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Kostenverteilung bei Rücknahme einer Nebenforderung im Gerichtsverfahren

Wichtige Entscheidung zu Kostenverteilung bei teilweiser Klagerücknahme

In einem aktuellen Gerichtsverfahren wurde die Frage der Kostenverteilung bei teilweiser Klagerücknahme geklärt. Die Klägerin nahm ihre Nebenforderung von 90,96 € zurück, während die Beklagte die Hauptforderung von 400,00 € anerkannte.

Direkt zum Urteil: Az.: 4 C 4468/22 (2) springen.

Kernpunkte der Entscheidung

Das Gericht entschied, dass bei der Rücknahme einer Nebenforderung ein fiktiver Gesamtstreitwert unter Berücksichtigung auch der bei der Streitwertbemessung nach § 43 ZPO nicht zu berücksichtigenden Nebenforderungen zu berechnen ist. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis von obsiegendem Teilbetrag zu fiktivem Gesamtstreitwert.

Rechtsprechung und Meinungen

Die Entscheidung des Gerichts steht im Widerspruch zu Teilen der Instanzrechtsprechung und Literatur, die bei Rücknahme eines Teils der Klage eine Kostenverteilung nach der sogenannten Mehrkostenmethode befürworten. Das Gericht folgte jedoch der Auffassung des BGH und wendete § 92 ZPO an.

Kostenquote im vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall ergab sich eine von der Beklagten zu tragende Kostenquote von 81,5 % (400,00 € / 490,96 €). Eine Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO kam nicht in Betracht, da die Zuvielforderung von 18,5 % nicht als geringfügig anzusehen ist.

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Das vorliegende Urteil

AG Königs Wusterhausen – Az.: 4 C 4468/22 (2) – Urteil vom 13.04.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.02.2023 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 18,5 % und die Beklagte 81,5 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt nach § 313b Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

1.

Die Klägerin hat die Nebenforderung auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 90,96 € zurückgenommen. Insoweit war keine Sachentscheidung mehr zu treffen.

Die Hauptforderung hat die Beklagte anerkannt. Insoweit war die Beklagte gem. § 307 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

a)

Bei einem Teilunterliegen ist gem. § 92 Abs. 1 ZPO eine Kostenaufhebung oder -teilung vorzunehmen. Unter den Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ZPO liegt es im Ermessen des Gerichts, davon abweichend einer Partei die gesamten Kosten aufzuerlegen.

(1)

Ob ein Teilunterliegen vorliegt, ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise an den geltend gemachten Ansprüchen zu messen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Unterliegen eine Haupt- oder eine Nebenforderung betrifft, denn in § 92 Abs. 1 ZPO ist schlechthin von teilweisem Obsiegen und Unterliegen die Rede, ohne dass dabei ein Unterschied zwischen Haupt- und Nebenforderungen gemacht wird. Ein Teilunterliegen liegt daher auch dann vor, wenn der Kläger nur mit einer Nebenforderung unterliegt, deren Wert bei der Streitwertbemessung gem. § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt bleibt (ganz h.M., vgl. BGH, Urt. v. 28.04.1988 – IX ZR 127/87 – Juris, Rn. 28; Urt. v. 09.11.1960 – VIII ZR 222/59 – MDR 1961, 141; jeweils m.w.N. auch aus der Literatur).

Dieses Ergebnis wird durch einen Umkehrschluss aus § 92 Abs. 2 ZPO gestützt, denn nach dieser Vorschrift kann das Gericht bei einem Teilunterliegen nur dann die gesamten Prozesskosten einer Partei auferlegen, wenn die Zuvielforderung keine oder nur geringfügig höhere Kosten verursacht hat und – kumulativ – verhältnismäßig geringfügig war. Der Umstand allein, dass keine höheren Kosten ausgelöst worden sind, soll nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht ausreichen, um von einer Kostenverteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO abzuweichen.

(2)

Ein Teilunterliegen i.S.d. § 92 ZPO setzt nicht voraus, dass der Kläger durch streitige Entscheidung teils obsiegt und teils unterliegt. Vielmehr ist § 92 ZPO auch dann anzuwenden, wenn der Kläger mit einem Teil der Forderung deshalb nicht obsiegt, weil er sie zurücknimmt.

(i)

Ausgehend von § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, wonach der Kläger die Kosten des zurückgenommenen Teils zu tragen hat, ist regelmäßig gem. § 92 Abs. 1 ZPO eine Verteilung der Kosten nach Quoten vorzunehmen; nur unter den Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ZPO kann das Gericht einer Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen (BGH, Urt. v. 10.04.2019 – VIII ZR 12/18 – Juris, Rn. 55; Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 347/04 – Juris, Rn. 19; Beschl. v. 19.10.1995 – III ZR 208/94 – Juris, Rn. 1; Beschl. v. 14.01.1987 – IVa ZR 119/86 – Juris, Rn. 2; Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 92 Rn. 3, m.w.N.).

(ii)

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Teile der Instanzrechtsprechung und Literatur abweichend von der Auffassung des BGH im Fall der Rücknahme eines Teils der Klage die Kosten nicht nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens, sondern nach dem Verhältnis der angefallenen Kosten zu den hypothetischen Kosten, die ohne den zurückgenommenen Klageteil angefallen wären, verteilen (sog. Mehrkostenmethode, vgl. z.B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.07.2008 – 10 WF 125/08 – Juris, Rn. 14 ff.; OLG Schleswig, Beschl. v. 03.09.2007 – 1 W 37/07 – Juris, Rn. 4 ff.; Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 15. Aufl. 2022, Teil A Rn. 198).

