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Nachfahren bei Nachtzeit – Geschwindigkeitsüberschreitung – Feststellungen

OLG Hamm

Az.: 3 Ss OWi 98/04

Beschluss vom 23.03.2004


Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 24. November 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Essen hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 24. November 2003 wegen Überschreitens der nach Zeichen 274 zulässigen Höchstgeschwindigkeit (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. §§ 41, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO) eine Geldbuße von 400,- € verhängt sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. November 2002 gegen 23.38 Uhr in Essen die BAB 52 aus Fahrtrichtung Bochum kommend in Fahrtrichtung Düsseldorf. Dabei überschritt er zwischen Kilometer 78,0 und 77,0 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 64 km/h. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch zwei Polizeibeamte durch Nachfahren mit einem Funkstreifenwagen, der mit einem justierten Tachometer ausgerüstet war. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte über eine Strecke von ca. 1.000 m, wobei der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem PKW des Betroffenen 100 m betrug. Nach den Urteilsfeststellungen hatten sich die beiden Polizeibeamten, was die Bemessung des Abstandes betrifft, an den in 50 m Abstand aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientiert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Weise ausgeführt und deshalb unzulässig.
Mit der erhobenen Sachrüge hat die Rechtsbeschwerde indes einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Essen.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß § 24 StVG i.V.m. §§ 41, 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO (Zeichen 274) nicht. Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit entwickelten Grundsätze nicht ausreichend berücksichtigt. Danach muss der Tatrichter bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus zusätzlich Feststellungen dazu treffen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 62 zu § 3 StVO, Senatsbeschluss vom 27. Februar 2001 – 3 Ss OWi 1209/00 m.w.N. -; Beschluss des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen vom 12. Oktober 1999 – 4 Ss OWi 610/99 – und des 2. Senats vom 13. März 2003 – 2 Ss OWi 201/03 (NStZ-RR 04, 26).
Zwar sind im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine besonders hohen Anforderungen an die Gründe des tatrichterlichen Urteils zu stellen, jedoch müssen die Gründe so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht zur Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung dem Urteil entnehmen kann, von welchen tatsächlichen Feststellungen der Tatrichter ausgegangen ist.
Diesen Anforderungen werden vorliegend die Feststellungen des Amtsgerichts zum Abstand des nachfahrenden Polizeifahrzeuges zum vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen nicht gerecht. Das Amtsgericht teilt nämlich nur mit, dass der Abstand von 100 m in der Weise von den Polizeibeamten festgestellt worden sei, dass sie sich an den in 50 m Abstand aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientiert hatten. Feststellungen dazu, wie die Polizeibeamten diesen Abstand zur Nachtzeit ermittelt haben, fehlen jedoch. Ob die Polizeibeamten die Rücklichter am Fahrzeug des Betroffenen trotz der Dunkelheit und des relativ großen Abstandes erkennen konnten, ist nicht dargetan. Bei einem Abstand von 100 m kann aber unter Berücksichtigung der Reichweite des Abblendlichts nicht ohne besondere Feststellungen davon ausgegangen werden, dass allein durch die Scheinwerfer des nachfolgenden Polizeifahrzeugs das vorausfahrende Fahrzeug so aufgehellt worden ist, dass ein gleichbleibender Abstand hinreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 27.02.2001 – 3 Ss OWi 1209/00 -; Beschluss des 4. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Oktober 1999 – 4 Ss OWi 610/99 -; 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm VRS 96, 458). Diesen Anforderungen wird die bloße Feststellung, dass die Polizeibeamten sich aufgrund der in einem Abstand von 50 m aufgestellten Leitpfosten der Autobahn orientierten, nicht gerecht. Vielmehr bedurfte es weiterer Ausführungen dazu, dass die Beleuchtungsverhältnisse die Wahrnehmung der Rücklichter des Fahrzeugs des Betroffenen zuließen; insoweit könnte neben den konkreten Beleuchtungsverhältnissen auch das Wetter und der Straßenzustand von Bedeutung sein. Entsprechende Feststellungen sind durch den Tatrichter aber nicht getroffen worden. Es fehlt mithin an hinreichenden Feststellungen zur Brauchbarkeit der Messung, also dazu, dass aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse und der Orientierungspunkte der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist mithin eine Überprüfung der Entscheidung auf richtige Rechtsanwendung nicht möglich. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen zurückzuverweisen.

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