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Arbeitszeit (vereinbarte) und Berechnung des Mutterschutzlohnes 

LAG Hamm

Az: 9 (1) Sa 1243/06

Urteil vom 31.10.2006


1) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2006 – 1 Ca 443/06 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.977,03 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2006 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Vergütungsdifferenzen für die Zeit vor und während eines Beschäftigungsverbotes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetztes.

Unter dem 20.11.2004 unterzeichneten die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der auf seiner ersten Seite als Datum den 16.11.2004 ausweist, ebenso dieses Datum als ersten Tag des Arbeitsverhältnisses.

Zuvor war die Klägerin am 10.11.2006 zu einem vereinbarten Vorstellungsgespräch bei dem Beklagten erschienen. In diesem Gespräch haben sich die Parteien – so der Beklagte – über die Modalitäten des Arbeitsverhältnisses geeinigt, weshalb die Klägerin am 16.11.2004 ihre Tätigkeit aufnahm. Erst nach Aufnahme der Tätigkeit hat der Beklagte den schriftlichen Arbeitsvertrag abgefasst und hat aus ihm zugänglichen Quellen Formulierungen und Textmuster abgeschrieben.

Dieser Arbeitsvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

„…

§ 8 Arbeitszeit

(1) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 38 Stunden. Die genannte Wochenarbeitszeit muss im Durchschnitt eines halben Jahres eingehalten werden; insoweit ist auch die Einrichtung von Zeitkonten möglich. Zeitkonten können auch einen negativen Saldo zu Lasten des Arbeitnehmers ausweisen.

(2) Die tägliche Arbeitszeit richtet sich nach den Erfordernissen des Arbeitgebers. Dementsprechend kann die tägliche Arbeitszeit unterschiedlich sein. Die Arbeitseinsätze können zu allen Tages- und Nachtzeiten sowie an Wochenenden und Feiertagen anfallen. Es sind stets Regelarbeitszeiten.

(3) Der Arbeitgeber stellt Einsatzpläne/Tourenpläne auf, die die genauen Dienstzeiten des Arbeitnehmers regeln. Die Pläne stellen verbindliche Weisungen dar.

Die Arbeitszeit beginnt beim ersten Patienten und hört beim letzten Patienten auf. Unterbrechungen sind keine Arbeitszeiten.

(4) Nicht zur Arbeitszeit zählt diejenige Zeit, die der Arbeitnehmer zur unmittelbaren Anfahrt vom Wohn- zum Einsatzort benötigt. Entsprechendes gilt für die Heimfahrt vom Einsatz- zum Wohnort. Fahrten zwischen der Niederlassung des Arbeitgebers und dem Wohnort stellen ebenfalls keine Arbeitszeiten dar.

§ 19 Verfallklausel

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach deren Fälligkeit gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Wird ein Anspruch hiernach abgelehnt oder erfolgt keine Erklärung binnen zweier Wochen, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach Ablehnung oder Ablauf der zweiwöchigen Erklärungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird.

…“

Darüber hinaus enthält der Arbeitsvertrag in dessen § 3 eine Variante zum Ankreuzen, ob es sich um einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag handelt. Auch ist eine Regelung über eine Vertragsstrafe in § 16 des Arbeitsvertrages aufgenommen. Insgesamt besteht der Arbeitsvertrag aus 20 Paragrafen. Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Fotokopie Bl. 30 – 38 d.A. Bezug genommen.

