Landesarbeitsgericht Hamburg
Az: 5 Sa 1/11
Urteil vom 11.05.2011
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. Oktober 2010 – 3 Ca 203/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die Klägerin, geboren 1957, war bei der Beklagten seit dem 1. September 1998 zuletzt als Sales Manager zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt (einschließlich 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld) von zuletzt EUR 3.078,54 im Büro der Beklagten am Standort Hamburg beschäftigt. Unter Ziffer 9.1. des Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 8 d. A.) vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende.
Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Hauptsitz in Budapest, die eine Fluglinie betreibt. Sie beschäftigte in Büros in Deutschland zuletzt in Hamburg drei Arbeitnehmer, darunter die Klägerin, in B. zehn Arbeitnehmer, in S. und F. jeweils einen Arbeitnehmer und in ….. zwei Arbeitnehmer, wobei das Büro in F. bereits im Jahr 2006 geschlossen wurde. Ein Betriebsrat besteht nicht.
Unter dem 8. September 2009 fasste der Vorstand der Beklagten vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise den Beschluss, alle ausländischen Büros in Europa außerhalb Ungarns zu schließen (Anlage B 1, Bl. 27 d. A.). Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 22. April 2010 die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter in Deutschland mit Ausnahme der sich in Elternzeit befindenden und schwerbehinderten Mitarbeiter. Die Mietverhältnisse über die Büros in Deutschland wurden Ende April/Anfang Mai 2010 gekündigt. Die notwendig vor Ort zu erledigenden Tätigkeiten wurden am 1. Mai 2010 auf den externen Dienstleister A. übertragen. Während die Parteien im ersten Rechtszug noch darüber stritten, ob dies ein Betriebsübergang nach § 613a BGB sei, gehen die Parteien im zweiten Rechtszug übereinstimmend davon aus, dass kein Betriebsübergang vorgelegen habe, sondern der Hauptanteil der zuvor von den deutschen Mitarbeitern der Beklagten ausgeübten Verkaufstätigkeiten zukünftig vom Geschäftssitz der Beklagten in Budapest ausgeführt werde.
Mit Schreiben vom 22. April 2010 (Anlage K 3, Bl. 11 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin „aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum nächstzulässigen Termin“ und berechnete diesen auf den 31. August 2010. Das Kündigungsschreiben wurde am 29. April 2010 durch einen Kurier an eine Frau St. übergeben, welche das Kündigungsschreiben am 13. Mai 2010 an die Klägerin aushändigte.
Mit der am 19. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen, der Beklagten am 27. Mai 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin Kündigungsschutz und Weiterbeschäftigung begehrt. Sie ist der Auffassung gewesen, dass die Kündigung, die ihr erst am 13. Mai 2010 zugegangen sei, sozial ungerechtfertigt sei. Es hätte der Durchführung einer Sozialauswahl bedurft. Zudem hätte sie in Budapest weiterbeschäftigt werden können, da nicht davon auszugehen sei, dass die Mitarbeiter der Beklagten in Budapest nunmehr zusätzliche Dienstleistungen ohne Mehrarbeit würden verrichten können. Die Beklagte hätte vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung als milderes Mittel aussprechen müssen. Außerdem hat sie vorgetragen, dass der Dienstleister A. nunmehr die Vermarktung und den Verkauf von Tickets vornehme, die Kündigung daher auch unwirksam sei, da sie wegen eines Betriebsübergangs erfolgte.
Sie, die Klägerin, hat zunächst beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten, datiert auf den 22.04.2010, der Klägerin zugegangen am 13.05.2010, nicht aufgelöst wird, sondern fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu unveränderten Bedingungen als „Sales Manager“ weiter zu beschäftigen.
Im Gütetermin am 18. Juni 2010 ist für die Beklagte niemand erschienen, so dass der Klägervertreter ein Versäumnisurteil zu seinen Gunsten erwirkt hat (vgl. Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 – 3 Ca 203/10 – Bl. 16-18 d. A.). Das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 ist der Beklagten am 22. Juni 2010 zugestellt worden. Mittels eines am 25. Juni 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatzes hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Infolge der Schließung der deutschen Büros seien die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin entfallen.
