OLG Nürnberg, Az.: 8 U 390/97, Urteil vom 03.07.1997
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Beschwer des Klägers wird auf 19.917,77 DM festgesetzt.
Beschluß: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.917,77 DM festgesetzt.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Der Senat stimmt der Auffassung des Landgerichts zu, auf welche die Klageabweisung durch das angefochtene Endurteil gestützt ist. Die Beklagten haben für den Explosionsschaden weder gemäß § 823 BGB, noch gemäß § 7 StVG einzustehen. Auch eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Eigentumsstörung gemäß § 1004 BGB kommt nicht in Betracht.
1. Wohl ist der Schaden des Klägers durch eine rechtswidrige Handlung des Beklagten zu 1), das Abstellen seines PKW mit defekter oder jedenfalls alsbald defekt werdender Kraftstoffleitung, verursacht worden. Es ist aber nicht feststellbar, daß der Beklagte zu 1) dabei wenigstens fahrlässig gehandelt hätte. Gemäß § 276 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt.
Dazu wäre hier erforderlich, daß der Beklagte zu 1) die Undichtigkeit der Benzinleitung hätte vorhersehen oder erkennen können, um rechtzeitig Abhilfe zu schaffen. Die Benzinleitung ist durch eine Kraftfahrzeugwerkstätte am 30. März 1993, knapp 3 Jahre vor dem Schadensfall, erneuert worden. Bestimmte Anhaltspunkte dafür, daß die Leitung zwischenzeitlich schadhaft geworden war, lagen nicht vor. Weder hat der Beklagte zu 1) selbst bei einer am Tag vor der Explosion mit dem PKW unternommenen Fahrt festgestellt, daß aus der dann schadhaften Leitung Benzin austrat, noch deuteten darauf erhöhter Benzinverbrauch, ein unter dem abgestellten Fahrzeug etwa entstandener Benzinfleck oder auffälliger Benzingeruch hin. Ob der Beklagte zu 1), wie er behauptet, sein Fahrzeug laufend warten ließ, kann auf sich beruhen. Zwar war im Schadenszeitpunkt das Lebensalter des PKW mit 24 Jahren beträchtlich, andererseits jedoch die Fahrleistung verhältnismäßig gering. Sie betrug nur 66.000 km. Auch wenn der Beklagte zu 1) entgegen seiner Behauptung nicht regelmäßig den Kundendienst bei seinem Fahrzeug ausführen ließ, gereicht ihm dies in Beziehung auf die schadhafte Leitung nicht zum Verschulden. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß bei einem nicht regelmäßig gewarteten PKW mit jedem möglichen Defekt gerechnet werden müsse. Vielmehr kommt es hier auf die Umstände an, nämlich auf die Beanspruchung des Fahrzeugs und die zu erwartende Abnutzung durch Gebrauch oder durch reinen Zeitablauf. Niemand braucht ohne besondere Anhaltspunkte damit zu rechnen, daß die Benzinleitung seines PKW innerhalb von knapp 3 Jahren durch Alterung des Materials oder durch zufällige mechanische Beschädigung undicht geworden ist. Es gibt keine Erfahrung, wonach die Benzinleitung eines PKW so schadensanfällig sei, daß sie laufender Kontrolle bedürfte. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob die Ausfransung der Rißstelle am Kraftstoffschlauch darauf schließen ließe, daß die Beschädigung des Fahrzeugteils schon einige Zeit vor dem Schadensfall vorhanden war. Daraus kann auch nicht der Schluß gezogen werden, daß schon vor dem 1. August 1995 Benzin ausgelaufen sei und also das Leck auch ohne besondere Untersuchung des Fahrzeugs bemerkbar war.
2. Auch die Haftung der Beklagten aus Betriebsgefahr gemäß § 7 StVG greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs, wenn bei dessen Betrieb eine Sache beschädigt wird, ohne daß es auf sein Verschulden ankäme.
Hier ist indes der Schaden nicht „beim Betrieb“ des PKW verursacht worden.