Einen im Wesentlichen gleichlautenden Arbeitsvertrag unterzeichneten der Beklagten und die Mitarbeiterin M3xxx E1xxxxx unter dem 26.11.2004. Abweichend war hier der Tätigkeitsbereich, da die weitere Mitarbeiterin E1xxxxx den Beruf der Altenpflegerin ausübte. Auf die Fotokopie dieses Arbeitsvertrages (Bl. 82 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Unter dem 15.12.2003 hatte der Beklagte mit einer anderen Mitarbeiterin D2xxx B3xx einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, der zumindest ausweislich seiner ersten Seite eine von den beiden genannten Verträgen abweichende Gestaltung sowie einen anderen Inhalt enthält. Auf die Kopie Bl. 103 d.A. wird Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin ihre Tätigkeit am 16.11.2004 aufgenommen hatte, war sie im Monat November 2004 an insgesamt 57,5 Stunden tätig, in den Monaten Dezember 2004, Januar und Februar 2005 an insgesamt 148 Stunden. Auf die Kopien der Lohnabrechnungen (Bl. 4 – 7 d.A.) wird Bezug genommen. Ab dem 11.03.2005 bestand für die Klägerin ein ärztliches verordnetes Beschäftigungsverbot, welchem eine Arbeitsunfähigkeit ab etwa Mitte Februar 2005 vorausging. Der Einsatz der Klägerin in der Zeit bis zur Erteilung des Beschäftigungsverbotes richtete sich nach den Dienstplänen, die der Beklagte aufstellte; er hat hierzu dargelegt, dass die Klägerin während der ersten Zeit ihrer Beschäftigung nicht im ganzen Spektrum der Pflege hätte eingesetzt werden können, weshalb es nicht zu dem vollen Volumen einer 38-Stunden-Woche gekommen sei.

Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis insgesamt bis zum Eintritt der Mutterschutzfristen auf der Basis von 148 Stunden monatlich zu dem vereinbarten Stundensatz von 11,00 EUR abgerechnet und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld während der Schutzfristen nicht gezahlt hatte, machte die Klägerin mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Paderborn am 03.04.2006 eingegangenen und dem Beklagten am 07.04.2006 zugestellten Klage die Vergütung bis zum Eintritt der Schutzfristen auf der Grundlage einer 38-Stunden-Woche sowie den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld geltend. Wegen des letztgenannten Zuschusses haben die Parteien vor dem Arbeitsgericht Paderborn einen Teilvergleich geschlossen (vgl. das Protokoll der Kammersitzung vom 06.07.2006, Bl. 44 d.A.).

Wegen des verbleibenden Teils der Vergütungsdifferenzen hat die Klägerin vorgetragen:

Der Arbeitsvertrag vom 20.11.2004 verpflichte den Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin im Umfange von 38-Wochenstunden, woraus eine monatliche Arbeitszeit von 164,5 Stunden resultiere. Im Verhältnis zu den abgerechneten Beträgen ergäbe sich dadurch eine Stundendifferenz von 179,73 Stunden, verrechnet mit dem Stundensatz von 11,00 EUR somit eine Differenz von 1.977,03 EUR brutto.

Die im Arbeitsvertrag vom 20.11.2004 vereinbarte Verfallklausel, dort § 19, sei rechtsunwirksam, da sie die Klägerin ungemessen benachteilige. Insoweit nimmt die Klägerin Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Inhaltskontrolle von Verfallklauseln, die in Formulararbeitsverträgen vereinbart sind.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilten, an sie 1.977,03 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Etwaige Ansprüche der Klägerin seien verfallen. Der Arbeitsvertrag sei ein Individualarbeitsvertrag, dessen Arbeitsbedingungen die Parteien im Einzelnen ausgehandelt hätten. Aus diesem Grunde finde eine Inhaltskontrolle nicht statt.

Im Übrigen seien die von der Klägerin tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vergütet worden. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie tatsächlich mehr gearbeitet habe, als sich aus den Lohnabrechnungen ergebe. Dementsprechend sei auch die Zeit des Beschäftigungsverbotes auf der zutreffenden durchschnittlichen Grundlage abgerechnet worden.

Durch Urteil vom 06.07.2006 hat das Arbeitsgericht Paderborn die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass etwaige Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage von § 19 des Arbeitsvertrages verfallen seien. Diese Regelung sei rechtswirksam, da eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin nicht erkennbar sei. Es handele sich um einen Individualarbeitsvertrag.

Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 47 – 51 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 11.07.2006 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 26.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und begründeten Berufung. Sie trägt vor:

Die Verfallklausel des Arbeitsvertrages vom 20.11.2004 halte einer Inhaltskontrolle nicht stand. Das Bundesarbeitsgericht habe spätestens mit Urteil vom 28.09. zum Aktenzeichen 5 AZR 52/05 die vorhergehende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16.11.2004 ausdrücklich bestätigt, wonach eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlange, die Arbeitnehmerin unangemessen benachteilige. Selbstverständlich handele es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um einen Formulararbeitsvertrag im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Die Klägerin habe keine der Arbeitsbedingungen mit dem Beklagten ausdrücklich vereinbart. Vielmehr habe der Beklagte den Arbeitsvertrag vorgelegt und damit erklärt, dass er diese Bedingungen wünsche. Dass es sich um einen Formulararbeitsvertrag handele, ergebe sich schließlich auch daraus, dass er zumindest mit der weiteren Mitarbeiterin M3xxx E1xxxxx einen fast wortgleichen Vertrag geschlossen habe, der ebenso eine entsprechende Verfallklausel beinhalte. Der andere, vom Beklagten erwähnte Vertrag stamme aus der Zeit von einem Jahr zuvor, so dass er für den vorliegenden Rechtsstreits nicht maßgeblich sein könne.

Die Berechnung der Klägerin hinsichtlich der Vergütungsdifferenzen schließlich sei nicht zu beanstanden. Der Arbeitsvertrag beinhalte eben nicht nur die Verpflichtung der Klägerin zur Ableistung von 38 Wochenarbeitsstunden im Durchschnitt von sechs Monaten, sondern auch die Bereitstellung einer entsprechenden Arbeitsmenge durch den Beklagten. Soweit die Klägerin also tatsächlich nicht beschäftigt worden ist, liege dies in der Risikosphäre des Beklagten, weshalb die Klägerin gleichwohl die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung verlangen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2006 – 1 Ca 443/06 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.977,03 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Eine Inhaltskontrolle der vertraglich vereinbarten Verfallklausel finde nicht statt, da es sich um einen Individualarbeitsvertrag handele. Dieser Umstand sei im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Paderborn auch noch unstreitig gewesen. Der Beklagte habe die Vertragsbedingungen nicht gestellt. Vielmehr hätten die Parteien bereits in dem Vorstellungsgespräch vom 10.11.2004 im Einzelnen die Arbeitsbedingungen mündlich vereinbart. Der Arbeitsvertrag gebe lediglich die mündlichen Vereinbarungen wider. Hierbei habe sich der Beklagte dann hinsichtlich der Formulierungen und Textmuster allgemein zugänglichen Quellen bedient. Diese Formulierungen und Textmuster hätten dann allerdings zu den bereits mündlich vereinbarten Arbeitsbedingungen gefasst.

Nur im Falle der weiteren Mitarbeiterin E1xxxxx sei das gleiche Vertragsmuster verwandt worden, dies aber nur deshalb, weil deren Einstellung kurze Zeit nach Einstellung der Klägerin vollzogen worden sei.

