Skip to content

Ordnungsmittel gegen Organ einer juristischen Person wegen Verstoß gegen Unterlassungstitel

Rechtsverstöße von Unternehmen: Die Konsequenzen für verantwortliche Organe

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass ein Ordnungsgeld gegen den Geschäftsführer einer juristischen Person nicht verhängt werden kann, wenn dessen Handeln der juristischen Person zuzurechnen ist und diese nicht mehr zur Unterlassung verpflichtet ist. Die Entscheidung basiert auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei Zuwiderhandlungen von Organen juristischer Personen die Haftung primär bei der juristischen Person liegt, es sei denn, das Handeln des Organs ist ihr nicht zurechenbar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 W 13/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Zurückweisung der Beschwerde: Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg wurde abgewiesen.
  2. Kein Ordnungsgeld gegen den Geschäftsführer: Ein Ordnungsgeld gegen den Geschäftsführer (Schuldner) der Antragsgegnerin (juristische Person) ist nicht zulässig.
  3. Zurechnung der Handlung zur juristischen Person: Die Handlungen des Schuldners werden gemäß § 31 BGB der Antragsgegnerin zugeordnet.
  4. Rechtsprechung des BGH: Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können Ordnungsgelder nur gegen juristische Personen festgesetzt werden, wenn sowohl diese als auch ihr Organ zur Unterlassung verpflichtet sind.
  5. Keine Doppelbestrafung: Die Festsetzung von Ordnungsmitteln sowohl gegen die juristische Person als auch gegen ihr Organ wird vermieden.
  6. Rolle des Geschäftsführers: Der Geschäftsführer ist in seiner Funktion als Organ der juristischen Person tätig.
  7. Unterlassungstitel gegen juristische Person aufgehoben: Der Unterlassungstitel gegen die Antragsgegnerin wurde bereits aufgehoben.
  8. Zulassung der Rechtsbeschwerde: Das Gericht ließ die Rechtsbeschwerde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung zu.

Rechtliche Verantwortlichkeit innerhalb von Unternehmen

Im Fokus steht die Frage der rechtlichen Verantwortung und Haftung innerhalb einer juristischen Person, insbesondere im Hinblick auf ihre Organe, wie Geschäftsführer. Dies umfasst die Klärung, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Ordnungsmittel gegen die handelnden Organe einer juristischen Person aufgrund von Verstößen gegen Unterlassungstitel verhängt werden können. Es geht um die Abgrenzung, wann Handlungen eines Organs einer juristischen Person dieser selbst zugerechnet werden und welche Konsequenzen sich daraus für die Haftung des Organs ergeben.

Die Diskussion um diese Thematik ist besonders relevant, da sie das Verhältnis von individueller Verantwortung und der Verantwortlichkeit einer juristischen Person betrifft. Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten die Entscheidungen und Argumente des Landgerichts Hamburg und des Oberlandesgerichts Hamburg in einem konkreten Fall. Sie bieten tiefe Einblicke in die rechtlichen Überlegungen und die damit verbundenen Herausforderungen. Ein spannender Einblick in die Welt des Zivilrechts erwartet Sie, der zeigt, wie Gerichte mit der komplexen Frage der Zurechnung von Handlungen in Unternehmensstrukturen umgehen.

Der Streit um Ordnungsmittel gegen Geschäftsführer

Im Zentrum dieses Rechtsstreits steht der Geschäftsführer einer GmbH, der im Namen der Firma gehandelt hat. Die juristische Auseinandersetzung begann, als das Landgericht Hamburg dem Geschäftsführer und der GmbH mit Urteil vom 11.02.2022 untersagte, ein bestimmtes Bewegungsspielzeug anzubieten. Dies erfolgte auf Antrag einer Gläubigerin, die einen Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche Grundsätze geltend machte. Der Geschäftsführer und die GmbH stellten daraufhin den Vertrieb des Spielzeugs ein. Jedoch wurde die einstweilige Verfügung gegen die GmbH später aufgehoben, während sie gegen den Geschäftsführer bestehen blieb.

