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Oberflächenentwässerung Grundstück – Anschluss an Entwässerungsleitungen Nachbargrundstück

LG Ravensburg –  Az.: 2 O 163/17 – Urteil vom 14.11.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, den Anschluss der Oberflächenentwässerung des Flurstücks 1692/2 an die Entwässerungsleitungen auf dem Flurstück 1692/1 zu gestatten und die Durchleitung des Niederschlagswassers vom Flurstück 1692/2 über das Flurstück 1692/1 zu dulden.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist zu Ziff. 2 vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,– € und zu Ziff. 3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Streitwert: 20.000,– €

(hiervon entfallen auf die Klage 10.000,– € und auf die Widerklage 10.000,– €).

Tatbestand

Die Beklagten sind jeweils hälftige Eigentümer des Grundstücks Flst. 1692/2, Grundbuch von A. Nr. 543. Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Flst. 1692/1 und 1692/3, Grundbuch von A. Nr. 650. Der Kläger, der eine Landwirtschaft betreibt, ist außerdem Pächter des die vorgenannten Grundstücke umgebenden Grundstücks Flst. 1692. Wegen der Lage der vorgenannten Grundstücke wird auf den Lageplan gemäß Anlage B 4 verwiesen.

Vormals gehörten die Grundstücke Flst. 1692/2, 1692/1 und 1692/3 dem gleichen Eigentümer. Jedenfalls nachdem der Hofeigentümer in den 1970er Jahren die Viehhaltung aufgegeben hatte, wurde ein Großteil des auf dem Flst. 1692/2 anfallenden Niederschlagwassers in einer Sickergrube auf diesem Grundstück gesammelt und floss über Rohrleitungen über das Flst. 1692/1 ab.

Im Jahr 2011 kappte der Kläger die Entwässerungsleitungen zwischen den beiden Flurstücken 1691/1 und 1692/2. Er entfernte insbesondere die Güllegrube auf seinem Grundstück und errichtet an dieser Stelle eine Garage. Für das Hofgelände, soweit es in seinem Eigentum steht, errichtete der Kläger in diesem Zuge neue Drainageleitungen.

Oberflächenentwässerung Grundstück
(Symbolfoto: Aigars Reinholds/Shutterstock.com)

Der räumt ein, dass vor seinen Umbaumaßnahmen Oberflächenwasser vom Grundstück der Beklagten über eine Rohrleitung in eine Güllegrube auf dem Flst. 1692/1 geflossen sei. Er ist jedoch der Meinung, die vom früheren Hofeigentümer durchgeführte Entwässerung sei öffentlich-rechtlich unzulässig gewesen sei. Zwar sei die Zisterne für eine Oberflächenversickerung erlaubt gewesen; unzulässig sei jedoch eine derartige Entwässerung nach dem Wasserhaushaltsgesetz, wenn sich die Oberflächenversickerung nicht auf dem eigenen Grundstück befinde und darüber hinaus eine Tiefenversickerung vorgenommen werde.

Der Kläger behauptet, sein Grundstück werde durch das Niederschlagswasser vom Grundstück der Beklagten erheblich beeinträchtigt, insbesondere weil es in Richtung einer vom Kläger errichteten Stützmauer fließe. Diese Stützmauer habe zuletzt neu errichtet werden müssen, da sie durch das abfließende Wasser Frostschäden erlitten habe. Eine Berufung der Beklagten auf § 242 BGB kommt nach Auffassung des Klägers nicht in Betracht, da die Beklagten im Jahr 2011 die von den Parteien beabsichtigte nachbarrechtliche Vereinbarung nicht unterschrieben hätten.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, durch die verhindert wird, dass auf Grund der baulichen Gestaltung ihres Grundstücks Flurstück Nr. 1692/2 der Gemarkung A. vermehrt Oberflächenwasser von diesem Grundstück in das angrenzende Grundstück des Klägers Flurstück Nr. 1692/1 der Gemarkung A. eingeleitet und abgeleitet wird.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen und beantragen widerklagend: Der Kläger wird verurteilt, den Anschluss der Oberflächenentwässerung des Flurstücks 1692/2 an die Entwässerungsleitungen auf dem Flurstück 1692/1 zu gestatten und die Durchleitung des Niederschlagswasser vom Flurstück 1692/2 über das Flurstück 1692/1 zu dulden.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger unter dem Aspekt des Schikaneverbotes und gem. § 242 BGB verpflichtet sei, den Anschluss der Oberflächenwasserentwässerung des Flurstücks 1692/2 an seine Entwässerungsleitungen zu gestatten, oder jedenfalls, solange er die unterirdisch verrohrte Durchleitung nicht wiederherstellt, die etwaige Durchleitung von Wasser durch sein Grundstück zu dulden. Nach Auffassung der Beklagten besteht zwischen den Eigentümern von Grundstücken auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen. Darüber hinaus sei der Kläger schon deshalb zur Zustimmung zur Ableitung des Wassers über sein Grundstück verpflichtet, weil er selbst Wasser auf das Flurstück 1692/2 einleite – dies nämlich aus den von ihm als Landwirt bewirtschafteten Pachtflächen des Flurstücks 1692, von dem Oberflächenwasser auf das Grundstück der Beklagten fließe.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins auf den Grundstücken der Parteien.

