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Nicht „betriebsbereite“ Segelyacht – Vorliegen eines Sachmangels

Schadensersatz und Minderung im Kaufvertrag einer Segelyacht

In einem Rechtsstreit geht es um Schadensersatz bzw. Minderung im Rahmen eines Kaufvertrages über eine Segelyacht. Die Parteien streiten über den Zustand der Yacht und die Haftung für Sachmängel.

Direkt zum Urteil: Az.: 19 O 87/20 springen.

Mangelhafte Yacht und Verantwortung

Der Kläger behauptet, die Yacht sei bereits bei Übergabe schadhaft gewesen. Die Schäden seien jedoch erst später entdeckt worden. Der Beklagte lehnte jegliche Verantwortung ab und argumentierte, dass die Schäden auf altersbedingte Abnutzung zurückzuführen seien.

Privat- oder Geschäftsverkauf?

Der Kläger wirft dem Beklagten vor, die Yacht vor dem Verkauf durch seine Firma verchartert zu haben und somit als gewerblicher Verkäufer aufzutreten. Der Beklagte bestreitet dies und behauptet, die Yacht als Privatperson verkauft zu haben.

Urteil: Schadensersatzanspruch

Das Gericht entscheidet, dass der Kläger gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 26.156,35 gegen den Beklagten hat. Die Yacht war bei Übergabe mangelhaft, was eine Verletzung der Beschaffenheitsvereinbarung darstellt.

Gewährleistungsausschluss und Beschaffenheitsvereinbarung

Der im Kaufvertrag festgelegte Gewährleistungsausschluss ist so auszulegen, dass er nicht für eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gilt, sondern nur für Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 BGB. Die beiden stehen gleichrangig nebeneinander, um der Beschaffenheitsvereinbarung Wert zu verleihen. Die Systematik des Vertrages unterstützt diese Auslegungsregel, da die Beschaffenheitsvereinbarung gesondert in § 4 geregelt ist und der Gewährleistungsausschluss in § 5, ohne auf § 4 Bezug zu nehmen.

Pflichtverletzung und Schadensersatz

Es liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 281 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB vor, da der Beklagte eine mangelhafte Sache geliefert hat. Die Nacherfüllung wäre durch Reparatur der Schäden möglich gewesen und war seit Herbst 2018 fällig und durchsetzbar. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten (§ 276 BGB). Der entstandene Schaden beträgt insgesamt EUR 26.156,35 und beruht kausal auf der unterbliebenen Nachbesserung durch den Beklagten. Der Kläger hat Schadensersatz statt der Leistung verlangt (§ 281 Abs. 4 BGB). Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB und ist ab Rechtshängigkeit am 07.05.2020 zu verzinsen.

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Das vorliegende Urteil

LG Darmstadt – Az.: 19 O 87/20 – Urteil vom 21.04.2022

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 26.156,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2020 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 958,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens LG Darmstadt 19 OH 3/19 hat der Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 26.156,35.

Tatbestand

Nicht „betriebsbereite“ Segelyacht - Vorliegen eines Sachmangels
(Symbolfoto: Daxiao Productions/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten um Schadensersatz bzw. Minderung im Rahmen eines Kaufvertrages über eine Segelyacht.

Der Kläger hat vom Beklagten im August 2017 eine Segelyacht, Name „…“ (Typ: …), amtliches Kennzeichen […], Seriennummer […], Hersteller: J. (im Folgenden kurz die „Yacht“), zu einem Kaufpreis von EUR 19.990,00 gekauft. Die Yacht war von dem Beklagten zunächst bei ebay-Kleinanzeigen inseriert worden (Anzeige als Anlage K1 bei Bl. 8 ff. d. A.). In der Anzeige heißt es unter anderem:

„Die Yacht befindet sich in einem altersgemäßen guten Zustand und besitzt ein Bootszeugnis sowie eine aktuelle Gasabnahme. Bei der letzten Bootsabnahme im Juni 2017 wurden keine Mängel festgestellt. Ich schließe jede Haftung für Sachmängel aus.“

Bei einer Besichtigung am 01.08.2017 wurde ein kleiner Mangel festgestellt, der vom Beklagten noch vor Übergabe beseitigt wurde. Am 12.08.2017 wurde das Boot auch an den Kläger übergeben, der Kaufpreis wurde von ihm vollständig bezahlt. In dem auf den selben Tag datierten Kaufvertrag (in Kopie als Anlage K2, Bl. 17 ff. d. A.) heißt es unter anderem:

㤠4 Lieferungs- und Zahlungsbedingungen

(1) Der Verkäufer verpflichtet sich, das betriebsbereite Boot […] zu übergeben.

