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Fahrzeugkaufvertrag – „Ketten-Rückabwicklung“ wegen falscher Kilometerangaben

Käuferin gewinnt Rückabwicklung wegen falscher Kilometerangaben

Das Landgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 12.05.2023 entschieden, dass ein Fahrzeugkaufvertrag aufgrund falscher Kilometerangaben rückabzuwickeln ist. Die Beklagte muss der Klägerpartei den Kaufpreis von 17.000,00 € zuzüglich Zinsen erstatten und das Fahrzeug zurückerhalten. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 28.05.2022 in Annahmeverzug befindet und für jedes Verzögerungstag eine Gebühr zahlen muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 O 120/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Rückabwicklung: Der Fahrzeugkaufvertrag wird wegen falscher Kilometerangaben und dem dadurch bedingten Mangel des Fahrzeugs rückabgewickelt.
  2. Kaufpreiserstattung: Die Beklagte muss der Klägerin 17.000,00 € nebst Zinsen seit dem 28.05.2022 zahlen.
  3. Annahmeverzug: Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeugsin Annahmeverzug befindet.
  4. Standgebühr: Die Beklagte muss ein Standgeld von 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer pro Tag für das nicht abgeholte Fahrzeug entrichten.
  5. Rechtsanwaltskosten: Die Beklagte hat die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin zu tragen.
  6. Keine Nutzungsentschädigung: Aufgrund der geringen Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin wird keine Nutzungsentschädigung angerechnet.
  7. Zinsanspruch: Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Verzug der Beklagten.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Falschangaben beim Fahrzeugkauf: Eine rechtliche Betrachtung

Fahrzeugkaufvertrag – Ketten-Rückabwicklung wegen falscher Kilometerangaben
(Symbolfoto: ERIK Miheyeu /Shutterstock.com)

Im Fokus des heutigen Rechtsthemas steht der Fahrzeugkaufvertrag und die damit verbundenen Herausforderungen, die sich aus falschen Kilometerangaben ergeben. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft ist der Autokauf ein alltäglicher Vorgang, doch was passiert, wenn sich später herausstellt, dass wesentliche Fahrzeugdaten nicht der Wahrheit entsprechen? Diese Frage berührt grundlegende Aspekte des Kaufrechts, insbesondere wenn es um den Rücktritt vom Kaufvertrag und die damit verbundenen Schadensersatzansprüche geht.

Diese Problematik wirft nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für den Handel wichtige Fragen auf. Sie betrifft die Glaubwürdigkeit von Verkäuferangaben und die Rechte der Käufer bei Mängeln. Dabei spielt nicht nur der individuelle Fall eine Rolle, sondern auch die Bedeutung von Vertrauen und Transparenz in Handelsbeziehungen. Im nachfolgenden Text wird ein konkretes Urteil beleuchtet, das zeigt, wie das Gericht mit solch einem Sachverhalt umgeht und welche Schlüsse daraus für zukünftige Fälle gezogen werden können. Tauchen Sie mit uns in die Details ein und erfahren Sie mehr über die rechtlichen Konsequenzen von Ketten-Rückabwicklungen und Falschangaben im Fahrzeughandel.

Der Beginn des Rechtsstreits: Falsche Kilometerangaben beim Fahrzeugkauf

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Karlsruhe, Aktenzeichen 6 O 120/22, drehte sich alles um einen Fahrzeugkaufvertrag und die daraus resultierende „Ketten-Rückabwicklung“ aufgrund falscher Kilometerangaben. Die Klägerin, ein überregional tätiges Autohaus mit Mercedes-Vertretung, erwarb von der Beklagten einen gebrauchten Mercedes-Benz GL 450 4MATIC Off-Roader. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags am 06.03.2021 wurde eine Gebrauchtwagenbewertung vorgelegt, laut der das Fahrzeug eine Laufleistung von 93.711 km aufwies. Dieser Bericht wurde von einem TÜV-Mitarbeiter erstellt, wobei die Beklagte angab, dass der Kilometerzähler weder repariert noch ausgetauscht wurde.

Entdeckung der Täuschung und nachfolgende Verkäufe

Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug weiter an die P. GmbH, diees wiederum an einen anderen Käufer abgab. Dieser stellte fest, dass das Fahrzeug bereits am 15.12.2011 eine Laufleistung von 99.139 Meilen, umgerechnet etwa 159.548 km, aufwies. Dies stand in krassem Widerspruch zu den Angaben beim Kauf. Nach mehreren Rücktritten von den jeweiligen Kaufverträgen landete das Fahrzeug schließlich wieder bei der Klägerin, die daraufhin die Beklagte aufforderte, das Fahrzeug gegen Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen.

Rechtliche Analyse und Urteilsfindung

Die Klägerin behauptete, das Fahrzeug sei aufgrund falscher Angaben zur Laufleistung mangelhaft, und verlangte Schadensersatz sowie die Rückabwicklung des Kaufs. Die Beklagte hingegen argumentierte, dass die Klägerin bei der Untersuchung des Fahrzeugs in ihren Betriebsräumen von der höheren Laufleistung hätte wissen müssen. Das Gericht widersprach dieser Darstellung und befand, dass die Klägerin keine Kenntnis von der wahren Laufleistung hatte. Es wurde festgestellt, dass die Angaben der Beklagten zu den Kilometerständen unrichtig und somit der Kaufvertrag anfechtbar war.

