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Mietobjekt – Mieter trägt das Verwendungsrisiko

LG München I

Az.: 26 O 11715/11

Urteil vom 07.01.2013


1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 37.354,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 33,996,00 Euro ab 01.06.2011 und aus weiteren 211,19 Euro seit dem 16.07.2011 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Mietkaution in Höhe von 750,00 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 55 % und der Beklagte 45 % zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klagepartei macht aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einem gewerblichen Mietvertrag über Räume im …. geltend.

Der Beklagte, der das …. betrieben hat, erhielt mit E-Mail vom 10.06.2005 (Anlage B 1) von der …. einer Kurzpräsentation der Projektentwicklung …. mit dem Hinweis, dass sich in dem geplanten Reisezentrum die verschiedensten Busunternehmen präsentieren werden. Die …. an der …. hatte …. mit der Vermittlung von Mietern beauftragt. Das Objekt …. befand sich erst in der Planungsphase. Vorausgegangen war u.a. die Untersuchung von Planungs-Alternativen durch die …. vom Dezember 2000 (Anlage K 9).

Die Klägerin erstellte in der Folgezeit im Auftrag der …. KG eine Broschüre (Anlage B 2), in der das Projektpotentiellen Mietern vorgestellt wurde. Der Beklagte führte mit …. mehrere Gespräche, wobei er auch die Broschüre erhielt.

Mit Mietvertrag vom 30.08./29.08.2007 (Anlage K 1) vermietete die …. an der …. im Objekt …. im 1. Obergeschoss die Mieteinheiten R.01.09 und R.01.10 im Reisezentrum des …. an den Beklagten. Zusätzlich wurden an den Beklagten die Zugangsflächen zu den Mieteinheiten und die Fläche des Warteraums im Reisezentrum zur gemeinschaftlichen Nutzung mit den anderen Mietern des Reisezentrums vermietet. In der Präambel des Mietvertrages ist festgehalten:

1. Die Vermieterin ist Eigentümerin der an der …. in …. gelegenen Grundbesitzung entsprechend dem Lageplan (Anlage 1).

Auf diesem Grundstück ist geplant, einen multifunktionalen Gebäudekomplex mit …. (im Folgenden …. genannt), Einzelhandel, Gastronomie, Büroflächen, und/oder Hotel, Eventhalle im UG und Tiefgarage zu errichten, Die Baugenehmigung ist noch nicht erteilt.

2. Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:

Die Gesamtmietflächen des …. betragen voraussichtlich ca. 23.000 qm. Es werden auf der Handelsebene ca. 24 Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomieflächen entstehen. In der darüber hegenden Serviceebene (Reisezentrum) werden Sanitärräume, der Wartebereich und für Busunternehmen ein Reisezentrum mit ca. 16 Büroeinheiten entstehen (im Folgenden Reisezentrum genannt). Die Gesamtkonzeption ist der Mieterin bekannt.

In § 2 Abs. 1 ist geregelt:

Die Mietfläche wird ausschließlich zum Zweck der Nutzung als Reisebüro zum Verkauf von Busreisetickets, Busreisen und Informationsbüro vermietet. Das Risiko, das Mietobjekt zu dem angestrebten Zweck verwenden zu können, trägt die Mieterin.

In § 23 Schlussbestimmungen ist im 2. Absatz der Ziffer 2 geregelt:

Die Mietvertragsparteien sind sich darüber einig, dass es derzeit in Deutschland keinen vergleichbaren multifunktionalen …. gibt. Sollte sich aus der multifunktionalen Nutzung und den hieraus resultierenden Interessen Regelungsbedarf ergeben, der heute noch nicht absehbar ist und damit auch noch nicht mietvertraglich berücksichtigt werden kann, sichern beide Vertragsparteien zu, sich um eine einvernehmliche Regelung zu bemühen, die die Förderung der Attraktivität des …. als Ganzes und die Förderung der möglichen Synergien zwischen einzelnen Nutzungen gemeinsam anzustreben und vertraglich umzusetzen.

In der Folgezeit wurde der …. errichtet. Die Übergabe des Mietobjekts an den Beklagten ist gemäß Übergabeprotokoll am 27.07.2009 erfolgt (Anlage K 2).