Nach wie vor habe die Klägerin nicht dargelegt, welche konkreten Stunden der Beklagte nicht vergütet habe. Sie arbeite im Betrieb des Beklagten in der 6-Tage-Woche, woraus sich unter Zugrundelegung der 38-Stunden-Woche eine tägliche Arbeitszeit von 6,33 Arbeitsstunden ergebe. Da die Klägerin ihr Examen erst am 14.10.2004 abgelegt habe, habe sie im November erst im Rahmen einer Einarbeitung in die Arbeitsabläufe eingewiesen werden müssen. Deshalb sei es nicht dazu gekommen, dass die Klägerin das volle Stundensoll einer 38-Stunden-Woche erreicht habe. Für den Beklagten sei es jederzeit möglich gewesen, im Durchschnitt eines halben Jahres ohne weiteres die Beschäftigung in eine 38-Stunden-Woche einzuhalten.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit allen Mitarbeitern eine einheitliche Vereinbarung darüber geschlossen habe, dass bei einer Nutzung des Betriebsfahrzeuges für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte pro Monat von der tatsächlich geleisteten Arbeit vier Stunden in Abzug gebracht werden sollten. Unter Berücksichtigung dieses Vortrages meint der Beklagte ergänzend, dass wegen der in den konkreten Monaten Dezember 2004, Januar und Februar 2005 zu erbringenden Arbeitsleistung die von der Klägerin verlangten 164,5 Stunden in keinem Fall hätten erreicht werden können. Wegen dieses Sachvortrages wird auf den am 25.10.2006 eingegangenen Schriftsatz des Beklagten, dort Bl. 3 (Bl. 101 d.A.), Bezug genommen.

Da während des Beschäftigungsverbotes der Durchschnitt der letzten 13 abgerechneten Wochen zu zahlen sei, habe sich der Beklagte auch insoweit korrekt verhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 66 Abs. 1 Satz 1; 64 Abs. 6 ArbGG, 516 ff. ZPO) hat Erfolg, da die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 1.977,03 EUR brutto als Vergütungsdifferenzen aus § 611 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB (Zeitraum bis 09.03.2005) und aus § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 MuSchG i.V.m. § 611 BGB in der Zeit vom 11.03.2005 bis zum Eintritt in die Schutzfristen nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes (20.09.2005) hat.

I.

Der Anspruch der Klägerin für die Zeit bis zum 10.03.2005 ergibt sich aus § 611 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB. Hiernach hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen; für den Fall, dass er es der Klägerin nicht ermöglicht hat, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in vollem Umfange zu erbringen, schuldet er gemäß § 615 Satz 1 BGB auch hierfür die Vergütung, ohne dass die Klägerin zur Nachleistung verpflichtet wäre.

A.

Die Verpflichtung des Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin in einer 38-Stunden-Woche ergibt sich aus § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 20.11.2004. Dort heißt es, dass die genannte Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 38 Stunden im Durchschnitt eines halben Jahres eingehalten werden muss. Dies bedeutet nicht nur, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung im Umfang von durchschnittlich 38 Stunden im Halbjahreszeitraum zu erbringen, es bedeutet zugleich die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin eine entsprechende Arbeitsmenge zur Verfügung zu stellen. Denn im bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitgeber gehalten, der Arbeitnehmerin im vertraglich vereinbarten Umfang einen funktionsfähigen Arbeitsplatz für jeden Tag der zur Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Dem Arbeitgeber obliegt es nämlich als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (BAG, Urteil vom 19.01.1999, 9 AZR 679/97, AP Nr. 79 zu § 615 BGB unter Hinweis auf die Urteile vom 9. August 1984, 2 AZR 374/83, AP Nr. 34 zu § 615 BGB und vom 24. November 1994, 2 AZR 179/94, AP Nr 60 zu § 615 BGB).

Nach eigenem Vorbringen des Beklagten hat er diese Verpflichtung nicht erfüllt, indem er die Klägerin in den ersten Monaten ihrer Beschäftigung nicht in der 38-Stunden-Woche beschäftigt hat, da er nach seiner Auffassung die Klägerin als Berufsanfängerin zunächst einarbeiten musste. Dieser Aspekt ist indessen der Risikosphäre des Beklagten zuzuordnen, der mit der Klägerin im Rahmen einer Einarbeitungszeit durchaus eine andere Arbeitszeit hätte vereinbaren können. Wenn dies nicht geschehen ist, verbleibt es bei der oben beschriebenen Verpflichtung zur Bereitstellung des funktionsfähigen Arbeitsplatzes im Umfang der vertraglichen Vereinbarung.