Gerichtsurteil: Rückabwicklung und Schadensersatz

Das Landgericht Karlsruhe entschied zugunsten der Klägerin. Die Beklagte wurde verurteilt, 17.000,00 € nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen, Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs. Zudem befindet sich die Beklagte seit dem 28.05.2022 im Annahmeverzug und ist verpflichtet, 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag als Standgeld zu entrichten, bis das Fahrzeug abgeholt wird. Darüber hinaus muss die Beklagte die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.042,00 € freistellen.

Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung genauer Angaben und ehrlicher Kommunikation beim Fahrzeugkauf. Insbesondere bei Gebrauchtwagenkäufen sind korrekte Informationen zur Fahrzeughistorie und zum Zustand des Fahrzeugs unerlässlich, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das Urteil des LG Karlsruhe dient somit als klares Signal für Transparenz und Ehrlichkeit im Gebrauchtwagenhandel.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet der Begriff „Ketten-Rückabwicklung“ im Kontext eines Kaufvertrags?

Der Begriff „Ketten-Rückabwicklung“ im Kontext eines Kaufvertrags bezieht sich auf die Rückabwicklung mehrerer miteinander verbundener Kaufverträge. Die genaue Ausgestaltung kann je nach den spezifischen Umständen variieren, aber im Allgemeinen bedeutet dies, dass wenn ein Vertrag in einer Kette von Verträgen rückabgewickelt wird, dies Auswirkungen auf die nachfolgenden Verträge haben kann.

Die Rückabwicklung eines Kaufvertrags tritt in der Regel ein, wenn ein Mangel an der Kaufsache vorliegt. Ein Mangel liegt nach § 434 BGB vor, wenn die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder für die gewöhnliche Verwendung eignet, wenn sie nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Wenn der Käufer den Rücktritt erklärt, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis. Der Käufer hat dem Verkäufer die Ware gegen Rückgabe des Kaufpreises zurückzugeben. Der Verkäufer muss grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vom Vorliegen des Mangels zu überzeugen. Dafür muss die Sache bei Fernabsatzverträgen zurückversandt werden.

Es gibt bestimmte Voraussetzungen für den Rücktritt vom Kaufvertrag. Zunächst muss ein Kaufvertrag wirksam zustande gekommen sein. Technisch gesehen müssen also zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Darüber hinaus muss ein gültiger Grund für einen Rücktritt vom Kaufvertrag vorliegen. Dies kann beispielsweise ein Mangel an der Kaufsache sein.

Die Rückabwicklung des Vertrages bedeutet, dass der Käufer den gesamten Kaufpreis zurück erhält, und hiervon lediglich eine Entschädigung für die Nutzung der Kaufsache abzuziehen ist. Der Käufer kann also auch dann zurücktreten, wenn der Verkäufer die Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht zu vertreten hat.

In einigen Fällen, wie beispielsweise bei einem defekten Teil in einem Gebrauchtwagen, kann ein Mangel zur Rückabwicklung des Kaufvertrags berechtigen. In solchen Fällen kann der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und, wenn der Verkäufer sich weigert, den Kaufvertrag rückabzuwickeln, Klage erheben.

Welche rechtlichen Konsequenzen können falsche Kilometerangaben beim Verkauf eines Gebrauchtwagens haben?

Falsche Kilometerangaben beim Verkauf eines Gebrauchtwagens können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die genauen Auswirkungen hängen davon ab, ob der Verkäufer ein Händler oder eine Privatperson ist und wie die Kilometerangabe im Kaufvertrag formuliert wurde.

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Wenn der Verkäufer ein Händler ist und der Kilometerstand im Kaufvertrag konkret benannt wird, ohne eine Einschränkung vorzunehmen, ist die Angabe rechtlich verbindlich. Es handelt sich um eine Beschaffenheitsvereinbarung bzw. Beschaffenheitsgarantie. Sollte sich herausstellen, dass der tatsächliche Kilometerstand höher ist als im Vertrag angegeben, liegt ein Mangel vor. In diesem Fall hat der Käufer das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten und kann zudem Schadensersatz verlangen. Dies gilt auch, wenn der Kilometerstand in einer Internetanzeige angegeben wurde, ohne dass er später im Kaufvertrag erscheint.

Bei einem Privatverkauf eines Gebrauchtwagens gilt der Gewährleistungsanspruch nur eingeschränkt. Üblich ist hier ein pauschaler Gewährleistungsausschluss hinsichtlich von Sachmängeln. Allerdings sind Rücktritt und Anfechtung möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer nachweisen kann, dass er von der Tachomanipulation gewusst oder diese sogar selbst durchgeführt hat.