In § 3 Abs. 2 des Mietvertrages hat sich der Beklagte verpflichtet, an die Vermieterin monatlich als Miete und Nebenkostenvorauszahlung sowie als Mietpauschale für die Benutzung der Sanitär- WC- Anlage einen Bruttobetrag in Höhe von 3.944,28 Euro zu zahlen.

In § 20 Abs. 5 des Mietvertrages hat sich der Beklagte verpflichtet, an die Vermieterin für die Entwicklung und Umsetzung des Internetwerbeauftritts …. einen einmaligen Initialbeitrag von 2.500,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer frühestens bei Übergabe des Mietobjekts gegen Rechnungsstellung zu zahlen.

In § 19 Abs. 1 des Mietvertrages hat sich der Beklagte ferner verpflichtet, an die Vermieterin bis spätestens drei Monate vor Übergabe eine Mietkaution in Höhe von fünf Monatsmieten inklusive Nebenkostenvorauszahlungen und Umsatzsteuer, d.h. in Höhe von 19.721,40 Euro, zu zahlen.

Der Beklagte und die Vermieterin haben das Mietverhältnis zum 10.12.2010 aufgehoben. An diesem Tag erfolgte die Rückgabe (Rückgabeprotokoll, Anlage K 4).

Der Beklagte hat während des gesamten Mietverhältnisses keine Zahlungen geleistet und auch die Mietsicherheit nicht zur Verfügung gestellt. Gemäß Forderungskonto (Anlage K 5, erstellt von den Klägervertretern) belaufen sich der Rückstand Initialbeitrag und der Mietrückstand inklusive der aufgelaufenen Zinsen per 31.05.2011 auf 74.709,85 Euro. Gemäß Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 vom 20.06.2011 (Anlage K 8) hat der Beklagte eine Nachzahlung von 422,37 Euro zu leisten.

Die …. an der …. hat mit Forderungskaufvertrag vom 28.12.2010 sämtliche Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten und die Abtretung mit Anzeige vom 25.03.2011 (Anlage K 7) dem Beklagten mitgeteilt.

Für das Reisezentrum waren 17 Mieteinheiten vorgesehen. Für fünf dieser Mieteinheiten wurden Mietverträge abgeschlossen (Anlagenkonvolut K 16 sowie Mietvertrag mit dem Beklagten). Die Mieterin …. die erst ab dem 06.12.2010 vom Reisezentrum in die Passageebene umgezogen (Anlage B 5).

Die Klägerin ist der Meinung, dass der Mietvertrag mit dem Beklagten wirksam abgeschlossen worden sei, eine Störung der Geschäftsgrundlage habe sich nicht ergeben. Vorvertragliche Aufklärungspflichten seien nicht verletzt worden. Das Verwendungsrisiko hinsichtlich des Mietobjekts trage der Mieter. Es könne weder der Vermieterin noch der Klägerin angelastet werden, dass sich das Reisezentrum nicht – wie erhofft – entwickelt hat.

Die Klägerin behauptet, dass von Vermieterseite zu keinem Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrgast- oder Pendleraufkommen oder konkrete Busfrequenzen für den …. zugesichert worden seien. Zum Zeitpunkt der Vermietungsgespräche mit dem Beklagten – während der Planungsphase des …. habe man nicht wissen können, ob dieses Objekt am Markt angenommen werde. Demgemäß sei in der Broschüre der Klägerin auf Seite 9 (Anlage B 2) explizit von „potentieller“ Lauf- und Stammkundschaft die Rede. Die von der Vermieterin erteilten Informationen würden jedoch auf fundierten Ermittlungen bzw. Nachforschungen und auf den Konzepten der …. beruhen (Anlagen K 9, K 10).

Die Klägerin trägt weiter vor, dem Beklagten sei bei den Vermietungsgesprächen mitgeteilt worden, dass die Planung, einen Steg zwischen dem S-Bahnhof …. und dem …. zu bauen, bereits 2005 aufgegeben worden sei. Die niveaugleiche Anbindung an die …. ergebe sich aus Anlage 3 zum Mietvertrag, S. 5, 1. Oberpunkt. Es sei die Präsentation Stand 26.04.2007 (Anlage K 14) verwendet worden. Die Nichtrealisierung des Steges habe wegen der direkten Anbindung über die …. keine Auswirkungen auf die Kunden- bzw. Fahrgastfrequenz. Auch die Beschreibung des Reisezentrums in der Broschüre sei korrekt. Es seien ausreichende Hinweisschilder auf das Reisezentrum angebracht worden (Anlage K 11).

