BUNDESARBEITSGERICHT
Az.: 5 AZR 74/08
Urteil vom 03.12.2008
Leitsätze:
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet jedenfalls dann unternehmensweit Anwendung, wenn die verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt.
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2007 - 5 Sa 1816/06 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Teilnahme an einer unternehmensweiten Lohnerhöhung.
Die Beklagte ist Teil einer weltweit tätigen Logistik- und Paketdienstleistungsgruppe. Sie beschäftigt bundesweit in 72 Betrieben etwa 15.000 Arbeitnehmer. Zum 1. September 2005 erhöhte sie die Löhne und Gehälter nahezu aller Mitarbeiter um 2,1 %. Andere Steigerungsbeträge wurden für die Betriebe in A, C, E, H, K und M festgesetzt. Lediglich die ca. 120 Arbeitnehmer des Betriebs G erhielten keine Erhöhung der Vergütung.
Der Kläger war als Paketzusteller mit einem Bruttostundenlohn von 14,75 Euro im Betrieb G beschäftigt. Die Arbeitnehmer dieses Betriebs sind arbeitsvertraglich zur Leistung von Überstunden auf Anordnung der Beklagten innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen verpflichtet. Außerdem galt eine Betriebsvereinbarung vom 16. April 1997, nach der die Beklagte ohne weitere Zustimmung des Betriebsrats Mehrarbeit bis zu fünf Stunden/Woche anordnen durfte, sofern die betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall einverstanden waren. Nachdem der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung am 21. September 2004 gekündigt hatte, kam im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens am 18. November 2005 eine inhaltsgleiche Regelung zustande. Der Betrieb in G ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der einzige Betrieb der Beklagten im Tarifgebiet Hessen, in dem Mehrarbeit insoweit nicht einseitig angeordnet werden kann.
Der Kläger ist aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 10. Juli 2008 zum 31. Oktober 2008 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Er wurde „unter Fortzahlung seiner Bezüge“ bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt. Weiter heißt es im Aufhebungsvertrag, die Parteien seien sich einig, dass mit Erfüllung der bezeichneten Regelungen alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, abgegolten seien.
Der Kläger hat sich auf eine unternehmensweite Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen. Die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten durch den Betriebsrat könne kein sachlicher Grund für eine Schlechterstellung sein und sage auch nichts über die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer aus. Nach einem Bericht in der Mitarbeiterzeitung der Beklagten „Das Päckchen“ schneide der Betrieb G bei den Kosten im bundesweiten Vergleich besonders gut ab. Es bestehe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Lohnerhöhung wie auch schon in den Vorjahren einen Ausgleich des Kaufkraftverlustes bezweckt habe. Hiervon hätten die Mitarbeiter in G nicht ausgenommen werden dürfen. Die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag lasse die korrekte Vergütungszahlung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unberührt.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch zur Entscheidung gestellt, sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 181,77 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 17,36 Euro seit dem 1. Oktober 2005, aus 23,93 Euro seit dem 1. November 2005, aus 91,70 Euro seit dem 1. Dezember 2005 und aus 48,88 Euro seit dem 1. Januar 2006 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Februar 2006 bis zum 31. Oktober 2008 einen um 2,1 % erhöhten Stundenlohn iHv. 15,06 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Erledigungsklausel im Aufhebungsvertrag erfasse auch die streitgegenständlichen Ansprüche. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei auf den Betrieb, nicht auf das Unternehmen bezogen. Jedenfalls fehle es an einem unternehmensweit generalisierenden Prinzip, nach dem die freiwillige Leistung verteilt worden sei. Bei einer Vergleichsgruppenbildung müsse auch das unterschiedliche Marktumfeld, insbesondere das Lohnniveau des jeweiligen Tarifgebiets, berücksichtigt werden. Im Übrigen sei die Herausnahme des betreffenden Betriebs aus der allgemeinen Gehaltserhöhung gerechtfertigt. Für deren Gewährung seien die objektiven Wirtschaftlichkeitszahlen und der damit verbundene Beitrag zum Erfolg des Gesamtunternehmens maßgebend gewesen. Zum einen werde der erforderliche flexible Personaleinsatz angesichts von Auftragsschwankungen durch die Notwendigkeit, die Zustimmung der Mitarbeiter zur Mehrarbeit zu erhalten, erheblich eingeschränkt; insoweit gelte für die Arbeitnehmer ein niedrigeres Anforderungsprofil als im übrigen Tarifgebiet Hessen. Zum anderen seien in der Niederlassung G die anfallenden Kosten je befördertem Paket bundesweit die höchsten. Sie lägen durchschnittlich ca. 15 % höher als in der übrigen Division F. Nur die Niederlassung R, die aus organisatorischen Gründen nicht vergleichbar sei, habe noch höhere Kosten. Schließlich lägen die in G gezahlten effektiven Löhne deutlich über denen anderer Niederlassungen in Hessen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Anspruch auf Lohnerhöhung noch nicht abschließend beurteilt werden.