Tachomanipulationen sind in Deutschland strafbar. Sie können sowohl nach dem Strafgesetzbuch als auch nach dem Straßenverkehrsgesetz geahndet werden. Bei einem Verstoß gegen § 22b Straßenverkehrsgesetz oder bei Betrug nach § 263 StGB droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Darüber hinaus stellen Tachomanipulationen auch ein Sicherheitsrisiko dar. Wenn Wartungsintervalle infolge der falschen Kilometeranzeige nicht wie vorgesehen wahrgenommen werden, kann dies die Zuverlässigkeit verschleißanfälliger Fahrzeugteile und damit auch die Fahrsicherheit insgesamt gefährden.


Das vorliegende Urteil

LG Karlsruhe – Az.: 6 O 120/22 – Urteil vom 12.05.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 17.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2022 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Mercedes-Benz GL 450 4MATIC Off-Roader (FIN …).

2. Es wird festgestellt,

a) dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten Fahrzeuges seit dem 28.05.2022 in Annahmeverzug befindet;

b) dass die Beklagte 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag, beginnend ab dem 28.05.2022, bis zur Abholung des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuges bei der Klägerin, zu zahlen hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.042,00 € freizustellen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt wegen Rücktritts die Rückabwicklung erbrachter Leistungen aus einem Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw und Schadensersatz.

Die Klägerin ist ein überregional tätiges Autohaus mit Mercedes-Vertretung. Sie erwarb von der Beklagten mit Vertrag vom 06.03.2021 ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke Mercedes-Benz GL 450 4 M, Erstzulassung 01.07.2008, zum Kaufpreis von 17.000,00 €. Dem Kaufvertrag liegt eine Gebrauchtwagenbewertung (Fahrzeug-Zustandsbericht) vom 18.02.2021 als erweiternde Kraftfahrzeugbeschreibung zugrunde. Zur Erstellung dieses Berichts hatte die Beklagte das Fahrzeug einem Mitarbeiter des TÜV, dem Zeugen H., vorgestellt, der es im Auftrag der Klägerin bewertete. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Import aus den USA. Die Beklagte gab zu diesem Bericht u. a. an, dass das Fahrzeug keinen reparaturveränderten oder ausgetauschten Kilometerzähler hat und die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges 93.711 km beträgt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag und den Fahrzeug-Zustandsbericht verwiesen.

Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug am 05.05.2021 an die P. GmbH in I. zum Kaufpreis von 16.500,00 €. Die P. GmbH veräußerte das Fahrzeug wiederum an einen weiteren Käufer, der feststellte, dass das Fahrzeug bereits am 15.12.2011 eine Laufleistung von 99.139 Meilen aufwies, was einer Gesamtlaufleistung von 159.548 km entspricht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Fahrzeuginformation / Schadenshistorie verwiesen. Die aktuelle Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges ist nicht bekannt und wird von der Klägerin auf über 300.000 km geschätzt. Die Weiterveräußerungen wurden nach Rücktritten bis zur Klägerin abgewickelt. Die Klägerin forderte die Beklagte am 02.05.2022 erfolglos auf, das Fahrzeug bis zum 06.05.2022 Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 17.000,00 € zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 17.5.2023 erklärte sie den Rücktritt vom Kaufvertrag, forderte die Abholung des Fahrzeugs und Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 27.05.2022, sowie binnen gleicher Frist Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.021,00 €.

Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei wegen falscher Angaben zur Laufleistung mangelhaft, weshalb sie die Rückabwicklung des Kaufs und Schadensersatz verlangen könne. Die Beklagte habe arglistig über die ihr bekannte höhere Laufleistung getäuscht.

Sie beantragt (zuletzt):

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 17.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2022 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Mercedes-Benz GL 450 4MATIC Off-Roader (FIN …).

2. Es wird festgestellt,

a) dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten Fahrzeuges seit dem 28.05.2022 in Annahmeverzug befindet;

b) dass die Beklagte 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag, beginnend ab dem 28.05.2022, bis zur Abholung des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuges bei der Klägerin, zu zahlen hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.042,00 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klägerin habe am 18.02.2021 in ihren Betriebsräumen das Fahrzeug eingehend untersucht, weshalb ihr die wesentlich höhere Kilometerleistung bekannt gewesen sei, wie sich auch aus der von ihr selbst angeforderte und ausgedruckte Schadenshistorie ergebe. Ohne vorhergehende Unterrichtung, habe sie den Geschäftsführer der Beklagten sowohl den Zustandsbericht, als auch den Kaufvertrag unterzeichnen lassen. Deshalb sei das Fahrzeug auch nicht mangelhaft; die Rückabwicklung verstoße auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Das Gericht hat am 11.01.2023 mündlich verhandelt, die Parteien durch ihre jeweiligen Vertreter angehört und die Zeugen K. und H. vernommen. Das Gericht hat Hinweise erteilt, zuletzt am 22.03.2023. Nach diesem Hinweis hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.04.2023 einen Feststellungsantrages 2c) zur Erstattung weiterer materieller Schäden nicht mehr gestellt. Mit Zustimmung der Parteien hat das Gericht am 06.04.2023 das schriftliche Verfahren angeordnet und den Termin, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 26.04.2023 bestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist – soweit noch darüber zu entscheiden war – begründet.

