann der Geschädigte beispielsweise vom ersten Beklagten den vollen zugesprochenen Schadensersatz fordern, auch wenn dieser nur zu 50% haftet.
Übergangsfähige materielle Schäden
Übergangsfähige materielle Schäden sind finanzielle Nachteile, die auf Dritte (meist Versicherungen) übergehen können. Diese umfassen vor allem Sachschäden sowie bestimmte finanzielle Einbußen wie Heilbehandlungskosten oder Verdienstausfall. Die rechtliche Grundlage bildet § 86 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) zum gesetzlichen Forderungsübergang. Im Gegensatz dazu stehen nicht-übergangsfähige Schäden wie Schmerzensgeld, die persönlich beim Geschädigten verbleiben.
Beispiel: Nach einem Autounfall übernimmt die Kaskoversicherung die Reparaturkosten des Fahrzeugs und kann diese Kosten dann vom Unfallverursacher zurückfordern – der Anspruch ist auf die Versicherung übergegangen.
Schadensersatzanspruch
Ein Schadensersatzanspruch ist das gesetzlich verankerte Recht einer geschädigten Person, vom Schädiger finanzielle Kompensation für erlittene Nachteile zu verlangen. Die Rechtsgrundlagen finden sich vor allem in § 823 BGB (unerlaubte Handlung) und bei Verkehrsunfällen in § 7 StVG (Halterhaftung). Für die Durchsetzung müssen ein Schaden, ein haftungsbegründender Tatbestand, ein Verschulden und ein Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Schaden nachgewiesen werden.
Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall kann der Geschädigte vom Unfallverursacher Ersatz für Behandlungskosten, Verdienstausfall und Fahrzeugreparatur fordern.
Berufungsverfahren im Zivilrecht
Das Berufungsverfahren im Zivilrecht ist ein Rechtsmittel gegen Urteile des Amts- oder Landgerichts, geregelt in §§ 511-541 ZPO. Es ermöglicht die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch ein höheres Gericht (Landgericht oder Oberlandesgericht). Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung eingelegt werden und kann sich auf rechtliche oder tatsächliche Fehler des Urteils stützen. Die Berufungsinstanz kann das Urteil bestätigen, ändern oder aufheben.
Beispiel: Im vorliegenden Fall wurde vor dem OLG Brandenburg als Berufungsgericht über die Schadensersatzansprüche verhandelt, nachdem eine der Parteien mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden war.
Verschuldensgrade
Verschuldensgrade bezeichnen im Schadensrecht das Ausmaß des Vorwurfs, der einem Beteiligten für sein schädigendes Verhalten gemacht werden kann. Das Gesetz unterscheidet hauptsächlich zwischen Vorsatz (bewusstes und gewolltes Handeln) und Fahrlässigkeit (Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt), wobei letztere noch in grobe und einfache Fahrlässigkeit unterteilt wird. Nach § 254 BGB beeinflussen die Verschuldensgrade die Haftungsquote bei der Schadensverteilung.
Beispiel: Ein Autofahrer, der trotz Nebel mit überhöhter Geschwindigkeit an eine Unfallstelle heranfährt, handelt grob fahrlässig, während das ungesicherte Betreten der Fahrbahn durch einen Fußgänger ebenfalls ein erhebliches Verschulden darstellen kann.
Vorläufig vollstreckbar
Ein Urteil, das als vorläufig vollstreckbar erklärt wird, kann gemäß §§ 708-710 ZPO bereits vor Rechtskraft durchgesetzt werden, obwohl noch Rechtsmittel wie Berufung oder Revision möglich oder anhängig sind. Der Gläubiger kann sofort Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, muss aber bei späterer Aufhebung des Urteils für eventuelle Schäden haften. Der Schuldner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit (meist Geldbetrag) abwenden.
Beispiel: Ein zur Zahlung von Schadensersatz Verurteilter muss bei vorläufiger Vollstreckbarkeit sofort zahlen, kann aber verlangen, dass der Gläubiger eine Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags hinterlegt, wie im vorliegenden Urteil festgelegt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG (Halterhaftung): Diese Norm begründet eine Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters. Sie besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagten als Halter und Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs, das den Fußgänger erfasste, haften grundsätzlich für die entstandenen Schäden, unabhängig von einem eigenen Verschulden des Fahrers.
- § 254 BGB (Mitverschulden): Wer bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, muss sich dies anrechnen lassen. Dies kann die Schadensersatzpflicht mindern oder sogar ganz ausschließen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat ein Mitverschulden des verletzten Fußgängers von 50 % angenommen, weil er sich nach dem ersten Unfall unvorsichtig auf der Fahrbahn bewegt hat, was seine Schadensersatzansprüche entsprechend reduziert.
- § 1 Abs. 2 StVO (Grundregeln): Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Dies ist eine grundlegende Verhaltensnorm im Straßenverkehr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Sowohl das Verhalten des Fußgängers nach dem ersten Unfall als auch das Verhalten des Beklagten zu 1, der mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren sein könnte, werden anhand dieser grundlegenden Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr bewertet.
- § 14 StVO (Pflichten bei Verkehrsunfällen): Nach einem Verkehrsunfall müssen Beteiligte verschiedene Pflichten erfüllen, wie Anhalten, Absichern der Unfallstelle, Leisten von Hilfe und Austausch von Personalien. Die Missachtung dieser Pflichten kann rechtliche Konsequenzen haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Verhalten des Fußgängers nach dem ersten Unfall, insbesondere das Verlassen des Fahrzeugs ohne Warnweste und das Überqueren der Fahrbahn, fällt unter die Pflichten bei Verkehrsunfällen und wurde im Hinblick auf ein Mitverschulden geprüft.
- § 17 StVG (Haftungsverteilung bei mehreren Beteiligten): Sind an einem Unfall mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt und ist die Haftung nicht ausgeschlossen, hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da mehrere Fahrzeuge an den Unfallfolgen beteiligt waren (erst Kollisionen der PKW, dann Erfassung des Fußgängers), musste das Gericht die Haftungsanteile der Beteiligten unter Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungsbeiträge und des Mitverschuldens festlegen, was zur Teilhaftung der Beklagten führte.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 218/22 – Urteil vom 15.06.2023
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