Die operativen Tätigkeiten, die Mitarbeiter der Beklagten bislang in Deutschland ausübten, würden wegfallen. Der Hauptanteil der zuvor von den deutschen Mitarbeitern ausgeführten Verkaufstätigkeiten werde künftig vom Geschäftssitz der Beklagten in Budapest aus ausgeführt. Dabei handele es sich um eine völlig neue Organisation. Das Head-Office biete eine 24-Stunden-Betreuung der Kunden. Die Reservierungs- und Informationshotline werde von Budapest aus betrieben. Kundenbeschwerden werden ebenfalls dort empfangen und bearbeitet. Auch die Betreuung von Unternehmens- und Großkunden erfolge von Budapest aus. Das Marketing werde von der Marketingabteilung im Head-Office in Budapest ausgeführt.
Die von der Klägerin bislang vorgenommene Betreuung von Kunden des Reisehandels sowie von Unternehmenskunden sei an den International Sales Manager in Budapest übergeben worden. Für minimale und dringend notwendige Dienstleistungen für Passagiere in Deutschland sei ein Vertrag mit einem deutschen Dienstleister, der Firma A., geschlossen worden, der den Verkauf der Produkte (Flugpassagen) in Deutschland seit dem 1. Mai 2010 übernommen habe. A. werde als Service eine telefonische Kontaktaufnahme für Kunden zu der Beklagten sowie eine lokale Anlaufstelle für Fluginformationen unterhalten, ferner Tickets verkaufen.
Die Abfertigung von Flügen erfolge durch sog. „Airport Handling Companies“. Die Überwachung der Dienstleister werde künftig von Mitarbeitern der Beklagten in Budapest durchgeführt. Ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB auf A. liege nicht vor.
Eine Sozialauswahl sei vor dem Hintergrund der Kündigung sämtlicher Mitarbeiter in Deutschland nicht vorzunehmen gewesen. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin würden nicht bestehen.
Durch das der Klägerin am 3. Dezember 2010 zugestellte Urteil vom 20. Oktober 2010, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Hamburg das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 insoweit aufrechterhalten, soweit der Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis zum 30. September 2010 festgestellt worden ist, es – das Versäumnisurteil – im Übrigen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 3. Januar 2011 eingelegte und mittels eines am 3. Februar 2011 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung der Klägerin.
Sie stützt ihre Berufung darauf, dass die Übertragung sämtlicher bisher von den Mitarbeitern in Deutschland verrichteter Aufgaben auf die Mitarbeiter der Beklagten in Budapest zu überobligatorischer Mehrarbeit bei diesen führe. Die Beklagte hätte als milderes Mittel zur Beendigungskündigung eine Änderungskündigung hinsichtlich des Arbeitsortes aussprechen müssen. Sie spreche aber nur ein paar Worte Ungarisch. Ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach ein Betriebsübergang auf A. stattgefunden habe, hält sie nicht aufrecht.
Sie beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. Oktober 2010 teilweise abzuändern und das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 hinsichtlich des Tenors zu Nummer 1 wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nur in Bezug auf Betriebe, die in Deutschland gelegen sind, zu berücksichtigen sei. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fände nur auf inländische Betriebe Anwendung. Sie sei nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz in Budapest anzubieten. Im Übrigen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft. Sie ist zulässig, denn sie wurde form- und fristgemäß eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Denn die Klage ist im Umfang der Berufungseinlegung zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die wirksame Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30. September 2010 aufgelöst.
1. Die Klage ist zulässig. Soweit die Klägerin darüber hinaus die allgemeine Feststellung begehrt, dass ihr Arbeitsverhältnis „fortbesteht“, ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um einen zusätzlichen eigenständigen Antrag nach § 256 ZPO handelt. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob das für einen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse gegeben ist. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 7, Bl. 98 d.A.) verwiesen.