I.

Die Feststellungsanträge 2a) und b) sind zulässig. Über den in der mündlichen Verhandlung gestellten Klagantrag Ziffer 2c) musste nicht mehr entschieden werden.

1. Soweit die Klägerin beantragt (2a), dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs seit dem 28.05.2022 in Annahmeverzug befinde (§ 293 BGB), besteht das Feststellungsinteresse einerseits darin, dass sie bei Begründetheit des Antrags ihren Zahlungsanspruch ohne die Herausgabe des Fahrzeugs im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen kann (§§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB, §§ 726 Abs. 2, 756, 765 ZPO – vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2010 – VIII ZR 182/08, Rn. 24, juris, NJW 2010, 2503), sowie andererseits darin, dass damit die Voraussetzung für den Aufwendungsersatz (§ 304 BGB) in Klagantrag Ziffer 2b) geschaffen wird.

2. Die Klägerin kann – wie hier Antrag 2b) – ihre Klage in eine Leistungsklage und eine Feststellungsklage aufspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage ist neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen einschließlich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses das schutzwürdige Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung. Ein Sicherungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte es ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, Urteile vom 13.01.2010 – VIII ZR 351/08, NJW 2010,1877; vom 07.02.1986 – V ZR 201/84, NJW 1986, 2507). Ein Feststellungsinteresse ist grundsätzlich schon dann zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung der anspruchsbegründende Sachverhalt bzw. die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen und mit (weiteren) Schäden zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2010 – VII ZR 187/08, NJW-RR 2010, 750). Als Prozessvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen, sonst wird die Klage ex nunc unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1955 – I ZR 201/53, BGHZ 18,106). Die Klägerin ist aber nicht gezwungen zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich wird (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1998 – VIII ZR 248/97, NJW 1999,639).

Nach dieser Maßgabe war die Entwicklung des weiteren Schadens der Klägerin durch das eingeforderte und von der Beklagten nicht anerkannte Standgeld sowie das nicht abgeholte Fahrzeug bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 26.04.2023 noch nicht abgeschlossen.

3. Die Klägerin hat nach dem Hinweis des Gerichts vom 22.03.2023 mit Schriftsatz vom 05.04.2023 den Feststellungsantrages 2c) zur Erstattung weiterer materieller Schäden nicht mehr gestellt und insoweit ihre Klage quantitativ beschränkt. Prozessual handelt es sich dabei um eine (teilweise) Klagerücknahme, die das erkennende Gericht für wirksam hält, obwohl sie nicht ausdrücklich erklärt wurde.

Ebenso wie materiell-rechtliche Erklärungen sind prozessuale Erklärungen entsprechend dem erkennbar Gewollten auszulegen (§ 133 BGB). Die Klägerin hat ihr Begehren dem Hinweis des Gerichts angepasst und sich insoweit zu eigen gemacht. Darin liegt das Eingeständnis, dass der ursprüngliche Antrag von Anfang an übersetzt war. Eine Teilerledigung kam daher nicht in Betracht. Ebenso verbietet sich die Annahme, die Klägerin habe teilweise nicht verhandelt, was insoweit bei entsprechendem Antrag der Beklagten zu einem Teilversäumnisurteil hätte führen müssen. Dem Gesamtzusammenhang der Antragsreduzierung ist vielmehr zu entnehmen, dass die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren nicht mehr weiterverfolgt. Dabei handelt es sich auch ohne ausdrückliche Erklärung um eine Klagerücknahme (vgl. BAG, Urteil vom 14.07.1961 – 1 AZR 291/60, NJW 1961, 2371; RG, Urteil vom 25.03.1924 – III 349/23, RGZ 108, 135, 137; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2011 – VI-U (Kart) 11/11, Rn. 23, juris, NJW 2012, 85; OLG Koblenz, Urteil vom 11.07.2002 – 5 U 291/01, Rn. 9, juris).

Da zuvor mit dem ursprünglichen Antrag 2c) mündlich verhandelt worden war, konnte die (teilweise) Klagerücknahme nur mit Einwilligung der Beklagten wirksam werden (§ 269 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat sich nach dem klägerischen Schriftsatz vom 05.04.2023 nicht mehr erklärt. Indes kann sich die erforderliche Einwilligung auch aus sonstigen Umständen ergeben, wenn sicher feststeht, dass die Beklagte mit der Rücknahme einverstanden ist (vgl. Zöller/Greger aaO., Rn 15 zu § 269 m.w.N.). So liegt es hier. Die Beklagte hat die Antragsänderung unkommentiert gelassen und auch keinen Antrag auf Erlass eines Teil-Versäumnisurteils (§ 333 ZPO) gestellt. Beides verdeutlicht hinreichend, dass sie die Teilklagerücknahme hinnimmt, insbesondere kein fortbestehendes Interesse an Ausführungen hinsichtlich des ursprünglichen Antrags hat. Angesichts des gerichtlichen Hinweises erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass die Klägerin nach der Klagerücknahme künftige Schadensersatzforderungen als Feststellungsantrag erneut geltend macht. Bei dieser Sachlage kann das Prozessverhalten der Beklagten als Einwilligung in die Klagerücknahme gedeutet werden (vgl. BAG aaO.). Durch die teilweise Rücknahme der Klage ist die Entscheidung des Landgerichts in diesem Umfang gegenstandslos geworden.

