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Spurwechsel-Unfall: Schuldfrage, Haftung & Reißverschlussverfahren

Ein alltäglicher Moment im Straßenverkehr wird zum Zankapfel vor Gericht: Was passiert, wenn zwei Fahrzeuge bei einer Fahrbahnverengung kollidieren und sich die Schuldfrage stellt? Ein Fall vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel zeigt, dass die Meinungen über das richtige Verhalten beim Spurwechsel oft weit auseinandergehen. Am Ende entscheidet das Gericht über eine geteilte Verantwortung – mit überraschendem Ergebnis für beide Seiten.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 C 53/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Brandenburg
  • Datum: 22.05.2025
  • Aktenzeichen: 33 C 53/24
  • Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Klägerin forderte Ersatz von 75 % des Fahrzeugschadens, einer Unkostenpauschale und zukünftiger Schäden an ihrem Pkw nach einem Fahrspurwechsel auf einer sich verengenden Fahrbahn.
  • Beklagte: Der Fahrer des anderen beteiligten Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer, die eine Haftung ablehnten und die Schuld bei der Klägerin sahen.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Es handelte sich um einen Verkehrsunfall auf einer sich verengenden Fahrbahn, bei dem zwei Fahrzeuge kollidierten. Die Klägerin führte einen Fahrspurwechsel durch, während der Beklagte sein Fahrzeug beschleunigte.
  • Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage der Haftung der Unfallbeteiligten und die anteilige Aufteilung des entstandenen Fahrzeugschadens nach dem Fahrspurwechsel.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht verurteilte die Beklagten, der Klägerin 881,20 € nebst Zinsen sowie 220,27 € für außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagten 33,33 % weiterer Zukunftsschäden am Pkw der Klägerin ersetzen müssen. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht stellte fest, dass der Unfall für keine der Parteien ein unabwendbares Ereignis war. Es nahm eine Abwägung der Verursachungsbeiträge vor und gelangte zu der Überzeugung, dass die Beklagten 33,33 % des Schadens zu tragen haben, während die Klägerin die restlichen 66,67 % selbst tragen muss.
  • Folgen: Die Klägerin erhielt einen Teil ihrer Forderungen zugesprochen, muss aber den Großteil des Schadens und der Prozesskosten selbst tragen. Die Beklagten haften anteilig für den aktuellen und zukünftigen Schaden.

Der Fall vor Gericht


Ein alltäglicher Albtraum: Der Streit um die Schuld nach einem Unfall beim Spurwechsel

Wer kennt das nicht? Man fährt auf einer mehrspurigen Straße, vielleicht in einer Stadt oder auf der Autobahn, und plötzlich verengt sich die Fahrbahn. Eine Baustelle zwingt alle Autos auf eine Spur. Doch wer hat Vorrang? Wer muss warten, wer darf zuerst? Solche Situationen führen oft zu Unsicherheit und manchmal leider auch zu Unfällen. Genau um einen solchen Fall, einen Zusammenstoß beim Einordnen in eine verbleibende Fahrspur, ging es in einem Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel.

Was genau war passiert? Zwei Autos, eine enger werdende Straße

Zwei Autos kollidieren auf einer Straße kurz vor einer Brücke bei Spurverengung.
Bei Fahrbahnverengung: Zusammenstoß beim Spurwechsel wegen Vorfahrtmissachtung bei Reißverschlussverfahren. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am Nachmittag des 21. September 2023, gegen 15:40 Uhr, kam es auf der Bundesstraße B1 in Brandenburg zu einem Verkehrsunfall. Zwei Fahrzeuge waren stadteinwärts unterwegs. Die Straße hatte zunächst zwei Spuren in diese Richtung. Eine Autofahrerin, nennen wir sie Frau F., fuhr mit ihrem Opel Adam auf der linken Spur. Ein anderer Autofahrer, Herr S., befand sich mit seinem Fahrzeug auf der rechten Spur. Kurz vor einer Brücke, die über Bahnschienen führt, gab es eine Baustelle. Wegen dieser Baustelle endete die linke Fahrspur, und der Verkehr musste sich auf die rechte Spur einfädeln. Die erlaubte Geschwindigkeit war dort auf 30 km/h begrenzt. Genau in diesem Bereich, wo die linke Spur aufhörte, stießen die beiden Autos zusammen.

Zwei Fahrer, zwei Geschichten: Wer machte den Fehler?

Wie so oft nach einem Unfall, hatten die Beteiligten unterschiedliche Erinnerungen daran, wie es passiert war. Was musste das Gericht also klären? Es musste herausfinden, wer für den Unfall verantwortlich war und in welchem Umfang.

Die Sicht der Autofahrerin Frau F.: „Er hätte mich reinlassen müssen!“

Frau F. gab an, Herr S. sei etwa zwei Autolängen hinter ihr auf der rechten Spur gefahren. Als sie sah, dass ihre linke Spur endete, setzte sie den Blinker nach rechts, um anzuzeigen, dass sie die Spur wechseln wollte. Sie habe sich mehrmals nach rechts hinten umgesehen und sichergestellt, dass Herr S. weit genug entfernt war, um ihr ein gefahrloses Einscheren zu ermöglichen. Nachdem sie den Spurwechsel angekündigt und sich rückversichert hatte, begann sie, auf die rechte Spur zu ziehen.