2. Die Klage ist im Umfang der Berufungseinlegung unbegründet. Die mit Schreiben vom 22. April 2010 ausgesprochene Kündigung ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Septembers 2010 beendet. Die Frage des Beendigungszeitpunktes ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens und insofern nicht mehr zu überprüfen.
a) Auf das Arbeitsverhältnis ist deutsches Recht anwendbar. Mangels Rechtswahl kommt es auf das Recht des Staates an, in welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich in Erfüllung des Vertrages seine Arbeit verrichtet (vgl. Art. 8 Abs. 2 Verordnung EG Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates). Hier ist deutsches Recht anwendbar, da die Klägerin ihre Arbeit in Hamburg verrichtet hat.
b) Die Klage ist zwar rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG erhoben worden, so dass die Kündigung nicht nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gilt.Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (S. 8, Bl. 99 d.A.) verwiesen. Die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ist daher zu überprüfen.
c) Die Kündigung ist wirksam, denn sie ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt.
aa) Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 KSchG ist gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 KSchG anwendbar. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat länger als sechs Monate bestanden (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Betrieb der Beklagten in Deutschland beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer (vgl. § 23 KSchG).
bb) Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
(1) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 16.12.2010 – 2 AZR 770/09 – juris, Rn. 13). Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG, aaO. Rn. 13).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, aus wirtschaftlichen Gründen alle ausländischen Büros in Europa (also außerhalb Ungarns), unstreitig jedenfalls die in Deutschland, zu schließen. Der Hauptanteil der bisher von den Mitarbeitern im Ausland vollzogenen Verkaufstätigkeiten sollte in Zukunft vom Geschäftssitz in Budapest aus ausgeführt werden. Die Büros in Deutschland sollten aufgelöst, der Betrieb in Deutschland mithin stillgelegt werden. Sämtlichen Arbeitnehmern in Deutschland sollte daher gekündigt werden.
Eine derartige Entscheidung führt zum Wegfall sämtlicher Arbeitsplätze in Deutschland, mithin auch des Arbeitsplatzes der Klägerin. Diese Entscheidung ist auch nicht offenbar unsachlich oder willkürlich. Sie wurde auch – zumindest in Bezug auf die Standorte in Deutschland – bereits vollzogen, da die Beklagte unstreitig die Arbeitsaufgaben sämtlicher Arbeitnehmer in Deutschland gestrichen hat und die Mietverhältnisse über ihre deutschen Büros gekündigt hat. Im Zeitpunkt der Kündigung hatte dieser Entschluss auch bereits greifbare Formen angenommen, denn insbesondere die Mietverhältnisse über die Büros wurden nahezu zeitgleich gekündigt.
(2) Die Klägerin macht insofern geltend, dass die übrigen Standorte in Europa nicht geschlossen wurden und es aufgrund der Aufgabenübertragung auf die Mitarbeiter in Budapest dort zu überobligationsmäßiger Mehrarbeit führen müsse. Dieser Vortrag ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn im Rahmen der Frage der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kommt es allein darauf an, ob Gründe einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen.