II.

Die Beklagte ist wegen des berechtigten Rücktritts verpflichtet, an die Klägerin den Kaufpreis von 17.000,00 € zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs (sub 1. – §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 348 BGB) und ihr auch ein Standgeld für das Fahrzeug in Höhe von 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag ab dem 28.05.2022 bis zu seiner Abholung zu zahlen (sub. 2 – § 304 BGB).

1. Der Klägerin steht aus Beschaffenheitsvereinbarung zur Übereinstimmung von Tachometerstand und tatsächlicher Motorlaufleistung, die sich als tatsächlich fehlerhaft herausgestellt hat, ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zu, das zur Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen führt.

a. Die Laufleistung von 93.711 km wurde von den Parteien als Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart (§ 434 Abs. 1 BGB).

aa. Ist der Kilometerstand im Kaufvertrag selbst angegeben, so handelt es sich um eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB – vgl. OLG München, Urteil vom 13.03.2013 – 7 U 3602/11, Rn 5, juris). Dem Kaufvertrag liegt eine Gebrauchtwagenbewertung (Fahrzeug-Zustandsbericht) vom 18.02.2021 als erweiternde Kraftfahrzeugbeschreibung zugrunde. Die Beklagte gab zu diesem Bericht u. a. an, dass das Fahrzeug keinen reparaturveränderten oder ausgetauschten Kilometerzähler hat und die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges 93.711 km beträgt.

bb. Die von der Beklagten behauptete fehlende Kenntnis der exakten Laufleistung bei dem Importfahrzeug ist vorliegend für die Vereinbarung einer Beschaffenheit nicht beachtlich.

Die Beklagte hat zur Laufleistung nach dem eindeutigen Wortlaut des Kaufvertrages keine bloße Wissenserklärung oder Wissensmitteilung abgegeben (vgl. zur dann fehlenden Beschaffenheitsvereinbarung: BGH, Urteile vom 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517, 1518; vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, Rn. 28 ff., juris). Die von der Beklagten in dem Zustandsbericht angegebene Laufleistung enthält keinen Verweis auf andere Personen oder sonstige Einschränkungen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat mit seiner Unterschrift sogar die „Vollständigkeit und Richtigkeit“ seiner Angaben bestätigt (AHK 2). Eine solche Beschränkung wäre jedoch – wie nachfolgend – aus Sicht beider Parteien geboten gewesen.

cc. Die Beklagte hat das Fahrzeug, welches in den USA hergestellt und dort auch ursprünglich zugelassen war, über eine US-Restwertbörse (“Insurance Auctions LLC – L., F.“) erworben. In der von der Beklagten vorgelegten Abrechnung sind als Kaufdatum (“Purchase Date“) der 20.05.2014 (“05/20/14“) und als Wegmesser/zähler (“Odometer“) 51836 angegeben. Zu diesem Tachostand hat die Beklagte ein Lichtbild vorgelegt, welches eine Digitalanzeige mit 51836 Miles belegt. In der Kaufbeschreibung (“Buyers Guide“) ist eine Garantie (“Warranty“) verneint. Zum Zählerstand wurde als „Enthüllung“ (“Odometer Disclosure Statement“) mit dem Warnhinweis (“Warning“/ „Caution“) als Bestätigung (“state“) keine Laufleistung eingetragen und auch nicht angegeben bzw. angekreuzt, dass eine bestimmte Laufleistung 1. die aktuelle Laufleistung angibt (“reflects actual mileage“), 2. Ausdruck einer mechanischen Beschränkung ist (“is in express of its mechanical limits“) oder 3. nicht die aktuelle Laufleistung darstellt, wobei – in Fettdruck – ausdrücklich auf eine Kilometerabweichung hingewiesen wird (“Is not the actual mileage. Warning – odometer discrepancy“). Eine solche Bestätigung weist einerseits auf die Bedeutung der Angaben zur Laufleistung hin und andererseits darauf, welche Möglichkeiten (Ziffer 1. und 2.) bzw. Risiken (Ziffer 3.) im Zusammenhang mit der Laufleistung eines bei einer US Restwertbörse erworbenen Gebrauchtwagens bestehen.

