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Kündigung bei erheblichen Leistungsmängeln

 LAG Köln

Az: 4 Sa 1394/08

Urteil vom 07.08.2009


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16.10.2008 – 3 Ca 1811/08 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 24.07.2008 und einer ordentlichen Kündigung vom 25.07.2008 zum 30.09.2008, die beide auf Schlechtleistung der arbeitsvertraglichen Pflichten gestützt sind.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen dieses ihr am 14.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.11.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.01.2009 am 27.01.2009 begründet.

Beide Parteien verfolgen in der Berufungsinstanz ihr Prozessziel mit Rechtsausführungen und ergänzendem Sachvortrag weiter. Insoweit wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Weitere notwendige Tatsachenfeststellungen werden bei den Entscheidungsgründen getroffen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16. Oktober 2008 – 3 Ca 1811/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.

Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, da ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB nicht vorlag. Die ordentliche Kündigung ist nicht nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat die wesentlichen Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts zu einer Kündigung wegen Leistungsmängeln ausführlich dargestellt. Insoweit wird zunächst auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

A. Die Kündigungsgründe der Beklagten konzentrieren sich im Wesentlichen auf zwei Vorwürfe:

1. Der Kläger habe am 09.07.2008 von seiner Tour 13 Sendungen von den insgesamt für diesen Tag geladenen 151 Sendungen abends als nicht zugestellt wieder zurückgebracht, aber diese 13 Sendungen am Abend nicht gescannt und damit nicht festgehalten, dass diese nicht zugestellt worden seien, sodass keine ordnungsgemäße Dokumentation für eine eventuelle Leitwegverfolgung vorgelegen habe. Der Kläger hat dazu – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen, er habe an diesem Abend das Ausscannen vergessen. Der Kläger hat ferner bestritten, dass es 13 Sendungen gewesen seien. Es seien nur 10 Sendungen gewesen.

2. Die Beklagte wirft dem Kläger ferner vor, dass unter diesen 13 Sendungen 5 Sendungen gewesen seien, die der Kläger bereits am Vortage wegen Arbeitszeitüberschreitung nicht habe zustellen können. Der Kläger hat erstinstanzlich dieses bestritten. Die Beklagte hat zweitinstanzlich (Bl. 154 d. A.) die einzelnen 5 Sendungen bezeichnet und Ausdrucke aus der elektronischen Sendungsverfolgung vorgelegt (Anlagen BB 3 a – BB 3 e).

Der Kläger hat zu der Anlage BB 3 e (H Apotheke) vorgetragen, diese sei am 09.08.2009 nachmittags, als er den Zustellversuch vorgenommen habe, geschlossen gewesen. Er habe davon abgesehen, eine Benachrichtigungskarte auszufüllen, da es nach seiner Erfahrung zu Beschwerden führe, wenn Apotheker die für sie bestimmten Pakete bei den Filialen abholen müssten. Die Beklagte hat diesen Vortrag nicht erwidert.

Zu den Anlagen BB 3 b und 3 c hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass sich diese Sendungen auf denselben Adressaten in der R -K Straße 25 bezogen hätten.

Zu der Anlage BB 3 a trägt der Kläger vor, dass auf dem Adressaufkleber ein anderer Adressat angegeben sei, nämlich die Familie S , als in der Sendenachverfolgung, wo der Adressat „M “ aufgeführt sei. Auch dazu hat die Beklagte sich nicht weiter eingelassen.

Es soll für das Folgende gleichwohl unterstellt werden, dass der Kläger an diesem Tag 5 Sendungen wieder mitgebracht hat, deren Zustellung bereits am Vortag wegen Arbeitszeitüberschreitung nicht möglich war.

B. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 – liegt im Kern zugrunde, dass eine kündigungsbegründende Leistungsstörung dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein muss (Rn. 13) und dass es in Bezug auf das Verschulden nicht auf objektive, sondern auf subjektive Maßstäbe ankommt, nämlich auf das persönliche, subjektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers (Rn. 15). Was diesen subjektiven Maßstab anbelangt, so hat das Bundesarbeitsgericht herausgestellt, dass der Arbeitnehmer unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten müsse.

