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Nachbarrecht – Wichtige Fragen und Antworten

Welche wichtigen Rechte und Regeln gelten unter Nachbarn?

In diesem kleinen Artikel informiert Sie die Rechtsanwaltskanzlei Kotz über die aktuelle Rechtslage zum Thema Nachbarrecht.

Wir klären Sie u.a. darüber auf, ob Ihr Nachbar sein Grundstück ohne weiteres per Videokamera überwachen darf, wie häufig Sie im Sommer grillen dürfen, was man gegen herüberragende Äste unternehmen kann und wie ein Gartenfest ohne Streit mit dem Nachbarn enden kann.

Aktuelle Rechtslage

BGH zum Selbsthilferecht bei überhängenden Ästen eines Nadelbaums

Ein Berliner Nachbarschaftsstreit um eine übergriffige Kiefer hat es bis vor den Bundesgerichtshof geschafft. Dabei durfte der Nachbar die nadelnden Äste grundsätzlich (nach Ablauf einer angemessenen Frist) selbst entfernen, solange der Baum infolge der Beseitigung des Überhangs seine Standfestigkeit nicht verliert oder abzusterben droht (BGH, Urteil vom 16.03.2021, Az. V ZR 234/19).

Grenzabstände für Pflanzen in NRW:

Beschreibungmin. Abstand
Bäume (außer Obstbäume)
stark wachsende Bäume 4,00 m
alle übrigen Bäume2,00 m
stark wachsende Ziersträucher1,00 m
alle übrigen Ziersträucher 0,50 m
Obstgehölze
Bäume auf stark wachsender Unterlage veredelt2,00 m
Bäume auf mittelstark wachsender Unterlage veredelt1,50 m
Bäume auf schwach veredelter Unterlage veredelt1,00 m
Brombeersträucher 1,00 m
alle übrigen Beerensträucher 0,50 m
Hecken
über 2,00 m Höhe1,00 m
bis zu 2,00 m Höhe0,50 m

Hör mal, wer da (schon wieder) hämmert – vom ewigen Streit um Lärm, Gartenzwerge, Astschnitt und den Grillgeruch des Nachbarn – Eine kurze Einführung in das Nachbarrecht

Nachbarrecht 2021
(Symbolfoto: orig. Von Rainer Fuhrmann/Shutterstock.com)

Die Vögel zwitschern, die ersten Sonnenstrahlen lassen sich blicken, die Gartengarnitur wurde bereits in Position gebracht und bald ist auch sie wieder offiziell eröffnet: die Grillsaison. Pünktlich zum Frühlingsauftakt mehren sich jedoch die mehr oder minder kleinen Rechtsstreitigkeiten unter Nachbarn, die nicht selten in einen handfesten Streit ausarten können. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, präsentiert die Rechtsanwaltskanzlei Kotz in dieser kleinen Broschüre die aktuelle Rechtslage zum Nachbarrecht.

„Grau ist alle Theorie“ – Die gesetzlichen Grundlagen des Nachbarrechts:

Unter Nachbarrecht versteht man die Regeln über die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn. Maßgeblich sind hierfür die für das gesamte Bundesgebiet geltenden im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 903- 924 und 1004 aufgestellten gesetzlichen Regelungen. Darüber hinaus gilt im Land NRW das Nachbarrechtsgesetz NRW. Ergänzende Regelungen für das Nachbarrecht enthalten zudem öffentlich-rechtliche Gesetze wie beispielsweise das Immissionsschutzgesetz. Bei der Ausübung der Rechte sollte das nachbarschaftliche Verhältnis stets von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sein.

Viel Lärm um nichts? – Kinder, Bolzplätze, Gartenpartys und andere Geräuschquellen:

Man ist gerade auf der Gartenliege eingeschlafen, als man plötzlich von lautem Kindergeschrei aus dem Nachbargarten unsanft geweckt wird. Da muss man doch etwas gegen tun können, oder? Nein, außer mit Ohrstöpseln in den Ohren weiterzuschlafen kann man dagegen rein gar nichts unternehmen. „Wer Kinderlärm als lästig empfindet, hat eine falsche Einstellung zu Kindern.“ Dies stellte das Oberverwaltungsgericht Münster bereits vor zwanzig Jahren treffend fest. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich vor kurzem in der sog. „Bolzplatzentscheidung“ (Urteil vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14) mit von einem Bolzplatz ausgehenden Geräuschimmissionen zu beschäftigen und darin bekräftigt, dass Lärm, der von Kinderspielplätzen ausgeht, als sozialadäquat hinzunehmen und somit gemäß § 22 Abs. 1a des Bundesimmissionsschutzgesetzes privilegiert ist. Nach dieser Regelung ist Kinderlärm auch bei Überschreiten der immissionsschutzrechtlichen Grenzwerte von jedermann hinzunehmen. Dies gilt jedoch nicht für von Jugendlichen (gemeint sind 14 – 18jährige) ausgehende Geräusche, die lautstark auf einem Bolzplatz kicken (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015, Az. VIII 197/14). Gartenfeste sind grundsätzlich erlaubt, sofern sie sich an die gesetzlichen Ruhezeiten (22.00 Uhr bis 06:00 Uhr) halten.