Als Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne können vorliegend aber nur die in Deutschland gelegenen Büros zusammengefasst werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anwendbar (BAG, Urteil vom 26.03.2009 – 2 AZR 883/07 – AP Nr. 45 zu § 23 KSchG 1969, Rn. 12 ff.; BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 902/06 – AP Nr. 40 zu § 23 KSchG 1969, Rn. 21 ff.; ebenso Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG, Rn. 54; Kiel in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 23 KSchG, Rn. 2). Dies ergebe sich unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs mittelbar aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 KSchG. Der Begriff „Betrieb“ sei durch das Betriebsverfassungsgesetz geprägt, welches nur solche organisatorischen Einheiten erfasse, die in der Bundesrepublik Deutschland gelegen seien. Durch Aufgreifen dieses feststehenden Begriffes habe der Gesetzgeber gezeigt, dass § 23 KSchG auch nur in Deutschland gelegene Betriebe erfasse. Dies werde dadurch gestützt, dass daneben noch der aus dem Verwaltungsrecht und Personalvertretungsrecht entstammende Begriff der Verwaltung verwendet werde. Zudem stelle das Kündigungsschutzgesetz an verschiedenen Stellen Bezüge zum Betriebsverfassungs- und den Personalvertretungsgesetzen her, was eine Anbindung an das Betriebsverfassungsrecht wie auch das Personalvertretungsrecht und deren Anwendungsbereiche zum Ausdruck bringe (BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 902/06 – AP Nr. 40 zu § 23 KSchG 1969, Rn. 24). Ohnehin sei der Kündigungsschutz früher Teil des Betriebsverfassungsrechtes gewesen. (BAG, aaO. Rn. 26). Zudem spreche die Fiktion des § 24 Abs. 1 S. 2 KSchG, durch welche auch Lebenssachverhalte vom KSchG erfasst werden, die typischerweise Auslandsberührungen erwarten lassen, dafür, im Regelfall von einer Begrenzung auf inländische Betriebe auszugehen (BAG, aaO. Rn. 25). Auch der Gesetzgeber habe – in Kenntnis der Rechtsprechung zur Auslegung des § 23 KSchG – keine Änderung des Wortlauts vorgenommen und somit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebilligt (BAG, aaO. Rn. 27). Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen. Sie ergibt sich aus der Entwicklung des Kündigungsrechts und führt zu sachgerechten Ergebnissen. Der deutsche Gesetzgeber kann einem ausländischen Unternehmen schwerlich arbeitsrechtliche Maßnahmen auferlegen, die sich aus dem nationalen Kündigungsschutzrecht ergeben (so LAG Hannover, Urteil vom 28.09.2007 – 16 Sa 1900/06 – juris, Rn. 40). Die Rechtsetzungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers ist daher grundsätzlich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes beschränkt (BAG, Urteil vom 09.10.1997 – 2 AZR 64/97 – AP Nr. 16 zu § 23 KSchG 1969 unter II 2 a der Gründe).
Bezogen auf den Betrieb in Deutschland liegt eine Betriebsstilllegung vor, so dass die Tätigkeiten in Deutschland in vollem Umfang, mithin auch für die Klägerin, entfallen sind und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Durch die Arbeitsgerichte kann der Unternehmer nicht zur Fortführung des von ihm geschlossenen Betriebs gezwungen werden, selbst wenn die Entscheidung zur Betriebsstilllegung willkürlich gewesen sein sollte. (Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 1 KSchG, Rn. 240).
Auf die Frage, ob die übrigen Büros in Europa geschlossen wurden und inwiefern die auf den Betrieb in Budapest verlagerten Aufgaben bei den Mitarbeitern dort zu überobligatorischer Mehrarbeit führen, kommt es insofern nicht an.
cc) Die Kündigung ist auch nicht wegen einer fehlenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Diese ist betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind daher nur vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Als „Betrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinne können vorliegend nur die deutschen Standorte der Beklagten zusammengefasst werden. Da die Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern in Deutschland gekündigt hat, war keine Sozialauswahl erforderlich.
dd) Die Kündigung ist auch nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte der Klägerin keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Budapest angeboten hat. Es besteht keine Verpflichtung, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland anzubieten, so dass auch keine Änderungskündigung nach § 2 KSchG im Hinblick auf den Arbeitsort als milderes Mittel zur Beendigungskündigung hätte ausgesprochen werden müssen (dazu unter [1]). Zudem hat die Klägerin eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Budapest nicht hinreichend konkret dargelegt (dazu unter [2]) und es bestünde für sie dort ohnehin kein vergleichbarer Arbeitsplatz (dazu unter [3]).
(1) Nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG ist eine Kündigung zwar auch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG schriftlich widersprochen hat. Die Pflicht zur Berücksichtigung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht jedoch auch, wenn kein Betriebsrat vorhanden ist oder dieser untätig geworden ist (BAG, Urteil vom 23.11.2004 – 2 AZR 24/04 – AP Nr. 132 zu § 1 KSchG 1969 unter B III 1 der Gründe). Dies ergibt sich aus dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der insofern durch die Weiterbeschäftigungspflicht eine Ausprägung erfahren hat. Vor jeder Beendigungskündigung muss der Arbeitgeber prüfen, ob für den Arbeitnehmer als milderes Mittel die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz, sei es zu denselben oder zu geänderten Arbeitsbedingungen, besteht. Dabei erstreckt sich die Prüfung einer derartigen Möglichkeit nicht nur auf den Beschäftigungsbetrieb, sondern auch auf andere Betriebe desselben Unternehmens (BAG, aaO.).
