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Kostenerstattung für Erstellung eines Rechtsgutachtens über ausländisches Recht

Rechtsstreit gelöst: Erstattung von Rechtsgutachterkosten

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass die Kosten für ein während des Rechtsstreits eingeholtes Rechtsgutachten über ausländisches Recht nicht erstattungsfähig sind. Dies gilt, wenn die Einholung des Gutachtens nicht als prozessbezogen und notwendig angesehen wird. Im konkreten Fall war das Gutachten für die Verteidigung der Beklagten irrelevant, da letztlich deutsches Recht Anwendung fand.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 W 84/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unzulässigkeit der Kostenerstattung: Das OLG Hamburg lehnt die Erstattung der Kosten für ein Rechtsgutachten ab.
  2. Bedeutung der Prozessbezogenheit: Kosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie unmittelbar prozessbezogen und notwendig sind.
  3. Irrelevanz des Schweizer Rechtsgutachtens: Im konkreten Fall war das Gutachten irrelevant, da deutsches Recht anwendbar war.
  4. Fehlende Notwendigkeit des Gutachtens: Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass das Gutachten prozessrelevant ist.
  5. Keine sachgerechte Verteidigung durch Gutachten: Das Gutachten half der Beklagten nicht, sich sachgerecht zu verteidigen.
  6. Unterschiedliche Rechtsprechung in ähnlichen Fällen: Ähnliche Fälle, in denen Gutachtenkosten erstattet wurden, waren hier nicht anwendbar.
  7. Prozessrechtsverhältnis und Kostensensibilität: Die Beklagte hätte die Kosten niedrig halten müssen.
  8. Entscheidung basierend auf § 91 Abs. 1 ZPO: Die Kostenentscheidung gründet sich auf geltendes Prozessrecht.

Rechtsfragen zur Kostenerstattung bei Rechtsgutachten

Im Zentrum des juristischen Diskurses steht häufig die Frage der Kostenerstattung bei der Erstellung von Rechtsgutachten, insbesondere wenn es um ausländisches Recht geht. Dieses Thema berührt grundlegende Aspekte des Zivilprozessrechts und stellt sowohl für Rechtsanwälte als auch für die beteiligten Parteien – die Klägerin und die Beklagte – eine bedeutende Herausforderung dar. Die Entscheidungen höherer Gerichte, wie des Oberlandesgerichts Hamburg, liefern wichtige Präzedenzfälle, die die juristische Praxis in ähnlich gelagerten Fällen beeinflussen können.

Das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit eines Gutachtens für die sachgerechte Führung eines Rechtsstreits und der damit verbundenen Kostenübernahme ist ein komplexes Gebiet, das sowohl für die juristische Fachwelt als auch für Laien von Interesse ist. In einem konkreten Fall, der vor dem Landgericht Hamburg verhandelt wurde, kommen diese Aspekte deutlich zum Vorschein. Die nachfolgende Betrachtung des Urteils bietet Einblicke in die juristische Bewertung von Kostenentscheidungen und wirft Licht auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Streitparteien. Lassen Sie uns gemeinsam in die Details dieses faszinierenden und lehrreichen Falls eintauchen.

Der Streit um die Kosten eines Rechtsgutachtens

Im Fokus eines bemerkenswerten Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Hamburg stand die Frage der Kostenerstattung für ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten über ausländisches Recht. Ausgangspunkt war eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte wegen Mietzahlungen für die Vercharterung eines Flugzeugs. Die Beklagte, vertreten durch ihre Rechtsanwälte, ließ ein Gutachten durch Schweizer Juristen erstellen, um zu klären, ob ein Zeuge nach Schweizer Recht berechtigt war, bindende Erklärungen für die Klägerin abzugeben. Dieses Gutachten kostete die Beklagte EUR 11.603,17.

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg

Das Landgericht Hamburg sah die Kosten für das Gutachten als erstattungsfähig an. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein. Sie argumentierte, dass das Gutachten für den Prozess nicht relevant war, da sich herausstellte, dass der Zeuge seine Erklärungen aus Deutschland abgegeben hatte und somit deutsches Recht anzuwenden war.