Ab 22.00 Uhr muss die Party dann entweder beendet oder mit sog. Zimmerlautstärke im Garten oder aber im Haus bzw. der Wohnung fortgeführt werden, so dass die Nachbarn nicht weiter belästigt werden. Wer annimmt, es gäbe ein Recht auf ein rauschendes Fest innerhalb eines gewissen Zeitrahmens (monatlich oder jährlich), an dem die Nachbarn gesetzlich oder zumindest gewohnheitsrechtlich zur Toleranz und Duldung eines die gesetzliche Nachtruhe missachtenden Festes verpflichtet sein, erliegt einem weitverbreiteten Rechtsirrtum aus dem Bereich des Nachbarrechts. Auch die (vermeintlich) rechtzeitige Anbringung eines für alle Hausbewohner sichtbaren Aushangs im Treppenhaus ändert grundsätzlich nichts daran. Erfahrungsgemäß erhöht sich jedoch die Wahrscheinlichkeit für eine gelungene und sorgenfreie Party, wenn man die Nachbarn rechtzeitig darüber informiert oder sie gar zu der Feier einlädt. Wird die Nachtruhe nicht beachtet und einer der Nachbarn beschwert sich, so kann das Ärger mit der Polizei geben. Nächtliche Ruhestörung und übermäßiger Lärm ab 22:00 Uhr kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Was das Musizieren in einer Mietwohnung angeht, so halten die meisten Gerichte zwei bis drei Stunden am Tag (unter Beachtung der Ruhezeiten) für zumutbar.

Ein weiterer Punkt, der oftmals für Ärger unter Nachbarn sorgen kann, ist das von vielen als lästig empfundene Hundegebell. Als grobe Richtschnur lässt sich festhalten, dass ein gelegentliches Bellen des Hundes ein natürliches und artgerechtes Verhalten darstellt und somit grundsätzlich von den Nachbarn zu dulden ist. Anders hingegen ist die Bewertung, wenn das Bellen langandauernd ist oder während der Ruhezeiten erfolgt. So hat beispielsweise das OLG Hamm entschieden, dass Hundegebell von insgesamt 30 Minuten oder ein ununterbrochenes Dauergebell von 10 Minuten täglich als unzumutbare Störungen einzustufen sind. Außerhalb der Zeitspannen von 8:00 bis 13:00 Uhr und von 15:00 bis 19:00 Uhr darf Tierlärm nicht unzumutbar hörbar sein (OLG Hamm, Urt. v. 11.04. 1988, Az. 22 U 265/87). Wann das Rasenmähen erlaubt ist und wann nicht, regelt die sog. Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung. Daraus ergibt sich eine Zulässigkeit der motorisierten Grünpflege (z.B. für Rasenmäher, Rasentrimmer, elektrische Heckenschere, etc.) werktags im Zeitraum von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr. An Sonn- und Feiertagen dürfen diese Geräte ganztägig nicht benutzt werden.

Fleisch ist mein Gemüse – Grillen, Rauchen & Naturgewalten:

Die Grillsaison ist eröffnet: wann darf ich was, wo und vor allem: wie oft grillen? Während Beschränkungen was gegrillt werden darf, nicht ohne weiteres ersichtlich sind (vom bellenden Hund des Nachbarn einmal abgesehen), gibt es durchaus Regelungen wo (z.B. Garten, Balkon, Terrasse) und wie oft gegrillt werden darf. Zunächst einmal empfiehlt sich ein Blick sowohl in den Mietvertrag als auch in die Hausordnung. Dort können absolute oder relative Grillverbote (z.B. Verbot von Holzkohlegrills auf dem Balkon) enthalten sein (vgl. LG Essen, Urt. v. 07.02. 2002, Az. 10 S 438/01). Sofern dort keine (wirksamen) Regelungen enthalten sind, so lässt sich eine allgemeinverbindliche Aussage zur Häufigkeit des Grillens nicht ohne weiteres treffen. Die Gerichte haben in dieser Frage regional recht unterschiedlich geurteilt: von einmal pro Monat bis zu einer Obergrenze von bis zu 25-mal pro Grillsaison. Was das Rauchen angeht, so muss festgestellt werden, dass gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch wesentliche Beeinträchtigungen sind, die nicht geduldet werden müssen. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht zwangsläufig, dass der Mieter von dem Mieter der Nachbarwohnung ohne weiteres verlangen kann, das Rauchen auf dem Balkon zu unterlassen (BGH, Urt. v. 16.01.2015, Az. V ZR 110/14).