A.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat im Verhandlungstermin vor dem Senat klargestellt, dass es ihm um die Klärung der Höhe seines Stundenlohns geht. Der hierauf gerichtete Feststellungsantrag ist sowohl nach § 256 Abs. 2 ZPO als auch nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Höhe des Stundenlohns im Arbeitsverhältnis der Parteien stellt als Teil der gegenseitigen Pflichtenbindung ein bestehendes Rechtsverhältnis iSv. § 256 ZPO dar. Sie ist für die Entscheidung über die Zahlungsklage vorgreiflich und kann auch darüber hinaus Bedeutung gewinnen. Das genügt für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage. Zusätzlich besitzt der Kläger ein Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO, da das Rechtsverhältnis durch das Bestreiten der Beklagten gefährdet wird und das Urteil mit seiner ideellen Rechtskraftwirkung geeignet ist, die Unsicherheit zu beseitigen. Der Kläger musste nicht nach der Klageerhebung am 9. Februar 2006 wegen der jeweils fällig werdenden Vergütungsansprüche auf Leistungsanträge übergehen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Rechtsschutzinteresse für den Zeitraum bis zum 31. Oktober 2008 entfallen.
B.
Die Klage ist noch nicht zur Entscheidung reif.
I.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch lasse sich nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten, auch wenn man dessen unternehmensweite Geltung annehme. Die Beklagte habe eine freiwillige Leistung mit einem bestimmten Zweck und nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, nämlich auf die objektiven Wirtschaftlichkeitszahlen und den damit verbundenen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens abgestellt. Sie habe sich an die selbst gesetzte Regelung gehalten und eine sachgerechte Gruppenbildung vorgenommen, indem sie den von besonderen Leistungsanforderungen ausgenommenen Betrieb G von ihrer Leistung ausgeschlossen habe. Da die Mitarbeiter berechtigt seien, die vom Betriebsrat grundsätzlich genehmigte Ableistung von fünf Stunden Mehrarbeit pro Woche abzulehnen, genössen sie in größerem Maße Zeitsouveränität als die Mitarbeiter der anderen Niederlassungen in Hessen. Die Beklagte könne in diesem Betrieb Bedarfsschwankungen nicht durch einseitige Arbeitszuweisung in Form von Mehrarbeit ausgleichen. Es leuchte ein, dass der Personaleinsatz hierdurch, orientiert an betriebswirtschaftlichen Bedürfnissen, schwerer zu handhaben sei. Es sei vernünftig und widerspreche nicht übergeordneten Wertentscheidungen, wenn die Beklagte auf ihre eingeschränkte Dispositionsfreiheit abstelle. Damit beruhe die vorgenommene Gruppenbildung nicht etwa auf der Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts, sondern auf der unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte herbeigeführten Rechtslage und den sich daraus ergebenden Einschränkungen im Verhältnis zu anderen Betrieben. Die Beklagte habe dargelegt, dass die Kosten je befördertem Paket in G bundesweit nur von R übertroffen würden. Die Herausnahme des Betriebs mit den schlechtesten Zahlen dieser Art aus dem begünstigten Personenkreis sei sachlich nicht ungerechtfertigt. Dies gelte insbesondere deshalb, weil nach dem Vortrag der Beklagten auch die Vergütungshöhe in G im Vergleich zu anderen hessischen Betrieben an der Spitze liege. Die Beklagte habe danach insgesamt der ihr obliegenden Darlegungslast genügt. Demgegenüber wäre es Sache des Klägers gewesen, dies durch Beweisantritt zu widerlegen. Eine tatsächliche Vermutung, dass die freiwillige Lohnerhöhung einen Kaufkraftverlust ausgleichen solle, bestehe nicht. Der Hinweis des Klägers auf die Mitarbeiterzeitung vermöge den Sachvortrag der Beklagten nicht zu erschüttern; dem Zeitungsbericht seien die Kriterien der Kostenrangfolge nicht zu entnehmen.