Sodann differenziert das Bundesarbeitsgericht nach (langfristigen) quantitativen Minderleistungen und qualitativen Minderleistungen (vgl. insbesondere Rn. 21). Zu den qualitativen Minderleistungen führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass hier auf bloße Fehlerhäufigkeit abstellende Grenzen für sich nicht geeignet seien, die Kündigungsrelevanz konkret vorgeworfener Pflichtverletzungen hinreichend sicher einzugrenzen. Absolute Bezugsgrößen etwa dergestalt, dass bei einer doppelten oder dreifachen Fehlerquote ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund angenommen werde, würden nicht hinreichend berücksichtigen, dass je nach Art der Tätigkeit und der dabei möglicherweise auftretenden Fehler diesen ein sehr unterschiedliches Kündigungsgewicht beizumessen seien. Es seien Tätigkeiten denkbar, bei denen bereits ein einmaliger Fehler derartig weitreichende Konsequenzen habe, dass eine Vertragspflichtverletzung erheblich eher anzunehmen sei als bei anderen Tätigkeiten. Als Beispiel dafür nennt das Bundesarbeitsgericht die Sorgfaltspflichten eines Piloten. Andererseits – so das Bundesarbeitsgericht – gebe es Tätigkeiten, bei denen Fehler nach der Art der Tätigkeit vom Arbeitnehmer kaum zu vermeiden und vom Arbeitgeber eher hinzunehmen seien, weil ihre Folgen das Arbeitsverhältnis nicht allzu stark belasteten. Deshalb sei in derartigen Fällen über die bloße Betrachtung der Fehlerhäufigkeit hinaus eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsanforderungen und der konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes geboten.

Bei einer Kündigung wegen qualitativer Minderleistung sei es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den aufgetretenen Leistungsmängeln vorzutragen, was er über die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wissen könne (Rn. 22). Könne der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmer erheblich überschreite, so könne dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten verletze. Allerdings müsse der Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen, die hinreichenden Aufschluss darüber gäben, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitgebers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt sei.

Im Weiteren führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass insbesondere bei einer repetitiven Tätigkeit es der menschlichen Natur entspreche, dass über einen längeren Zeitraum hinweg eine nahezu fehlerlose Arbeitsweise kaum möglich sei und deshalb vom Arbeitnehmer nicht zu verlangen sei. Es seien insbesondere die tatsächliche Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung zu gewichten (Rn. 25).

C. Nach diesen Maßstäben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

1. Weder beim Vergessen des Scannens von – unterstellt – 13 Sendungen noch bei der Nichtzustellung von am Vortag zurückgebrachten 5 Sendungen am Folgetag lässt sich als längerfristiges Unterschreiten der durchschnittlichen Fehlerhäufigkeit vergleichbarer Arbeiten bei anderen Arbeitnehmern feststellen. Selbst wenn man – auch im weiteren Sinne – einschlägig abgemahnte Fehler, nämlich das mit Abmahnung vom 26.06.2008 abgemahnte Scannen von zurückgebrachten Sendungen mit der Scanzahl 32 statt der Scanzahl 18, den gleichen mit der Abmahnung vom 07.07.2008 abgemahnten Fehler am 20.05.2008 und das Nichtscannen von zurückgebrachten Sendungen am 13.06.2008 (Abmahnung vom 26.06.2008) berücksichtigt und unterstellt, dass diese Fehler dem Kläger überhaupt vorwerfbar waren, kann nicht eine längfristige einschlägige Fehlerhäufigkeit festgestellt werden. Erst recht lässt sich nicht feststellen, in welchem Umfang solche Fehler bei anderen Arbeitnehmern vorkommen. Für einen Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten mit anderen Arbeitnehmern hat die Beklagte nichts vorgetragen.

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung die Definition eines objektiven Maßstabs durch das Arbeitsgericht bemängelt, so lässt sich ein Maßstab dafür, was vom Arbeitgeber an – jeder menschlichen Arbeit typischerweise innewohnenden Fehlerquote – noch hinnehmbar ist, mangels entsprechenden Vortrags zu den Fehlerquoten anderer Arbeitnehmer in concreto nicht gewinnen.

Sofern die Beklagte indessen meint, die Maßstäbe der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Januar 2008 könnten nicht angewandt werden, wenn die „Weisungstreue“ berührt sei, d. h. ersichtlich: wenn der Arbeitnehmer gegen Weisungen verstoße, so kann dieses Argument die Kammer nicht überzeugen. Arbeitsfehler enthalten typischerweise Weisungsverstöße. Erst durch die Abweichung von den durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers festgelegten Arbeitsanforderungen entstehen typischerweise Arbeitsfehler. Liegt keine Abweichung von den Arbeitsanforderungen, d. h. den Weisungen des Arbeitgebers vor, liegt typischerweise schon gar kein Fehler vor.

