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Interessante Irrtümer im Arbeitsrecht 2021

Ausgewählte Rechtsirrtümer aus dem Bereich des Arbeitsrechts und deren Richtigstellung.

Irrtum 1: Im Vorstellungsgespräch darf der Arbeitgeber alles fragen, was er wissen will.

Irrtum 2: Ohne schriftlichen Arbeitsvertrag hat man gar keinen Arbeitsvertrag.

Irrtum 3: Innerhalb der Probezeit darf der Arbeitgeber jederzeit kündigen.

Irrtum 4: Auf sog. „Minijobs“ findet das Arbeitsrecht keine Anwendung.

Irrtum 5: Dem Arbeitnehmer kann auch mündlich gekündigt werden.

Irrtum 6: Bei Krankheit darf der Arbeitgeber nicht kündigen.

Irrtum 7: Nicht genommener Jahresurlaub kann problemlos ins neue Jahr übertragen werden.

Irrtum 8: Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschlag.

Irrtum 9: Ein ärztliches Attest muss bereits am ersten Tag der Erkrankung vorgelegt werden.

Irrtum 10: Nach einer betriebsbedingten Kündigung bekommt man immer eine Abfindung.

Irrtum 11: Eine Kündigung kann zurückgenommen werden.

Irrtum 12: Wer selbst kündigt, erhält von der Agentur für Arbeit stets eine Sperrfrist und 12 Wochen lang kein Arbeitslosengeld.

Aktuelle Rechtssprechung

Arbeitnehmereigenschaft von „Crowdworkern“

Die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen („Mikrojobs“) durch Nutzer einer Online-Plattform („Crowdworker“) auf der Grundlage einer mit deren Betreiber („Crowdsourcer“) getroffenen Rahmenvereinbarung kann ergeben, dass die rechtliche Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (Urt. v. 01.12.2020, Az. 9 AZR 102/20). Auch bei Crowdworkern kommt es für die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft auf die im Arbeitsrecht üblichen Kriterien an: die Leistung von weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit.

Kündigungsfristen für Arbeitnehmer

BetriebszugehörigkeitKündigungsfrist
Weniger als 2 Jahre4 Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats
2 Jahre1 Monat
5 Jahre2 Monate
8 Jahre3 Monate
10 Jahre4 Monate
12 Jahre5 Monate
15 Jahre6 Monate
20 Jahre7 Monate


Arbeitsrechts-Irrtum 1

arbeitsrecht-irrtuemer
(Symbolfoto: orig. Von Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Im Vorstellungsgespräch darf der Arbeitgeber alles fragen, was er wissen will:

Selbstverständlich hat der Arbeitgeber ein großes Interesse daran, möglichst viel über seinen künftigen Arbeitnehmer zu erfahren. Allerdings muss dieser bei der Ausübung seines Fragerechts auch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers achten. Daraus können sich unzulässige Fragen ergeben, bei denen der Bewerber – ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen – sogar mit einer Lüge antworten darf.

Unzulässige Fragen sind beispielsweise solche nach Vorstrafen, einer Behinderung, wenn der Umstand nicht in irgendeiner Weise für die angestrebte Beschäftigung bedeutsam ist (zulässig: Frage nach einer Vorstrafe von Verkehrsdelikten bei einem Berufskraftfahrer; unzulässig: Frage nach einer Vorstrafe von Verkehrsdelikten bei einem Sachbearbeiter). Der Arbeitnehmer darf sich als unbestraft bezeichnen, wenn die Vorstrafen nicht (mehr) im Bundeszentralregister eingetragen oder nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen sind. Generell unzulässig sind Fragen nach der Schwangerschaft einer Bewerberin.


Arbeitsrechts-Irrtum 2

Ohne schriftlichen Arbeitsvertrag hat man gar keinen Arbeitsvertrag:

Auch wenn einem Arbeitsverhältnis im Regelfall ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde liegen wird, so existiert für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses keine besondere Formvorschrift. Demzufolge kann ein Arbeitsvertrag auch mündlich oder gar durch schlüssiges Verhalten rechtswirksam geschlossen werden. Nach § 2 Nachweisgesetz hat der Arbeitnehmer jedoch einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Arbeitsbedingungen (bspw. Höhe des Arbeitsentgelts, Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, Kündigungsfristen, etc.), die ihm spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen sind.