II.
Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht in allen Punkten zu folgen.
1.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Klagebegehren allein auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden kann. Eine rechtsgeschäftliche oder sonstige Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.
2.
a) Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie die sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also bei einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund einer generellen Regelung gewährt, insbesondere wenn er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen. Zunächst ist der Zweck der in Betracht kommenden Maßnahme zu ermitteln und danach zu beurteilen, ob der von der begünstigenden Maßnahme ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht (Senat 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - Rn. 24 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).
b) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber in Bezug auf seine Arbeitnehmer. Jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht, ist auch die Gleichbehandlung betriebsübergreifend zu gewährleisten. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt (vgl. Senat 8. November 2006 - 5 AZR 5/06 - mwN, BAGE 120, 97, 102; BAG 2. August 2006 - 10 AZR 572/05 - Rn. 34 ff., EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3; Senat 14. Juni 2006 - 5 AZR 584/05 - BAGE 118, 268, 272 ff.; wenn BAG 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - BAGE 116, 136, 139 an den Betrieb anknüpft, stellt das keine Abweichung dar, da die dortige Beklagte nur einen Betrieb hatte und allein innerhalb des Betriebs differenzierte). Dabei sind die Besonderheiten des Unternehmens und der Betriebe zu berücksichtigen. Der Unternehmensbezug des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist mittlerweile auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend anerkannt (vgl. nur ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 574 ff., 583 ff.; HWK/Thüsing 3. Aufl. § 611 BGB Rn. 199; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 12. Aufl. § 112 Rn. 15, 27; Joussen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching Arbeitsrecht Kommentar § 611 BGB Rn. 267 ff., 273 alle mwN). Auch § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG als gesetzliche Ausprägung enthält keine Einschränkung (vgl. BAG 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - BAGE 118, 340, 342 f.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG wirkt für Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber ebenfalls überbetrieblich (vgl. BAG 18. September 2007 - 3 AZR 639/06 - Rn. 19 ff., AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 33 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 30).
c) Steht eine Differenzierung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Unterscheidung sachlichen Kriterien entspricht. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (Senat 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BAGE 122, 1, 5; 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 62). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Gruppenbildung zwischen den Betrieben vornimmt, also nach Betrieben differenziert, indem er etwa einzelne Betriebe von allgemeinen Leistungen ausnimmt.
3.
Der Senat kann die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht abschließend beurteilen. Der Beklagten ist Gelegenheit zu geben, die Gründe für die vorgenommene Differenzierung näher darzulegen.
a) Mit der Lohnerhöhung zum 1. September 2005 hat die Beklagte eine freiwillige, nämlich nicht auf normativer Grundlage beruhende Leistung erbracht. Sie ist eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern im Bereich der Vergütung nach allgemeinen, nicht nach individuellen Gesichtspunkten eingegangen. Tragender Grund war die wirtschaftliche Leistung der Betriebe, die sich insbesondere in den Arbeitskosten ausdrückt. Das ist am Maßstab des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu messen.
b) Der Gegenstand der Entscheidung für die Lohnerhöhung betraf alle Betriebe der Beklagten. Die Beklagte hat nicht einzelfallbezogen eine Maßnahme für bestimmte Betriebe getroffen, sondern alle Betriebe in ihre Betrachtung einbezogen. Sie hat im Prinzip eine unternehmensweite Lohnerhöhung eingeführt und eine unternehmensweite Gruppenbildung durchgeführt. Die Gruppen wurden dabei nicht innerhalb der Betriebe, sondern zwischen den Betrieben gebildet. Auf solche Fälle findet der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ohne weiteres Anwendung. Der Arbeitgeber ist hier zu einer (sach)gerechten Behandlung aller Betriebe verpflichtet.
