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Mietforderung – Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung

Bundesgerichtshof

Az: IX ZR 119/06

Urteil vom 13.03.2008


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Mai 2006 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 15. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin geht im Wege der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor, mit dem die Beklagte Mietansprüche des Nebenintervenienten (fortan: Schuldner) gegen die Mieter des Objekts O. gepfändet hat. Für die Klägerin ist an diesem Grundstück an 6. Rangstelle eine Grundschuld in Höhe von 3.200.000,00 DM eingetragen. Am 4. September 2002 trat der Schuldner außerdem sämtliche Ansprüche aus der Vermietung des Objekts an die Klägerin ab.

Die Beklagte hat ebenfalls Forderungen gegen den Schuldner. Am 14. Mai 1991 hatten der Schuldner und seine Ehefrau im Zusammenhang mit der Bestellung einer Grundschuld an einem anderen, zwischenzeitlich zwangsversteigerten Grundstück die persönliche Haftung für den Grundschuldbetrag nebst Zinsen und Nebenleistungen übernommen und sich insoweit der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen. Aufgrund dessen ließ die Beklagte am 21. März 2002 Zwangshypotheken auf dem mittlerweile in Wohnungseigentumseinheiten geteilten Grundstück in O. eintragen. Am 1. Juni 2005 erwirkte sie einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich der „derzeitigen und künftigen Ansprüche des Schuldners auf Zahlung der fälligen und künftig fällig werdenden Mietzinsen“ aus der Vermietung dieses Grundstücks. Als „Titel“ ist die vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldsbestellungsurkunde an dem anderen Grundstück angegeben. Der Beschluss enthält folgenden weiteren Vermerk „Gepfändet wird sowohl aus dem persönlichen als auch aus dem dinglichen Anspruch.“

Das Landgericht hat die Pfändung der Mietforderungen für unzulässig gehalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin den Antrag, die Zwangsvollstreckung in die Mietforderungen für unzulässig zu erklären.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die vollstreckbare Urkunde vom 14. Mai 1991, in der sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen habe, habe eine ausreichende Grundlage für die Zwangshypotheken dargestellt. Durch die Pfändung der Mieten sei die nach § 1124 Abs. 2 BGB erforderliche Beschlagnahme der Mietforderungen bewirkt worden. Die Beschlagnahme gehe der Abtretung vor, unabhängig davon, dass die Grundschuld der Klägerin einen besseren Rang habe als die Zwangshypotheken der Beklagten; denn die Klägerin habe die Mietforderungen ihrerseits nicht beschlagnahmen lassen. Der dingliche Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung folge aus den Zwangssicherungshypotheken, aber auch aus der notariellen Urkunde vom 14. Mai 1991.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Klage ist als Drittwiderspruchsklage zulässig. Die Klägerin beruft sich auf ein die Zwangsvollstreckung in die Mieten hinderndes Recht, nämlich darauf, aufgrund der Abtretung vom 4. September 2002 Inhaberin der von der Beklagten gepfändeten Mietforderungen geworden zu sein.

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Soweit der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 1. Juni 2005 auf der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in der notariellen Urkunde vom 14. Mai 1991 (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) beruht, hat die Abtretung vom 4. September 2002 Vorrang vor der späteren Pfändung. Die Vorschrift des § 1124 Abs. 2 BGB ändert daran nichts. Gemäß § 1124 Abs. 2 BGB ist eine Vorausverfügung über Forderungen auf Miete dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf die Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht. Die Vorschrift setzt also eine Beschlagnahme der Mietforderungen zugunsten des Hypothekengläubigers voraus. Die Beschlagnahme der Mietforderungen kann durch deren Pfändung bewirkt werden; sie muss nicht durch Anordnung der Zwangsverwaltung erfolgen (BGHZ 163, 201, 208). Grundlage der Pfändung muss dann jedoch der dingliche Anspruch sein (BGH, aaO). Bei einer Zwangsvollstreckung aufgrund einer Unterwerfungserklärung wegen einer persönlichen Forderung ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Um einen Duldungstitel im Sinne von § 800 ZPO handelte es sich bei der Unterwerfungserklärung nicht.

b) Soweit der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf den am 21. März 2002 eingetragenen Zwangshypotheken beruht, fehlt es an einem Vollstreckungstitel.

aa) Die Eintragung einer Zwangshypothek ist eine Art der Zwangsvollstreckung in das Grundstück (§ 866 Abs. 1 ZPO). Mit ihrer Eintragung entsteht die Hypothek (§ 867 Satz 2 ZPO). Eine Hypothek gewährt dem Gläubiger wegen einer ihm zustehenden Forderung einen dinglichen Anspruch auf Zahlung des Hypothekenbetrages aus dem Grundstück (§ 1113 Abs. 1 BGB). Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück und den Gegenständen, auf die sich die Hypothek erstreckt, erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 1147 BGB). Diese findet nur aus einem besonderen dinglichen Titel statt, der auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück aus der Hypothek lautet. Einen solchen Titel hat die Beklagte nicht erwirkt.

bb) Für die Zwangsvollstreckung aus einer Zwangshypothek enthält § 867 Abs. 3 ZPO allerdings eine besondere Vorschrift. Danach genügt zur Befriedigung aus dem Grundstück durch Zwangsversteigerung der vollstreckbare (Zahlungs-)Titel, auf dem die Eintragung vermerkt ist. Ein gesonderter Duldungstitel als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist nicht erforderlich. Auf diese Vorschrift hat die Beklagte sich berufen, und das Berufungsgericht hat sie für anwendbar gehalten.

cc) Der Anwendungsbereich des § 867 Abs. 3 ZPO ist jedoch auf die Zwangsvollstreckung im Wege der Zwangsversteigerung beschränkt. Auf den hier vorliegenden Fall der Zwangsvollstreckung durch Pfändung von zum Haftungsverband der Hypothek gehörenden Mietforderungen ist diese Vorschrift nicht anwendbar.

