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Urlaubsanspruch bei Verjährung – Das sagt das EuGH

Arbeitsrecht: Was Sie über die Verjährung Ihres Urlaubsanspruchs wissen sollten.

Der EU-Gerichtshof stärkt der Urlaubsanspruch bei Verfall und Verjährung. Lesen Sie hier, was das für Arbeitnehmer bedeutet. Immer mehr Menschen in Deutschland verzichten freiwillig oder unfreiwillig auf zustehende Urlaubstage. Dabei ist Urlaub wichtig für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Der EU-Gerichtshof hat nun entschieden, dass Arbeitnehmer auch dann noch Anspruch auf ihren Urlaub haben wenn dieser schon verjährt ist. Diese Feststellung des EuGH ist ein Sieg für Arbeitnehmerrechte und stärkt die Position der Beschäftigten im Kampf um ihre Urlaubsansprüche, weil sie ihren Anspruch auf Urlaub vor der Verjährung nicht mehr geltend machen konnten.

Urlaubsanspruch bei Verjährung
Urlaubsansprüche können nicht einfach so verfallen. Aber was ist, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub länger als 3 Jahre nicht genommen hat? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat festgestellt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in diesen Fällen aufklären muss. (Symbolfoto: DesignRage/Shutterstock.com)

Der Umstand, dass ein Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern eine Hinweispflicht auf die Gefahr des möglichen Urlaubsverfalls von denjenigen Urlaubstagen, die von dem Arbeitnehmer bis dato noch nicht in Anspruch genommen wurden, hinweisen muss, ist rechtlich bereits vollständig anerkannt.

Unterlässt der Arbeitgeber diesen Hinweis an den Arbeitnehmer wird damit der Urlaubsverfall außer Kraft gesetzt. Die endgültige Verjährungsfrist von drei Jahren, nach denen der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers für eben jene Urlaubstage trotz des erfolgten Hinweises des Arbeitgebers eintritt, wurde bis dato jedoch schlichtweg ignoriert. Mit der Frage, ob diese endgültige Verjährungsfrist von 3 Jahre der aktuellen Rechtsprechung entspricht, hat sich nunmehr jedoch der Europäische Gerichtshof beschäftigen müssen. Der EuGH hat diesbezüglich jedoch eine klare Rechtsposition eingenommen und klargestellt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Erholungsurlaub auch nach 3 Jahren nicht automatisch verjährt. Dies ist jedoch abhängig davon, ob der Arbeitnehmer innerhalb dieser drei Jahre dazu in der Lage gewesen ist, den Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen.

Der zugrundeliegende Fall

Der Entscheidung des EuGH ging eine Klage einer Arbeitnehmerin voraus, welche im Zeitraum von 1996 – 2017 als Steuerfachangestellte sowie Buchhalterin für ihren Arbeitgeber in einer entsprechenden Kanzlei tätig gewesen ist. Diese Arbeitnehmerin forderte von ihrem Arbeitgeber eine Erstattung der knapp 100 Urlaubstage aus dem Beschäftigungszeitraum 2013 – 2017, da die Arbeitnehmerin in eben jener Zeitspanne für mehrere Jahre ihren Urlaubsanspruch nicht vollends in Anspruch nehmen konnte. Ihr Arbeitgeber nahm gem. §§ 194 sowie 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Einrede der Verjährung vor und begründete dies damit, dass die endgültige Verjährungsfrist gem. dieser Paragrafen für den Urlaubsanspruch 3 Jahre beträgt. Die Verjährungsfrist startet mit dem Ende desjenigen Jahres, in welchem der Urlaubsanspruch für die Arbeitnehmerin entstanden ist. Zunächst lag der Fall dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Entscheidung vor.

Verfällt der Anspruch in der gegebenen Fallkonstellation?

Das BAG äußerte jedoch die rechtliche Ansicht, dass der Urlaubsanspruch von der Arbeitnehmerin für den Zeitraum von 2013 – 2016 nicht als erloschen anzusehen ist. Begründet wurde diese Ansicht damit, dass die Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber in eine Ausgangslage versetzt wurde, aus welcher heraus sie ihren Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub nicht in der dafür vorgesehen Zeit hätte wahrnehmen können. Die Begründung des Bundesarbeitsgerichtes Das Bundesarbeitsgericht hat sein Urteil auf ein bereits bestehendes Urteil von dem EuGH gestützt, welches am 06. November 2018 gefällt wurde. In diesem Urteil (Aktenzeichen Rs. C-684/16) macht der Europäische Gerichtshof deutlich, dass seitens des Arbeitgebers eine Hinweispflicht gegenüber dem Arbeitnehmer besteht, wenn der Urlaubsanspruch droht zu verjähren.

Hierbei handelt es sich um eine zwingende Vorgabe, welche auch von dem Bundesarbeitsgericht in die ständige Rechtsprechung übernommen wurde (vgl. BAG 19. Februar 2019, Aktenzeichen 9 AZR 541/15). Der Grund, warum in dem vorliegenden Fall das BAG entsprechende Zweifel an der Verjährung des Urlaubsanspruchs binnen des Zeitraums von 3 Jahren sowie der Urlaubsabgeltung äußerte, ist nahezu identisch mit der vorangegangen ständigen Rechtsprechung. Um diese rechtliche Frage in dem vorliegenden Fall jedoch endgültig zu klären, wurde der Fall zur Klärung an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht (vgl. BAG v. 29. September 2020, Aktenzeichen 9 AZR 266/20 (A)).

