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Garage in Grenznähe mit Dachterrasse – Zulässigkeit

OVG Berlin-Brandenburg

Az: 10 N 13.07

Beschluss vom 29.06.2010


Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2006 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 1 533,88 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks …………. Mit Baugenehmigung vom 8. April 1990 errichtete er an der Südseite des Wohnhauses eine Tiefgarage mit Dachterrasse. Das Dach der Garage liegt im Mittel ca. 1,35 m über der Geländeoberfläche und hat eine Grundfläche von 7,20 m x 4 m. Zur Absturzsicherung war die Dachterrasse mit einem umlaufenden Geländer mit einer Brüstungshöhe von 90 cm versehen. Der Abstand zwischen der Garagenwand mit Dachterrasse und dem südlich angrenzenden Nachbargrundstück beträgt aufgrund des schrägen Verlaufs der Grundstücksgrenze zwischen 1,35 m und 1,75 m.

Mit Bescheid vom 25. September 1996 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Baugenehmigung für die Errichtung eines verglasten Wintergartens auf der Dachterrasse mit einer gemauerten Brüstung bis zum Wandanschluss und einer Trägerkonstruktion für die Dachfelder aus Kunststoffverglasung. Auf den Widerspruch der Nachbarin, die die Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsflächen rügte, erließ der Beklagte eine Baueinstellungsverfügung und hob die Baugenehmigung mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1996 auf. Die hiergegen gerichtete Klage nahm der Kläger im Ortstermin vom 7. Juli 1998 zurück. Zuvor war ihm laut Ortsterminsprotokoll vom Beklagten in Aussicht gestellt worden, nach Vorlage entsprechender Bauunterlagen eine Baugenehmigung für einen Wintergarten mit gleichen Maßen, aber einem Abstand von 2 m zur Grundstücksgrenze zu erteilen. In der Folgezeit reichte der Kläger keine neuen Bauunterlagen ein und nahm auch den Widerspruch gegen die vom Beklagten zwischenzeitlich erlassene Beseitigungsanordnung vom 22. Januar 1997 nicht zurück. Daraufhin wurde dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2002 unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 533,88 € aufgegeben, den Wintergarten zu beseitigen. Dieser bestand bis dahin aus der bis zu einer Höhe von 80 cm aufgemauerten Brüstung, 6 Pfosten und dem Dach aus Kunststoffglasfeldern (siehe Foto Bl. 213 VV). Die Klage hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 11. Dezember 2006 abgewiesen.

Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger im Wesentlichen geltend macht, dass es unverhältnismäßig sei, die Beseitigung der gemauerten Brüstung des Wintergartens mit einer Höhe von 80 cm zu verlangen und stattdessen wieder ein Schutzgeländer mit einer Höhe von 90 cm auf der Dachterrasse anzubringen, nur weil die Brüstung massiv und blickdicht sei. Schließlich sei er nicht gehindert, auch das Geländer blickdicht auszuführen, was zudem notwendig sei, weil auf dem Nachbargrundstück mehrere Parteien wohnten und dort ein überdurchschnittlich hoher Fahrzeugverkehr stattfinde. Die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustands sei den Nachbarn deshalb zuzumuten.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen, ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen des Klägers in seinem Zulassungsantrag nicht gegeben. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf den der Kläger sich beruft, liegt nicht vor.

Es ist schon zweifelhaft, ob sich der Kläger überhaupt noch gegen die Beseitigung der Pfosten und der Überdachung des Wintergartenanbaus wendet, weil sich sein Vorbringen im Zulassungsantrag nur auf die Erhaltung der gemauerten Brüstung bezieht. Dies kann jedoch dahinstehen, weil jeder zusätzliche Aufbau auf dem Garagendach – also auch die gemauerte Brüstung – im vorliegenden Fall gegen das Abstandsflächenrecht verstößt und die angefochtene Beseitigungsanordnung des Beklagten rechtfertigt. Denn diese kann gemäß § 74 Abs. 1 BbgBO ergehen, wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, sofern nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Mit dem Abbau des Geländers hat die Dachterrasse ein wesentliches Funktionselement verloren, zumal sie ohne eine Umwehrung in Höhe von mindestens 90 cm bauordnungsrechtlich nicht zulässig ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BbgBO). Die Errichtung der 80 cm hohen gemauerten Brüstung, die sich aufgrund der andersartigen Grundform des Wintergartens nur zum Teil mit dem Anbringungsort des früheren Geländers deckt, ist schon der Höhe nach kein zulässiger Ersatz für das Geländer und hat auch nicht dessen Funktion, denn sie sollte nur als Auflager für die geplante Verglasung des Wintergartens dienen. Diese baulichen Veränderungen haben den durch die Baugenehmigung vom 8. April 1990 vermittelten Bestandsschutz für die Dachterrasse entfallen lassen. Die begehrte „Beibehaltung“ der Dachterrasse – ob mit Geländer oder Brüstung – wäre nicht mehr genehmigungsfähig, denn die Nutzung des Daches einer grenznahen Garage als Terrasse lässt die abstandsflächenrechtliche Privilegierung des § 6 Abs. 10 Satz 1 BbgBO für diese entfallen. Die nachträgliche Errichtung einer Dachterrasse auf einer grenzständigen oder grenznahen Garage stellt eine Nutzungsänderung dar. Dachterrasse und Garage bilden eine bauliche Einheit, so dass durch eine Dachterrasse ein Gebäude entstehen würde, das nicht mehr als grenzständige oder grenznahe Garage genehmigungsfähig wäre, weil diese durch die zusätzliche Nutzung als Dachterrasse insgesamt ihre Eigenschaft als an der Grundstücksgrenze privilegiert zulässiges Vorhaben verlieren würde. Die Dachterrasse ist Teil der Wohnnutzung und kann nicht die abstandsflächenrechtliche Privilegierung der Garage als grenznah oder grenzständig zulässiges Gebäude (§ 6 Abs. 10 Satz 1 BbgBO) für sich in Anspruch nehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2009, BauR 2010, 596).

Die abstandsflächenrechtliche Bestandsschutzregelung des § 6 Abs. 12 Satz 1 BbgBO steht dem nicht entgegen. Auch wenn es sich bei der genehmigten Garage um ein rechtmäßig errichtetes Gebäude im Sinne des § 6 Abs. 12 Satz 1 BbgBO handelt, würde allein schon die aufgemauerte Brüstung mit einer Höhe von 80 cm bei der nach dieser Vorschrift – ohne Berücksichtigung fiktiver Abstandsflächen – vorzunehmenden Vergleichsrechnung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Dezember 2009 – OVG 10 L 21.09 – juris) eine abstandsflächenrechtlich höhere Belastung des Nachbarn darstellen. Dies ergibt der durchzuführende Realvergleich. Auf den in § 6 Abs. 12 Satz 2 BbgBO enthaltenen Privilegierungstatbestand für Nutzungsänderungen kommt es nicht an. Von diesem sind Garagen ohnehin ausgenommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG, wobei der Senat der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt und davon ausgeht, dass die im Falle einer Beseitigungsanordnung als Streitwert anzusetzenden voraussichtlichen Beseitigungskosten für die bauliche Anlage (vgl. II Ziff. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327) jedenfalls niedriger sein dürften als das mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzte Zwangsgeld (1 533,88 €), so dass dieses für die Höhe des Streitwerts maßgebend ist (vgl. II. Ziff. 1.6.2 des Streitwertkatalogs).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3.

 

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