Rechtsfragen der Zurechnung und Haftung

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus der Frage, inwieweit Handlungen eines Geschäftsführers einer juristischen Person dieser zuzurechnen sind und welche Konsequenzen sich daraus für die persönliche Haftung des Geschäftsführers ergeben. Als die GmbH begann, das Spielzeug wieder zu verkaufen, sah die Gläubigerin darin einen Verstoß des Geschäftsführers gegen das Unterlassungsgebot und beantragte die Festsetzung eines empfindlichen Ordnungsgeldes gegen ihn. Das Landgericht Hamburg wies diesen Antrag zurück, indem es argumentierte, dass die Handlungen des Geschäftsführers der GmbH nach § 31 BGB zuzurechnen seien und somit ein Ordnungsgeld nur gegen die GmbH verhängt werden könne.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg

Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurück. Der Senat berief sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Ordnungsgeld gemäß § 890 ZPO nur gegen eine juristische Person festgesetzt werden kann, wenn sowohl diese als auch ihr Organ zur Unterlassung verpflichtet sind und das Organ im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit dem Verbot zuwiderhandelt. Das Gericht sah keinen Grund, ein Ordnungsmittel gegen den Geschäftsführer persönlich festzusetzen, da sein Verhalten der GmbH zuzurechnen war und die einstweilige Verfügung gegen die GmbH bereits aufgehoben worden war.

Implikationen und Weiterführung des Falles

Dieser Fall illustriert die komplexen Fragen der Zurechnung von Handlungen und der Haftung innerhalb von Unternehmensstrukturen. Er zeigt auf, wie die Gerichte die Balance zwischen individueller Verantwortung und der Verantwortlichkeit einer juristischen Person abwägen. Obwohl das Oberlandesgericht Hamburg die Beschwerde zurückwies, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Frage, ob gegen das Organ einer juristischen Person ein Ordnungsgeld für eine Zuwiderhandlung verhängt werden kann, die nach der Aufhebung eines Unterlassungstitels begangen wurde, von grundsätzlicher Bedeutung ist. Dies lässt Raum für weitere rechtliche Diskussionen und möglicherweise zukünftige Entscheidungen auf höherer Ebene.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Rolle spielt ein Organ innerhalb einer juristischen Person?

Ein Organ ist eine entscheidende Komponente einer juristischen Person, da es die Handlungsfähigkeit dieser Person ermöglicht. Juristische Personen können nicht selbst handeln, daher benötigen sie Organe, um ihre Interessen zu vertreten und ihre Aufgaben zu erfüllen.

Es gibt verschiedene Arten von Organen, darunter formelle Organe, materielle Organe und faktische Organe. Formelle Organe werden durch einen internen Wahlakt bestimmt und sind normalerweise im Handelsregister eingetragen. Materielle Organe haben eine eigene Entscheidungsbefugnis und können bei Pflichtverletzungen persönlich haftbar gemacht werden. Faktische Organe sind Personen, die ohne formelle Wahl oder Eintrag im Handelsregister an der Geschäftsführung einer Gesellschaft teilnehmen oder deren Willensbildung maßgeblich beeinflussen.

Die Organe einer juristischen Person können ihrerseits im Namen der juristischen Person Vollmachten erteilen und damit Dritten durch Rechtsgeschäfte verpflichten. Die Tatsache, dass eine juristische Person nur durch Organe handlungsfähig ist, macht die juristische Person haftbar für die Handlungen der Organe gegenüber Dritten, die geschädigt worden sind.

Es gibt auch spezielle Arten von Organen, wie die Staatsorgane, die den Staat als juristische Person handlungsfähig machen. Diese Staatsorgane unterteilen sich in der Regel in andere, ihnen untergeordnete Staatsorgane, die dann als Behörde oder Amt auftreten.

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen dem Organ und dem Organwalter. Der Organwalter ist die Person, die das Organ ausübt, während das Organ selbst die Position oder Funktion innerhalb der juristischen Person ist.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 15 W 13/23 – Beschluss vom 17.07.2023