Doch dann, so Frau F., passierte etwas Unerwartetes: Herr S. habe plötzlich beschleunigt und versucht, noch rechts an ihr vorbeizukommen, obwohl sie schon mit dem Spurwechsel begonnen hatte. Frau F. war der Meinung, Herr S. hätte seine Geschwindigkeit beibehalten und ihr das Einscheren ermöglichen müssen. Das wäre ohne Probleme möglich gewesen. Seine Beschleunigung sei unnötig gewesen, vor allem weil dort nur 30 km/h erlaubt waren. Sie bestritt, dass die Autos schon auf gleicher Höhe gewesen seien, denn dann hätte sie den Spurwechsel gar nicht erst versucht. Sie glaubte auch nicht, dass Herr S. beschleunigt habe, um einen Unfall zu vermeiden. Vielmehr habe er gegenüber der Polizei ausgesagt, er habe sie zwar gesehen, es aber für nötig gehalten zu beschleunigen, anstatt sie einscheren zu lassen. Durch diese Kollision wurde ihr Opel vorne rechts beschädigt, während das Auto von Herrn S. hinten links getroffen wurde.

Frau F. forderte daher von Herrn S. (dem Fahrer) und dessen Haftpflichtversicherung (der Gesellschaft, die für Schäden aufkommt, die Herr S. mit seinem Auto verursacht) 75 % ihres Schadens ersetzt. Das waren konkret 1.963,96 Euro für die Reparaturkosten (von insgesamt 2.618,61 Euro netto) und 26,25 Euro als allgemeine Unkostenpauschale (eine kleine Summe für Telefonate, Porto etc., von geforderten 35 Euro). Außerdem wollte sie gerichtlich feststellen lassen, dass Herr S. und seine Versicherung ihr auch zukünftig 75 % aller weiteren Schäden an ihrem Auto ersetzen müssen, die noch aus diesem Unfall resultieren könnten.

Die Sicht des Fahrers Herrn S. und seiner Versicherung: „Sie hat sich reingedrängt!“

Herr S. und seine Haftpflichtversicherung sahen den Unfallhergang ganz anders. Herr S. erklärte, er sei auf der rechten Spur gefahren und habe auf der linken Spur zunächst gar kein Auto bemerkt. Erst direkt am Ende der linken Spur habe er das Auto von Frau F. gesehen. Sie sei deutlich schneller gefahren und habe versucht, noch vor dem Ende ihrer Spur an ihm vorbeizukommen und sich vor ihn zu setzen.

Zu diesem Zeitpunkt, so Herr S., seien die Fahrzeuge bereits auf gleicher Höhe gewesen, und es sei kein Platz mehr zum Einscheren gewesen. Frau F. habe ihre Geschwindigkeit und die Situation falsch eingeschätzt. Sie habe kurz vor dem Ende ihrer Spur gebremst und gleichzeitig ihr Auto nach rechts gezogen. In dieser brenzligen Situation habe er, Herr S., tatsächlich beschleunigt – aber nur, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Das sei ihm aber leider nicht mehr gelungen. Er bestritt, beschleunigt zu haben, um Frau F. am Einscheren zu hindern. Er bestritt auch, dass er zwei Autolängen hinter ihr gewesen sei oder dass sie rechtzeitig geblinkt und sich umgesehen habe.

Das Schadensbild – Frau F.s Auto vorne rechts, sein Auto hinten links beschädigt – spreche dafür, dass sein Fahrzeug im Moment des Spurwechsels schon etwas weiter vorne, rechts neben dem Auto von Frau F. gewesen sei. Frau F. hätte ihren Spurwechsel abbrechen und ihn vorbeifahren lassen müssen, um dann die Lücke hinter ihm zu nutzen. Die Regel des sogenannten Reißverschlussverfahrens (ein Begriff aus der Straßenverkehrsordnung, § 7 Absatz 4 StVO, der besagt, dass sich Fahrzeuge bei einer Fahrbahnverengung abwechselnd einordnen sollen, wie die Zähne eines Reißverschlusses) sei zwar ein Gebot, entbinde Frau F. aber nicht von ihrer besonderen Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel. Diese ist in § 7 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung (kurz: StVO) festgelegt und besagt, dass beim Wechseln eines Fahrstreifens eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss. Es spreche ein sogenannter Anscheinsbeweis gegen Frau F. Ein Anscheinsbeweis bedeutet, dass bei typischen Unfallabläufen (wie einem Unfall beim Spurwechsel) zunächst davon ausgegangen wird, dass derjenige, der die typische Gefahrensituation geschaffen hat (hier: die Spurwechslerin), auch den Unfall verursacht hat, solange er nicht das Gegenteil beweisen kann. Daher, so die Argumentation von Herrn S. und seiner Versicherung, sei eine anteilige Haftung ihrerseits nicht gerechtfertigt. Nur für den Fall, dass das Gericht doch eine Mitschuld sehen sollte, hielten sie die geforderte Unkostenpauschale von 35 Euro für zu hoch; höchstens 20 Euro seien angemessen.

Das Gericht nimmt den Fall unter die Lupe: Wie kam es zur Entscheidung?

Um sich ein Bild vom Unfallhergang zu machen, hörte das Amtsgericht Brandenburg an der Havel Frau F. und Herrn S. persönlich an. Zusätzlich wurde eine Zeugin, Frau Jennifer Kühn, vernommen. Auch die Akte der Polizei zum Unfall, die sogenannte Bußgeldakte, wurde herangezogen. Nach Auswertung all dieser Informationen fällte das Gericht sein Urteil.

Das Urteil: Eine geteilte Verantwortung und wer was zahlen muss

Das Gericht entschied, dass Herr S. und seine Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner (das bedeutet, Frau F. kann sich aussuchen, von wem sie das Geld fordert, beide haften gemeinsam für den Betrag) an Frau F. 881,20 Euro zahlen müssen, zuzüglich Zinsen.