Die Klägerin behauptet, dass bei der Mietpreisfindung nicht die hypothetischen Umsätze des Beklagten zugrunde gelegt worden seien, sondern die Marktgegebenheiten. Der Beklagte habe sein Reisebüro nur sporadisch geöffnet gehabt, ein regelmäßiger Betrieb sei nicht aufgenommen worden. Hinweise auf das Reiseangebot seien im Schaufenster nicht angebracht worden. Demgemäß habe der Beklagte auch nicht den gewünschten Umsatz erzielen können. Zudem habe der Beklagte eine der beiden Einheiten vertragswidrig an …. untervermietet (Anlagenkonvolut K 17). Der Beklagte habe augenscheinlich keine Investitionen getätigt. Demgegenüber habe die …. Umsatzsteigerungen verzeichnen können, im Jahr 2011 sei es steil bergauf gegangen.

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Hinsichtlich der weiteren Mieter trägt die Klägerin vor, dass der Mieter …. seine Mieteinheit nicht bezogen, habe, der Mieter …. habe sein Mietobjekt im Dezember 2010 geräumt, das Geschäft …. sei bis Ende Juli 2010 betreiben worden.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 85.132,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 84.709,85 Euro seit dem 01.06.2011 und aus weiteren 422,37 Euro seit dem 16.07.2011 zu zahlen. Insoweit war die Klägerin der Auffassung, dass sie auch noch nach Beendigung des Mietverhältnisses noch einen Anspruch auf Leistung der Mietsicherheit gegen den Beklagten in Höhe von 10.000,00 Euro habe, da ihr aus dem beendeten Vertrag noch Forderungen zustehen würden hinsichtlich der noch zu erwartenden Nachforderungen aus den Nebenkostenabrechnungen. Nach Abrechnung der Nebenkosten für das Jahr 2009 mit einem Nachzahlungsbetrag von 422,37 Euro hat die Klägerin in der Sitzung vom 01.03.2012 den Anspruch auf die Mietkaution auf einen Betrag von 1.500,00 Euro ermäßigt. Insoweit bestehe noch ein Sicherungsinteresse wegen zu erwartender Nachzahlungen aus der Nebenkostenabrechnung des Jahres 2010. In Höhe des Kautionsteilbetrages von 8.500,00 Euro habe sich die Verpflichtung zur Stellung einer Kaution nach Rechtshängigkeit der Klage erledigt.

Die Klägerin beantragt nunmehr:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 75.132,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von, 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.05.2011 aus 74.709,85 Euro und aus weiteren 422,37 Euro seit dem 16.07.2011 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Mietkaution in Höhe von 1.500,00 Euro zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der ursprüngliche Klageantrag im Übrigen erledigt ist.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass der Mitarbeiter …. der Vermieterin anlässlich der Gespräche vor Abschluss des Mietvertrages erklärt habe, dass im …. mit einem täglichen Fahrgastaufkommen von 8.000 bis 10.000 Busreisenden zu rechnen sei. Der gesamte Linienbusverkehr in …. würde am …. abgewickelt werden und ein Großteil des Touristenbusverkehrs, wie auf S. 5 der Broschüre angegeben. Hinzu kämen die 30.000 täglichen Pendler am S-Bahnhof …. als Laufkundschaft. Die Räume im Reisezentrum seien ein idealer Standort für ein Reisebüro, da die Laufkundschaft Kenntnis vom Reiseangebot des Beklagten nehmen könne. Der …. würde direkt über eine Fußgängerbrücke mit dem S-Bahnhof …. verbunden werden (s. Anlage 1 zum Mietvertrag). Diese Angaben sowie die Angaben in der Broschüre über den …. seien für den Beklagten von besonderer Relevanz gewesen, im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Zahlen habe der Beklagte den Mietvertrag abgeschlossen. Diese Angaben entsprächen der Gesamtkonzeption des …. die dem Beklagten gemäß Präambel des Mietvertrages bekannt gemacht worden sei. Nach Vertragsschluss und Inbetriebnahme des …. habe sich herausgestellt, dass der …. nicht zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Deutschlands geworden sei. Die Passagier- und Pendlerzahlen seien hinter den zugesicherten Zahlen weit zurückgeblieben. Gemäß Beschluss der …. vom 16.05.2001 (Anlage B 6) und der Fortschreibung des Konzepts für das Busparken in …. vom 13.07.2005 (Anlage K 10) sollte der Touristik- und Gelegenheitsverkehr nur zu einem geringen Teil am künftigen …. abgewickelt werden. Die Grauverkehre würden im …. nicht zugelassen werden. Ein Reisezentrum, wie in der Broschüre dargestellt, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Für weniger als ein Drittel der Mieteinheiten seien Mietverträge abgeschlossen worden. Bezogen hätten die Mieteinheiten wiederum nur die …. und der Beklagte: Der Beklagte habe das Reisebüro zu den vertraglich vereinbarten Öffnungszeiten betrieben. Die …. habe nur 10 % ihres Umsatzes im …. erzielt. Es habe praktisch keine Nachfrage für die Mieteinheiten bestanden. Die Lage des Reisezentrums sei völlig ungeeignet gewesen, um Fahrgäste oder Passanten als neue Kunden zu gewinnen, da es sowohl vom Busterminal als auch von der Einkaufspassage nur über eine Treppe und Aufzüge zu erreichen war. Die …. sei folglich auch in die Zentralebene umgezogen. Nunmehr betreibe kein Reiseunternehmen mehr sein Geschäft im ersten Obergeschoss. Zudem habe kein Bedarf für ein Reisezentrum bestanden, das sich über eine komplette Etage erstreckt. Ein Ticketshop von 20 – 40 qm hätte gemäß der Kundenbefragung von 1996 (s. S. 20 der Anlage K 9) genügt. Auf dieses Ergebnis der Befragung sei der Beklagte nicht hingewiesen worden.