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.05.2023, Az. 416 HKO 114/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.05.2023 ist gegenstandslos.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Schuldner, Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Schuldner) ist einer der Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Auf Antrag der Gläubigerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Gläubigerin) verbot das Landgericht Hamburg dem Schuldner und der Antragsgegnerin mit Urteil vom 11.02.2022 unter Ziffer I. des Tenors im Wege der einstweiligen Verfügung aus lauterkeitsrechtlichen Gründen, das Bewegungsspielzeug „M“ anzubieten. Daraufhin stellten die Antragsgegnerin und der Schuldner den Vertrieb dieses Bewegungsspielzeugs ein. Gegen das Urteil legte nur die Antragsgegnerin Berufung ein; der Schuldner focht es nicht an. Das Berufungsverfahren fand vor dem erkennenden Senat statt (Az.: 15 U 58/23). Mit Urteil vom 09.06.2022 änderte der Senat das Urteil des Landgerichts Hamburg ab, hob die gegen die Antragsgegnerin ergangene einstweilige Verfügung auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurück. Kurz darauf fanden sich auf verschiedenen Plattformen im Internet Mitteilungen dergestalt, dass die einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin aufgehoben worden sei und der „M“ in Kürze wieder erhältlich sein werde. Das Spielzeug wurde sodann (und wird noch) auf der Internetseite der Antragsgegnerin als auch auf Internetseiten anderer Händler wieder zum Kauf angeboten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 08.05.2023 verwiesen.

In den genannten Ankündigungen und Kaufangeboten erblickt die Gläubigerin einen Verstoß des Schuldners gegen das ihm gegenüber nach wie vor wirksame Unterlassungsgebot aus dem Urteil des Landgerichts. Sie hat daher mit Schriftsatz vom 05.07.2022 die Festsetzung eines empfindlichen Ordnungsgeldes gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlungen gegen den Unterlassungstitel gemäß Ziffer I. des Tenors des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 11.02.2022 beantragt, die dieser in seiner Funktion als Geschäftsführer der Antragsgegnerin begangen haben soll. Das Landgericht Hamburg hat diesen Antrag mit Beschluss vom 08.05.2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die in Rede stehenden vermeintlichen Verstöße Handlungen des Schuldners betreffen würden, die dieser als Geschäftsführer der Antragsgegnerin vorgenommen habe. Daher seien die Verstöße gemäß § 31 BGB der Antragsgegnerin zuzurechnen. Das habe zur Folge, dass wegen der Verstöße ein Ordnungsgeld allein gegen die Antragsgegnerin verhängt werden könne, die aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr zur Unterlassung verpflichtet gewesen sei. Ein Ordnungsgeld gegen den Schuldner komme hingegen nicht in Betracht, weil kein eigenes schuldhaftes Verhalten des Schuldners vorgetragen sei, für das er persönlich einzustehen hätte. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren“ (BGH, Beschl. v. 12.01.2012, Az. I ZB 43/11,GRUR 2012, 541 sowie BeckRS 2012, 4571 – Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren) Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen.