Damit kommt es allerdings nicht darauf an, dass die Klägerin – wie der Beklagte meint – die von ihr tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vergütet erhalten hat; maßgeblich ist für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch der Umstand, dass der Beklagte sich eben – wie dargestellt – gemäß § 615 Satz 1 BGB in Annahmeverzug befunden hat.

Die Zuordnung der nicht ausgefüllten, vertraglich vereinbarten Arbeitszeit in die Risikosphäre des Beklagten entspricht auch der Vereinbarung in § 8 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 20.11.2004. Dort heißt es nämlich ausdrücklich, dass der Arbeitgeber die Einsatzpläne/Tourenpläne aufstellt, die die genauen Dienstzeiten des Arbeitnehmers regeln. Außerdem heißt es dort, dass solche Pläne verbindliche Weisungen darstellen. Daran wird deutlich, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin eben nicht veranlasst hat, dass sie weniger als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages gearbeitet hat, sondern sie schlichtweg im Rahmen des § 8 Abs. 3 des Arbeitsvertrages im geringeren Umfang zur Arbeitsleistung eingeteilt war.

Für die Berechnung des Anspruchs der Klägerin kommt es nicht auf eine konkrete Berechnung der in den Monaten Dezember 2004, Januar und Februar 2005 anfallenden Werktage unter Berücksichtigung von Feiertagen an. Der Arbeitsvertrag enthält insoweit nämlich eine eindeutige Regelung, die exakt beschreibt, dass die 38-Stunden-Woche im Durchschnitt von sechs Monaten eingehalten werden muss. Das bedeutet, dass für den Fall, dass die Klägerin, sofern ihr innerhalb eines halben Jahres in einem ersten Zeitraum weniger Arbeit zugewiesen worden ist, der Beklagte verpflichtet wäre, für den verbleibenden Zeitraum eine erhöhte Arbeitsleistung zuzuweisen, damit er seine vertragliche Verpflichtung aus § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erfüllt. Zur Berechnung des Anspruchs der Klägerin ist es damit unerheblich, ob man für die ersten Monate des Arbeitsverhältnisses einen geringeren Stundenumfang annimmt mit der Folge, dass man für den verbleibenden Teil dann einen erhöhten Umfang zugrundelegen muss, oder ob man – wie es die Klägerin getan hat – , von vornherein das Gesamtkontingent der 38-Stunden-Woche zugrundelegt.

Dementsprechend kam es auch nicht auf den Vortrag des Beklagten an, er habe auch mit der Klägerin eine Vereinbarung getroffen, dass monatlich für die Nutzung des Firmenfahrzeugs für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte vier Arbeitsstunden von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung abgezogen würden. Abgesehen davon, dass eine solche Vereinbarung vor dem Hintergrund öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzvorschriften (vgl. nur §§ 3, 4, 5 Arbeitszeitgesetz) kaum wirksam sein könnte, wäre es dann jedenfalls Sache des Beklagten gewesen, der Klägerin Arbeit in dem Umfang zuzuweisen, dass auch nach seiner, des Beklagten, Sicht die 38-Stunden-Woche mit Arbeitsleistung belegt ist. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Frage des Betriebsrisikos Bezug genommen.

B.

Der Anspruch der Klägerin für die Zeit ab Eintritt in das Beschäftigungsverbot ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 MuSchG.

Danach ist der schwangeren Arbeitnehmerin für die Dauer des Beschäftigungsverbotes zwar grundsätzlich der Verdienst auf der Grundlage der letzten 13 Wochen vor Eintritt in das Beschäftigungsverbotes zu gewähren. Allerdings beschreibt § 11 Abs. 2 Satz 2 MuSchG, dass Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum unter anderem infolge unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Durchschnittsverdienstes außen vorbleiben.