Soweit die Beklagte sich auf die Tachoanzeige im Jahr 2014 und das von ihr vorgelegte Lichtbild beruft, gälte für diesen Erwerb unter der Regie des deutschen Rechts, dass ein Kilometerzähler eines als Gebrauchtwagen verkauften Fahrzeugs, der einen gegenüber der wirklichen Fahrleistung deutlich reduzierten Stand zeigt, einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nur dann begründet, wenn der Käufer – hier die Beklagte im Jahr 2014 – unter den konkreten Umständen berechtigterweise von der Richtigkeit des angezeigten Kilometerstandes im Sinne der Gesamtfahrleistung ausgehen durfte (vgl. BGH, Urteile vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86-99; vom 25.06.1975 – VIII ZR 244/73, Rn. 11 ff., juris, NJW 75, 169; OLG Köln, Urteil vom 13.03.2007 – 22 U 170/06, Rn. 4 ff. juris; OLG Rostock, Urteil vom 11.07.2007 – 6 U 2/07, NJW 2007, 3290; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.2012 – 3 W 228/12, Rn. 15, juris). Indem im oben dargestellten Umfang bei dem Erwerb der Beklagten im Jahr 2014 einerseits keine Kilometerangabe eingetragen und auch trotz der Bedeutung der Laufleistung für die Bewertung eines Gebrauchtwagens keine der aufgezeigten Möglichkeiten und Risiken angekreuzt wurde, liegen keinerlei Umstände vor, wonach die Beklagte damals berechtigterweise von der Richtigkeit des angezeigten Kilometerstandes im Sinne der Gesamtfahrleistung ausgehen durfte.

Diese Umstände hat die Beklagte erst im Prozess vorgetragen. Wären diese Informationen der Klägerin im Rahmen der gemeinsamen Erstellung des Zustandsberichtes am 18.02.2021 so bereits mitgeteilt und diese Unterlagen auch vorgelegt worden, so hätte das Gericht vorliegend nicht von einer Beschaffenheitsvereinbarung ausgehen können, denn die Klägerin hätte das Fahrzeug in Kenntnis dieser Risiken erworben. Weiterhin ist das Gericht davon überzeugt, dass im Rahmen der Bewertung der TÜV-Prüfer die Laufleistung dann aber auch näher untersucht hätte. Auf die nachfolgende Würdigung der Aussage des Zeugen H. (unten ee.) wird verwiesen. Dass die Beklagte diese ihr bekannten Informationen nicht der Klägerin bei der Veräußerung vom 06.03.2021 mitgeteilt hat, geht mit ihr heim.

dd. Ebenso steht der Beschaffenheitsvereinbarung nicht entgegen, dass für die Klägerin die grundsätzliche Möglichkeit bestand, die hier maßgebliche Fahrzeuginformation/Schadenshistorie im DAT-System vor Abschluss des Kaufvertrages selbst beizuziehen und damit die Angaben der Beklagten zu überprüfen. Eine allgemeine Pflicht zur Beiziehung solcher Unterlagen besteht auch für eine Gebrauchtwagenhändlerin nicht. Grundsätzlich gilt, dass den Angaben einer redlichen Verkäuferin erst einmal vertraut werden kann. Maßgeblich sind deshalb die Umstände des Einzelfalls, d.h. ob in der Person der Verkäuferin oder sonst bekannte Umstände zum Gebrauchtwagen Anlass geben, sich so aufdrängenden Bedenken nachzugehen.

ee. Solche besonderen Umstände ergeben sich vorliegend nicht aus der gemeinsamen Erstellung des Zustandsberichts vom 18.02.2021, insbesondere ist nicht erwiesen, dass die Klägerin durch ihren Geschäftsführer, den zuständige Abteilungsleiter oder den mit dem Ankauf beauftragte Mitarbeiter der Klägerin, den Zeugen K., bei Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von der Schadenshistorie hatte und der darin angegebenen Laufleistung hatte oder hätte haben müssen. Die Beweisaufnahme vom 11.01.2023 hat einen solchen Nachweis nicht erbracht.

Der Vertreter der Klägerin, Herr G., hat als Leiter des Teams Verkäufer bzw. Käufer anschaulich das Verfahren beim Ankauf eines Gebrauchtwagens geschildert. Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Erwerbs hatte der Prüfer vom TÜV, der Zeuge H., nur über den Hausservice-Technik Zugriff auf ein internes DAT-System. Der ankaufende Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge K., benötigte den DAT-Auszug nicht, da sich daraus nicht ergibt, ob es sich um ein sog. Scheckheft-geprüftes-Fahrzeug handelt. Den DAT-Bericht hatte der Zeuge G. nicht bekommen. Der Geschäftsführer der Beklagten stellte ebenso anschaulich den Erwerb des Fahrzeugs, die Umstellung des Tachos von Meilen auf Kilometerzählung und die Erstellung des Zustandsberichtes am 18.02.2021 dar. Über die gefahrenen Meilen und den DAT-Auszug wurde nicht gesprochen. Der Zeuge Florian K. erläuterte das grundsätzliche Verfahren beim An- und Verkauf, hatte an den konkreten Vorgang im Februar/März 2021 jedoch keine substantiellen Erinnerungen. Für ihn ist zur Bewertung des Ankaufpreises zuerst der Zustandsbericht des TÜV maßgeblich. Den hier maßgeblichen DAT-Auszug hatte er erstmals im Zusammenhang mit den Rückabwicklungen gesehen. Der Zeuge H. schilderte das Verfahren der von ihm gefertigten Zustandsberichte und Gutachten. An den konkreten Vorfall hatte er keine Erinnerungen; seine Ausführungen bezogen sich auf die ihm vorliegenden Unterlagen. Seine Zustandsprüfung umfasste optische Schäden wie Kratzer, Rost und dergleichen; es wurde eine Probefahrt gemacht und auch die Elektrik überprüft, ein Serviceheft wurde ihm nicht vorgelegt. Bei seinem Zustandsbericht vom 18.02.2021 lag ihm die Schadenshistorie nicht vor, sondern erst später bei der Hereinnahme des Fahrzeugs oder beim späteren Weiterverkauf zu dem von ihm gefertigten „Händlergutachten“. Eine komplette Neubewertung erfolgte dann jedoch nicht mehr. In der Schadenshistorie waren bis zum Ende deren Aufzeichnungen im Jahr 2011 Umstände aufgezeichnet, die für seine Bewertung nicht weiter von Bedeutung waren. Interessant wären für ihn Unfälle, Tauschmotor oder Tauschtacho gewesen, die im vorliegenden DAT-Auszug gerade nicht aufgeführt sind. Deshalb waren für den Zeugen H. die dortigen Daten alle für die Bewertung erledigt und wurden von ihm deshalb auch nicht weiter angeschaut.