Außerdem stellte das Gericht fest, dass Herr S. und seine Versicherung Frau F. auch für zukünftige Schäden an ihrem Auto, die noch aus diesem Unfall entstehen könnten, zu 33,33 % (also zu einem Drittel) aufkommen müssen.
Für die Anwaltskosten, die Frau F. vor dem Gerichtsverfahren entstanden waren, müssen Herr S. und seine Versicherung 220,27 Euro zahlen, ebenfalls mit Zinsen.
Alle weitergehenden Forderungen von Frau F. wies das Gericht ab.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden aufgeteilt: Frau F. muss 56 % der Kosten tragen, Herr S. und seine Versicherung die restlichen 44 %. Warum diese Aufteilung? Weil Frau F. mit ihrer Klage nur teilweise Erfolg hatte.

Die juristische Waage: Warum entschied das Gericht so?

Das Gericht prüfte zunächst, ob es überhaupt zuständig ist – das war der Fall. Die Ansprüche von Frau F. stützen sich auf verschiedene Gesetze, vor allem das Straßenverkehrsgesetz (StVG), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), sowie die Straßenverkehrsordnung (StVO). Aber wie kam das Gericht zu seiner Einschätzung der Schuldfrage?

Keine „höhere Gewalt“ – Unfälle sind leider nicht außergewöhnlich

Zuerst prüfte das Gericht, ob hier ein Fall von höherer Gewalt vorlag (§ 7 Absatz 2 StVG). Höhere Gewalt ist ein juristischer Begriff für ein Ereignis, das so außergewöhnlich und unvorhersehbar ist und von außen kommt (z.B. ein schweres Erdbeben, ein Blitzschlag direkt ins Auto), dass niemand dafür verantwortlich gemacht werden kann. Es muss etwas sein, das auch mit größter Sorgfalt nicht verhindert werden kann und das nicht typisch für den Betrieb eines Fahrzeugs ist. Das Gericht stellte klar: Ein Zusammenstoß zweier Autos im Straßenverkehr, auch bei einer Fahrbahnverengung, ist leider kein seltenes oder unvorhersehbares Ereignis. Es ist Teil der normalen Betriebsgefahr eines Autos. Daher lag hier keine höhere Gewalt vor, weder für Frau F. noch für Herrn S.

Auch kein „unabwendbares Ereignis“ – Hätte ein Idealfahrer den Unfall vermeiden können?

Als Nächstes untersuchte das Gericht, ob der Unfall für einen der beiden Fahrer ein sogenanntes unabwendbares Ereignis war (§ 17 Absatz 3 StVG). Das ist noch strenger als „höhere Gewalt“. Ein unabwendbares Ereignis liegt nur dann vor, wenn der Unfall auch dann passiert wäre, wenn der Fahrer die allergrößte Sorgfalt angewendet hätte, die man sich vorstellen kann – wenn er also wie ein absoluter „Idealfahrer“ reagiert hätte: extrem umsichtig, geistesgegenwärtig und erfahren. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass keiner der beiden Fahrer beweisen konnte, dass der Unfall für ihn unabwendbar war. Es war wahrscheinlich, so das Gericht, dass ein besonders vorsichtiger und reaktionsschneller Fahrer den Unfall hätte vermeiden können, entweder durch andere Fahrmanöver oder indem er bestimmte Handlungen unterlassen hätte.

Die große Frage der Schuld: Wer hat wie viel beigetragen?

Da weder höhere Gewalt noch ein unabwendbares Ereignis vorlagen, musste das Gericht die Verursachungs- und Verschuldensanteile der beiden Fahrer gegeneinander abwägen. Das bedeutet, es musste entscheiden, wer wie viel zum Unfall beigetragen hat. Nach dieser Abwägung kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass Herr S. und seine Versicherung zu einem Drittel (33,33 %) für den Schaden von Frau F. haften müssen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Frau F. muss zwei Drittel (66,67 %) ihres eigenen Schadens selbst tragen.

Warum diese Verteilung? Das Gericht hat dies in der Urteilsbegründung nicht bis ins letzte Detail aufgeschlüsselt, aber es lässt sich aus den allgemeinen Regeln und der Entscheidung ableiten: Frau F. als diejenige, die die Spur wechseln wollte, trug eine hohe Verantwortung. § 7 Absatz 5 StVO verlangt, dass beim Spurwechsel jede Gefährdung anderer ausgeschlossen sein muss. Wer die Spur wechselt, muss besonders vorsichtig sein. Oft spricht, wie von den Beklagten angeführt, ein Anscheinsbeweis gegen den Spurwechsler, wenn es kracht. Das Gericht sah hier offenbar den Hauptverstoß bei Frau F.

Andererseits wurde auch Herr S. nicht als völlig schuldlos angesehen. Seine Haftung von einem Drittel deutet darauf hin, dass das Gericht auch ihm ein fehlerhaftes Verhalten zur Last legte. Vielleicht hat er die Situation nicht richtig eingeschätzt, war unaufmerksam oder hat tatsächlich, wie von Frau F. behauptet, in einer Weise beschleunigt, die zum Unfall beitrug, anstatt ihn zu verhindern. Das Reißverschlussverfahren nach § 7 Abs. 4 StVO verlangt gegenseitige Rücksichtnahme, auch wenn es die Sorgfaltspflichten des Spurwechslers nicht aufhebt.

Die Berechnung des Schadens: Was wurde anerkannt?

Die reinen Reparaturkosten für Frau F.s Auto wurden mit 2.618,61 Euro netto anerkannt. Bei der allgemeinen Unkostenpauschale folgte das Gericht nicht ganz der Forderung von Frau F. (35 Euro), sondern setzte, wie es oft üblich ist, einen etwas niedrigeren Betrag von 25 Euro an. Der Gesamtschaden von Frau F. belief sich somit auf 2.643,61 Euro. Davon mussten Herr S. und seine Versicherung ein Drittel ersetzen, also 881,20 Euro.