Diese Auffassung wird u.a. damit begründet, dass kein Grund dafür ersichtlich sei, warum der Beklagte allein dadurch besser gestellt werden sollte, dass der Kläger zunächst mehr als den anerkannten Betrag verlangt hat (so z.B. OLG Schleswig, a.a.O.; Anders/Gehle, a.a.O.). Das Gericht vermag diesem Argument nicht zu folgen. Bei der Rücknahme eines Teils der Klage verhält es sich insofern nicht anders als bei einem Teilunterliegen durch streitige Entscheidung, denn auch in letzterem Falle profitiert der Beklagte hinsichtlich seiner Kostenlast im Ergebnis davon, dass der Kläger zuviel gefordert hat. Warum der Beklagte von einer Zuvielforderung nicht profitieren sollte, wenn der Kläger die Zuvielforderung vor einer gerichtlichen Entscheidung zurücknimmt, erschließt sich nicht.

Soweit die Gegenmeinung argumentiert, dass bei Anwendung des § 92 ZPO kein Anreiz für Teilrücknahmen bestünde (so z.B. OLG Schleswig, a.a.O.), trifft dies nur für den Fall zu, dass alle Anwaltsgebühren bereits auf den vollen Streitwert angefallen sind. Andernfalls kann ein Anreiz für eine Teilrücknahme vor der mündlichen Verhandlung schon darin bestehen, die anwaltlichen Terminsgebühren nur auf einen infolge einer Teilrücknahme reduzierten Streitwert entstehen zu lassen. Unbeschadet dessen mag eine Anreizwirkung auch für eine Teilrücknahme zwar für die Rechtsprechung von praktischem Interesse zu sein, taugt zur Gesetzesauslegung hier jedoch nur wenig, da keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Anreizwillen des Gesetzgebers ersichtlich sind. So hat der Gesetzgeber mit Ziff. 1211 Nr. 1 KV GKG nur die vollständige Rücknahme der Klage mit einer Reduzierung der Gerichtsgebühren von 3,0 auf 1,0 privilegiert.

Auch das Argument, dass bei einer teilweisen Klagerücknahme die materielle Rechtskraft hinsichtlich des zurückgenommenen Klageteils offen bleibt, spricht gerade nicht gegen die Anwendung des § 92 ZPO. Insofern sind nämlich keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Begriff des „Teilunterliegens“ i.S.d. § 92 ZPO ein über den Prozess hinausgehendes „rechtskräftiges“ Teilunterliegen meint (so aber wohl Anders/Gehle, a.a.O.). Dieser Argumentation steht schon entgegen, dass im Falle einer Teilabweisung der Klage als unzulässig § 92 ZPO unstreitig anwendbar ist, obwohl auch in diesem Fall die materielle Rechtslage hinsichtlich des abgewiesenen Klageteils offen bleibt.

b)

Damit ist zur Ermittlung der Kostenquote nach § 92 Abs. 1 ZPO bei Rücknahme einer Nebenforderung ein fiktiver Gesamtstreit unter Berücksichtigung auch der bei der Streitwertbemessung nach § 43 ZPO nicht zu berücksichtigenden Nebenforderungen zu berechnen und hiervon ausgehend die Obsiegensquote zu ermitteln (vgl. z.B. Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022 § 92 Rn. 11).

Die Klägerin hat bei einem fiktiven Gesamtstreitwert von 490,96 € (400,00 € + 90,96 €, unter Vernachlässigung der hier nur geringfügigen Zinsen) mit einem Teilbetrag von 400,00 € obsiegt, woraus sich eine von der Beklagten zu tragende Kostenquote von 81,5 % (400,00 € / 490,96 €) ergibt.

Die Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, da die Zuvielforderung von 18,5 % nicht als geringfügig anzusehen ist.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

1. Zivilprozessrecht: Das Zivilprozessrecht regelt die Durchführung von Gerichtsverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, einschließlich der Kostenverteilung. In dem hier vorgegebenen Urteil geht es um die Kostenverteilung bei Rücknahme einer Nebenforderung im Gerichtsverfahren. Daher ist das Zivilprozessrecht der wichtigste betroffene Rechtsbereich. Insbesondere kommen hier die Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Anwendung, etwa die §§ 91, 269 und 515 ZPO, die sich mit den Kosten des Rechtsstreits, der Rücknahme einer Klage und der Kostenentscheidung bei Teilrücknahme einer Klage befassen.

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2. Materielles Zivilrecht: Das materielle Zivilrecht regelt die Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien und ist für die Beurteilung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit von Haupt- und Nebenforderungen relevant. Obwohl das Urteil sich hauptsächlich auf die Kostenverteilung bezieht, kann die Beurteilung der Nebenforderung in Bezug auf das materielle Zivilrecht ebenfalls relevant sein. Hier kommen insbesondere Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Tragen, etwa solche, die sich auf Schadensersatz, Verträge oder ungerechtfertigte Bereicherung beziehen, je nachdem, woraus die Nebenforderung resultiert.

3. Kostenrecht: Das Kostenrecht ist ein Spezialgebiet des Zivilprozessrechts und regelt die Erhebung von Gerichts- und Anwaltskosten sowie die Verteilung dieser Kosten zwischen den beteiligten Parteien. In dem vorgegebenen Urteil geht es um die Kostenverteilung bei Rücknahme einer Nebenforderung im Gerichtsverfahren, weshalb das Kostenrecht ebenfalls betroffen ist. Die Regelungen finden sich vor allem im Gerichtskostengesetz (GKG) und im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Beispielsweise ist § 15 RVG relevant, der die Anrechnung von Gebühren bei teilweisem Unterliegen der Parteien regelt.

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