Zur Abgrenzung des Betriebs im Sinne dieser Vorschrift gegenüber denjenigen Vorgängen, die nicht mehr dem Betrieb zuzurechnen sind, haben sich aus zwei unterschiedlichen Ansatzpunkten die maschinentechnische und die verkehrstechnische Auffassung entwickelt. Während nach jener ein Kraftfahrzeug nur solange in Betrieb ist, als die motorischen Kräfte unmittelbar oder mittelbar auf das Fahrzeug einwirken (vgl. BGHZ 29, 163, 164; VersR 75, 945), dauert nach der verkehrstechnischen Auffassung der Betrieb eines Kraftfahrzeugs solange an, wie der Fahrer das Fahrzeug im Verkehr beläßt und die dadurch geschaffene Gefahrenlage fortbesteht (BGHZ 29, 163, 169). Nach der maschinentechnischen Auffassung, die allerdings von der herrschenden Meinung abgelehnt wird (Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 7 StVG RN 5), kommt vorliegend die Anwendung von § 7 StVG nicht in Frage, weil bei der schadenstiftenden Explosion die Motorkraft des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) nicht wirksam war. In keinem Fall reicht es jedoch aus, daß der Schaden „irgendwie“ durch das Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Vielmehr greift § 7 StVG dann ein, wenn sich eine Gefahr verwirklicht, die mit dem Kraftfahrzeug als Verkehrsmittel verbunden ist (Reinhard Greger: Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 2. Aufl., § 7 StVG RN 31). Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Verkehrsopfer (Greger, a.a.O., RN 29). So wird der Betrieb im Sinne von § 7 StVG unterbrochen, „wenn das Fahrzeug von der Fahrbahn gezogen und an einem Ort außerhalb des allgemeinen Verkehrs aufgestellt wird“ (BGHZ 29, 163, 169), wenn das Fahrzeug auf einem Privatgrundstück abgestellt ist und dort kein Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer darstellt (BGH VersR 75, 945, 946). In diesem Fall wird, worauf es ankommt, keine Gefahr geschaffen, „die von dem Kraftfahrzeug in seiner Eigenschaft als einer dem Verkehr dienenden Maschine ausgeht, sei es durch seine Fortbewegung mittels Motorkraft, sei es durch sein Vorhandensein im Verkehr“ (BGHZ 71, 212, 215). Deshalb entfällt eine Haftung gemäß § 7 StVG, wenn „die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt“ (BGHZ 105, 65, 67). Somit ist ein außerhalb der Verkehrsfläche abgestelltes Fahrzeug, das auch nicht auf andere Verkehrsteilnehmer einwirkt, nicht in Betrieb. Die Vorschrift ist demnach grundsätzlich nicht anwendbar auf die Gefahren, die von einem in einer privaten Garage abgestellten Kraftfahrzeug ausgehen (Greger, a.a.O., RN 35; Feyock/Jakobsen/Lemor: Kraftfahrtversicherung, § 10 AKB RN 4; Jagusch, a.a.O., RN 5). Die Einwirkung, die hier von dem in der Garage abgestellten PKW des Beklagten zu 1) ausging, wirkte nicht auf andere Verkehrsteilnehmer ein. Der Unfallbeteiligte S war nicht Verkehrsteilnehmer, als er den Anlasser seines unter dem PKW des Beklagten zu 1) abgestellten Fahrzeugs betätigte und dadurch die Benzindämpfe zur Explosion brachte, welche das aus dem PKW des Beklagten zu 1) ausgelaufene Benzin entwickelt hatte.
Keinesfalls ist es für den Betrieb im Sinne der genannten Vorschrift maßgeblich, daß die Garagenbühne, auf welcher das Fahrzeug des Beklagten zu 1) abgestellt war, zusammen mit dem darauf stillstehenden PKW nach dem Abstellen noch bewegt wurde, um dem Beteiligten S das Einparken seines Fahrzeugs unterhalb dieser Bühne zu ermöglichen.
3. § 1004 BGB ist vorliegend nicht anwendbar. Die Vorschrift gewährt dem Eigentümer einer Sache gegenüber dem S den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung seines Eigentums, aber nicht Anspruch auf Ersatz des Schadens, welcher dem Eigentümer an seiner Sache durch einen anderen zugefügt worden ist.
4.Kosten: § 97 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Festsetzung der Beschwer des Klägers: § 546 Abs. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.