Blick in die Zukunft: Was ist mit möglichen Folgeschäden?

Frau F. wollte auch festgestellt haben, dass die Gegenseite für zukünftige Schäden aufkommen muss. Ein solches Feststellungsinteresse (das Interesse daran, eine zukünftige Ersatzpflicht gerichtlich bestätigen zu lassen) wurde vom Gericht bejaht – ebenfalls in Höhe von einem Drittel. Warum? Weil bei einer Autoreparatur manchmal erst später weitere Schäden sichtbar werden, oder weil Kosten für Mehrwertsteuer oder einen Mietwagen während der Reparatur anfallen könnten.

Die Kosten des Streits: Wer zahlt die Anwälte und das Gericht?

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits richtet sich danach, wer wie viel „gewonnen“ oder „verloren“ hat (§ 92 Absatz 1 der Zivilprozessordnung – ZPO, das ist das Gesetzbuch, das die Regeln für Gerichtsverfahren in Zivilsachen festlegt). Frau F. hatte ursprünglich rund 1.990 Euro Schadenersatz und rund 280 Euro Anwaltskosten gefordert. Zugesprochen bekam sie 881,20 Euro Schadenersatz und rund 220 Euro Anwaltskosten. Sie hat also nur zu etwa 44 % gewonnen. Deshalb muss sie 56 % der gesamten Prozesskosten (Gerichtsgebühren und Anwaltskosten beider Seiten) tragen, und die Beklagten (Herr S. und seine Versicherung) die restlichen 44 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, Frau F. könnte versuchen, das zugesprochene Geld von den Beklagten zu erhalten, auch wenn diese vielleicht noch Berufung einlegen wollen. Die Beklagten können dies aber verhindern, indem sie eine Sicherheit (z.B. eine Geldsumme) hinterlegen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Gericht machte deutlich, dass bei Spurwechseln aufgrund von Fahrbahnverengungen beide Autofahrer eine Mitverantwortung tragen können, auch wenn der Spurwechsler die Hauptschuld trägt. Die Autofahrerin, die von der endenden linken Spur nach rechts wechseln musste, wurde zu zwei Dritteln für schuldig befunden, weil sie beim Spurwechsel nicht ausreichend vorsichtig war – der andere Fahrer musste dennoch ein Drittel des Schadens übernehmen, da auch er durch sein Verhalten zum Unfall beitrug. Das bedeutet für Autofahrer: Wer die Spur wechselt, muss extrem vorsichtig sein und darf andere nicht gefährden, aber auch derjenige, der auf der durchgehenden Spur fährt, muss Rücksicht nehmen und darf nicht absichtlich das Einscheren verhindern. Bei Baustellen und Fahrbahnverengungen gilt das Reißverschlussverfahren, das gegenseitige Rücksichtnahme erfordert, auch wenn es die besonderen Sorgfaltspflichten beim Spurwechsel nicht aufhebt.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer trägt die Hauptschuld bei einem Unfall während eines Spurwechsels?

Bei einem Unfall während eines Spurwechsels, also wenn ein Fahrzeug den Fahrstreifen wechselt, trägt in den meisten Fällen der Fahrer, der die Spur wechselt, die Hauptverantwortung für den Unfall. Dies beruht auf einer besonderen Sorgfaltspflicht, die das Gesetz für diese Verkehrssituation vorschreibt.

Besondere Sorgfaltspflicht des Spurwechslers

Das deutsche Verkehrsrecht legt in § 7 Absatz 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) fest, dass der Fahrer, der den Fahrstreifen wechseln möchte, besondere Vorsicht walten lassen muss. Er darf andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden. Dies bedeutet, dass der Spurwechsler sicherstellen muss, dass der beabsichtigte Wechsel gefahrlos möglich ist. Das umfasst das gründliche Schulterblick und die Einschätzung der Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge.

Der „Anscheinsbeweis“ gegen den Spurwechsler

In der Praxis spricht bei einem Unfall während eines Spurwechsels oft der sogenannte Anscheinsbeweis gegen den Spurwechsler. Ein Anscheinsbeweis ist eine Art „erster Eindruck“ oder eine typische Lebenserfahrung. Wenn sich ein Unfall ereignet, während ein Fahrzeug die Spur wechselt, deutet die Erfahrung häufig darauf hin, dass der Spurwechsler seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Es wird also zunächst davon ausgegangen, dass der Spurwechsler den Unfall verursacht hat, weil er die besondere Vorsicht nicht beachtet hat. Diese Annahme kann zwar widerlegt werden, erfordert aber einen klaren Nachweis des Spurwechslers, dass er trotz aller Sorgfalt den Unfall nicht verhindern konnte oder der andere Fahrer den Unfall verursacht hat.

Mögliche Mitschuld des anderen Fahrers

Obwohl die Hauptverantwortung meist beim Spurwechsler liegt, ist es wichtig zu wissen, dass auch der andere beteiligte Fahrer eine Mitschuld tragen kann. Dies ist der Fall, wenn der andere Fahrer durch eigenes Fehlverhalten den Unfall mitverursacht hat. Beispiele für eine mögliche Mitschuld des anderen Fahrers sind:

  • Unangemessenes Beschleunigen: Wenn der andere Fahrer plötzlich stark beschleunigt, um den Spurwechsel zu verhindern, obwohl er ihn hätte zulassen können.
  • Mangelnde Rücksichtnahme: Wenn der andere Fahrer nicht aufmerksam war oder die Situation nicht angemessen beurteilt hat.
  • Überhöhte Geschwindigkeit: Fährt das andere Fahrzeug deutlich zu schnell, kann dies ebenfalls zu einer Mitschuld führen, da es die Reaktion des Spurwechslers erschwert oder unmöglich macht.