[…]

§ 5 Garantien/Gewährleistung

[…]

(2) Der Verkäufer versichert, dass ihm in der Zeit als Eigner (Saison 2014 bis 2017) keine Schäden durch Osmose aufgefallen und/oder beseitigt wurden. Anzeichen für eine Schädigung des Unterwasserschiffs durch Osmose waren beim Einwassern im Mai 2017 nicht ersichtlich.

(2) Das Boot nebst Zubehör wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung an den Käufer veräußert.

[…]“

Im Rumpfbereich der Yacht wurden im Jahr 2018 mehrere inzwischen behobene Schäden festgestellt.

Der Kläger behauptet, die Yacht sei bereits bei Übergabe schadhaft gewesen. Die Schäden seien jedoch erst im Zuge von Schleif- und Lackierungsarbeiten im Herbst 2018 entdeckt worden, da sie sich im Bodenbereich des Bootes unter den Bodenbrettern befunden hätten. Daraufhin habe er im Herbst 2018, jedenfalls vor dem 26.11.2018, den Beklagten telefonisch kontaktiert. Der Beklagte habe „keine sachdienlichen Vorschläge“ gemacht und „jegliche Verantwortung abgelehnt“, was dieser auch nicht bestreitet. Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige A habe Anzeichen für eine Grundberührung festgestellt.

Der Kläger behauptet zudem, der Beklagte habe die Yacht vor dem Verkauf durch seine Firma verchartert, also an wechselnde Segler vermietet. Das Boot habe daher auch ein amtliches Kennzeichen (…), über das nur Charterboote verfügen sowie ein Bootszeugnis, das nur für Boote, die zur Vermietung zugelassen werden, notwendig sei. Der Beklagte habe zudem zur Zeit des Vertragsschlusses weitere Boote zum Verkauf angeboten.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 26.156,35 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2018 zu verurteilen, sowie

2. den Beklagten zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 958,19 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2018 zu verurteilen, sowie

3. dem Beklagten die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens LG Darmstadt 19 OH 3/19 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2020 aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die vom Sachverständigen B festgestellten Schäden seien das Ergebnis einer altersbedingten Abnutzung der Yacht und keine Folge einer Grundberührung. Jedenfalls habe bei Übergabe der Yacht kein solcher Schaden vorgelegen. Der Kläger habe einen solchen bei einer eingehenden Untersuchung vor dem Kauf schließlich auch nicht festgestellt.

Die Yacht habe er als Privatperson verkauft und hierzu auch keinerlei entgegenstehende Aussagen getätigt. Die Vermietung sei weder vor dem Hintergrund einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit noch in gewerblicher Absicht erfolgt. Die Yacht sei zwar vom Beklagten Ende Februar 2014 an die X GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte ist, verkauft worden, wurde mit Kaufvertrag vom 30.06.2016 jedoch wieder dem Betriebsvermögen entnommen und vom Beklagten zurückgekauft. Anschließend sei die Yacht vom Beklagten überwiegend privat genutzt und insgesamt vier Wochen privaten Mietern überlassen worden. Dies sei lediglich zur Reduzierung der Betriebskosten und ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt.

Es ist ein selbstständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Darmstadt, Aktenzeichen 19 OH 3/19 durchgeführt worden, in dem ein schriftliches (Ergänzungs-)Gutachtens des Sachverständigen B vom 20.12.2019 eingeholt wurde. Die Akten 19 OH 3/19 waren zu Beweiszwecken beigezogen. Für die Einzelheiten wird auf das im dortigen Aktendeckel befindliche Gutachten verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.10.2020 wurden der Kläger und der Beklagte informatorisch angehört. Zum Ergebnis wird verwiesen auf das Protokoll bei Bl. 75 ff. d. A.

Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen (Ergänzungs-)Gutachtens des Sachverständigen B vom 08.02.2021 (im Aktendeckel). Den ursprünglich gestellten Antrag auf Anhörung des Sachverständigen hat der Beklagte im Termin vom 17.02.2022 zurückgenommen, sodass der Sachverständige unvernommen entlassen wurde.

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Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

1. Der Kläger hat gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB 1 einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 26.156,35 gegen den Beklagten.

a) Die Parteien haben am 12.08.2017 einen Kaufvertrag im Sinne von § 433 BGB geschlossen.

b) Die Yacht war bei Übergabe mangelhaft, § 434 Abs. 1 BGB.