2. Nach den Maßstäben des Bundesarbeitsgerichts für nicht längerfristige Fehlleistungen, insbesondere einmalige kann die Kammer in den dem Kläger vorgeworfenen Fehlern nicht einmal einen Kündigungsgrund „an sich“ erkennen:

Sowohl das Vergessen des Scannens einiger Sendungen als auch die Nichtzustellung von Sendungen vom Folgetag lassen sich nicht als schwere Fehler ansehen, insbesondere nicht als solche, die „weitreichende Konsequenzen“ hatten, sodass sie einen Kündigungsgrund darstellen könnten:

a. Was die Nichtzustellung von 5 Sendungen am Folgetag anbelangt, so betont die Beklagte zwar, dass ihr Unternehmensziel und Werbestrategie sei, dass die Sendungen am ersten Tag nach dem Einlieferungstag zugestellt würden. Es ist aber nicht erkennbar, dass die Verfehlung dieses Ziels bei einigen wenigen, im einstelligen Zahlenbereich liegenden Sendungen angesichts der großen Zahl von Sendungen, die die Beklagte täglich zustellt, auch nur zu einer irgendwie messbaren Beeinträchtigung der Reputation der Beklagten führen könnte. Zu konkret entstandenen Beeinträchtigungen bei den einzelnen Kunden hat die Beklagte nichts vorgetragen. Ihr Vortrag dahingehend, dass ein Kunde sich darauf einstelle, dass die Sendung jedenfalls am Folgetage zugestellt werde und sich deshalb „bereit halte“, ist rein spekulativ. Das so etwas in concreto vorgekommen ist, lässt sich mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten nicht feststellen.

Zu berücksichtigten ist auch, dass die Beklagte ihr Ziel der Zustellung am Tag nach der Einlieferung jedenfalls im Zustellungsbezirk A schon deshalb ständig verfehlt, weil 5,62 % der Sendungen von den Zustellern zurückgebracht werden, da sie es nicht schaffen, diese innerhalb der Arbeitszeit zuzustellen.

Selbst wenn man also – entgegen dem mit substantiiertem Vortrag nicht erwiderten Bestreiten des Klägers, dass überhaupt entsprechende Weisungen an ihn kommuniziert worden seien – unterstellt, dass die Weisungslage dahingehend bestand, am Vortag nicht zugestellte Sendungen vorrangig und auf jeden Fall am nachfolgenden Tag zuzustellen, so lässt sich weder unter dem Maßstab der Fehlerhäufigkeit bei anderen Arbeitnehmern noch unter der Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf die durch den Fehler eingetretenen Konsequenzen ein Fehlverhalten des Klägers feststellen, welches an sich zu einer Kündigung berechtigen könnten.

b. Das gleiche gilt dafür, dass der Kläger am selben Tag vergessen hat, 13 Sendungen als zurückgebracht zu scannen.

Auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass das Einscannen insbesondere den Kunden und gegebenenfalls auch den Empfängern der Sendung ermöglichen soll, jederzeit den genauen Standort der Sendung zu verfolgen, und dass dieses infolge des Nichtscannens für die Zeit bis zum Morgen des nächsten Arbeitstages nicht möglich war, so lässt sich nicht feststellen, dass dadurch in irgendeiner Weise „weitreichende Konsequenzen“ eingetreten wären.

Es kann auch kein erhebliches Verschulden des Klägers festgestellt werden, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger an dem Tag, an dem ihm beide vorgefallenen Fehler passiert sind, nämlich am 09.07.2008 nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag (Bl. 97/98, 227 d. A.) eine Arbeitszeit von mehr als 10 Stunden hatte und dass es an diesem Tag stark geregnet hatte, so dass der Kläger nach mehr als 10 Stunden durchnässt wieder zur Zustellungsbasis zurückgekommen ist.