Für Sie bedeutet das, dass stets alle Umstände des Einzelfalls genau betrachtet werden. Auch wenn die primäre Verantwortung gesetzlich dem Spurwechsler zugeschrieben wird, kann das konkrete Verhalten aller Beteiligten entscheidend für die genaue Verteilung der Schuld und damit der finanziellen Folgen sein.


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Welche Bedeutung hat das Reißverschlussverfahren bei Fahrbahnverengungen für die Schuldfrage?

Das Reißverschlussverfahren ist eine Regelung im Straßenverkehr, die bei Fahrbahnverengungen oder dem Ende eines Fahrstreifens zur Anwendung kommt. Es soll den Verkehrsfluss fördern und Staus vermeiden. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 7 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Diese Vorschrift besagt, dass Verkehrsteilnehmer auf dem endenden Fahrstreifen erst unmittelbar vor Beginn der Engstelle einfahren müssen. Die Fahrzeuge auf dem durchgehenden Fahrstreifen müssen dies ermöglichen, indem sie jeweils ein Fahrzeug aus dem endenden Fahrstreifen einfahren lassen. Es ist also ein Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Reißverschlussverfahren und Sorgfaltspflicht

Das Reißverschlussverfahren ist kein Freifahrtschein für rücksichtsloses Einscheren. Für Sie als Fahrer bedeutet das:

  • Für den Spurwechsler (Fahrzeug auf dem endenden Fahrstreifen): Auch wenn die anderen Fahrer Sie einfädeln lassen müssen, tragen Sie beim Spurwechsel weiterhin eine besondere Sorgfaltspflicht. Das bedeutet, Sie müssen sich vergewissern, dass Ihr Einfädeln sicher ist und niemand gefährdet oder wesentlich behindert wird. Ein Blinker muss gesetzt werden, und der Abstand zum vorderen Fahrzeug muss ausreichend sein. Sie dürfen sich nicht einfach „hineindrängen“.
  • Für den Fahrer auf dem durchgehenden Fahrstreifen: Sie sind verpflichtet, Fahrzeugen, die sich ordnungsgemäß nach dem Reißverschlussverfahren nähern, das Einfädeln zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass Sie gegebenenfalls langsamer fahren oder eine Lücke freilassen müssen, um ein Fahrzeug aus dem endenden Fahrstreifen einzulassen.

Auswirkungen auf die Schuldfrage bei einem Unfall

Kommt es trotz des Reißverschlussverfahrens zu einem Unfall, ist die Schuldfrage oft komplex und hängt von den genauen Umständen ab:

  • Primäre Verantwortung des Spurwechslers: Grundsätzlich trägt derjenige, der die Spur wechselt (also einfädelt), die primäre Verantwortung dafür, dass dieser Vorgang gefahrlos geschieht. Wenn ein Unfall passiert, weil der Spurwechsler zu früh, zu schnell oder ohne ausreichenden Sicherheitsabstand einfädelt, liegt die Hauptschuld meist bei ihm.
  • Mitschuld des anderen Fahrers möglich: Eine Mitschuld des Fahrers auf dem durchgehenden Fahrstreifen ist jedoch möglich, wenn dieser die Einfahrt eines anderen Fahrzeugs mutwillig verhindert oder selbst grob rücksichtslos handelt (z.B. durch zu dichtes Auffahren, um Lücken zu schließen, oder durch starkes Beschleunigen, um das Einfädeln zu verhindern).
  • Gesamtwürdigung der Umstände: Die Gerichte berücksichtigen bei der Schuldfrage immer die spezifischen Gegebenheiten des Unfalls. Dazu gehören Aspekte wie die gefahrene Geschwindigkeit, die Blinkernutzung, der Zeitpunkt des Spurwechsels, der Abstand der Fahrzeuge zueinander und mögliche Bremsmanöver. Es wird genau geprüft, wer gegen welche Pflichten verstoßen hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Reißverschlussverfahren ein Gebot der Höflichkeit und des Verkehrsflusses ist, das auf gegenseitiger Rücksichtnahme basiert. Es entbindet aber niemanden von der allgemeinen Pflicht, vorsichtig und vorausschauend zu fahren und einen Unfall zu vermeiden. Die Einhaltung des Reißverschlussverfahrens durch beide Seiten ist entscheidend, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.


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Was bedeutet eine Teilschuld nach einem Verkehrsunfall für meine Ansprüche und Kosten?

Eine Teilschuld nach einem Verkehrsunfall bedeutet, dass Sie und die andere beteiligte Partei jeweils einen Anteil am Zustandekommen des Unfalls tragen. Es handelt sich nicht um eine alleinige Schuld einer Partei, sondern um eine Verteilung der Verantwortlichkeiten. Diese Verteilung wird in Prozentanteilen ausgedrückt, beispielsweise 70 % zu 30 % oder 50 % zu 50 %.

Auswirkungen auf Ihre eigenen Schadenersatzansprüche

Wenn Ihnen eine Teilschuld am Unfall zugesprochen wird, erhalten Sie Ihren eigenen Schaden nur anteilig ersetzt. Die Höhe des Ihnen zustehenden Schadenersatzes richtet sich nach dem Anteil der Schuld, den die Gegenseite trägt.

  • Beispiel: Angenommen, Ihr Schaden beträgt 10.000 Euro und die Teilschuld wird zu 30 % Ihnen und zu 70 % der anderen Partei zugerechnet. In diesem Fall erhalten Sie von der gegnerischen Versicherung 70 % Ihres Schadens, also 7.000 Euro. Die restlichen 30 % Ihres Schadens (3.000 Euro) müssen Sie selbst tragen. Dies betrifft alle Arten von Schäden, wie beispielsweise Reparaturkosten für Ihr Fahrzeug, Wertminderung, Nutzungsausfall oder auch Schmerzensgeld.