Bei der Nichtzuweisung der entsprechenden Tätigkeit im vertraglich vereinbarten Umfang handelt es sich um eine solche unverschuldete Arbeitsversäumnis. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 11 MuSchG ist nämlich die Sicherung des Arbeitseinkommens zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards für die Frau, die einem Beschäftigungsverbot unterliegt (BAG, Urteil v. 05.07.1995, 5 AZR 135/94, AP Nr. 7 zu § 3 MuSchG 1968, zu II 2 a der Gründe). Geht man mit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages davon aus, dass gegebenenfalls aufgrund unterschiedlichem Beschäftigungsumfanges in einem Halbjahreszeitraum ein schwankendes Einkommen zugrunde zu legen ist, so ist hierbei entscheidend, dass man zu einem solchen Durchschnittsverdienst kommt, der den wirklichen Verhältnissen gerecht wird (Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand: 6/2006, § 11 MuSchG Rn. 35). Der Anspruch auf den sogenannten Mutterschutzlohn setzt nämlich gerade voraus, dass der betreffende Arbeitsausfall und die aus ihm folgende Verdiensteinbuße kausal auf ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot zurückgeht (vgl. nur: Joussen, Das neue Mutterschutzgesetz, NZA 2002, S. 702 ff., 704). Daraus folgt zwingend, dass der Beklagte die Klägerin für den Fall, dass sie nicht dem Beschäftigungsverbot unterlegen hätte, gerechnet auf den Halbjahreszeitraums in einem Umfang hätte beschäftigen müssen, damit die 38-Stunden-Woche erreicht wird.

Schließlich deckt sich dieses Verständnis von § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 MuSchG auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der in seiner Entscheidung vom 13.02.1996 ausdrücklich erkannt hat, dass die Arbeitnehmerin nicht anders gestellt werden darf, als wenn sie nicht schwanger gewesen wäre (EuGH, Entscheidung v. 13.02.1996, C – 342/93, EzA Art. 119 EWG-Vertrag Nr. 37).

Dem ist auch das Bundesarbeitsgericht gefolgt, indem es einen Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, das als Teil der im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Vergütung vereinbart ist, auch für solche Zeiten entstehen lässt, in denen die Arbeitnehmerin einem Beschäftigungsverbot unterliegt (BAG, Urteil v. 25.11.1998, 10 AZR 595/97, NZA 1999, 766).

II.

Die Ansprüche der Klägerin aus § 611 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB bzw. aus § 11 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 MuSchG sind auch nicht gemäß § 19 des Arbeitsvertrages vom 20.11.2004 verfallen.

Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser arbeitsvertraglichen Verfallfrist gegeben, da die Klägerin streitlos die dort genannten Fristen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zumindest zum überwiegenden Teil nicht eingehalten hat.

Allerdings ist diese einzelvertragliche Ausschlussfrist rechtsunwirksam, da sie die Klägerin gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und aus diesem Grunde bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen ersatzlos wegfällt (vgl. § 306 Abs. 1 u. 2 BGB).

A.

Die Vereinbarung in § 19 des Arbeitsvertrages war einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB zu unterziehen. Es handelt sich nämlich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Wenn auch in der gesetzlichen Regelung ausdrücklich formuliert ist, dass allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen sind und vorliegend zumindest nach dem unstreitigen Vorbringen der entsprechende Wortlaut eines Vertrages nur in zwei Fällen benutzt worden ist, so hatte die Berufungskammer gleichwohl davon auszugehen, dass es sich im Sinne des Gesetzes eben um Formulararbeitsbedingungen handelt.

Dabei bedurfte es keiner Aufklärung des Sachvortrages des Beklagten, dass die im schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltene Arbeitsbedingungen zu den mündlichen Vereinbarungen im Einstellungsgespräch am 10.11.2004 „gepasst“ haben. Maßgeblich ist nämlich insoweit gemäß § 310 Abs. 3 BGB, dass es sich bei einem Arbeitsvertrag um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, sogenannter Verbrauchervertrag, handelt.