Arbeitsrechts-Irrtum 3

Innerhalb der Probezeit darf der Arbeitgeber jederzeit kündigen:

Da das Kündigungsschutzgesetz erst nach sechsmonatiger Beschäftigungsdauer Anwendung findet, gehen juristische Laien oftmals davon aus, dass der Arbeitgeber somit innerhalb der Probezeit jederzeit kündigen darf. Richtig ist, dass der Arbeitgeber in der maximal sechs Monate andauernden Probezeit das Arbeitsverhältnis ohne Angabe eines Kündigungsgrundes kündigen darf. Dabei ist er jedoch an die während der Probezeit bestehende Kündigungsfrist von zwei Wochen gebunden. Eine außerordentliche und somit fristlose Kündigung ist nur bei Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes (z.B. Arbeitszeitbetrug, schwere Beleidigung) möglich.


Arbeitsrechts-Irrtum 4

Auf sog. „Minijobs“ findet das Arbeitsrecht keine Anwendung:

Sog. „Minijobber“ werden oftmals als Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt. Dabei findet das Arbeitsrecht selbstverständlich auch auf Minijobber entsprechende Anwendung. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive betrachtet gibt es nur Vollzeitbeschäftigte und Teilzeitbeschäftige. Ein Minijobber arbeitet innerhalb der Geringfügigkeitsgrenze (Maximalverdienst: 450,00 €) und ist somit teilzeitbeschäftigt. Die Einstufung als Minijobber hat vorrangig lediglich einen sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund, spielt aber für die Frage der Anwendbarkeit des Arbeitsrechts keine Rolle. Somit stehen Minijobbern dieselben Arbeitnehmerrechte wie regulären Vollzeitbeschäftigten zu. Sie haben insbesondere einen Anspruch auf Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung bei Krankheit und bei Krankheit des eigenen Kindes, Entgeltfortzahlung bei Mutterschaft, Entgeltfortzahlung bei Arbeitsausfall an Feiertagen sowie Anspruch auf Erholungsurlaub. Darüber hinaus gilt auch für Minijobber selbstverständlich der gesetzliche Mindestlohn (von derzeit: 9,50 € pro Stunde, ab 01.07.2021: 9,60 € pro Stunde).


Arbeitsrechts-Irrtum 5

Dem Arbeitnehmer kann auch mündlich gekündigt werden:

Man kennt die folgende Szene aus unzähligen amerikanischen Spielfilmen: Der Chef brüllt seinen Angestellten wutentbrannt an: „Herr Mustermann – Sie sind gefeuert! Packen Sie Ihre Sachen und verlassen Sie sofort Ihren Arbeitsplatz!“. Ganz so einfach ist die Rechtslage in Deutschland hingegen nicht. Gemäß § 623 BGB ist für die wirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform erforderlich. Die Nichtbeachtung dieser Formvorschrift (also die mündliche Kündigung oder aber eine Kündigung beispielsweise per SMS/WhatsApp oder per E-Mail) führt zur Nichtigkeit der Kündigung. Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer also rechtswirksam kündigen, so muss er die Kündigung in Schriftform (d.h. mittels eigenhändig unterzeichneter Kündigung) aussprechen.


Arbeitsrechts-Irrtum 6

Bei Krankheit darf der Arbeitgeber nicht kündigen:

Bei diesem Irrtum handelt es sich um eine weitverbreitete Fehlvorstellung. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jederzeit kündigen, sofern kein gesetzliches Kündigungsverbot wie etwa bei Betriebsratsmitgliedern oder Schwangeren besteht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwiefern eine Erkrankung einen wirksamen Kündigungsgrund darstellen kann. Die Krankheit des Arbeitnehmers als solche ist kein Kündigungsgrund. Wenn sie sich jedoch störend auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses u.U. sozial gerechtfertigt und somit zulässig sein. Hinzukommen muss jedoch, dass auch künftig mit weiteren krankheitsbedingten Störungen zu rechnen ist (sog. negative Zukunftsprognose).