Eine Sache ist nach § 434 Abs. 1 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Vereinbart ist eine Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrags von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist; hierbei genügt eine vom Vertragsinhalt erfasste Beschreibung der Beschaffenheit der Sache (LG Saarbrücken, Urteil vom 14.08.2015 – 10 S 174/14).

Gemäß § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages wird ein „betriebsbereites Boot“ übergeben. Dabei darf erwartet werden, dass das Boot in vollem Umfang seetüchtig ist.

Für PKW wurde entschieden, dass man von einem Fahrzeug, das zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen verkauft wird, im Allgemeinen erwarten kann, dass es sich in einem Zustand befindet, der seine gefahrlose Benutzung im Straßenverkehr erlaubt (BGH, Urteil vom 21.04.1993 – VIII ZR 113/92). Ein in der Anzeige als Wanderboot beschriebenes Boot wurde dieser Beschaffenheitsvereinbarung nicht gerecht, weil dem Bootsrumpf aufgrund seiner Schäden das dafür erforderliche Mindestmaß an Stabilität und Stoßfestigkeit fehlte – „vergleichbar mit der Beschreibung eines Kraftfahrzeugs als fahrbereit, mit der die Eignung zu einer gefahrlosen Benutzung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, insbesondere das Fehlen von verkehrsgefährdenden Mängeln zugesagt wird“ (BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12). Dieses Verständnis ist also auch auf Wasserfahrzeuge zu übertragen. Es ist gerade Sinn und Zweck einer Yacht, auf dem Wasser genutzt zu werden. ein Boot, das hierfür nicht ohne Gefahr für die darauf befindlichen Personen genutzt werden kann, kann nicht als betriebsbereit bezeichnet werden. Ob es tatsächlich über längere Zeit – zufällig – ohne Schaden genutzt werden konnte, ist dafür unerheblich, da der Gefahreneintritt lediglich vom Zufall abhängt. So mag auch ein PKW mit angebrochener Achse noch eine Zeitlang ohne spürbare Einschränkung gefahren werden können – betriebssicher ist er aber dennoch nicht. Der Beklagte war also verpflichtet, ein Boot zu übergeben und zu übereignen, das ohne Gefahr für die anwesenden Personen auf dem Wasser genutzt werden konnte.

Nach den Gutachten des Sachverständigen B – die klar strukturiert aufgebaut sind und denen das Gericht sehr gut zu folgen vermag – bestanden außergewöhnliche strukturelle, nicht altersgerechte Schäden im Rumpflaminat und den Anbindungen an den Bodenwrangen, insbesondere im Bereich der Kielaufhängung. Zudem war die Verrottung der Sperrholzbodenwrangen im Bereich dieser Schäden auffällig. Es handele sich dabei um massive, strukturelle Schäden, die nicht durch Verschleiß oder Abnutzung, sondern ein Schadensereignis entstanden seien. Dadurch habe bei Betreiben der Yacht Gefahr für Leib und Leben der auf der Yacht anwesenden Personen Boote bestanden (Seite 19 f. des Gutachtens vom 08.02.2021). Die Yacht war also nicht bereit gefahren zu werden und damit nicht „betriebsbereit“ (S. 18-20 des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren). Die Yacht weicht damit negativ von der Beschaffenheitsvereinbarung ab und ist mangelhaft. Auf den Umstand, dass dies auch für den Beklagten nicht erkennbar gewesen sein mag, kommt es dabei nicht an.

Die Schäden lagen nach Überzeugung des Gerichts schon bei Übergabe der Segelyacht am 12.08.2017 vor. Der Kläger hat die Yacht zwar besichtigt, dabei jedoch die Bodenverkleidung nicht entfernt, wozu er auch nicht verpflichtet war. Er konnte den Schaden ohne Aufnahme der Bodenbretter jedoch nicht feststellen. Der Sachverständige B hat in seinem Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren festgestellt, dass der Schaden bereits längere Zeit zurückliegen müsse (S. 18 des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren). Aufgrund der Verschmutzung der Bruchstellen und der fortgeschrittenen Holzfäule sei von mehreren Jahren auszugehen (S. 24 des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren). Zwischen Übergabe und der ersten Ortsbesichtigung lagen lediglich 12 Monate. Der Schaden muss also bereits bei Übergabe vorgelegen haben. Es spricht dabei nicht gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens, dass der Sachverständige sich nicht auf eine konkrete Zeit festlegt, zu der die Schäden eingetreten sind. Denn das ist – wie der Sachverständige zutreffend ausführt – nicht genau möglich. Der Sachverständige stellt diesen Umstand in seinen Gutachten klar heraus und macht diesen für alle Beteiligten kenntlich. Trotz dieser Schätzungenauigkeit ist der Sachverständige aber davon überzeugt, dass der Schaden längere Zeit zurückliegen muss – dieser Einschätzung folgt das Gericht.

c) Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht durch den Gewährleistungsausschluss in § 5 des Kaufvertrages ausgeschlossen.