Auswirkungen auf Ihre Haftung für den Schaden der Gegenseite

Umgekehrt haften Sie auch für den Schaden der anderen Partei, und zwar in Höhe Ihres eigenen Teilschuldanteils.

  • Beispiel: Bleiben wir bei dem Szenario einer 30 %igen Teilschuld Ihrerseits. Wenn der Schaden der Gegenseite ebenfalls 10.000 Euro beträgt, müssen Sie oder Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung 30 % davon, also 3.000 Euro, an die andere Partei zahlen. Die restlichen 70 % des Schadens trägt die gegnerische Versicherung.

Auswirkungen auf Ihre Kosten (Anwalts- und Gerichtskosten)

Die Kosten, die im Zusammenhang mit der Schadenregulierung entstehen, werden ebenfalls anteilig nach der festgestellten Teilschuld verteilt.

  • Anwaltskosten: Wenn Sie einen Anwalt beauftragen, werden dessen Kosten von der gegnerischen Versicherung nur in dem Maße übernommen, wie die Gegenseite am Unfall schuld ist. Wenn Sie beispielsweise eine Teilschuld von 30 % tragen, müssen Sie auch 30 % der Anwaltskosten selbst bezahlen.
  • Gerichtskosten: Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, weil keine Einigung erzielt werden kann, werden die Gerichtskosten und die Kosten der gegnerischen Partei ebenfalls nach dem Teilschuldanteil verteilt. Tragen Sie eine Teilschuld von 30 %, müssen Sie auch 30 % der Gerichtskosten und 30 % der gegnerischen Anwaltskosten tragen.

Zusammenfassend bedeutet eine Teilschuld, dass Sie einen Teil Ihres eigenen Schadens selbst tragen und auch einen Teil des Schadens der Gegenseite sowie die damit verbundenen Kosten mitbezahlen müssen. Es ist eine Aufteilung der finanziellen Last basierend auf der jeweiligen Verantwortlichkeit am Unfallgeschehen.


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Welche Beweise sind wichtig, um den Hergang eines Spurwechselunfalls zu klären?

Für die Klärung des genauen Ablaufs und der Verantwortlichkeiten bei einem Spurwechselunfall spielen gesicherte Beweise eine entscheidende Rolle. Sie sind die Grundlage, um den Hergang nachvollziehbar darzustellen und verschiedene Positionen zu belegen.

Sicherung von Informationen direkt am Unfallort

Unmittelbar nach einem Spurwechselunfall ist es wichtig, die Situation zu erfassen, bevor sich Gegebenheiten ändern. Für die spätere Klärung des Unfallhergangs sind insbesondere unverzüglich gesammelte Informationen wertvoll. Dazu gehören das genaue Datum und die Uhrzeit des Unfalls, der Ort sowie die beteiligten Personen und Fahrzeuge.

Schlüsselbeweismittel für die Rekonstruktion

Für die Klärung, wie sich der Unfall ereignet hat, sind verschiedene Arten von Beweismitteln von Bedeutung:

  • Fotos und Videos: Bilder vom Unfallort sind besonders aussagekräftig. Sie sollten die Endpositionen der Fahrzeuge, die Schäden an beiden beteiligten Fahrzeugen, die Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschilder, Ampeln und die allgemeine Umgebung festhalten. Auch Bremsspuren, Trümmerteile und die Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt können auf Fotos dokumentiert werden. Solche visuellen Beweise geben Aufschluss über den Kollisionspunkt und die Bewegungsrichtungen.
  • Zeugenaussagen: Unabhängige Personen, die den Unfall beobachtet haben, können eine neutrale Perspektive auf das Geschehen bieten. Es ist wichtig, ihre Kontaktdaten (Name, Adresse, Telefonnummer) zu notieren. Die Glaubwürdigkeit und Präzision einer Zeugenaussage kann entscheidend sein, um die tatsächlichen Abläufe zu rekonstruieren.
  • Polizeiliche Aufnahme: Wenn die Polizei den Unfall aufnimmt, wird sie die Fakten vor Ort festhalten und ein Polizeiprotokoll erstellen. Dieses Dokument enthält wichtige Details zum Unfallhergang, zu den beteiligten Fahrzeugen und Personen sowie möglicherweise erste Einschätzungen der Beamten. Obwohl das Protokoll keine Schuldzuweisung vornimmt, bildet es oft eine Grundlage für weitere Ermittlungen und die spätere Schadensregulierung.
  • Unfallskizze: Eine eigene, detaillierte Skizze des Unfallortes mit den Positionen der Fahrzeuge, Fahrtrichtungen, Fahrbahnmarkierungen und wichtigen Referenzpunkten (z.B. Laternen, Häuser) kann helfen, den Hergang bildlich zu untermauern.
  • Fahrzeugschäden: Das Schadenbild an den beteiligten Fahrzeugen selbst ist ein wichtiger Indikator für den Kollisionswinkel und die Art der Berührung. Fachleute können aus der Art und Position der Schäden Rückschlüsse auf die Kollisionsdynamik ziehen.
  • Sachverständigengutachten: In komplexeren Fällen oder bei widersprüchlichen Angaben kann ein Sachverständigengutachten notwendig werden. Ein unabhängiger Gutachter analysiert die Spuren am Unfallort und an den Fahrzeugen, um den genauen Unfallhergang wissenschaftlich zu rekonstruieren. Die Ergebnisse solcher Gutachten sind oft von großer Bedeutung für die Klärung der Verantwortlichkeiten.