Die Position des EuGH

Zunächst wurde vom Europäischen Gerichtshof die Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit dem Schutz der Arbeitnehmer auf Erholungsurlaub benannt. Hierbei handelt es sich um den Artikel 7 der vom Europäischen Parlament festgelegten Richtlinie 2003/88/EG sowie dem Artikel 31 Abs. 2 der festgelegten Charta der EU für Grundrechte. Gem. Artikel 7 Abs. 1 sind sämtliche EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Arbeitszeitrichtlinie durch sämtliche hierfür erforderlichen Maßnahmen zu schützen und dadurch sicherzustellen, dass jeder Arbeitnehmer den Mindestjahresurlaub auf bezahlter Basis für einen Zeitraum von 4 Wochen auch tatsächlich bekommt. Die Charta der EU für Grundrechte besagt, dass jeder Arbeitnehmer ein Recht auf die Höchstarbeitszeitbegrenzung sowie tägliche / wöchentliche Ruhezeiten nebst Jahresurlaub auf bezahlter Basis hat. Im Vergleich zu der Verjährung des Urlaubsanspruchs hat der Schutz des Urlaubsanspruchs Vorrang! Die von dem EuGH zitierten rechtlichen Grundlagen besagen, dass der Schutz des Urlaubsanspruchs und die Verjährung eben jener erworbenen Urlaubsansprüche nach drei Jahren miteinander kollidieren. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber auch tatsächlich in eine Lage versetzt wurde, den eigenen Urlaubsanspruch wahrnehmen zu können.

Kein Hinweis des Arbeitgebers auf die drohende Verjährung

Kommt ein Arbeitgeber dieser Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht nach, so tritt auch keine automatische Verjährung des Urlaubsanspruchs nach drei Jahren ein. Der EuGH betonte zwar, dass Arbeitgeber ebenfalls ein durchaus berechtigtes Interesse haben, nach einem Zeitraum von 3 Jahren noch mit nicht wahrgenommenen Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer konfrontiert zu werden, allerdings hat der Schutz des Anspruchs auf Urlaub Vorrang gegenüber der Verjährung. Eine entsprechende Vergütung der Ansprüche müsse dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer seine Ansprüche nicht hätte wahrnehmen können.

Die Auswirkungen für die gängige Praxis

In vielen Berufen ist es üblich, dass ein Arbeitnehmer eine nahezu unverzichtbare Stellung in dem Unternehmen einnimmt. Dies wird auch seitens des Arbeitgebers deutlich gegenüber dem Arbeitnehmer so kommuniziert. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass die jeweiligen Ansprüche auf Erholungsurlaub zwar theoretisch vorhanden sind, allerdings in der gängigen Praxis bedingt durch die jeweiligen Umstände am Arbeitsplatz dieser Anspruch überhaupt nicht wahrgenommen werden kann. Dies ist bedauerlicherweise in sehr vielen Unternehmen so der Fall.

Arbeitgeber wegen Fachkräftemangel und Sparzwäge unter Druck

Als Grund hierfür können sowohl der Fachkräftemangel als auch die Sparzwänge der jeweiligen Unternehmen herangezogen werden. Hierbei handelt es sich jedoch eindeutig um Problematiken der Arbeitgeber, welche unter das allgemeine Unternehmerrisiko zusammengefasst werden können. Derartige Probleme dürfen ausdrücklich nicht zulasten der Arbeitnehmer gehen. In der gängigen Praxis werden jedoch derartige Probleme nur zu häufig auf „dem Rücken“ der Arbeitnehmer ausgetragen.

Die Formulierungen „Sie wissen doch, wie es ist und wie wir hier arbeiten“ führen dabei zu einer Drucksituation, welche den Arbeitnehmer belasten. Sehr viele Arbeitnehmer wissen zwar durchaus im Hinblick auf ihre rechtlichen Grundlagen Bescheid, sie nehmen die Rechte jedoch nicht wahr. Dies mag der Angst geschuldet sein, den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn die igenen rechtlichen Ansprüche wahrgenommen werden.

Verjährungsfrist ergibt auch Sinn

Es gibt jedoch auch andere Situationen, bei welcher die Verjährungsfrist von drei Jahren durchaus ihren Sinn ergeben. Arbeitnehmer, die ihre Urlaubsansprüche durchaus hätten wahrnehmen können, dies jedoch nicht tun, sind von der Auffassung des EuGH ausdrücklich nicht betroffen. Wenn der Arbeitgeber die entsprechend geschuldeten Hinweise an die Arbeitnehmer herausgibt, das der Anspruch auf Urlaub zu verfallen droht und etwaig sogar eine Aufforderung zur Wahrnehmung der Urlaubsansprüche tätigt, allerdings der Arbeitnehmer diesen Hinweisen keine Beachtung schenkt und der Aufforderung nicht nachkommt, hat dies keinerlei Auswirkungen auf die Verjährungsfrist. Die Urlaubsansprüche würden in derartigen Fällen dann nach drei Jahren verjähren und wären schlicht und ergreifend verwirkt. Dies entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs und ist auch nicht im Sinn der Arbeitgeber, welche auf die Arbeitskraft von frisch erholten Arbeitnehmern angewiesen ist. Die Auffassung des EuGH ist noch keine ständige Rechtsprechung, da eine endgültige Überprüfung der rechtlichen Situation noch aussteht. Bis dato jedoch hat der EuGH seine Position deutlich gemacht und damit auch ein starkes Signal gesendet.

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