Die Gläubigerin hat gegen den ihr am 08.05.2023 zugestellten Beschluss mit am 15.05.2023 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, das in der Antragsschrift vom 05.07.2022 beantragte Ordnungsmittel unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses gegen den Schuldner zu verhängen. Sie meint, die Erwägungen der Entscheidung „Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren“ des Bundesgerichtshofs seien nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil hier die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die GmbH überhaupt nicht (mehr) möglich sei. Dazu verweist sie auf zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 07.2012, Az. 6 W 77/12, BeckRS 2012, 26601;OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.04.2019, Az. 6 W 20/19, BeckRS 2019, 11211). Die Zurechnung des Handelns des Geschäftsführers zur GmbH gemäß § 31 BGB bedeute keine Verschiebung, sondern eine Vervielfachung der Verantwortlichkeit. Werde das beantragte Ordnungsgeld nicht gegen den Schuldner festgesetzt, stehe die Gläubigerin trotz des gerichtlichen Titels effektiv schutzlos da.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17.05.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem erkennenden Senat als Beschwerdegericht vorgelegt. Der Beschwerde sei aus den in dem angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abzuhelfen. Die Gläubigerin habe mit ihrer Beschwerde keine Umstände vorgetragen, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen würden, sondern lediglich eine andere Rechtsansicht dargelegt.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie gemäß § 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet, denn das Landgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner vom 05.07.2022 zu Recht zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner könnte bereits der Einwand der Treuwidrigkeit entgegenstehen, nachdem der erkennende Senat vor der dem Schuldner zur Last gelegten Zuwiderhandlung die einstweilige Verfügung gegenüber der Antragsgegnerin mit der Begründung aufgehoben hat, dass der geltend gemachte Verfügungsanspruch überwiegend wahrscheinlich nicht bestehe. Dies ist mit Blick auf den Schuldner nur deswegen unterblieben, weil er nicht ebenfalls Berufung gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt hat. Wäre dies geschehen, hätte der Senat die gegen den Schuldner ergangene einstweilige Verfügung aus demselben Grund aufgehoben. Die Gläubigerin hat den Ordnungsmittelantrag gegen den Schuldner in Kenntnis dessen gestellt. Darin könnte ein treuwidriges Ausnutzen einer formalen Rechtsposition (s. dazu Mansel in: Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021, § 242 Rn. 42 mit Verweis u.a. auf BGHZ 100, 105 = BGH, NJW 1987, 1880) zu sehen sein. Unbeschadet dessen wäre zu überlegen, ob den Schuldner – eine Zuwiderhandlung unterstellt – ein Verschulden trifft, wenn er nach der Aufhebung des Unterlassungstitels gegen die Antragsgegnerin mangels Verfügungsanspruchs den Vertrieb für die Antragsgegnerin wieder aufnimmt. Denn er dürfte wohl im Rahmen seines Anstellungsvertrags mit der Antragsgegnerin gehalten sein, den ihr wieder erlaubten Vertrieb für sie wieder aufzunehmen. Und selbst wenn ein Verschulden zu bejahen wäre, würde sich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Frage stellen, ob ein Ordnungsgeld verhängt werden könnte für den Verstoß gegen ein Verbot, das der Senat materiell-rechtlich zuvor als nicht gerechtfertigt angesehen hat.

All dies kann jedoch dahinstehen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, BeckRS 2012, 4571 Rn. 6 – Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren) ist ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO nur gegen die juristische Person festzusetzen, wenn sowohl diese als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet sind und das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwiderhandelt. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die juristische Person setze, da die juristische Person selbst nicht handlungsfähig sei und durch ihre Organe handle, nur einen schuldhaften Verstoß des Organs gegen das Unterlassungsgebot voraus (BGH, a.a.O. Rn. 7). Es bestehe aber kein Anlass, auf Grund einer der juristischen Person zurechenbaren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen (BGH, a.a.O. Rn. 7). Mit dem Sanktionscharakter der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO sei es schwerlich vereinbar, dass das Handeln einer natürlichen Person die Festsetzung ein und desselben Ordnungsmittels gegen mehrere Personen zur Folge habe (BGH, a.a.O. Rn. 8). Aus Sicht des erkennenden Senats gilt dies erst recht dann, wenn wie hier der ursprünglich auch gegen die juristische Person ergangene Unterlassungstitel inzwischen aus materiell-rechtlichen Gründen aufgehoben worden ist. Es erscheint nicht gerechtfertigt, das Organ für diesen Fall (erheblich) schlechter zu stellen als für den Fall, dass der Unterlassungstitel auch gegenüber der juristischen Person noch Bestand hat.