Das sorgfältige Sammeln und Sichern dieser Beweismittel unmittelbar nach einem Spurwechselunfall ist entscheidend. Sie dienen dazu, die tatsächlichen Abläufe objektiv zu belegen und die eigene Darstellung des Geschehens im Falle einer Auseinandersetzung zu stärken.


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Wie gehe ich vor, wenn ich in einen Spurwechselunfall verwickelt bin und meine Rechte wahren möchte?

Nach einem Spurwechselunfall ist es von großer Bedeutung, besonnen und strukturiert vorzugehen, um die eigenen Interessen zu schützen und eine korrekte Schadensregulierung zu ermöglichen. Wenn Sie in einen solchen Unfall verwickelt sind, sind bestimmte allgemeine Schritte hilfreich.

Unmittelbare Schritte an der Unfallstelle

Zunächst ist es wichtig, die Unfallstelle zu sichern, um weitere Gefahren zu vermeiden. Dazu gehören das Einschalten der Warnblinkanlage und das Aufstellen eines Warndreiecks. Sorgen Sie falls nötig für Erste Hilfe. Die Dokumentation des Unfallhergangs und der Schäden ist entscheidend. Dies beinhaltet:

  • Beweissicherung: Machen Sie aussagekräftige Fotos vom Unfallort, den beteiligten Fahrzeugen (Schäden, Kennzeichen, Positionen), der Fahrbahn und der Umgebung (z.B. Verkehrszeichen, Straßenverhältnisse).
  • Datenaustausch: Notieren Sie die Kontaktdaten des Unfallgegners (Name, Anschrift), dessen Versicherungsdaten (Versicherungsgesellschaft, Versicherungsnummer) sowie das Kennzeichen des Fahrzeugs.
  • Zeugen: Wenn es Zeugen gab, bitten Sie diese um ihre Kontaktdaten.
  • Unfallbericht: Erstellen Sie idealerweise noch an der Unfallstelle einen kurzen Unfallbericht, der den Hergang aus Ihrer Sicht schildert. Unterschreiben Sie keine Dokumente, deren Inhalt Sie nicht vollständig verstehen oder die eine Schuldanerkennung darstellen könnten.
  • Polizei: Bei Personenschäden, erheblichem Sachschaden oder wenn die Schuldfrage unklar ist, sollte die Polizei hinzugezogen werden, um den Unfall aufzunehmen.

Meldung an die Versicherungen

Melden Sie den Unfall unverzüglich Ihrer eigenen Kfz-Versicherung, selbst wenn Sie sich nicht als Verursacher sehen. Dies ist eine vertragliche Obliegenheit. Die Fristen hierfür sind in den Versicherungsbedingungen festgelegt und sollten unbedingt eingehalten werden, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Wenn der Unfallgegner mutmaßlich die Schuld trägt, wird dessen Haftpflichtversicherung für Ihren Schaden aufkommen. Sie können den Schaden auch direkt bei der Versicherung des Unfallgegners melden, sobald Ihnen deren Daten bekannt sind.

Schadenfeststellung und weitere Kommunikation

Um den Schaden an Ihrem Fahrzeug festzustellen, können Sie in der Regel einen Kostenvoranschlag einer Werkstatt einholen. Bei größeren Schäden ist die Beauftragung eines unabhängigen Kfz-Sachverständigen sinnvoll. Die Kosten für ein Sachverständigengutachten müssen bei eindeutiger Haftung der Gegenseite von deren Versicherung übernommen werden. Dieses Gutachten dient als fundierte Grundlage für die Schadensregulierung.

Die Kommunikation mit der gegnerischen Versicherung sollte stets sachlich und faktenbasiert erfolgen. Übermitteln Sie alle gesammelten Beweise und das Sachverständigengutachten oder den Kostenvoranschlag. Lassen Sie sich nicht zu übereilten Entscheidungen drängen und bestehen Sie auf der vollständigen Regulierung Ihres Schadens. Dazu gehören nicht nur die Reparaturkosten, sondern gegebenenfalls auch ein eventueller Wertverlust des Fahrzeugs, Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Reißverschlussverfahren

Das Reißverschlussverfahren ist eine Verkehrsregel gemäß § 7 Absatz 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO), die bei Fahrbahnverengungen oder dem Ende eines Fahrstreifens gilt. Es besagt, dass Fahrzeuge vom endenden Fahrstreifen erst unmittelbar vor der Engstelle einfahren dürfen und die Fahrzeuge auf dem durchgehenden Fahrstreifen diese Fahrzeuge abwechselnd in den Verkehrsfluss einlassen müssen – ähnlich wie die Zähne eines Reißverschlusses ineinandergreifen. Ziel ist es, den Verkehrsfluss zu verbessern und St zu vermeiden. Trotz dieser Regel bleibt die besondere Sorgfaltspflicht des Spurwechslers bestehen, das heißt, er muss den Wechsel gefahrlos durchführen.

Beispiel: Wenn bei einer Baustelle auf der Autobahn die linke Spur endet, fahren Autos von der linken Spur abwechselnd in Lücken auf der rechten Spur ein, ohne dabei andere zu gefährden.


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Anscheinsbeweis

Ein Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung im Schadensfall, die auf typischer Lebenserfahrung basiert. Bei einem Unfall, der häufig auf ein bestimmtes Verhalten zurückzuführen ist, wird zunächst vermutet, dass die Person, deren Verhalten typischerweise zu diesem Unfall führt, auch tatsächlich schuldhaft gehandelt hat – bis das Gegenteil bewiesen wird. Im Fall eines Spurwechselunfalls bedeutet das, dass üblicherweise angenommen wird, der Spurwechsler habe die Sorgfaltspflicht verletzt und den Unfall verursacht, sofern er nicht nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft.