Der Beklagte behauptet weiterhin, aus der vereinbarten Mietzinshöhe ergebe sich, dass beide Vertragsparteien von einem monatlichen Umsatz in Höhe von mindestens 25.000,00 Euro ausgegangen seien. Tatsächlich habe der Beklagte während der gesamten Dauer des Betriebs des Reisebüros keine einzige Reise verkauft. Aufgrund der völligen Fehlplanung des anhabe das Reisebüro nicht gewinnbringend betrieben werden können. Selbst ein Mietzins in Höhe von 500,00 Euro monatlich wäre überhöht gewesen. Der Mietvertrag sei demgemäß sittenwidrig und nichtig. Auch der Marktführer in Sachen Busreisen, die …., habe die angemieteten Räume verlassen, da kaum Umsatz habe erzielt werden können. Die Klägerin als Projektentwicklerin habe große Erfahrung mit vergleichbaren Projekten in …. und Deutschland gehabt und daher gegenüber dem Beklagten einen erheblichen Wissens- und Erfahrungsvorteil. Sie habe einschätzen können, dass die vereinbarte Miete weit überhöht gewesen sei, da die Angaben hinsichtlich der potentiellen Kundenfrequenz ins Blaue hinein gemacht worden seien.

Hilfsweise ist der Beklagte der Auffassung, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege und der Vertrag an die geänderten Umstände angepasst werden müsse. Ein Reisezentrum sei nicht entstanden, die Zahl von 2,5 Mio. jährlichen Busreisenden sei bei weitem nicht erreicht worden, eine Brücke zwischen S-Bahnhof …. und …. sei nicht geschaffen worden, wodurch die S-Bahn-Pendler nicht direkt dem …. zugeführt worden seien. Der Beklagte habe sich hinsichtlich seiner kaufmännischen Beurteilung auf die Angaben des Vermieters verlassen müssen. Das Risiko der Gewinnerzielung könne unter diesen Umständen nicht allein vom Mieter getragen werden.

Weiterhin ist der Beklagte der Auffassung, dass die Zedentin ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt habe und zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Angaben hinsichtlich des Passagier- und Pendleraufkommens seien als feststehend dargestellt worden, seien jedoch reine Spekulation gewesen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Beklagte den Vertrag nicht abgeschlossen bzw. hätte er allenfalls 20 qm angemietet.