Oberlandesgericht Hamburg: Kriterien für die Erstattungsfähigkeit

Das Oberlandesgericht Hamburg gab der Beschwerde der Klägerin statt und änderte den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts. Das Gericht erklärte, dass die Kosten eines Privatgutachtens nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind, wenn sie unmittelbar prozessbezogen und notwendig sind. Diese Notwendigkeit wird bejaht, wenn eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte. Im vorliegenden Fall war das Gutachten für die Verteidigung der Beklagten irrelevant, da letztlich deutsches Recht zur Anwendung kam.

Die Begründung des Gerichts und die Konsequenzen

Das Gericht stützte sich auf die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung und befand, dass die Beklagte nicht davon ausgehen durfte, dass das Gutachten sachdienlich war. Es wurde kritisiert, dass die Beklagte nicht auf einen Hinweis des Gerichts gewartet hatte, bevor sie das Gutachten in Auftrag gab. Zudem war die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG München nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall. Die Beklagte wurde für ihre mangelnde Kostensensibilität im Prozessrechtsverhältnis gerügt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg basierte auf § 91 Abs. 1 ZPO und betont die Bedeutung der Prozessökonomie und der Verhältnismäßigkeit bei der Einholung von Gutachten.

Das Urteil zeigt die Komplexität der Kostenerstattung bei der Einholung von Gutachten im Zivilprozessrecht auf und dient als Orientierung für künftige Fälle, in denen die Erstattungsfähigkeit von Kosten für Rechtsgutachten über ausländisches Recht eine Rolle spielt.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Inwiefern ist „ausländisches Recht“ bei einem Rechtsgutachten relevant?

„Ausländisches Recht“ kann in einem Rechtsgutachten relevant sein, wenn ein Rechtsstreit internationale Bezüge aufweist. Dies kann der Fall sein, wenn die Parteien verschiedene Staatsangehörigkeiten haben, nicht im selben Land wohnen oder einen Vertrag über ein Geschäft im Ausland abschließen. In solchen Fällen kann das internationale Privatrecht (IPR) die Anwendung ausländischen Rechts verlangen.

Nach deutschem Recht hat der Tatrichter das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Die Ermittlung darf sich jedoch nicht nur auf den Wortlaut einzelner Vorschriften beschränken. Vielmehr muss der Richter die zur Entscheidung stehende Rechtsfrage insgesamt ausleuchten und unter Berücksichtigung ausländischer Rechtsprechung und Rechtslehre klären, wie das einschlägige Recht tatsächlich praktiziert wird. Dabei kann der Richter die Mitwirkung der Parteien in Anspruch nehmen, ist aber nicht an deren Vorbringen gebunden.

Die Ermittlung ausländischen Rechts stellt eine praktische Herausforderung dar, da von einem inländischen Gericht nicht erwartet werden kann, dass es Kenntnis ausländischer Rechtsnormen hat. Daher können Gerichte sich die Kenntnis ausländischen Rechts durch Rechtsquellen- oder Literaturstudien verschaffen. Nützlich sind dabei Sammlungen von Rechtsgutachten, zweisprachige Ausgaben von Gesetzestexten sowie internationale Datenbanken.

Die Anwendung ausländischen Rechts kann jedoch auch zu Komplikationen führen. Die Einholung von Rechtsgutachten, die zusätzliche Beratung durch ausländische Anwälte, die Ladung ausländischer Zeugen und die Komplexität der Risikoeinschätzung können solche grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten für die Parteien teuer, langwierig und unabwägbar machen.

