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Kostenpflicht für polizeilicher Einsatz bei Falschalarm bzw. vorgetäuschter Gefahr

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof –  Az.: 10 ZB 20.11 – Beschluss vom 19.02.2020

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, ihm für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. November 2019 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beizuordnen, ist abzulehnen, da ein solcher Antrag keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wäre vielmehr voraussichtlich abzulehnen, weil sich durchgreifende Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus einer Prüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat ergeben.

Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständliche Kostenrechnung des Beklagten vom 24. April 2019 in Höhe von 1.080,– Euro als rechtmäßig angesehen, weil der Polizeieinsatz (Suchmaßnahmen) am 8. März 2019 eine Amtshandlung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG darstellt, die vom Kläger veranlasst war (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG) und der den Grundsatz der Kostenfreiheit polizeilicher Maßnahmen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KG) durchbrechende (Ausnahme-)Kostentatbestand nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. c KG in Form einer vorsätzlichen Falschalarmierung (Alt. 1) bzw. vorgetäuschten Gefahr (Alt. 2) erfüllt ist. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger den Polizeieinsatz durch eine vorsätzliche Falschalarmierung bzw. eine vorgetäuschte Gefahr veranlasst habe. Die beiden Zeugen, POK T. und POM B., hätten den Ablauf des Sucheinsatzes übereinstimmend und nachvollziehbar dargelegt. Dagegen sei der Vortrag des Klägers, er sei in einen Bach gefallen und seine Kleidung bei dem Umherirren im Wald eingefroren, nicht nachvollziehbar und glaubhaft. Auch das Verhalten des Klägers nach seinem Auffinden durch die Polizei verstärke den Eindruck, dass er sich nicht in einer hilflosen Lage befunden und die Ohnmachtsanfälle nur vorgetäuscht habe. Auch habe der Zeuge T. nachvollziehbar dargelegt, dass eine Bestimmung der Position des Klägers mittels GPS bis auf 20 m genau möglich gewesen sei.

Dagegen macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das Gericht beziehe sich bei seiner Bewertung ausschließlich auf die Zeugenaussagen der beiden Polizeibeamten insbesondere zur Auffindesituation, nicht berücksichtigt worden sei dagegen der Verlauf (des Einsatzes) vorher, zum Beispiel das Notrufgespräch, und der Umstand seiner Alkoholisierung. PHK T. verfüge nicht über die erforderlichen medizinischen und verhaltenspsychologischen Fachkenntnisse, um eine angeblich vorgetäuschte Ohnmacht feststellen zu können. Entgegen der Angaben des Zeugen sei eine so genaue Bestimmung der Position mittels GPS-Ortung des Handys technisch gar nicht möglich. Der von ihm (Kläger) angegebene Standort weiche nur um etwas weniger als 500 m von dem Ort ab, an dem die Polizei ihre Suchmaßnahmen zuerst gestartet habe. Eventuell seien diesbezüglich noch ein Sachverständigengutachten und die Beibringung eines entsprechenden Protokolls zum damaligen technischen Ablauf erforderlich. Es sei unverständlich, wie das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund feststellen habe können, dass er (Kläger) den Polizeieinsatz vorsätzlich verursacht habe. Keine Rolle spiele insofern, dass es bei ihm wenige Stunden vor der Suchaktion zu einem anderweitigen Polizeieinsatz an seiner Wohnung gekommen und er aus privaten Gründen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ferngeblieben sei. Es sei im Übrigen nicht verboten, sich nachts in einen Wald auf einen Spaziergang zu begeben, auch nicht unter Alkoholeinfluss.

Diese Ausführungen des Klägers wenden sich der Sache nach gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweis- und Sachverhaltswürdigung und damit die richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 VwGO. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu begründen vermag, liegt folglich nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die theoretische Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 10 ZB 19.1207 – juris Rn. 8; B.v. 25.1.2019 – 10 ZB 18.2405 – juris Rn. 7; B.v. 12.1.2017 – 10 ZB 15.399 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 14.3.2016 – 15 ZB 16.168 – juris Rn. 8; B.v. 7.12.2011 – 10 ZB 11.2125 – juris Rn. 16 m.w.N.).

Kostenpflicht für polizeilicher Einsatz bei Falschalarm bzw. vorgetäuschter Gefahr
(Symbolfoto: Von Heiko Barth/Shutterstock.com)

Die Kostenpflicht nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 Buchst. c KG setzt in beiden Tatbestandsalternativen – vorsätzlicher Falschalarm bzw. vorgetäuschte Gefahr oder Straftat – voraus, dass bei der für die Kostenpflichtigkeit maßgeblichen ex-post-Betrachtung objektiv kein Grund für ein polizeiliches Einschreiten vorgelegen hat (vgl. Unterreitmeier in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 10.11.2019, PAG Art. 93 Rn. 37 m. Rspr-nachw.). Dies hat das Verwaltungsgericht im Fall des Polizeieinsatzes aufgrund des „Notrufs“ des Klägers am 8. März 2019 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht und in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargelegt, warum es zu seiner richterlichen Überzeugung gelangt ist. Es ist aufgrund verschiedener Widersprüche bzw. Unstimmigkeiten der Schilderung des Klägers von seiner „Notlage“ und „Hilflosigkeit“ nach seinem „nächtlichen Spaziergang“ in einem Wald in der Nähe seines Wohnanwesens, dem (behaupteten) Sturz zunächst ins Gebüsch und später in ein Bachbett und schließlich der Situation bei seinem späteren Auffinden auf der Wiese einerseits und der schlüssigen und überzeugenden Angaben der beteiligten Polizeibeamten (Zeugen) zum Einsatzgeschehen und vor allem zum Verhalten des Klägers insbesondere nach dessen Auffinden andererseits zu der Auffassung gelangt, dass objektiv kein Grund für die Suchaktion bestanden hatte.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Bei dem vom Zeugen in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschilderten Verhalten des Klägers nach dessen Auffinden auf der Wiese bedarf es weder besonderer medizinischer noch verhaltenspsychologischer Fachkenntnisse, um eine tatsächlich erlittene von einer hier vorgespielten Ohnmacht zu unterscheiden. Auch die vom Kläger im Laufe des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens mehrfach geänderten und – den jeweiligen Stellungnahmen der Beklagtenseite – angepassten technischen Einwände gegen die Genauigkeit der in seinem Fall nach dem Notruf erfolgten Standortbestimmung per GPS-Ortung hat das Verwaltungsgericht zu Recht als nicht stichhaltig angesehen. Die im Zulassungsverfahren hierzu gemachten umfangreichen Ausführungen in seinen Schreiben vom 5. Februar und 14. Februar 2020 sind wiederum theoretisch und ohne hinreichenden Bezug zur konkret erfolgten polizeilichen Standortbestimmung und damit ebenfalls nicht geeignet, die Annahme ernsthaft infrage zu stellen, er habe sich nach dieser genauen Standortbestimmung in der Nähe seines Wohnanwesens gezielt vom Suchgebiet und den Suchkräften wegbewegt, um gerade nicht sofort aufgefunden werden zu können.

Einwendungen bezüglich der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Amtshandlung (s. Art. 16 Abs. 5 KG), der Gebührenbemessung und der Kostenhöhe hat der Kläger nicht erhoben; die Gebührenfestsetzung begegnet aber auch sonst keinen rechtlichen Bedenken (s. II.2.3.1 KR-Pol des StMI vom 18.5.2015 Az.: IZ6-1051-1-2 i.V.m. Nr. 37.1.1 Anlage zu den KR-Pol, Stand 1.6.2015). Gründe für ein Absehen von der Erhebung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Satz 3 KG sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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