Die Fehler am 09.07.2008 – auch wenn man den von der Beklagten vorgetragenen Umfang unterstellt – können auch dann nicht das Gewicht eines Kündigungsgrundes an sich erhalten, wenn man von den vorangegangenen Abmahnungen die auch nach Vorbringen der Beklagten (Seite 15 der Berufungsbegründung, Bl. 162 d. A.) einschlägigen berücksichtigt, die die ordnungsgemäße Dokumentation der Sendungen mittels elektronischer Erfassung betreffen:

Die Beklagte hat dem Kläger, nachdem sie ihm zuvor nie Abmahnungen erteilt hat, in kurzer Folge, nämlich am 26.06.2008, am 03.07.2008, am 04.07.2008, am 07.07.2008 und am 08.07.2008 insgesamt 5 Abmahnungen erteilt, die zum Teil Vorgänge betrafen, die Anfang Mai datierten.

aa. In der Abmahnung vom 26.06.2008 wird dem Kläger – was das Scannen anbelangt – vorgeworfen, er habe sämtliche 81 Sendungen, die er an diesem Tage nicht habe zustellen können, mit der falschen Scanziffer 32 gescannt und nicht mit der richtigen Kennziffer 18. Der gleiche Vorwurf wird dem Kläger in der Abmahnung vom 07.07.2008 für den 02.05.2008, dort betreffend 17 Sendungen, gemacht. Der Kläger hat dazu vorgetragen, es habe eine unklare Weisungslage bestanden, was die Verwendung der Scanziffer 32 anbelange. Die Beklagte hat sich dazu auf die Anlagen B 4 und B 5 berufen (Bl. 49/50 d. A.). In der Anlage B 5 „Handscanner-Scanziffern“ ist bei der Scanziffer 32 als Bedeutung „Lagern im ZB“ angegeben und bei der Scanziffer 18 „Zustellung abgebrochen“. Zu der Scanziffer 32 wird als Erläuterung angefügt: „Der Empfänger hat einen schriftlichen Auftrag zur vorübergehenden Lagerung der Sendungen in der ZB/im ZSP erteilt, z. B. wegen Betriebsferien“.

Der Kläger hat im Verfahren bereits erstinstanzlich vorgetragen, es sei in der Vergangenheit durch die Leitung die Weisung gegeben worden, zurückgebrachte Sendungen mit „32“ zu scannen. Die Beklagte hat zweitinstanzlich eingeräumt, zutreffend sei in diesem Zusammenhang der Umstand, dass es vor der Umsetzung einer Neubemessung der Zustellbezirke (Ende März 2008) kurzfristig die Anweisung gegeben habe, an Samstagen, nicht jedoch an allen anderen Wochentagen, die Scanziffer 32 zu nutzen. Es sei mehrmals kommuniziert worden, dass es sich hierbei um eine absolute Ausnahme handele und ansonsten zwingend die Scanziffer 18 zu benutzen sei.

Die Beklagte räumt also selbst ein, dass sie – aus welchem Interesse auch immer – zuvor die Weisung gegeben habe, jedenfalls an Samstagen bei zurückgebrachten Sendungen die Scanziffer 32 zu benutzen, die nach der zitierten Erläuterung der Beklagten bedeutet, dass der Empfänger einen schriftlichen Auftrag zur vorübergehenden Lagerung gegeben hat. Die Beklagte hat damit ihre eigene Erläuterung in dem Informationsblatt, nachdem bei der Scanziffer 32 der Empfänger einen schriftlichen Auftrag zur vorübergehenden Lagerung gegeben haben muss, konterkariert.

Noch mehr Verwirrung muss das von der Beklagten vorgelegte Blatt „Grundsätze Erfassung der Sendungen“ (Anlage B 4 Bl. 49 d. A.) erzeugen: Dort ist sehr ausdrücklich durch Fettdruck und Unterschrift hervorgehoben

niemals „Rückstellung [03]“ > „Lagerung ZB [32]“ verwenden

(Lagerung mehr als 1 Tag und am Samstag, wenn Sdgn. beladen wurde).

In diesem sehr auffälligen Hinweis ist im Gegensatz zu dem sehr klein gedruckten Infoblatt „Handscanner-Kennziffern“ keinerlei Hinweis darauf enthalten, dass die Kennziffer 32 nur zu verwenden ist, wenn der Empfänger einen schriftlichen Auftrag zur Lagerung gegeben hat.

Da die Beklagte auch in keiner Weise substantiiert hat, wann und wie sie denn „mehrmals kommuniziert“ habe, dass es sich bei der Verwendung der Scanziffer 32 um eine „absolute Ausnahme“ handele und ansonsten zwingend die Scanziffer 18 zu nutzen sei, lässt sich schon aufgrund der von der Beklagten selbst geschaffenen Verwirrung über die Verwendung der Kennziffer 32 ein Verschulden des Klägers bei diesen abgemahnten Fällen nicht feststellen.