Im vorliegenden Fall kommt es deshalb auf die Frage an, ob auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem Betrieb des Unternehmens im Ausland zu berücksichtigen sind. Dies ist nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung des BAG findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (siehe oben). Auch die Frage der Weiterbeschäftigung ist eine Frage des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes, denn sie ist im Rahmen der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nach § 1 KSchG zu erörtern. Zu beachten ist zwar, dass im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht auf den Betrieb, sondern das Unternehmen abzustellen ist. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG stellt diesbezüglich aber auf eine Weiterbeschäftigung „in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens“ ab. Mangels entgegenstehender Hinweise für eine unterschiedliche Bedeutung des Betriebsbegriffs in den einzelnen Vorschriften ist davon auszugehen, dass der Begriff im gesamten Kündigungsschutzgesetz einheitlich gebraucht wird (BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 902/06 – AP Nr. 40 zu § 23 KSchG 1969, Rn. 16). Daher sind in Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch nur Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in im Inland gelegenen Betrieben des Unternehmens zu berücksichtigen (in die Richtung wohl auch bereits BAG, Urteil vom 26.03.2009 – 2 AZR 883/07 – AP Nr. 45 zu § 23 KSchG 1969, Rn. 16). Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist der einzelne Arbeitnehmer nicht als isolierter Vertragspartner, sondern immer im Zusammenwirken mit anderen Arbeitnehmern zu sehen (BAG, aaO.). Wenn nun in Bezug auf Mitarbeiter, bei denen das deutsche Kündigungsrecht Anwendung findet, eine Weiterbeschäftigungspflicht im Ausland bestünde, wäre der international tätige ausländische Arbeitgeber aufgrund des deutschen Arbeitsrechts möglicherweise gezwungen, deutsche Mitarbeiter gegenüber Mitarbeitern aus anderen Staaten bei der Besetzung einer freien Stelle zu bevorzugen. Mangels Rechtgrundlage kann der deutsche Gesetzgeber aber einem ausländischen Unternehmen schwerlich arbeitsrechtliche Maßnahmen auferlegen, die sich aus dem nationalen Kündigungsschutzrecht ergeben (ArbG Frankfurt, Urteil vom 21.08.2002 – 2 Ca 1502/02 – juris, Rn. 16). Es besteht damit – zumindest sofern vertraglich nichts anderweitiges vereinbart ist – keine Weiterbeschäftigungspflicht, wenn nur ein freier Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb vorhanden ist (ArbG Frankfurt, aaO.; v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 14. Aufl. 2007, § 1, Rn. 219). Für dieses Ergebnis spricht zudem die Erleichterung der Rechtsanwendung. Es ist für ein deutsches Gericht beispielsweise im vorliegenden Fall schwierig zu überprüfen, ob im Betrieb der Beklagten in Budapest vergleichbare freie Arbeitsplätze bestehen. Gleiches gilt in Bezug auf die Feststellung, inwiefern die Mitarbeiter der Beklagten in Budapest überobligatorische Mehrarbeit zu leisten haben. Eine Weiterbeschäftigungspflicht könnte gegebenenfalls auch zu dem Widerspruch führen, dass eine Kündigung nach deutschem Recht unwirksam wäre, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen im Ausland jedoch aufgrund des Rechts des ausländischen Staates nicht durchsetzbar wäre (so auch LAG Hannover, Urteil vom 28.09.2007 – 16 Sa 1900/06 – juris, Rn. 40). Diese Gründe, die einer Weiterbeschäftigungspflicht im Ausland entgegenstehen, greifen selbst dann ein, wenn – wie im vorliegenden Fall – nach dem Internationalen Privatrecht deutsches Recht anwendbar ist (Art. 8 Abs. 2 Verordnung EG Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates) und der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich eröffnet ist. Damit kann auch die in der Literatur (Wisskirchen/Bissels, DB 2007, 340, 345; Straube, DB 2009, 1406; A. C. Gravenhorst, RdA 2007, 283) geübte Kritik, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehe im Widerspruch zum Internationalen Privatrecht, nicht durchgreifen.