Der Arbeitnehmer ist nämlich Verbraucher im Sinne dieser Vorschrift. Insoweit folgt die Berufungskammer vollinhaltlich der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ausgehend von der grundlegenden Entscheidung vom 25.05.2005 (5 AZR 572/04, AP Nr. 1 zu § 310 BGB, NZA 2005, S. 1111). Daraus folgt zugleich, dass die gesetzliche Fiktion des § 310 Abs. 3 Satz 1 BGB zur Anwendung kommt, wonach allgemeine Geschäftsbedingungen, hier allgemeine Arbeitsbedingungen, als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher (hier durch die Klägerin) in den Vertrag eingeführt wurden. Letzteres hat der Beklagte weder dargelegt noch ist es aus dem unstreitigen Vorbringen ersichtlich. Es würde schließlich bedeuten, dass die im Vertrag enthaltene Verfallklausel von der Klägerin selbst in den Vertrag eingeführt worden sein müsste. Ein solcher Sachverhalt ist der Berufungskammer nicht zur Entscheidung unterbreitet worden, weshalb gemäß § 310 Abs. 3 Ziff. 2 BGB auch bei einer einmaligen Verwendung vorformulierter Arbeitsbedingungen die Inhaltskontrolle zumindest nach den Bestimmungen der §§ 307 – 309 BGB stattzufinden hat.

B.

a.

Die vertraglich vereinbarte Verfallklausel hält einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar ist und somit wesentliche Rechte der Klägerin, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben, einschränkt. Es ist nämlich zu bedenken, dass – wie dargelegt – materiell-rechtlich der Klägerin Vergütungsdifferenzansprüche zustehen, die nach allgemeinen Kriterien des Verjährungsrechts (§ 195 BGB) in einem Zeitraum von drei Jahren verjähren. Unter diesem Aspekt ist eine vertragliche Verfallklausel, die jedenfalls den Verfall von Ansprüche in einem Zeitraum unterhalb von drei Monaten regelt, rechtsunwirksam (so ausdrücklich: BAG, Urteil v. 2809.2005, 5 AZR 52/05, abgedruckt u.a. in NZA 2006, S. 149, auch AP Nr. 7 zu § 307 BGB).

Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich in der genannten Entscheidung darauf abgestellt, dass der Vergütungsanspruch ein wesentliches Recht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis darstellt, sich aus der Natur des Arbeitsvertrages gemäß § 611 Abs. 1 BGB ergibt. Ein solches Recht, sofern es entstanden ist, ist auch insoweit geschützt, als dass es verwirklicht werden kann. Sofern einem bestehenden Anspruch die ausreichende Möglichkeit einer Durchsetzung genommen wird, wird der Vertragszweck, hier die Vergütungspflicht des Arbeitgebers, gefährdet.

Die Berufungskammer nimmt insoweit ausdrücklich auf die bereits genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.09.2005 Bezug.

b.

Gemäß § 306 Abs. 1 und 2 BGB führt die so festgestellte Rechtsunwirksamkeit von § 19 des Arbeitsvertrages dazu, dass der Arbeitsvertrag im Übrigen rechtswirksam bleibt. Die Klausel in § 19 des Arbeitsvertrages konnte durch die Berufungskammer nicht auf einen rechtmäßigen Inhalt reduziert werden. Das Risiko der Rechtsunwirksamkeit der Verfallklausel trägt insoweit der Beklagte als Arbeitgeber (Verwender im Sinne des Gesetzes); eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt (BAG, Urteil v. 25.05.2005, 5 AZR 572/04, aaO).

Nach alledem verbleibt es dabei, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung der geltend gemachten Höhe hat, der nach den vertraglichen Bestimmungen nicht verfallen ist.

Sonstige Umstände, die den Anspruch der Klägerin entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB; Zinsbeginn ist das Datum der Zustellung der Klage bei dem Beklagten.

Nach alledem hat die Berufung der Klägerin Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, wonach der Beklagte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

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