Wegen des Vortrages der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …. im Termin vom 07.12.2012.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ließ die Klageseite mit Schriftsatz vom 18.12.2012 vortragen, dass die Broschüre Anlage B 2 bzw. K 13 zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch nicht vorgelegen habe, da die Druckfreigabe erst am 19.02.2008 erfolgt sei (Anlage K 22).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

Der Beklagte kann nach § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage eine hälftige Teilung des Geschäftsrisikos verlangen und ist demgemäß nur verpflichtet, die Hälfte der ausstehenden Mietzinsen und Nebenkosten sowie die Hälfte der Kosten des Initialbeitrags zu tragen. Der Beklagte hat sich hilfsweise einredeweise auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Eine Vertragsanpassung ist nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage geboten, der Beklagte muss sich wegen einer Fehlplanung nicht an der vor der Realisierung des Objekts vereinbarten Miete festhalten lassen.

Die Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen ergibt, dass die Zedentin das Geschäftsrisiko des Beklagten zum Teil übernommen hat.

Zwar ist in § 2 Abs. 1 des Mietvertrages geregelt, dass der Beklagte das Risiko trägt, das Mietobjekt zu dem angestrebten Zweck verwenden zu können.

Diese Regelung ist jedoch im Lichte der Gesamtkonzeption des bei Mietvertragsabschluss geplanten …. zu würdigen, die in der Präambel des Mietvertrages und in den Schlussbestimmungen in § 23 des Mietvertrages ihren Ausdruck findet. Nach dieser Gesamtkonzeption sollte über der Handelsebene ein Reisezentrum entstehen mit ca. 16 Büroeinheiten für Busunternehmen. Es war gemäß § 23 des Mietvertrages ein bislang in Deutschland einzigartiger multifunktionaler Zentraler Omnibusbahnhof geplant. In § 23 ist weiter geregelt, dass sich die Parteien für den Fall eines bislang nicht vorhersehbaren Regelungsbedarfes um eine einvernehmliche Regelung bemühen werden, die die Förderung der Attraktivität des …. als Ganzes und die Förderung der möglichen Synergien zwischen einzelnen Nutzungen gemeinsam anstrebt und vertraglich umsetzt.

Bereits bei Eröffnung des …. im September 2009 hat sich gezeigt, dass für ein Reisezentrum mit Büroeinheiten für mehrere Busunternehmen kein Bedarf bestanden hat. Auch nach dem Vortrag der Klägerin konnten von den gebauten 17 Büroeinheiten nur 5 vermietet werden, wobei ein Mieter das Büro nicht bezogen hat. Ein weiterer Mieter ist im Laufe des Jahres 2010 ausgezogen und die …. im Dezember 2010 in die Ladenpassage umgezogen. Die verbliebenen beiden Mieter, einer davon der Beklagte, sind Ende Dezember 2010 ausgezogen.

Der Zeuge …., Leiter von Marketing und Vertrieb der …. sagte aus, dass die Klägerin der …. angeboten habe, in die Ladenpassage zu ziehen, da für das Reisezentrum nicht genug Mieter gefunden werden konnten. Man habe das Angebot gerne angenommen, da die Räumlichkeiten kleiner und daher vom Preis her günstiger sind, sowie auch verkehrsmäßig günstiger liegen. Der Zeuge sagte weiter glaubhaft aus, dass die …. bis Herbst 2012 der einzige Ticketanbieter im …. gewesen sei, erst dann habe …. ein Büro mit etwa 30 qm angemietet. Die Umsatzentwicklung sei jedoch zunächst zufriedenstellend und dann gut gewesen. Man habe rechtzeitig Werbung für den Ticketverkauf im …. gemacht und die früheren Büros in …. und in der …. im Oktober 2009 geschlossen. Der Zeuge führte aus, dass die …. damals teilweise der einzige Anbieter von bestimmten Reisen gewesen sei und auch der größte Anbieter der Balkanreisen. Es seien 32 Länder bedient worden. Daneben habe es nur noch kleinere Anbieter gegeben, die im Wesentlichen nur eine Linie bedient haben. Dazu habe auch der Beklagte gehört.

Weiter führte der Zeuge …. aus, er habe sich gewundert, dass der Beklagte gleich zwei Büroeinheiten gemietet habe. Die Büroflächen seien bei den regelmäßigen Besuchen des Zeugen in …. geschlossen gewesen.