Vielmehr führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an der Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Beinahe schon (skurrile) Rechtsgeschichte geschrieben hat eine vielbeachtete Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden (Wiesbadener „Glühbirnenstreit“), in dem es um die Lichtzufuhr von einem Nachbargrundstück ging (LG Wiesbaden, Urt. v. 19.12.2001, Az. 10 S 46/01). Geklagt hatte ein Amtsrichter, der sich von einer an der Hauswand des Nachbarn befestigten Laterne – die aus Sicherheitsgründen nachts durchgängig brannte – in seinem Schlaf massiv gestört fühlte und seinen Nachbarn schließlich erfolgreich auf Unterlassung dieser Störung verklagte. Auch die Frage nach einer sog. „Laubrente“ klingt zunächst nicht weniger kurios. Es handelt sich dabei um einen Anspruch auf eine Geldrente wegen Laubabwurfs eines an der Grundstücksgrenze stehenden Baumes. Allerdings sind die Erfolgsaussichten nicht sehr vielversprechend: eine Laubrente wird nur dann gewährt, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks vorliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.1995, Az. 9 U 10/95 sowie OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.03.1983, Az. 6 U 150/82).

Wesentlich erfolgversprechender ist die Rechtslage jedoch, wenn statt des Laubes direkt der komplette Baum auf das Grundstück des Nachbarn fällt. Dies gilt zumindest dann, wenn auf dem Nachbargrundstück ein Baum steht, der infolge seines Alters jederzeit auf das angrenzende Grundstück fallen kann. Der Grundstückseigentümer ist Zustandsstörer und gem. § 1004 Abs. 1 BGB zur Beseitigung der Störung verpflichtet (BGH, Urt. v. 21.03. 2003, Az. V ZR 319/02). Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB wurde für den Fall verneint, dass der Baum gegenüber normalen Einwirkungen der Naturkräfte widerstandsfähig gewesen wäre und nur ein ungewöhnlich heftiger Sturm für das Umstürzen des Baumes auf das Nachbargrundstück ursächlich gewesen ist (BGH, Urt. v. 23.04.1993, Az. V ZR 250/92). Beim sog. Überhang besteht bei mehr als nur unerheblicher Beeinträchtigung des Grundstücks ein Anspruch gegen den Nachbarn auf Beseitigung der über die Grundstücksgrenze herüberragenden Wurzeln/Äste und Zweige gem. § 1004 BGB. Alternativ darf man diese auch im Wege der sog. Selbsthilfe abschneiden und behalten (vgl. § 910 Abs. 1 BGB), wobei das Recht auf Selbsthilfe bei Ästen und Zweigen lediglich insoweit eingeschränkt ist, als dass dem Nachbarn zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt werden muss und der Baum an sich nicht gefährdet wird.

„Big brother is watching you“ – Zur Zulässigkeit der Videoüberwachung eines Grundstücks:

Laut der Kriminalstatistik steigt die Zahl der Einbruchsdiebstähle stetig an und viele Hauseigentümer fühlen sich aufgrund dieser Entwicklung verunsichert und schaffen sich eine Videoüberwachungsanlage an. Sofern sich die Überwachung ausnahmslos auf das eigene Grundstück beschränkt, ist dies unproblematisch. Aber muss ich als Nachbar es hinnehmen, dass sich die Videoüberwachung u.U. auch auf mein Grundstück richtet? Die Antwort ist ein klares Nein. Hat ein Grundstückseigentümer auf einem Privatgrundstück eine Überwachungskamera installiert, so kann der Nachbar gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB die Unterlassung der Videoüberwachung seines Grundstücks wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangen. Dies gilt jedenfalls unstreitig dann, wenn der Nachbar von der Überwachung tatsächlich betroffen ist.

Ein Unterlassungsanspruch kann aber bereits schon dann entstehen, wenn Nachbarn eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen und sich diese Befürchtung zu einem „Überwachungsdruck“ entwickelt (BGH, Urt. v. 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09). Auch durch eine Kameraattrappe kann bereits durch den Schein „Überwachungsdruck“ entstehen. Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine rein hypothetische Befürchtung, u.U. überwacht werden zu können ist hingegen nicht ausreichend. Sie ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln, Urt. v. 30.10.2008, Az. 21 U 22/08) oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände (z.B. die Benutzung eines gemeinsamen Zugangs). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Grundstückseigentümer seine Videoüberwachung nicht auf angrenzende Nachbargrundstücke, auf gemeinsame Grundstückszugänge und auf angrenzende Verkehrswege, Bürgersteig und die Straße ausweiten darf – auch nicht zum Teil. Dann besteht nämlich die begründete Gefahr, dass unbeteiligte Personen außerhalb des eigenen Grundstücks beobachtet und gefilmt werden, was ohne deren Einverständnis nicht erlaubt ist.

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