Rücktritt des Versicherers wegen falscher Beantwortung Gesundheitsfragen
LG Lübeck, Az.: 14 S 113/16, Urteil vom 22.12.2016
Die Berufung des Klägers gegen das am 10.05.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lübeck – 33 C 3575/15 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien sowie der prozessualen Erklärungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Verweisungen Bezug genommen. Auf das Abfassen eines Tatbestandes wird gem. §§ 313 a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO weitgehend verzichtet.
Das Amtsgericht hat mit am 10.05.2016 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.
Der Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Wegen der von den Parteien im Berufungsrechtszug gestellten Anträge wird auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 22.12.2016 verwiesen (Blatt 227 f. d. A.).
Wegen des Vorbringens des Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf dessen Berufungsbegründung vom 17.06.2016 sowie seinem Schriftsatz vom 13.09.2016, wegen des Vorbringens der Klägerin auf die Berufungserwiderung vom 26.08.2016 sowie vom 29.09.2016 verwiesen.
II.
Der in zulässiger Weise angebrachten Berufung des Klägers ist in der Sache der Erfolg versagt.
Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO); nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.
Zu Recht ist das Amtsgericht hier zu der Erkenntnis gelangt, dass die Beklagte wirksam gem. § 19 Abs. 2 VVG von dem Vertrag über eine private Krankentagegeldversicherung zurückgetreten ist.
Gem. § 19 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, den Versicherer anzuzeigen. Die Klägerin hat hier als sog. Gesundheitsfrage von dem Beklagten u. a. erfragt, ob in den letzten drei Jahren gegenwärtige Krankheiten, Beschwerde, Unfallfolgen, sonstige Gesundheitsstörungen bestanden oder bestehen oder Untersuchungen/Behandlungen stattgefunden haben.
Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger die solchermaßen konkretisierte Anzeigepflicht schuldhaft, und zwar grob fahrlässig verletzt hat, indem er bezüglich des Zeitraumes 07.04.2014 bis 30.04.2014 die Schlafstörungen, aufgrund derer er sich in ärztlicher Behandlung nebst ärztlicher Krisenintervention bei akuter Belastungssituation befand und die zu der ärztlich testierten Arbeitsunfähigkeit vom 07.04. bis 30.04.2014 führten, nicht angab hat. Das Berufungsgericht hat insoweit zusätzlich berücksichtigt, dass sich der Kläger zuvor, mit der Folge von Arbeitsunfähigkeit vom 04.10. bis 20.10.2012 wegen Schlafstörungen und nachfolgend bei Arbeitsunfähigkeit vom 18.02. bis 23.02.2014, ebenfalls wegen Schlafstörungen, bei seinem Arzt vorgestellt hatte, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Vor dem Hintergrund, dass Gegenstand der Gesundheitsfragen – ausdrücklich – auch war, Beschwerden und/oder sonstige Gesundheitsstörungen anzugeben, war die von dem Beklagten gegenüber der Klägerin abgegebene Antwort, die diese nachhaltigen Beschwerden nicht enthielt, objektiv unrichtig. Daran ändert nichts, dass dem Kläger eine – regelrechte – Diagnose bzgl. der Schlafstörungen ärztlich nicht mitgeteilt worden war, denn die Gesundheitsfrage richtete sich, wie dargetan, bereits auf Beschwerden und sonstige Gesundheitsstörungen. Das Schlaf- und Belastungsstörungen eine auch ohne weiteres stationäre Behandlung erfordern können, zumal, wenn sie, wie hier, wiederholt auftreten, ihnen damit für den Versicherer gefahrerhebliche Bedeutung zukommen, liegt auf der Hand (vgl. KG Berlin, Urteil vom 29.04.2014, – 6 U 172/13 -). Dem Beklagten ist insoweit (zumindest) grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Er hat die bei der Beantwortung der Antragsfragen anzuwendende Sorgfalt in besonderen schweren Maßen verletzt. Bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt hätte ihm offenkundig sein müssen, dass das Nichterwähnen der wiederholt aufgetretenen Schlafstörungen, die (sogar) Arbeitsunfähigkeit begründeten, als Mitteilung eines insoweit fehlenden Krankheitsbefundes verstanden werden müssen. Jedenfalls war seine fehlende Angabe „ins Blaue hinein“ grob fahrlässig falsch: es wäre geboten gewesen, dass der Beklagte dieses Geschehen, nach dem in Textform gefragt worden ist, zumindest erwähnt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2015, – 3 U 122/14 -; LG Krefeld, Urteil vom 17.12.2015, – 3 O 29/15 -). Anders als z. B. Erkältungskrankheiten, die ihrem Wesen meist nach ca. einer Woche wieder abklingen, deuten Schlafstörungen, die mit Belastungssituationen verbunden und von einer Ausprägung sind, die eine dreiwöchige Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen rechtfertigen, darauf hin, dass u. U. hier eine psychische Erkrankung sichtbar und manifest zu werden droht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.