Gegen die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen den Schuldner sprechen zudem und unabhängig von dem soeben Ausgeführten auch die folgenden Erwägungen: Nach dem Verständnis des Senats enthält die Entscheidung „Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren“ die Aussage, dass die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Organ einer juristischen Person bei Inanspruchnahme sowohl des Organs als auch der juristischen Person von vornherein nur dann in Betracht kommt, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist. Das gilt unabhängig davon, ob auch gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könnte. Der Bundesgerichtshof führt nämlich aus, dass die gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren – trotz des Grundsatzes, dass bei einem Handeln des Organs im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person eine Festsetzung des Ordnungsgeldes nur gegen die juristische Person in Betracht kommt – nicht überflüssig sei, da sie dann Bedeutung erlange, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar sei, etwa wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat (BGH, a.a.O. Rn. 9). Daraus folgt, dass der Bundesgerichtshof bei der Frage des Adressaten des Ordnungsgeldes danach unterscheidet, als wessen Handeln sich die Zuwiderhandlung der natürlichen Person, um die es sich bei dem Organ handelt, darstellt. Ist die Zuwiderhandlung nach § 31 BGB der juristischen Person zuzurechnen, ist diese Adressatin des Ordnungsgeldes; handelt das Organ außerhalb seiner Geschäftstätigkeit und ist sein Handeln der juristischen Person deshalb nicht zuzurechnen, ist das Organ selbst Adressat des Ordnungsgeldes, wenn auch nicht als Organ. Demnach kommt die Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen das Organ persönlich nur in Fällen in Betracht, in denen sein Fehlverhalten nicht deckungsgleich mit dem Fehlverhalten der juristischen Person ist, sondern das Organ eine über sein Handeln für die juristische Person hinausgehende persönliche Schuld trifft (so auch OLG Hamburg, Beschl. v. 02.10.2007, Az. 5 W 99/07, BeckRS 2008, 7232 Rn. 8; auf diesen Beschluss verweist BGH, BeckRS 2012, 4572 Rn. 6). Angesichts des Sanktionscharakters ist ein persönlich für den eigenen Rechtskreis vorwerfbares Verhalten unverzichtbar (OLG Hamburg, BeckRS 2008, 7232 Rn. 8). Im vorliegenden Fall war das der vermeintlichen Zuwiderhandlung zugrunde liegende Verhalten des Schuldners aber deckungsgleich mit dem Verhalten der Antragsgegnerin. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Gläubigerin kein Handeln des Schuldners dargelegt hat, das der Antragsgegnerin nicht nach § 31 BGB zuzurechnen wäre, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernen würde, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint (BGH, a.a.O. Rn. 9 m.w.N.).

Dem hier gefundenen Ergebnis stehen die von der Gläubigerin für ihre Position in Anspruch genommenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. nicht entgegen. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat dort jeweils die Anordnung eines Ordnungsmittels gegen das Organ einer juristischen Person zugelassen, obwohl dieses im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person einem Verbot zuwiderhandelte, da eine Vollstreckung gegen die juristische Person (noch) nicht möglich war. Im einen Fall war der Unterlassungstitel gegen die juristische Person, welche gegen den Unterlassungstitel Berufung eingelegt hatte, nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar und die Sicherheit nicht geleistet worden, wohingegen der Titel gegen das Organ rechtskräftig und daher ohne weiteres vollstreckbar war, nachdem dieses das Urteil nicht angefochten hatte (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 07.2012, Az. 6 W 77/12, BeckRS 2012, 16601). Im anderen Fall war die einstweilige Verfügung zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung zwar bereits dem Organ, aber noch nicht der juristischen Person zugestellt (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23.04.2019, Az. 6 W 20/19, BeckRS 2019, 11211). Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. nahm jeweils an, dass der Grundsatz der Entscheidung „Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren“ des Bundesgerichtshofs auf solche Fälle nicht anwendbar sei. Die dortige Erwägung, dass es mit dem Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO schwerlich vereinbar sei, aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festzusetzen, greife nicht. Denn eine Doppelahndung sei ausgeschlossen, wenn die Zwangsvollstreckung gegen die juristische Person unmöglich ist, weil die Vollstreckungsvoraussetzungen dieser gegenüber nicht erfüllt sind (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 07.2012, Az. 6 W 77/12, BeckRS 2012, 16601). Dann könne nichts anderes gelten, als wenn der Gläubiger einen Unterlassungstitel überhaupt nur gegenüber dem Organ erwirkt hätte (OLG Frankfurt a. M., a.a.O. und BeckRS 2019, 11211). Unabhängig davon, ob diese Sichtweise überzeugt, obwohl es dort in der Hand des jeweiligen Gläubigers lag, die Vollstreckungsvoraussetzungen auch gegen die juristische Person (durch Sicherheitsleistung bzw. Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb) zu schaffen, lagen die dort beurteilten Sachverhalte in einem entscheidenden Punkt anders als hier: Dort bestand nach wie vor auch der Unterlassungstitel gegenüber der juristischen Person, dieser war lediglich noch nicht vollstreckbar. Hier aber besteht dieser Unterlassungstitel nicht mehr, und zwar weil der Senat ihn materiell-rechtlich für nicht berechtigt angesehen hat.