Die Kammer legte jedoch Wert auf den Hinweis, dass selbst dann, wenn der Kläger in den abgemahnten Fällen gegen eine klare Weisungslage verstoßen hätte, – wie oben dargestellt – weder ein im Sinne eines Kündigungsgrundes vorwerfbares längerfristiges Fehlverhalten festgestellt werden könnte, noch ein einmaliges oder in wenigen Fällen vorgekommenes Fehlverhalten mit kündigungsrelevanten Konsequenzen.

bb. Sofern die Beklagte dem Kläger in der Abmahnung vom 26.06.2008 weiter vorwirft, er habe durch eine Auskunft am 12.06.2008, nach der er „keinerlei Rückstände“ gehabt habe, die Stellenleitung massiv getäuscht, so ist – ein solches vorsätzliches Fehlverhalten unterstellt – kein vergleichbarer Fall zu den jetzt vorgekommenen, nicht auf Vorsatz zurückzuführenden Fehlern zu erkennen.

Davon abgesehen aber hat der Kläger diesen Vorwurf in der Abmahnung ausdrücklich bestritten und dazu vorgetragen, er habe die am 12.06.2008 nicht zugestellten Sendungen in eine Liste eingetragen, die für Rückstände vorgesehen sei und sie neben dem Büroeingang platziert und mit einer blauen Karte deklariert, auf die er „Rückstände Bezirk 07“ eingetragen habe. Die Beklagte hat zu dem Vorwurf in der Abmahnung weder substantiiert vorgetragen noch Beweis angetreten. Ein entsprechender Fehler kann daher nicht festgestellt werden.

cc. Offensichtlich nicht einschlägig sind die Vorwürfe in den anderen Abmahnungen, nämlich die in der Abmahnung vom 03.07.2008 erhobenen Vorwürfe, am 02.05.2008 eine Pause überzogen zu haben und eine Pause in der Privatwohnung eingelegt zu haben, sowie sich verspätet zurückgemeldet zu haben, der in der Abmahnung vom 04.07.2008 wiederholte Vorwurf, am 02.05.2008 mit dem Dienstfahrzeug zur Privatwohnung gefahren zu sein, und der in der Abmahnung vom 08.07.2008 erhobenen Vorwurf, eine Auseinandersetzung mit einem Kunden gehabt zu haben, in deren Folge der Kunde die Tür des Zustellungsfahrzeuges des Klägers öffnete, worauf der Kläger die Polizei rief.

E. Sofern die Beklagte schließlich in der Berufungsinstanz dem Kläger vorwirft, nicht nur weisungswidrig gehandelt zu haben, sondern auch seine Tätigkeit „in weit unterdurchschnittlichem Arbeitstempo“ verrichtet zu haben, so ist dieser Vorwurf gänzlich unsubstantiiert. Dahinstehen kann, dass er dem Betriebsrat nicht als Kündigungsgrund genannt wurde. Das gleiche gilt für die dort (Bl. 156 d. A.) nur allgemein angesprochene Beschwerde des Kunden J .

F. Konnten mithin sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis wegen Fehlens eines wichtigen Grundes bzw. eines verhaltensbedingten Grundes nicht beenden, so kann dahinstehen, ob die Kündigungen nicht bereits nach § 174 BGB unwirksam sind. Nur am Rande sei daher darauf hingewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers beide Kündigungen unverzüglich wegen Nichtvorlage der Vollmacht zurückgewiesen hat und dass beide Kündigungen nicht nur von der von der Beklagten als Personalleiterin angegebenen Frau P , sondern auch von einer weiteren Person (Ehl ) unterschrieben sind, was dafür spricht, dass bei der Beklagten die Position der Personalleiterin nicht mit – alleiniger – Kündigungsvollmacht versehen ist. Den Kündigungen lag eine Vollmachtsurkunde nicht bei. Auch ergibt sich daraus, dass dieselben Personen den Arbeitsvertrag unterschrieben haben nach Auffassung der Kammer kein Inkenntnissetzen von der Bevollmächtigung im Sinne des § 174 BGB für die Kündigung (dazu, dass Einstellungsvollmacht und Kündigungsvollmacht nicht immer parallel laufen vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 17.03.2006 – 4 Sa 85/05 – JURIS).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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