(1) Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Nur die Zwangsvollstreckung im Wege der Zwangsversteigerung wird benannt; andere Arten der Zwangsvollstreckung werden nicht erwähnt.

(2) Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass der Begriff „Zwangsversteigerung“ bewusst verwandt worden ist, also nicht nur als Beispiel für alle denkbaren Arten der Zwangsvollstreckung aus einer Zwangshypothek dienen sollte. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (2. Zwangsvollstreckungsnovelle) heißt es zwar, „das Erfordernis eines besonderen dinglichen Duldungstitels als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung aus einer Zwangshypothek“ solle entfallen (BT-Drucks. 13/341, S. 38 unter 3; vgl. auch S. 12 unter 6a). Sowohl die Analyse des bis dahin geltenden Rechts (aaO, S. 36 ff) als auch die Begründung der Neufassung (aaO, S. 38 f) behandelt jedoch ausschließlich die Zwangsversteigerung. Am Ende der Einzelbegründung wird überdies ausgeführt, aus welchem Grund die Einbeziehung der Zwangsverwaltung nicht erforderlich sei (aaO).

(3) Die Zwangsverwaltung ist deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 867 Abs. 3 ZPO herausgenommen worden, weil auch im Falle der Vollstreckung aus dem Titel über den persönlichen Anspruch der Rang der Zwangshypothek gewahrt werde (vgl. § 155 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, § 11 Abs. 1 ZVG), das gesetzgeberische Ziel – die rangwahrende Vollstreckung aus der Zwangshypothek ohne einen zusätzlich zu erwirkenden Duldungstitel – also bereits erreicht sei (BT-Drucks. 13/341, S. 38 f). Mit der Pfändung von Mieten durch den Inhaber einer Zwangshypothek befasst sich die Gesetzesbegründung demgegenüber nicht. Dieser Umstand allein lässt den Schluss auf eine Regelungslücke jedoch nicht zu. Vielmehr ist die gesetzliche Regelung in dem Sinne zu verstehen, dass der mit einem Vermerk gemäß § 867 Abs. 3 ZPO versehene Titel über den persönlichen Anspruch eine Pfändung der Mieten mit der Wirkung des § 1124 Abs. 2 BGB nicht erlaubt.

aaa) Gemäß § 866 Abs. 1 ZPO erfolgt die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangsversteigerung und durch Zwangsverwaltung. Die Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek ist mit der Eintragung abgeschlossen (vgl. § 867 Abs. 1 ZPO). Weitere Maßnahmen wie die Zwangsversteigerung, die Zwangsverwaltung oder die Pfändung der Mietforderungen sind selbständige Maßregeln (vgl. § 866 Abs. 2 ZPO), die nur unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen zulässig sind. Der Gesetzgeber kann dieses in der amtlichen Begründung des Entwurfs der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle so bezeichnete „formale“ Argument überwinden und das Erfordernis des Duldungstitels abschaffen (BT-Drucks. 13/341, S. 38). Für die Pfändung der Mietforderung fehlt jedoch eine entsprechende Entscheidung des Gesetzgebers.

bbb) Gegen ein bloßes Versehen des Gesetzgebers spricht der erklärt fragmentarische Charakter der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle. Nach dem allgemeinen Teil der amtlichen Begründung verzichtete der Entwurf „im Interesse der raschen Umsetzbarkeit“ ausdrücklich auf eine grundlegende Reform des gesamten Vollstreckungsrechts und beschränkte sich auf die Überarbeitung einzelner Regelungen, deren Änderung von der Praxis als besonders dringlich erachtet worden war (BT-Drucks. 13/341, S. 10). Wenn sich die Begründung zu § 867 Abs. 3 ZPO dann nur mit den praktisch besonders wichtigen Vollstreckungsarten „Zwangsversteigerung“ und „Zwangsverwaltung“ befasste, andere Vollstreckungsarten wie die Pfändung von zum Hypothekenverband gehörenden Mietforderungen jedoch ausließ, geschah dies bewusst.

ccc) Die Vorschrift des § 1124 Abs. 2 BGB bezweckt den Schutz des Hypothekengläubigers vor einer Aushöhlung des Wertes seiner Sicherheit durch die isolierte Abtretung der Mietforderungen oder gleichstehenden Verfügungen des Eigentümers. Dem Hypothekengläubiger soll die laufende Miete oder Pacht als Haftungsobjekt dienen. Deshalb schränkt § 1124 Abs. 2 BGB das Prioritätsprinzip ein (BGHZ 163, 201, 207 f). Die isolierte Pfändung der Mietforderungen aufgrund eines persönlichen Titels verdient keinen besonderen Schutz, sei es vor oder nach der Erwirkung einer Zwangshypothek.

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.

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