Entscheidungsgründe

I.

Die Widerklage ist begründet und die Klage derzeit unbegründet.

1.

Auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsgemeinschaft hat der Kläger den Beklagten zu gestatten, den Anschluss der Oberflächenwasserentwässerung des Flurstücks 1692/2 an die Entwässerungsleitungen auf dem Flurstück 1692/1 vorzunehmen.

Nach der Rechtsprechung besteht zwischen Eigentümern von Grundstücken auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen (OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2012 I-5 U 100/12, 5 U 100/12, juris Rn. 42).

Diese Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Nachdem die Entwässerung von Oberflächenwasser vom Grundstück 1692/2 durch Rohrleitungen über das Grundstück 1692/1. seit den 1970er Jahren von dem früheren Hofeigentümer, in dessen Eigentum sowohl das Grundstück Flst. 1692/1 als auch das Grundstück Flst. 1692/2 standen, betrieben worden ist, lag ein funktional zusammengehöriges die Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungssystem anzusehen. Dafür ist unerheblich, ob dieses System in der konkreten Form nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen damals oder im Jahr 2011 zulässig war.

2.

An dieser Rechtsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB hat sich dadurch, dass die Beklagten nunmehr Miteigentümer des Grundstücks 1692/2 sind und der Kläger Eigentümer des Grundstücks 1692/1 ist, nichts geändert.

Der Kläger konnte die Rechtsgemeinschaft auch nicht einseitig durch Kappen der Entwässerungsleitung beenden. Die Gemeinschaft war, da sie der Funktionsfähigkeit der Entwässerung diente, auf Dauer angelegt, so dass anzunehmen ist, dass gem. § 749 Abs. 2 S. 1 BGB die Aufhebung nur wichtigem Grund verlangt werden konnte (OLG Hamm, a. a. O. Rn. 44). Die Uneinigkeit der Parteien ist dabei kein ausreichender wichtiger Grund, der zur Aufhebung der Gemeinschaft berechtigt (vgl. OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 46).

Der Kläger konnte daher im Jahr 2011, nachdem eine Einigung der Parteien über die Entwässerung gescheitert war, die Gemeinschaft nicht einseitig kündigen. Es war auch nicht unmöglich, die gemeinschaftliche Nutzung dieser Entwässerungsanlage fortzuführen. § 1 Nachbarrechtsgesetz BW verbietet nicht die Ableitung des Niederschlagswassers, nachdem es vorher gesammelt worden ist, durch Rohrleitungen über ein Nachbargrundstück, wenn zwischen den Parteien ein entsprechendes Schuldverhältnis besteht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die bis zum Jahr 2011 bestehende Entwässerung – erforderlichenfalls auch nach entsprechender Modernisierung und erforderlichenfalls auch ohne die Sickergrube auf dem Grundstück des Klägers – öffentlich-rechtlich nicht hätte weiter betrieben werden können.

3.

Nachdem der Kläger das Entwässerungsrohrsystem unberechtigt beseitigt hat, muss er auf Grund dieser Pflichtverletzung die Beklagten so stellen, wie sie vor dieser Pflichtverletzung gestanden hätten. Dann würde die Entwässerungsanlage aber noch funktionieren und die Beklagten könnten weiter die Hofentwässerung betreiben.

Nachdem die damalige Situation auf Grund der baulichen Veränderungen, die der Kläger auf seinem Grundstück herbeigeführt hat, nicht mehr hergestellt werden kann, muss der Kläger den Beklagten stattdessen gestatten, wie beantragt einen Anschluss an die Entwässerungsleitung auf seinem Grundstück vorzunehmen.

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II.

Die Klage ist derzeit unbegründet. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch gegenüber den Beklagten, Maßnahmen ergreifen, um den Abfluss des Oberflächenwassers über sein Grundstück verhindern.

Wie sich aus Vorstehendem ergibt, ist der Kläger verpflichtet, es zu dulden, dass die Beklagten das Oberflächenwasser von ihrem Grundstück über eine Rohrleitung, die an seine Entwässerungsleitung angeschlossen wird.

Nachdem der Kläger im Jahr 2011 die bisherige funktionierende Rohrleitung eigenmächtig gekappt hat, hat er auch jetzt in der Übergangszeit bis zur Herstellung einer neuen funktionsfähigen Rohrleitung keinen Anspruch gegen die Beklagten den Abfluss des Niederschlagswassers vom Flurstück 1692/2 über das Flurstück 1692/1 zu stoppen.

Nebenentscheidungen: § 91 709 ZPO

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