LG Stuttgart
Az.: 13 S 26/13
Urteil vom 24.04.2013
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 28.12.2012 (AZ: 11 C 2706/12) teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den durch die Mieter M. verursachten Wasserverbrauch gesondert zu ermitteln und im Wege des Vorwegabzugs bei der Umlage der Kosten für Wasser und Abwasser für das Haus W. zu berücksichtigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in der 1. Instanz tragen die Kläger 18% und die Beklagte 82%.
Von den Kosten des Rechtsstreits in der 2. Instanz tragen die Kläger 25% und die Beklagte 75%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren mit der Klage den Einbau von Wasseruhren für das Kaltwasser und die Abänderung des Umrechnungsmaßstabes bei den Mietnebenkosten. Die Beklagte hat im 1. Rechtszug eine Widerklage erhoben, welche vom Amtsgericht rechtskräftig abgewiesen wurde. Das Amtsgericht hat auch die Klage abgewiesen. Gegen diese Klagabweisung wenden sich die Kläger mit der Berufung.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Auf die Darstellung des Berufungsvorbringens wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a, 542, 544 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger hat im Hinblick auf den Hilfsantrag in der Sache Erfolg. Der weitergehenden Berufung bleibt dagegen der Erfolg versagt.
1. Die Parteien haben in dem Mietvertrag keinen Umrechnungsmaßstab für die Kaltwasserkosten vereinbart. Nach dem Vertrag kann der Vermieter nach billigem Ermessen diese Kosten unter den Mietern des Hauses umlegen. Diese Regelung stellt keine Vereinbarung i. S. d. § 556 a BGB dar. Damit gilt die gesetzliche Regelung des § 556 a BGB, wonach die Kaltwasserkosten nach der Wohnfläche unter den Mietern des Hauses umzulegen sind (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht 10. Aufl. 2011, § 556a BGB Rn.19 m. w. N.).
2. Die Kläger haben jedoch Anspruch darauf, dass dieser Umlegungsmaßstab geändert wird.
a) Im Ausgangspunkt hat das Amtsgericht zu Recht festgestellt, dass die Umlegung nach Wohnfläche im Regelfall nicht zu beanstanden ist und der Mieter regelmäßig keinen Anspruch darauf hat, dass die Kaltwasserkosten nach Verbrauch umgelegt werden, sofern – wie im vorliegenden Fall – keine Kaltwasserzähler an den einzelnen Wohnungen eingebaut sind. Die Pauschalierung wird vom Gesetzgeber als praktisch handhabbare Lösung angesehen, welche nicht zwingend zu einer 100-prozentigen Gerechtigkeit führen muss. Gewisse Abweichungen haben die Mieter zu ertragen.
b) Mit Recht weisen jedoch die Kläger darauf hin, dass es von diesem Grundsatz – auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der gängigen Rechtsliteratur – für beide Vertragsparteien Ausnahmen geben müsse. Auch die Kammer geht davon aus, dass der Grundsatz der Pauschalierung und des Maßstabes des § 556 a BGB mit Hilfe der Vorschriften der §§ 242 und 313 BGB durchbrochen werden kann. Dann nämlich, wenn die Abweichung des tatsächlichen Verbrauches von dem gewählten Umrechnungsmaßstab evident und erheblich ist und die angestrebte Umstellung für den Vertragspartner nicht unzumutbar ist, kann von der benachteiligten Vertragspartei nicht erwartet werden, dass sie sich an dem ungerechten Umlegungsmaßstab festhalten lässt (vgl. BGH NZM 2006, 655; NJW 2006, 3557; NJW 2010, 3645; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete 3. Aufl. 2008, § 556a BGB Rn.9, 20; Langenberg a. a. O. Rn.13, alle m. w. N.).
c) Die Kläger haben substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Wasserverbrauch in dem Haus ganz wesentlich auf den Verbrauch aus der Wohnung „M.“ zurückzuführen sei, weil dort in gewerblicher Art und Weise rund um die Uhr Wäsche gewaschen werde. Dieser Vortrag ist vom Gericht als unstreitig der Entscheidung zugrunde zu legen, nachdem die Beklagte den substantiierten Parteivortrag der Kläger in der ersten Instanz nicht bestritten hat. Ihr erstmaliges Bestreiten in der Berufungserwiderung ist gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet. Die Beklagte hat nichts vorgetragen, woraus sich ergeben könnte, dass sie an einem früheren Bestreiten gehindert gewesen sei. Derartige Gründe sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen nicht zulässig. Gegenstand des Vortrages der Kläger ist das Verhalten der Mitmieter M., welche die Vertragspartner der Beklagten sind. Es hätte der Beklagten oblegen, sich bei ihren Vertragspartnern zu erkundigen und substantiiert auf den Vortrag der Kläger zu erwidern.
d) Nach dem als unstreitig zu behandelnden Vortrag beruht der Kaltwasserverbrauch in dem streitgegenständlichen Mietobjekt ganz wesentlich auf dem Verbrauch aus der Wohnung „M.“. Die Kläger haben über einen längeren Zeitraum hinweg dokumentiert, in welchem erheblichen Maß der Wasserverbrauch an den Tagen höher ist, an denen die Mitmieter M. waschen, als an denjenigen, an denen sie ausnahmsweise nicht waschen. Dies führt zu der Überzeugung der Kammer, dass der tatsächliche Verbrauch und die Umlage nach Wohnfläche in einem evidenten und erheblichen Missverhältnis stehen. Auf den von der Beklagtenseite vorgebrachten Einwand, dass der Gesamtverbrauch des Hauses nicht ungewöhnlich hoch sei, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass sich der tatsächliche Verbrauch von dem berechneten ganz erheblich unterscheidet. Dass der Einbau eines Wasserzählers für die Beklagte unzumutbar sei, hat diese weder behauptet noch durch Tatsachenvortrag belegt.
e) Wegen der evidenten und erheblichen Abweichung haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass der Kaltwasserverbrauch der Mitmieter M. gesondert erfasst und von jenen bezahlt wird. Durch den Einbau eines Kaltwasserzählers an der Wohnung „M.“ kann die evidente Ungerechtigkeit beseitigt werden. Deswegen war dem Hilfsantrag der Kläger stattzugeben.
3. Keinen Anspruch haben die Kläger dagegen dahingehend, dass jede einzelne Wohnung mit einem Kaltwasserzähler ausgestattet wird. Nach § 556a BGB haben die Kläger einen solchen Anspruch nicht, zumal auch im Mietvertrag nichts anderes vereinbart ist. Sie haben lediglich einen Anspruch auf Beseitigung der erkannten Ungerechtigkeit durch den hohen Verbrauch der Mitmieter M. Diesem Zustand kann durch den Einbau eines Wasserzählers an der Wohnung „M.“ abgeholfen werden. Nach Treu und Glauben besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch darauf, dass jede Wohnung einen eigenen Wasserzähler erhält.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO, wobei die Kammer davon ausgeht, dass das Unterliegen im Hauptantrag mit ¼ und das Obsiegen der Kläger im Hilfsantrag mit ¾ des Streitwertes zu bemessen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Anlass, die Revision nach § 543 ZPO zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache als Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Die grundlegenden Rechtsfragen sind vom Bundesgerichtshof hinreichend geklärt. Vorliegend handelt es sich – unter Anwendung dieser Rechtsprechung – um eine Einzelfallentscheidung.
Streitwert der Berufung: 1.000,00 Euro.