c) Der Arbeitgeber darf bei freiwilligen Lohnerhöhungen zwischen den Betrieben nach deren wirtschaftlicher Leistung und dem bereits bestehenden Lohnniveau differenzieren. Es ist grundsätzlich ein legitimer Zweck, eine Konkurrenz unter den Betrieben zu fördern und Leistungsanreize zu setzen. Der Arbeitgeber darf als sachgerechte Kriterien zum Beispiel die Arbeitsanforderungen an die Arbeitnehmer, die Ertragssituation der Betriebe allgemein oder in bestimmter Hinsicht, die Lohnentwicklung in der Vergangenheit und die absolute Lohnhöhe berücksichtigen. Die sich aus erhöhten Flexibilitäts- und damit Arbeitsanforderungen ergebende eingeschränkte Dispositionsfreiheit von Arbeitnehmern kann zusätzliche Gegenleistungen begründen und den Ausschluss nicht entsprechend belasteter Arbeitnehmer rechtfertigen. Der Arbeitgeber darf diese und andere vernünftige Gesichtspunkte bis zur Grenze der Willkür selbst einschätzen. Gehören die Betriebe zu unterschiedlichen Branchen oder liegen sie in verschiedenen Tarifgebieten, kommt dem Arbeitgeber ein besonders weiter Beurteilungsspielraum zu. Aber auch bei gleichartiger Struktur und ähnlichen Rahmenbedingungen der Betriebe ist es in erster Linie Sache des Arbeitgebers, den erzielten wirtschaftlichen Erfolg zu bewerten und den angestrebten Erfolg zu bestimmen. In jedem Fall muss der von ihm gesetzte Zweck den zwingend geltenden normativen Regelungen standhalten.
d) Nach dem von der Beklagten zugrunde gelegten Zweck der Belohnung des betrieblichen Beitrags zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens einschließlich entsprechender Anreize für die Zukunft scheidet der Bezug zu den gestiegenen Kosten der Lebenshaltung als Anknüpfungspunkt aus. Die Beklagte darf diesen Gesichtspunkt, der bei allgemeinen Lohnerhöhungen ansonsten regelmäßig eine maßgebliche Rolle spielt, ebenso ausblenden wie die Unterschiede der Tarifgebiete hinsichtlich Lohnniveau und Lohnentwicklung. Der zugrunde gelegte Zweck und die vorgetragenen Differenzierungsgründe müssen freilich in sich stimmig sein. Damit ist nicht das Erfordernis einer Gewichtung oder Rangfolge unter mehreren Einzelgründen verbunden. Diese können die Differenzierung einzeln oder zusammen rechtfertigen. Sie dürfen aber nicht völlig isoliert gesehen, sondern müssen in einen sachgerechten Zusammenhang gestellt werden, um eine Überprüfung zu ermöglichen.
e) Die von der Beklagten angeführten und vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Gründe für die Differenzierung sind zum Teil sachwidrig, zum Teil nicht hinreichend konkret dargelegt.
aa) Es stellt keinen sachgerechten Differenzierungsgrund dar, wenn die Beklagte im Tarifgebiet Hessen Mehrarbeit überwiegend einseitig anordnete und nur im Betrieb G eine dem entgegenstehende Betriebsvereinbarung galt. Vorzunehmen ist ein bundesweiter, nicht ein auf Hessen beschränkter Vergleich. Zudem ist nicht ersichtlich, welche betrieblichen Regelungen in den übrigen hessischen Betrieben galten und inwiefern die Dispositionsfreiheit der Beklagten dort weiterging. Auf einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG darf die Beklagte nicht abstellen, weil der Betriebsrat auf das Mitbestimmungsrecht nicht verzichten kann (vgl. nur Fitting BetrVG 24. Aufl. § 87 Rn. 5 mwN). Ein etwaiger Verzicht würde einen Gesetzesverstoß (§ 134 BGB) bedeuten. Abgesehen von der Frage der Rechtswirksamkeit hat die Beklagte auch die Tragweite der Regelung nicht ausreichend dargelegt. Es ist zu erläutern, welche konkreten Leistungsanforderungen an die Arbeitnehmer in den Betrieben bestanden, welche tatsächliche Bedeutung dem zukam und welche praktischen Auswirkungen sich daraus für die Beklagte ergaben. Der festgestellte Sachverhalt betrifft ausschließlich die Rechtslage in den hessischen Betrieben. Damit steht bisher weder die Differenzierung im gesetzlichen Rahmen noch der sachliche Grund fest.