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Gewährleistungsausschluss im Lichte des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam ist, kann dahinstehen, da er den vorliegenden Mangel nicht erfassen würde. Der vereinbarte Gewährleistungsausschluss ist so auszulegen, dass er nicht für eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gilt, sondern nur für Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus Sicht des Käufers stehen der Gewährleistungsausschluss und die Beschaffenheitsvereinbarung gleichrangig nebeneinander, da die Beschaffenheitsvereinbarung sonst ohne Wert wäre (BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12; OLG München, Urteil vom 13.03.2013 – 7 U 3602/11; BGH, Urteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.2012 – I-3 W 228/12; LG Hamburg, Urteil vom 29.01.2021 – 329 O 59/18; OLG München, Endurteil vom 12.06.2019 – 7 U 1630/18; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 28.03.2011 – 3 U 174/10; LG Saarbrücken Urteil vom 16.05.2019 – 9 O 203/16; BGH, Versäumnisurteil vom 13.03.2013 – VIII ZR 172/12). Diese generelle Auslegungsregel wird hier auch gestützt durch die Systematik des Vertrages, der die Beschaffenheitsvereinbarung gesondert in § 4 regelt und den Gewährleistungsausschluss im Übrigen erst in § 5, ohne auf den § 4 Bezug zu nehmen.

d) Es liege eine Pflichtverletzung im Sinne des § 281 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB vor. Der Beklagte hat eine mangelhafte Sache geliefert.

Die Nacherfüllung wäre als Nachbesserung im Rahmen einer Reparatur der Schäden möglich gewesen. Diese war seit Herbst 2018, spätestens seit dem 05.11.2018 durch die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruches, auch fällig und durchsetzbar. Mit Schreiben vom 05.11.2018 forderte der Kläger den Beklagten zur Reparatur auf unter Fristsetzung bis zum 26.11.2018. Diese ist erfolglos abgelaufen.

e) Der Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten, § 276 BGB. Im Rahmen des § 281 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB kann als Bezugspunkt des Vertretenmüssen sowohl die ursprüngliche Pflichtverletzung, also die mangelhafte Lieferung, als auch die Nichtvornahme der Nacherfüllung dienen. Eine Haftung entfällt nur dann, wenn der Schuldner weder die mangelhafte Lieferung bei Fälligkeit noch den erfolglosen Ablauf der Frist zur Nacherfüllung zu vertreten hat (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, BGB § 281 Rn. 50). Der Beklagte hat hier jedenfalls die Nichtvornahme der Reparatur bis zum Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist zu vertreten, § 276 BGB.

f) Es ist ein Schaden in Höhe von EUR 26.156,35 entstanden.

Für das an Land nehmen und die Lagerung der Segelyacht in der Bootswert […] auf … sind insgesamt EUR 1.371,91 entstanden. Für die Freilegung der Unfallbereiche zur Begutachtung und Vorbereitung für die nachfolgende Reparatur sind EUR 4.045,26 entstanden. Für den Transport in die mit der Reparatur beauftragen […] in … wurden EUR 1.309,00 aufgewendet. Die Transport- und Lagerungskosten waren als Vorbereitungsmaßnahmen für die Begutachtung und die spätere Reparatur notwendig und in der Höhe angemessen.

Die tatsächliche Reparatur kostete EUR 18.835,74. Anhand der Aufschlüsselung der einzelnen Rechnungspositionen (Bl. 102 f. d. A.) ist zu erkennen, dass lediglich die streitgegenständlichen Schäden im Rumpf der Yacht repariert wurden und die Segelyacht dann wieder zusammengebaut und fahrbereit gemacht wurde. Eine Generalüberholung oder Behebung von altersgerechter Abnutzung am gesamten Boot erfolgte nicht. Die Kosten waren auch angemessen.