Diese nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Parteien und Zeugen zum Erwerb des Mercedes durch die Klägerin zeigen weder bei dem Zeugen K., noch bei dem zuständigen Abteilungsleiter G. Umstände auf, wonach die DAT-Schadenshistorie zum Kauf herangezogen wurde bzw. hätte herangezogen werden müssen.

Eine Täuschung der Beklagten durch die Klägerin beim Ankauf am 06.03.2021 ist damit ebenso nicht erwiesen. Auf die von der Klägerin substanzarm behauptete Täuschung durch die Beklagte kommt es nicht mehr an.

b. Die vereinbarte Laufleistung von 93.711 km weicht zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe am 09.03.2021 so erheblich von der tatsächlichen Laufleistung ab, dass das Gericht von einem Mangel des Fahrzeugs überzeugt ist (§ 286 ZPO). Die Beklagte bestreitet erstmals mit Schriftsatz vom 21.10.2022 mit Nichtwissen, dass die tatsächliche Laufleistung über der auf dem Tacho ausgewiesene Laufleistung liege. Die vorgelegte DAT-Schadenshistorie wird jedoch nicht substantiiert angegriffen. Auch wenn diese Schadenshistorie keine Privaturkunde (§ 416 ZPO) darstellt, so hat das Gericht keinen Zweifel daran (§ 286 ZPO), dass das Fahrzeug bereits am 15.12.2011 eine Laufleistung von 99.139 Meilen aufwies, was einer Gesamtlaufleistung von 159.548 km entspricht. Die vorgelegte Schadenshistorie betrifft das streitgegenständliche Fahrzeug mit der FIN 4JG 164871 1A 313660, wie sie auch in der von der Beklagten selbst vorgelegten Zulassungsbescheinigung vom 10.12.2020 (AHB 32) aufgeführt ist. Das Fahrzeug hatte demnach in den 4 Jahren seit der Erstzulassung 159.548 km zurückgelegt, und liegt bereits 3 Jahre vor dem Kauf der Beklagten im Jahr 2014 mit fast 66.000 km über der fast 7 Jahre später von der Beklagten am 18.02.2021 angegebenen Laufleistung.

c. Der Mangel einer weit überhöhten Laufleistung kann nicht mehr beseitigt werden, weshalb eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung entbehrlich war (§§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).

d. Die Pflichtverletzung war aus oben ausgeführten Gründen auch nicht nach § 323 Abs. 6 Alt.1 BGB ausgeschlossen.

Während beim Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 281 BGB) die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten gemäß § 254 BGB über eine Kürzung des Anspruchs angemessen berücksichtigt werden kann, ist eine solche flexible Lösung beim Rücktritt nicht möglich. Hier gibt es nur die Möglichkeit, das Rücktrittsrecht insgesamt auszuschließen und den Gläubiger an dem Vertrag und an seiner Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung festzuhalten. Diese Folge sieht § 323 Abs. 6 BGB dann vor, wenn der Gläubiger allein oder weit überwiegend für den Umstand verantwortlich ist, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers muss so sehr überwiegen, dass § 254 BGB im Fall eines Schadensersatzverlangens den Anspruch des Gläubigers ausschließen würde. Dafür ist eine Verantwortungsquote des Gläubigers von 90 Prozent, mindestens aber von 80 Prozent erforderlich (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.05.2019 – 8 U 185/16, juris, Rn 87 f., Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen – BGH, Beschluss vom 15.01.2020 – VII ZR 140/19; OLG Naumburg, Urteil vom 24.06.2010 – 2 U 77/09, NJW – RR 2011, 64, juris Rn. 25; Grüneberg, BGB, Kommentar, 82. Auflage, 2023, Rn 28 ff. zu § 323; erkennendes Gericht, Urteil vom 02.12.2022 – 6 O 65/18, Rn 41, juris, NJOZ 2023, 462). Ein solches Maß an Mitverantwortung des Klägers für die rücktrittsrelevanten Umstände lässt sich – wie oben unter 1. b. ausgeführt – im Streitfall nicht feststellen.

e. Aus den oben unter 1 a. bb. bis ee. dargelegten Gründen steht der Rückabwicklung auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen.

f. Da die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien nach §§ 346 Abs. 1, 348 BGB nur Zug um Zug zu erfüllen sind, muss die Klägerin den Mercedes an die Beklagte zurückgeben.

g. Zugunsten der Beklagten sind auf die Zahlung an die Klägerin keine von ihr tatsächlich gezogene Gebrauchsvorteile anzurechnen.