Beispiel: Passiert ein Unfall beim Spurwechsel, wird vermutet, dass der Wechselnde schuldhaft handelte, es sei denn, er kann durch Fakten zeigen, dass der andere Fahrer den Unfall verursacht hat.


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Besondere Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO)

Die besondere Sorgfaltspflicht des Spurwechslers ist eine gesetzliche Vorschrift, die bestimmt, dass der Fahrer, der die Fahrspur wechseln will, sicherstellen muss, dass dieser Wechsel ohne Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer erfolgt. Dies umfasst eine sorgfältige Beobachtung der Umgebung, beispielsweise durch Schulterblick, Setzen des Blinkers und Einschätzung der Geschwindigkeit und des Abstands anderer Fahrzeuge. Wer diese Pflicht missachtet und dadurch einen Unfall verursacht, haftet für den entstandenen Schaden.

Beispiel: Wenn Sie auf der Autobahn die Spur wechseln wollen, müssen Sie vorher kontrollieren, ob rechts genug Platz und Zeit ist, bevor Sie einfädeln.


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Unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 StVG)

Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn ein Unfall trotz Anwendung aller äußersten möglichen Sorgfalt und Vorsicht nicht zu vermeiden war – also selbst ein „Idealfahrer“ hätte ihn nicht verhindern können. Es ist die strengste Form der Entlastung von der Haftung im Straßenverkehr. Das Ereignis muss so außergewöhnlich sein, dass es auch durch perfekte Fahrweise nicht vermieden werden kann. Kann dies nicht nachgewiesen werden, haftet der Fahrer grundsätzlich für den Schaden.

Beispiel: Ein plötzlich auftauchender Stein, der unvorhersehbar in die Fahrbahn rollt und einen Unfall verursacht, könnte als unabwendbares Ereignis gelten.


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Teilschuld (anteilige Haftung)

Teilschuld bedeutet, dass zwei oder mehr Parteien jeweils einen bestimmten Anteil an der Verantwortung für einen Unfall tragen. Die Haftung für daraus entstandene Schäden und Kosten wird entsprechend aufgeteilt. Hat eine Partei beispielsweise 30 % Schuld, erhält sie auch nur 70 % ihres Schadenersatzes von der Gegenseite und muss 30 % ihres Schadens selbst tragen. Diese Aufteilung gilt ebenso für Anwalts- und Gerichtskosten.

Beispiel: Sie fahren bei einem Spurwechselunfall zu 40 % mitverschuldet, dann zahlt die andere Partei nur 60 % Ihres Schadens, und Sie müssen 40 % selbst übernehmen. Zudem tragen Sie 40 % der Prozesskosten.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Absatz 5 Straßenverkehrsordnung (StVO): Diese Vorschrift regelt die besonderen Sorgfaltspflichten beim Spurwechsel und verlangt, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss. Wer die Spur wechselt, trägt eine erhöhte Verantwortung für die Verkehrssicherheit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau F. muss beweisen, dass sie beim Spurwechsel keine Gefahr geschaffen hat; das Gericht sieht darin eine Hauptschuld bei ihr, weil sie den Einschervorgang nicht gefahrlos beenden konnte.
  • § 7 Absatz 4 StVO (Reißverschlussverfahren): Diese Vorschrift schreibt vor, dass sich Fahrzeuge bei Fahrbahnverengungen abwechselnd einordnen sollen, um einen geordneten Verkehrsfluss zu gewährleisten. Sie begründet eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht, aber entbindet nicht von der Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr S. hatte zwar das Recht, sich wie vorgesehen einzufädeln, muss aber auch Rücksicht auf Frau F. nehmen; das Gericht bewertet sein Verhalten als teilweise schuldhaft, da er möglicherweise beschleunigt hat, statt sie einzufädeln zu lassen.
  • Anscheinsbeweis beim Spurwechsel-Unfall: Dies ist eine Beweisregel, die zunächst vermutet, dass die Person schuldhaft handelt, die die typische Gefahrensituation verursacht hat – hier die Spurwechslerin – sofern sie nicht das Gegenteil beweist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sieht, gestützt auf das Unfallbild und die Zeugenaussagen, dass Frau F. die typische Unfallursache gesetzt hat, weshalb sie eine größere Mitschuld trifft, es aber auch eine Beteiligung von Herrn S. gab.
  • § 7 Absatz 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – Höhere Gewalt: Dieser Paragraph definiert höhere Gewalt als ein außergewöhnliches, von außen kommendes Ereignis, das weder vorhersehbar noch vermeidbar ist, woran kein Verschulden liegt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellt klar, dass der Unfall keine höhere Gewalt darstellt, da Unfälle beim Spurwechsel und Fahrbahnverengungen Teil der normalen Betriebsgefahr sind.
  • § 17 Absatz 3 StVG – Unabwendbares Ereignis: Hier wird geprüft, ob ein Unfall trotz größter Sorgfalt eines idealen Fahrers nicht hätte vermieden werden können, was die Haftung beeinflussen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Keiner der Fahrer konnte beweisen, dass der Unfall unabwendbar war, weshalb beide sich an der Schadensverantwortung beteiligen müssen.
  • § 92 Absatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Kostenverteilung im Zivilprozess, wonach die Kosten nach dem Verhältnis des Erfolgs im Prozess verteilt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da Frau F. nur teilweise Recht bekam, muss sie den größeren Anteil der Prozesskosten tragen, während Herr S. und seine Versicherung den kleineren Anteil übernehmen.

Das vorliegende Urteil


AG Brandenburg – Az.: 33 C 53/24 – Urteil vom 22.05.2025


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