Der Kläger macht darüber hinaus einen Betrag von EUR 594,44 geltend. Dieser soll Fahrtkosten für etwa 10 Fahrten abdecken. Angesichts der vom Kläger aufgeschlüsselten vier Fahrten, die schon eine Strecke von mehr als 1.000 km einfach umfassen, was bei der üblicherweise angesetzten Fahrkostenpauschale von 30 ct pro Kilometer bereits mehr als EUR 600 ergibt, ist die Forderung mindestens in Höhe des geforderten Betrages begründet. Die genaue Höhe der Fahrtkosten kann dahinstehen.

Die entstandenen Schäden beruhen kausal auf der unterbliebenen Nachbesserung durch den Beklagten. Der Kläger hat Schadensersatz statt der Leistung verlangt, § 281 Abs. 4 BGB.

Zwar hat der Beklagte die tatsächliche Reparatur bestritten. Da aber der Sachverständige in dem Gutachten im selbständigen Beweisverfahren zu dem Ergebnis gekommen ist (Seite 25), dass die tatsächliche Reparatur EUR 26.150 brutto (= EUR 21.181,50 netto) kosten würde und damit mehr als eingeklagt, bleibt das Bestreiten ohne Auswirkung. Tatsächlich hätte der Kläger auch fiktiv basierend auf dem Gutachten B einen höheren Betrag einklagen können als geschehen.

g) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Es können lediglich Geldschulden nach § 288 Abs. 1 BGB verzinst werden und auch erst ab Verzug. Der Beklagte kann jedoch überhaupt erst nach Fälligkeit des Anspruchs in Verzug geraten. Er befand sich zwar seit dem Telefonat im Herbst 2018, spätestens seit dem 26.11.2018, in Verzug mit der Nacherfüllung. Der Verzug bezüglich des Schadensersatzanspruchs konnte jedoch erst nach dem Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4 BGB eintreten. Die Schadensersatzforderung ist daher ab Rechtshängigkeit am 07.05.2020 zu verzinsen.

2. Der Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 958,19 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB und ist nach §§ 291, 288 BGB ebenfalls erst ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

Die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichtskosten stellen gerichtliche Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar, sofern die Parteien und der Streitgegenstand identisch sind (BGH, Beschluss vom 09.02.2006 – VII ZB 59/05; BGH, Beschluss vom 24.06.2004 – VII ZB 34/03; BGH, Beschluss vom 22.07.2004 – VII ZB 9/03; OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.11.2017 – 1 U 11/17), was hier der Fall ist. Dies umfasst jedoch mangels Fälligkeit keine Zinsen. Insoweit ist die Klage abzuweisen.

Soweit der Kläger im Hinblick auf einen Teil der Zinsen unterlegen ist, bleibt das für die Kostenverteilung ohne Auswirkung, da es sich nur um eine Nebenforderung handelt.

IV. Der Streitwert folgt aus dem Zahlungsantrag zu 1. Die beiden anderen Anträge bleiben als Nebenforderungen außer Betracht.

Fußnoten

1)

Die Normen des BGB finden in ihrer bis 31.12.2017 geltenden Fassung Anwendung, Artikel 229, §§ 39, 58 EGBGB.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Schuldrecht, insbesondere Kaufrecht (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB): Das Urteil betrifft einen Kaufvertrag über eine Segelyacht und behandelt Fragen des Schadensersatzes und der Minderung im Zusammenhang mit Sachmängeln. Die maßgeblichen Normen hierzu finden sich in den §§ 433 ff. BGB, insbesondere § 437 BGB, der die Rechte des Käufers bei Mängeln regelt. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Anwendung von §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB an, die dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten gewähren.
  2. Gewährleistungsrecht (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB): Der im Kaufvertrag festgelegte Gewährleistungsausschluss ist ein zentrales Thema im Urteil. Die entscheidende Frage ist, ob der Ausschluss auch für eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB gilt oder nur für Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Gericht legt den Gewährleistungsausschluss so aus, dass er nicht für die Beschaffenheitsvereinbarung gilt, sondern nur für Mängel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 BGB.
  3. Vertragsrecht, insbesondere Auslegung von Verträgen (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB): Im Urteil wird die Systematik des Vertrages zur Auslegung des Gewährleistungsausschlusses herangezogen. Das Gericht stellt fest, dass die Beschaffenheitsvereinbarung in § 4 des Vertrages gesondert geregelt ist und der Gewährleistungsausschluss in § 5, ohne auf § 4 Bezug zu nehmen. Dadurch wird die Auslegungsregel gestützt, dass der Gewährleistungsausschluss nicht für die Beschaffenheitsvereinbarung gilt.

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