Die Höhe der Nutzungsentschädigung ist durch Schätzung (§ 287 ZPO) der während der tatsächlichen Nutzungsdauer anzunehmenden linearen Wertminderung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2005 – VII ZR 325/03, BGHZ 164, 235). Es entscheidet also der Umfang der Nutzung durch den Rückgewährschuldner im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzung. Die Klägerin hat vorliegend vorgetragen, dass sie bei Klageerhebung am 07.06.2022 die aktuelle Gesamtlaufleistung auf über 300.000 km schätzt und der Pkw seit dem Kauf nur ca. 173 km gefahren ist. Das Gericht folgt anhand der Laufleistungsentwicklung, wie sie sich bereits 4 Jahre nach der Erstzulassung darstellt, dieser Einschätzung der Klägerin und legt deshalb bei der Berechnung einer Nutzungsentschädigung für das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von ca. 280.000 – 300.000 km zugrunde (§ 287 ZPO). Deshalb hat die tatsächliche Nutzungszeit zu keinem Vorteil bei der Klägerin geführt. Vor diesem Hintergrund lief auch die ursprünglich beantragte doppelte Zug-um-Zug-Verurteilung (“…Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Mercedes-Benz … und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeuges.“) leer, da vorliegend ohne entsprechende teilweise Klagabweisung des Zahlungsbetrages dieser Ausspruch im Tenor nicht erfolgt und bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin ein Nutzungsvorteil ebenso nicht berücksichtigt wird (vgl. zu diesem Zweck einer doppelten Zug-um-Zug-Verurteilung auch Hinweis des Gerichts vom 22.03.2023 mit Verweisung auf das Kammergericht Berlin, Urteil vom 13.4.2021 – 21 U 45/19, NJW 2021, 2662). Die Klägerin hat nach diesem Hinweis im nachfolgend angeordneten schriftlichen Verfahren diese zweite Zug-um-Zug-Verurteilung konsequenterweise nicht mehr in ihren Klagantrag Ziffer 1. vom 05.04.2023 aufgenommen. Die Beklagte hat nach dem gerichtlichen Hinweis und den neu formulierten Anträgen der Klägerin insoweit auch keine Einwände erhoben.

2. Die Feststellungsanträge sind auch begründet.

a. Die Beklagte befindet sich nach dem berechtigten Rücktritt der Klägerin und ihrer Aufforderung, das Fahrzeug binnen Frist gegen Zahlung des Kaufpreises zurückzunehmen, seit dem 28.05.2022 im Annahmeverzug (§§ 293, 295 Satz 1 Alt. 2 BGB).

b. Die Beklagte ist weiterhin verpflichtet, an die Klägerin ein Standgeld für das Fahrzeug in Höhe von 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag ab dem 28.05.2022 bis zu seiner Abholung zu zahlen (§§ 293, 304 BGB). Das Gericht schätzt die Höhe des Standgeldes in Anlehnung an den Vortrag der Klägerin auf 7,50 € zzgl. Umsatzsteuer je Kalendertag (§ 287 ZPO – vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2008 – 1 U 212/07, Rn 15, juris). Dass dieser Betrag angemessen ist, bestreitet die Beklagte nicht.

III.

1. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug (§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 2 BGB).

2. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 2.042,00 € freizustellen (§§ 433, 434, 437 Nr. 3, 280, 281, 249 BGB).

Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2011 – VI ZR 63/10, Rn. 9, juris, NJW 2011, 2509 m.w.N.).

Das ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat das Fahrzeug an die P. GmbH weiterveräußert. Wegen des Mangels einer deutlich erhöhte Gesamtfahrleistung musste die Klägerin das Fahrzeug wieder zurücknehmen. Im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der P. GmbH sind außergerichtliche Anwaltskosten (Rechtsverteidigungskosten) angefallen. Die Beklagte verhält sich insoweit nicht zum Vortrag der Klägerin zu den entstandenen Anwaltskosten. Nach Nr. 2300 W RVG beziffern sich diese bei einem Gegenstandswert von € 17.000,00 bzw. 16.500,00 € und einer 1,3 Gebühr auf € 1.021,00 einschließlich Kostenpauschale gem. Nr. 7200 VV RVG von € 20,00. Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Die durch die Geltendmachung der Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Beklagten entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in gleicher Höhe hat die Beklagte ebenfalls zu tragen. Es handelt sich um zwei Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne (§ 15 RVG).

4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Die Klagerücknahme des Antrages Ziffer 2c, dessen Interesse die Klägerin mit 800,00 € beziffert, ist im Verhältnis zum Gesamtstreitwert von 20.406,10 € mit 4 % gering; ein Gebührensprung wird nicht ausgelöst.

5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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