Der Einwand der Gläubigerin, die Zurechnung nach § 31 BGB statuiere keine Verschiebung, sondern eine Vervielfachung der Verantwortlichkeit, und führe nicht dazu, dass das Organ im Falle der Zurechnung schuldlos handle, verfängt nicht. Es ist zwar zutreffend, dass die Haftung der juristischen Person für Handlungen des Organs nach § 31 BGB neben die persönliche Haftung des Organs tritt (Leuschner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 31 Rn. 35; Schöpflin in: BeckOK BGB, 66. Edition, Stand: 01.05.2023, § 31 Rn. 27). So kann – wie es auch hier zunächst geschehen ist – ein Organ, das im Rahmen seiner Tätigkeit für die juristische Person auch selbst den Haftungstatbestand erfüllt hat, etwa weil es selbst die Rechtsverletzung veranlasst hat, auch persönlich neben der juristischen Person nach § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 8 Rn. 2.20 m.w.N.). Diese Grundsätze betreffen aber das Erkenntnisverfahren und treffen keine Aussage darüber, gegen wen – juristische Person oder Organ – im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Ordnungsmittel festgesetzt werden kann. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr entschieden, dass eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren erst dann im Zwangsvollstreckungsverfahren Bedeutung erlangt, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist (BGH, BeckRS 2012, 4571 Rn. 9 – Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren; vgl. auch die Anm. von Jestaedt, GRUR 2012, 541 (542 f.)). Ein solcher Fall liegt hier jedoch, wie oben ausgeführt, nicht vor.

Ohne Erfolg beruft sich die Gläubigerin weiter darauf, dass sie trotz des gerichtlichen Titels gegen den Schuldner effektiv schutzlos dastehe. Dass die Gläubigerin wegen der vermeintlichen Zuwiderhandlungen kein Ordnungsmittel verhängen lassen kann, ist Konsequenz des Umstands, dass sie gegen die Antragsgegnerin keinen gerichtlichen Titel mehr hat. Die geltend gemachte Zuwiderhandlung stellt sich aber als eine solche der Antragsgegnerin dar, weil das geltend gemachte Verhalten des Schuldners dieser nach § 31 BGB zuzurechnen ist.

Ob ein Ordnungsgeld gegen das Organ einer juristischen Person angeordnet werden kann, wenn von Beginn an isoliert nur das Organ und nicht auch die juristische Person auf Unterlassung in Anspruch genommen wird oder wenn trotz Inanspruchnahme beider ein Titel nur gegen das Organ ergangen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 S. 3, § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Streitwertfestsetzung hat nicht zu erfolgen, weil die Gerichtskosten im Verfahren gemäß § 890 ZPO als Festgebühren erhoben werden (s. dazu ausführlich und m.w.N. Schneider, NJW 2019, 24). Gemäß Nr. 2111 der Anlage I zum GKG fällt für das erstinstanzliche Verfahren über einen Antrag nach § 890 ZPO eine Festgebühr i.H.v. 22 Euro an. Für das Beschwerdeverfahren ist nach Nr. 2121 der Anlage I zum GKG eine Festgebühr i.H.v. 33 Euro anzusetzen, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Wird die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Für den Fall einer erfolgreichen Beschwerde ist keine Gerichtsgebühr vorgesehen. Demnach fallen im gesamten Verfahren nach § 890 ZPO keine Gerichtsgebühren an, die sich nach dem Streitwert richten. Eine Streitwertfestsetzung setzt jedoch gemäß § 63 Abs. 1 GKG voraus, dass in dem betreffenden Verfahren Gerichtsgebühren anfallen, die sich nach der Höhe des Streitwerts richten.Die vom Landgericht getroffene Streitwertfestsetzung ist daher gegenstandslos (s. erneut Schneider, a.a.O. m.w.N.), was der Senat lediglich klarstellend tenoriert hat.

Ein Antrag gemäß § 33 Abs. 1 und 2 RVG ist bislang nicht gestellt.

IV.

Der erkennende Senat lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden, ob gegen das Organ einer juristischen Person ein Ordnungsgeld für eine Zuwiderhandlung verhängt werden kann, die zeitlich nach der Aufhebung des zunächst bestehenden, inhaltlich gleichlautend gegen die juristische Person ergangenen Unterlassungstitels begangen wurde. Diese Frage kann sich in einer Vielzahl künftiger Fälle erneut stellen.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos