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Grunddienstbarkeit – Anspruch auf Löschung wenn obsolet?

AG Donaueschingen, Az.: 2 C 32/17, Urteil vom 05.12.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Parteien, Eigentümer benachbarter Grundstücke, streiten über die Löschung einer Grunddienstbarkeit.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück Nr. …, eingetragen im Grundbuch von … Nr. …, Gemeinde …, Grundbuchamt … Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks Flurstück Nr. …, eingetragen im Grundbuch von … Nr. …, Gemeinde …, Grundbuchamt … Das Grundstück der Beklagten mit einer Größe von ca. 90 m2 befindet sich „wie eine Insel“ innerhalb des größeren Grundstücks des Klägers (vgl. Anlage C, As. 35). Im Grundbuch Nr. … ist das Grundstück des Klägers in Abteilung II Nr. 2 wie folgt belastet (Anlage A, As. 21):

„Grunddienstbarkeit (Benützungsrecht) für den jeweiligen Eigentümer von Flst. Nr. … Bezug: Bewilligung vom 27.03.1930. Eingetragen am 22.05.1930.“

Grunddienstbarkeit – Anspruch auf Löschung wenn obsolet?
Symbolfoto: Successphoto/Bigstock

Ursprünglich wurde auf dem Grundstück der Beklagten entsprechend der Bewilligung der Grunddienstbarkeit ein Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung betrieben. Dessen Nutzung wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert aufgegeben. Die entsprechenden Bewässerungsrohre sind verfallen und außer Funktion (vgl. insoweit auch die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder (As. 39 f.).

Der Kläger behauptet, dass die Grunddienstbarkeit obsolet geworden sei. Die Vorteile für das herrschende Grundstück der Beklagten seien weggefallen und könnten auf Dauer auch nicht wieder eintreten. Die Rechte für den Betrieb eines Elektrizitätswerks seien seit Jahrzehnten verwirkt, Genehmigungen von Naturschutzbehörde und Wasserwirtschaftsamt seien ausgeschlossen; vielmehr seien Auflagen für den Rückbau der noch vorhandenen Relikte der Anlage zu erwarten.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Löschung der im Grundbuch von Urach Nr. …, Gemeinde …, Grundbuchamt …, in Abteilung II Nr. 2 eingetragenen Grunddienstbarkeit zu bewilligen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, es sei mit einer Investition von ca. 7.000,- € möglich, wieder eine Wasserkraftanlage zu erstellen, mit der sie klimaneutral ihr Haus beheizen könnten.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Grunddienstbarkeit schließlich bereits deshalb nicht obsolet sei, weil kein separates Wegerecht besteht und die Grunddienstbarkeit daher die einzige Möglichkeit darstelle, ihr Grundstück zu betreten.

Im Hinblick auf den weiteren Tatsachen- und Rechtsvortrag der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2017 (As. 153 ff.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Löschungsbewilligung. Gemäß § 894 BGB kann derjenige, dessen Recht durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird, sofern der Inhalt des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt bzw. vom Kläger nicht hinreichend dargelegt worden. Insbesondere steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Grundbuch im Hinblick auf die eingetragene Grunddienstbarkeit unrichtig ist.

a) Die Grunddienstbarkeit wurde unstreitig wirksam bestellt, insbesondere ist ihr Inhalt zulässig und es bestand ein Vorteil für das herrschende Grundstück.

b) Das Grundbuch ist auch nicht nachträglich unrichtig geworden. Insbesondere liegt kein Fall des Erlöschens der Dienstbarkeit vor.

Eine Grunddienstbarkeit erlischt, wenn infolge Veränderung eines der betroffenen Grundstücke ihre Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder der Vorteil für das herrschende Grundstück (§ 1019 BGB) infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfällt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2008 – V ZR 171/07; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1188 m.w.N.; Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Rn. 75; Toussaint in: jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 894 BGB, Rn. 29; OLG Nürnberg, Urt. v. 26. 10. 2012 – 2 U 50/11: OLG Zweibrücken, Urteil vom 18. Dezember 2003 – 4 U 36/03).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Erlöschen der Grunddienstbarkeit einen Ausnahmefall darstellt und die Voraussetzungen entsprechend restriktiv auszulegen sind. Wie dem Kläger bekannt ist und sich beispielsweise auch aus der vom Kläger vorgelegten Grunddienstbarkeitsbestellung vom 07.12.2015 ergibt (dort unter § 5, As. 121), wird die Grunddienstbarkeit im Regelfall ohne zeitliche Befristung bestellt, so dass diese mangels anderer Bestimmungen grundsätzlich „von ewiger Dauer“ ist. Dabei genügen für ein Fortbestehen der Grunddienstbarkeit auch künftige Vorteile, mit denen bei normalem Verlauf der Dinge nach objektiven Anhaltspunkten gerechnet werden kann, soweit es sich nicht nur um eine vage Möglichkeit handelt (vgl. BGH, Urteil vom 24.02.1984, Az. V ZR 177/82).

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, ernsthafte Gedanken hinsichtlich einer Wiederaufnahme des Betriebs des Kraftwerks zu hegen. Durch den Betrieb des Kraftwerks könnte deren Wohnhaus, welches sich auf einem Grundstück in unmittelbarer Nähe befindet, klimaneutral geheizt werden. Die Hoffnung auf eine autarke Strom- und Wasserversorgung sei ein erhebliches Kriterium gewesen, welches die Beklagten zum Kauf des Grundstücks bewogen habe. Zudem sei der Beklagte Ziffer 1 Elektroingenieur und könne Aufbau und Wartung der Anlage in Eigenleistung bewerkstelligen.

Dass es sich bei den Überlegungen der Beklagten lediglich um eine vage, überwiegend wahrscheinlich nicht realisierbare Möglichkeit handelt und der Vorteil für das herrschende Grundstück somit tatsächlich dauerhaft entfallen wäre, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

aa) Alleine der Umstand, dass die ursprünglich auf dem Grundstück der Beklagten betriebene Anlage bereits seit einigen Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb ist und die auf dem klägerischen Grundstück verlaufenden Rohrleitungen ausweislich der vorgelegten Lichtbilder zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfallen und somit nicht mehr funktionstüchtig sind, vermag noch nicht dazu zu führen, dass die Ausübung der Grunddienstbarkeit für die Zukunft dauernd ausgeschlossen und der Vorteil für das herrschende Grundstück mithin endgültig entfallen wäre. Der Kläger hat nicht vorgetragen, warum und inwiefern eine Instandsetzung in tatsächlicher Hinsicht unmöglich sein soll, zumal auch die von den Beklagten angesprochenen Schlauchleitungen die früheren Rohrleitungen ersetzen können. Der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, d.h. insbesondere die Frage der Höhe der in diesem Zusammenhang erforderlichen Investitionen, spielt dabei letztlich keine Rolle, da es sich bei der Frage des Vorteils um einen rechtlichen Gesichtspunkt handelt, der grundsätzlich unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen zu betrachten ist.

bb) Weiterhin hat der Kläger auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und inwiefern ein Wiederaufbau des Kraftwerks auf dem Grundstück der Beklagten aus rechtlicher Sicht unmöglich wäre. Die klägerische Behauptung, Genehmigungen von Naturschutzbehörde und Wasserwirtschaftsamt seien ausgeschlossen, ist völlig pauschal und in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend substantiiert begründet.

Im Übrigen würde aber auch eine derzeit fehlende Genehmigungsfähigkeit – unabhängig von der Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung überhaupt Einfluss auf eine durch die Grunddienstbarkeit vermittelte privatrechtliche Rechtsstellung hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.07.2008 – V ZR 171/07) – nicht dazu führen, dass die Ausübung der Dienstbarkeit künftig auf Dauer ausgeschlossen wäre. Angesichts klimapolitischer Gesichtspunkte erscheint es nämlich nicht ausgeschlossen und auch nicht unwahrscheinlich, dass sich Genehmigungsvoraussetzungen für ein umweltfreundliches Wasserkraftwerk künftig ändern könnten.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

3.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

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