(2) Zudem hat die Klägerin nicht hinreichend konkret dargelegt, dass in Budapest überhaupt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Diesbezüglich gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Daraufhin muss der Arbeitnehmer darlegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst dann muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei (BAG, Urteil vom 01.03.2007 – 2 AZR 650/05 – AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Rn. 21). Dabei genügt es für die Darlegungen des Arbeitnehmers, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist. Er muss im Allgemeinen keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen (BAG, aaO.). Allein der Vortrag der Klägerin, aufgrund der Aufgabenübertragung auf die Mitarbeiter der Beklagten in Budapest komme es dort zwangsläufig zu überobligatorischer Mehrarbeit, so dass für sie eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehen müsse, reicht dafür nach Auffassung der Kammer aber nicht aus. Die abgestufte Darlegungslast soll ermöglichen, konkret auf den jeweils vorgetragenen Sachverhalt des Prozessgegners einzugehen (LAG Nürnberg, Urteil vom 04.11.2008 – 6 Sa 225/08 – juris, Rn. 50). Der pauschale Vortrag der Klägerin, in Budapest bestünde eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, ist nicht geeignet, um vom Arbeitgeber zu verlangen, konkret zu erläutern und zu beweisen, warum eine solche Möglichkeit nicht bestehe. Die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, ob in Budapest überhaupt vergleichbare Arbeitsplätze bestehen und welche konkrete Art von Tätigkeit sie dort – ohne Kenntnis der ungarischen Sprache – verrichten möchte.
(3) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerin eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hinreichend konkret dargelegt hat, bestünde für sie mangels vergleichbaren Arbeitsplatzes keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Budapest. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (BAG, Urteil vom 05.06.2008 – 2 AZR 107/07 – AP Nr. 178 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Rn. 17). Dem Arbeitnehmer ist dabei eine angemessene Einarbeitungszeit zuzubilligen (BAG, aaO.). Ein solcher vergleichbarer Arbeitsplatz ist für die Klägerin nicht vorhanden. Selbst unter Berücksichtigung einer angemessenen Einarbeitungszeit erfüllt die Klägerin nicht das Anforderungsprofil eines etwaig freien Arbeitsplatzes in Budapest, dessen Festlegung grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers unterliegt (BAG, aaO.). Umgangssprache am Hauptsitz der Beklagten ist Ungarisch. Zur Verrichtung der Tätigkeiten und zur Kommunikation mit den anderen Beschäftigten gehört es dort zum Anforderungsprofil, die ungarische Sprache zu sprechen. Die Klägerin spricht jedoch nach eigenen Angaben allenfalls ein paar Worte Ungarisch. Innerhalb einer angemessenen Einarbeitungszeit kann man diese Sprache nicht erlernen.
d) Hinsichtlich der Ausführungen des Arbeitsgerichts zu einem Betriebsübergang i. S. v. § 613a BGB auf den Dienstleister A. wird Bezug genommen auf das erstinstanzliche Urteil (S. 12 – 14, Bl. 103 ff d.A.). Die Klägerin hat den diesbezüglichen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt. Sie hat sich vielmehr dem Vortrag der Beklagten angeschlossen, dass der Hauptteil der bisherigen Tätigkeiten der Klägerin nunmehr von Budapest aus verrichtet werde und kein Betriebsübergang auf A. stattgefunden habe.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Rechtsfrage, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem Betrieb des Unternehmens im Ausland im Rahmen der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung zu berücksichtigen ist, ist bislang nicht ergangen und das Urteil weicht von einer Entscheidung der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamburg (Az.: 1 Sa 2/11) ab.