Arbeitsrechts-Irrtum 7

Nicht genommener Jahresurlaub kann problemlos ins neue Jahr übertragen werden:

Nein! Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Jahresurlaub bis zum Jahresende nehmen. Eine Übertragung in das nächste Jahr ist nur möglich, wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen (z.B. Erkrankung des Arbeitnehmers) nicht genommen werden konnte. Der Urlaubsanspruch wird nicht auf das gesamte Kalenderjahr, sondern im Regelfall nur auf das erste Quartal des folgenden Jahres übertragen. Er muss also bis spätestens 31.03. des Folgejahres genommen werden, ansonsten verfällt der Anspruch. Häufig enthalten Arbeitsverträge, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen.


Arbeitsrechts-Irrtum 8

Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschlag:

Nein! Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Lohnzuschläge bei Sonntags- und Feiertagsarbeit. Ein solcher Anspruch steht Arbeitnehmern nur dann zu, wenn der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthält oder sich ein Anspruch aus betrieblicher Übung ergibt.


Arbeitsrechts-Irrtum 9

Ein ärztliches Attest muss bereits am ersten Tag einer Erkrankung vorgelegt werden:

Nach der gesetzlichen Regelung muss der Arbeitnehmer im Falle der Erkrankung und der damit einhergehenden Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen (z.B. telefonisch). Eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit (umgangssprachlich auch als „gelber Schein“ bezeichnet), muss hingegen laut Gesetz erst am vierten Kalendertag vorgelegt werden. Dies hindert den Arbeitgeber jedoch nicht daran, individualvertraglich oder in einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Betriebsvereinbarung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon früher zu verlangen. Darüber hinaus steht es dem Arbeitgeber frei, einzelne Arbeitnehmer aufzufordern, bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Attest darüber einzureichen.


Arbeitsrechts-Irrtum 10

Nach einer betriebsbedingten Kündigung bekommt man immer eine Abfindung:

Im Allgemeinen hat man als Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf eine Abfindung. Ein solcher Anspruch kann sich aber aus Sozialplänen, Tarifverträgen oder aus Arbeitsverträgen ergeben. Ferner haben Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen die Möglichkeit, ein gesetzlich näher ausgestaltetes Abfindungsangebot zu machen. Mit Annahme dieses Angebotes „erkauft“ sich der Arbeitgeber gewissermaßen den Verzicht des Arbeitnehmers, bis zum Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Sollte der Arbeitnehmer sich hingegen entscheiden, Kündigungsschutzklage zu erheben, so verschafft ihm auch diese nicht automatisch einen Anspruch auf eine Abfindung. Eine Kündigungsschutzklage ist nämlich auf die gerichtliche Feststellung gerichtet, dass die Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gar nicht beendet hat. Hat die Klage Erfolg, so ist der Arbeitsplatz „gerettet“. Theoretisch denkbar ist zwar auch eine Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung, aus prozesstaktischen und wirtschaftlichen Gründen wahrscheinlicher (und häufiger) ist hingegen die „freiwillige“ Zahlung einer Abfindung zur Beilegung des Rechtsstreits.

Lesen Sie mehr zum Thema Abfindung berechnen.


Arbeitsrechts-Irrtum 11

Eine Kündigung kann zurückgenommen werden:

Falsch! Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willens- erklärung, die grundsätzlich mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam wird. Die damit ausgelöste Wirkung kann nicht mehr vom Kündigenden zurückgenommen werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit sieht das Gesetz deshalb für die Kündigung die Schriftform vor (s.o. Irrtum Nr.5). Soll das Arbeitsverhältnis dennoch fortgesetzt werden, so bedarf es zur Fortsetzung einer vertraglichen Abrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (eine einseitige Rücknahmeerklärung des Arbeitgebers ändert die Rechtslage hingegen nicht).


Arbeitsrechts-Irrtum 12

Wer selbst kündigt, erhält von der Agentur für Arbeit stets eine Sperrfrist und 12 Wochen lang kein Arbeitslosengeld:

Nein! Eine Eigenkündigung zieht nur dann eine zwölfwöchige Sperrzeit sowie das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich, wenn für die Kündigung kein wichtiger Grund vorliegt. Allerdings ist zu beachten, dass nicht jeder (subjektiv) vom Arbeitnehmer empfundene wichtige Grund auch sozialrechtlich ein solcher ist. Anerkannte wichtige Gründe stellen beispielsweise Mobbing oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz dar.

 

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