Fehlerhafte oder unzureichende Ermittlungen des ausländischen Rechts können mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Daher ist es für ein Rechtsgutachten von entscheidender Bedeutung, das ausländische Recht korrekt zu ermitteln und anzuwenden.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 4 W 84/23 – Beschluss vom 27.10.2023

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 1 für Handelssachen, vom 26.07.2023 geändert:

Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31.05.2023 zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf EUR 18.204,55 nebst einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2023.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Miete für die Vercharterung eines Flugzeugs in Anspruch genommen. Nach Zustellung der Klagschrift hat die Beklagte bei Schweizer Rechtsanwälten ein Rechtsgutachten über die Frage, ob ein Zeuge nach Schweizer Recht berechtigt war, für die Klägerin verpflichtende Erklärungen abzugeben, in Auftrag gegeben. Dabei hat die Beklagte angenommen, dass der Zeuge die Willenserklärungen von seinem Wohnsitz in der Schweiz aus abgegeben hat. Das eingereichte Rechtsgutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass der Zeuge in wirksamer Stellvertretung für die Klägerin gehandelt habe. Später stellte sich heraus, dass der Zeuge von Deutschland aus tätig geworden ist, so dass für die Frage der Stellvertretung Deutsches Recht zur Anwendung kam. Die Beklagte hat für das Rechtsgutachten umgerechnet EUR 11.603,17 bezahlt.

Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsgutachtens für erstattungsfähig gehalten. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel.

II.

Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel zu Recht dagegen, dass das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die von der Beklagten zur Erstattung angemeldeten Kosten für die Erstellung eines Rechtsgutachtens festgesetzt hat. Die Kosten des Rechtsgutachtens sind nicht erstattungsfähig.

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Die Kosten eines während des Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, nämlich dann, wenn die Kosten unmittelbar prozessbezogen und notwendig sind (BGH NJW 2017, 1397; NZBau 2018, 738). Die Einholung eines Privatgutachtens ist notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (BGH NJW 2012, 1370; 2013, 1823). Sachdienlichkeit kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war (BGH NZBau 2018, 738, Rn. 23; OLG Hamm NJW-RR 2022, 787).

Diese Grundsätze gelten auch für die Einholung eines während des Rechtsstreits eingeholten Rechtsgutachtens über ausländisches Recht.

Die Beklagte durfte die Einholung des Rechtsgutachtens nach Schweizer Recht ex ante nicht als sachdienlich ansehen. Die Beklagte ist nämlich durch das Rechtsgutachten nicht in die Lage versetzt worden, sich gegen den geltend gemachten Anspruch sachgerecht zu verteidigen. Für die Schlüssigkeit ihres Vorbringens in der Klagerwiderung war das Rechtsgutachten ohne Bedeutung. Die Beklagte hätte für ihren Sachvortrag die Anwendung Deutschen Rechts unterstellen können. Es wäre dann Sache der Klägerin gewesen, dies zu bestreiten, und gegebenenfalls – sofern entscheidungserheblich – wäre es Aufgabe des Gerichts gewesen zu klären, ob für die Frage der Stellvertretung Deutsches oder Schweizer Recht zu Anwendung kommt (§ 293 ZPO).

Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG München vom 14.11.2000 (NJW-RR 2001, 1723) ist nicht einschlägig, weil dort die Erstattungsfähigkeit eines Rechtsgutachtens über ausländisches Recht mit der Begründung bejaht worden ist, dass der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach Spanischen Recht mit dem Rechtsgutachten schlüssig begründet worden sei und die Klägerin anderenfalls hätte befürchten müssen, dass die Klage als unschlüssig abgewiesen werde, ohne dass das Gericht in die Prüfung des spanischen Urheberrechts eintrete. Gleiches gilt für die Entscheidung des OLG München vom 17.03.2005 (OLGR München 2005, 306), in der die Klägerin (erst) auf Hinweis des Gerichts ein Rechtsgutachten über den geltend gemachten patentrechtlichen Anspruch nach Schweizer Recht eingeholt hatte. Um einen hiermit vergleichbaren Fall handelt es sich vorliegend nicht. Eine sofortige Verurteilung der Beklagten wegen einer nicht erheblichen Rechtsverteidigung ohne vorherige Einholung eines Rechtsgutachtens drohte nicht. Sie hätte jedenfalls einen Hinweis des Gerichts abwarten müssen. Allein der von der Beklagten angeführte Umstand, „dass zum Zeitpunkt der Klagerwiderung nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Schweizer Recht anwendbar sei“, begründet keine Notwendigkeit der Kosten. Mithin ist die Beklagte ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH NJW 2018, 1403, Rn. 19), nicht nachgekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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