bb) Die Kosten je befördertem Paket können ein Differenzierungsgrund für freiwillige Lohnerhöhungen sein. Der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit erfordert jedoch, auch die Gründe für die Kostenunterschiede je befördertem Paket offenzulegen. Nicht nachvollziehbar dargelegt und nach der Zwecksetzung der Beklagten wenig plausibel ist, warum gerade (nur) der letzte Betrieb der Rangfolge ausgenommen wurde. Die Beklagte hat nicht die Betriebe insgesamt nebst den jeweiligen Kosten und damit auch nicht die Abstände untereinander genannt. Allein die Zahlen für einzelne Center in Hessen ergeben kein ausreichendes Bild. Die von der Beklagten geltend gemachte fehlende Vergleichbarkeit der Niederlassung R ist bisher nicht einsehbar, da sich die wirtschaftliche Bedeutung der gesonderten Sortierung nicht einschätzen lässt und nicht vorgetragen ist, wie die Sortierung in den übrigen Betrieben gehandhabt wird. Mit dem Hinweis auf die Mitarbeiterzeitung „Das Päckchen“ hat der Kläger den Sachvortrag der Beklagten ausreichend bestritten. Der Kläger musste keine speziellen Kriterien der Kostenrangfolge nennen. Die Beklagte steht der Wirtschaftlichkeitsberechnung in den einzelnen Betrieben deutlich näher als der Kläger.
cc) Auch die absolute Lohnhöhe in einem Betrieb ist geeignet, eine Differenzierung bei freiwilligen Lohnerhöhungen zu rechtfertigen. Die Beklagte hat sich aber bisher nur auf die Vergleichszahlen in Hessen gestützt und keinen bundesweiten Vergleich vorgenommen. Sie hat nicht plausibel gemacht, warum sie gerade (nur) den Betrieb mit dem - nach ihrem Vortrag - höchsten Lohnniveau in Hessen ausgenommen hat. Die unternehmensweit getroffene Entscheidung müsste die Lohnabstände bundesweit einbeziehen. Dabei können die Gründe für das bestehende Lohnniveau und für die Lohnentwicklung in der Vergangenheit nicht außer Acht gelassen werden. Ggf. ist ein Zusammenhang mit der (geänderten) Aufgabenstellung der Betriebe und einer gesteigerten oder geminderten Verantwortung der Arbeitnehmer zu verdeutlichen.
dd) Hiernach ist nicht ohne weitere Darlegungen einsichtig, dass die Regelung der Beklagten mit dem von ihr angegebenen Zweck korrespondiert. Die Beklagte muss Gelegenheit erhalten, zu weiteren Gesichtspunkten vorzutragen, die in den Rahmen des Zwecks der Leistung bzw. des Ausschlusses von der Leistung fallen und die Entscheidung bestätigen und rechtfertigen können. Die Beklagte muss auch die Gründe dafür, dass sie für einzelne Betriebe andere, bisher nicht genannte Steigerungsbeträge festgesetzt hat, angeben. Diese Gründe sind bei der Gesamtbewertung der Entscheidung der Beklagten zu beachten. Schließlich kann auch die Teilhabe an der freiwilligen Lohnerhöhung im Jahre 2004 Bedeutung für den Streitfall gewinnen.
f) Die Gründe für die Differenzierung können im neuen Berufungsverfahren weiter substantiiert werden. In der geforderten Sustantiierung liegt kein Austauschen oder Nachschieben von Gründen, da die Beklagte ihre Gründe bereits offengelegt hat und es nur an der nötigen Konkretisierung fehlt (vgl. BAG 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - BAGE 116, 136, 142; ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 605). Insbesondere besteht bei der Substantiierung nicht die Gefahr einer nachträglichen Konstruktion von in Wahrheit überhaupt nicht maßgebend gewesenen Gründen.
III.
Der Rechtsstreit ist nicht aus einem anderen Grund zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der zwischen den Parteien unstreitig abgeschlossene Aufhebungsvertrag vom 10. Juli 2008 begrenzt einen etwaigen Anspruch auf die Zeit bis zum 31. Oktober 2008. Ob er ihn insgesamt ausschließt, hängt von der Auslegung der vertraglichen Ausschlussklausel ab. Hierfür sind der Wille der Vertragschließenden und die Umstände des Vertragsschlusses maßgebend (§§ 133, 157 BGB). Da es insoweit an Feststellungen fehlt, bleibt die Auslegung dem Landesarbeitsgericht vorbehalten.