Für die Vermieterin hat sich damit ein nicht vorhersehbarer Regelungsbedarf – so § 23 des Mietvertrages – ergeben, als sich herausgestellt hat, dass die Büros für Busunternehmen nicht bzw. nicht dauerhaft vermietet werden konnten. Es zeigte sich, dass nur der größte Busreisenanbieter in der Lage war, in dem Reisezentrum ein Büro zu betreiben. Der Reisebürobetrieb wurde schließlich Ende 2010 vollkommen eingestellt, eine gewünschte Funktion des multifunktionalen …., ein breit gefächertes Angebot von Busreisen durch verschiedene Reisebüros, ist entfallen. Offenbar bestand insoweit kein Bedarf. Bei dieser Sachlage kann das Geschäftsrisiko nicht vollständig auf den Beklagten überbürdet werden, er hatte nach § 23 des Mietvertrages Anspruch auf eine einvernehmliche Regelung, damit das Reisezentrum überhaupt wie geplant betrieben werden konnte. Da sich jedoch herausgestellt hat, dass das bei Mietvertragsschluss geplante Reisezentrum eine Fehlplanung war und die Vermieterin darauf hingewiesen hat, dass es wegen der Einzigartigkeit des Objekts einen nicht absehbaren Regelungsbedarf geben kann, hat die Vermieterin auch das Risiko des Scheiterns von geplanten Funktionen zum Teil mitübernommen. Es hat sich herausgestellt, dass wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Mietvertrages mit dem Beklagten geworden sind – es entsteht ein Reisezentrum und es besteht Bedarf für ein Reisezentrum – sich als fesch herausgestellt haben (§ 313 Abs. 2 BGB). So hat der von der Vermieterin beauftragte Makler dem Beklagten mit E-Mail vom 10.06.2005 (Anlage B 1) geschrieben: „Wie Ihnen mitgeteilt, werden sich in dem geplanten Reisezentrum die verschiedensten Busunternehmen präsentieren, u.a. auch die …..

Unter diesen Umständen kann dem Beklagten nicht zugemutet werden, die vollen Mietvertragskosten zu tragen. Eine Nichtigkeit des Mietvertrages wegen Sittenwidrigkeit kann jedoch nicht festgestellt werden, da aus dem Vortrag des Beklagten nicht erkennbar ist, dass die Vermieterin bei Abschluss des Mietvertrages von dem fehlenden Bedarf für verschiedene Reisebüros wusste und dass die vereinbarten Mieten weit überhöht sind. Die Vermieterin hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erfolg der Gesamtkonzeption wegen der Einzigartigkeit nicht abschließend beurteilt werden kann. Folglich kann der Vermieterin bzw. dem von ihr beauftragten Makler auch kein Aufklärungsverschulden vor Vertragsschluss vorgeworfen werden. Aufgrund der Neuartigkeit des Konzepts für einen Busbahnhof konnten, für den Beklagten erkennbar, keine verbindlichen Aussagen getroffen werden. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Broschüre Anlage B 2 vor Vertragsschluss schon vorgelegen hat. In der Broschüre gibt es keine verbindlichen Aussagen über Passagierzahlen und Laufkundschaft. Auch war nicht anzunehmen, dass sämtliche geplanten Funktionen von Anfang an florieren.

Die vertragliche Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen wurde vom Beklagten der Höhe nach nicht bestritten. Demgemäß ist eine Forderung in Höhe von 33.996,00 Euro, die Hälfte der geltend gemachten Hauptforderung (s. Anlage K 5), berechtigt. Wegen der kalendermäßigen Fälligkeit der Mietzinsen war auch die Hälfte der bis 31.05.2011 berechneten Verzugszinsen (s. Anlage K 5) zuzusprechen, so dass bis 31.05.2011 ein Anspruch auf 37.354,93 Euro besteht. Ab 01.06.2011 können nur Verzugszinsen hinsichtlich des Betrages von 33.996,00 Euro zugesprochen werden, da gemäß § 289 BGB das Zinseszinsverbot besteht.

Entsprechend hat die Klägerin Anspruch auf die Hälfte der bereits berechneten Nebenkostennachzahlung für 2009 und Anspruch auf die Hälfte der Kautionsforderung für die noch ausstehende zu erwartende Nebenkostennachzahlung 2010.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, es würden noch Nebenkostennachzahlungen in Höhe von 10.000,00 Euro anfallen. Die Klage war insoweit in Höhe von 8.077,63 Euro von Anfang an unbegründet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 85.132,22 Euro festgesetzt.

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