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Privatgutachten (Werkvertrag) – Erstattungsfähigkeit nach § 642 BGB

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az: 8 U 47/06

Urteil vom 27.02.2007


In dem Rechtsstreit wegen Werklohnforderung hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2007 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2006 (13 O 133/03 KfH I) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.370,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank seit dem 22.02.2003 bis zum 15.09.2003 und weitere Zinsen in Höhe von jährlich 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.09.2003 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird als unzulässig verworfen.

III. 1. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 97% einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer, die im Übrigen ihre Kosten auf sich behalten, und die Beklagte 3%.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, werden der Klägerin auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Vl. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 16.246,94 EUR festgesetzt.

GRÜNDE

I.

Ohne Sachverhaltsdarstellung gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

II.

Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich auch gegen die erfolgte Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen für den Zeitraum vom 22.02.2003 – 15.09.2003 richtet. Insoweit fehlt es an der gemäß § 520 Abs. 3 ZPO erforderlichen Begründung, weshalb die Berufung in diesem Punkt als unzulässig zu verwerfen war (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die im Übrigen zulässige Berufung, mit der sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Sachverständigenkosten (16.246,94 EUR) nebst Verzugszinsen wendet, ist begründet. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung (wie aus dem Tenor ersichtlich).

Das Landgericht (LGU 26) ist der Auffassung, die Kosten des vorgerichtlich eingeholten baubetriebswirtschaftlichen Gutachtens (Anlage K 9) in Höhe von 16.246,94 EUR seien im Rahmen des § 642 BGB ersatzfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Dagegen wendet sich die Berufung mit Erfolg.

Zweifelhaft erscheint bereits, ob sich aus der – im Streitfall einzig in Betracht kommenden – Anspruchsgrundlage des § 642 BGB dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines Privatgutachtens ergibt, das der Ermittlung der „angemessenen Entschädigung“ dient, bzw. dienen soll. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn der Anspruch auf „angemessene Entschädigung“ als Schadensersatzanspruch, auf den § 249 BGB Anwendung findet, zu qualifizieren wäre. Die Rechtsnatur des Anspruchs aus § 642 BGB wird in Rechtsprechung und Literatur mit unterschiedlicher Terminologie dargestellt (BGHZ 143, 32: „Verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch“; Staudinger/Peters <2003> § 642 Rdn. 24: „Vergütungsanspruch eigener Art“; MüKo-Busche, BGB 4. Auflage § 642 Rdn. 16: „Schadensersatzanspruch eigener Art“, Vygen/Schubert/Lang, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 4. Auflage, Rdn. 322: „Der Anspruch hat vergütungsgleichen Charakter“). In der Sache besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit darin, dass § 642 BGB dem Unternehmer wartezeitbedingte Mehrkosten zuspricht, die er bei Angebotsabgabe nicht kalkulieren konnte; die „Entschädigung“ soll ihm – über den Ersatz für Mehraufwendungen gemäß § 304 BGB hinaus – einen Ausgleich dafür bieten, dass er seine Arbeitskraft und Geschäftskapital vorgehalten hat. Der Anspruch setzt nicht eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Bestellers voraus, vielmehr knüpft § 642 BGB nur an eine bloße (verschuldensunabhängige) Obliegenheitspflichtsverletzung und den damit verbundenen Annahmeverzug des Bestellers an; deshalb umfasst er auch nicht entgangenen Gewinn und Wagnis (BGH a.a.O.). Der Senat neigt daher dazu, die Annahme eines Schadensersatzanspruches i. S. von § 249 BGB zu verneinen. Diese Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben.

Denn Voraussetzung des geltend gemachten Ersatzanspruches wäre jedenfalls, dass die Begutachtung zur Geltendmachung des „Schadensersatzanspruches“ erforderlich und zweckmäßig ist bzw. war, wobei insoweit auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen ist. Beides ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin hat bereits die Erforderlichkeit des Gutachtens nicht dargetan. Nach § 642 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der Entschädigung einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung. Die Entschädigung ist daher aus der Urkalkulation herzuleiten. Die Klägerin hat nicht nur ihr Angebot vom 09.05.2000 selbst, insbesondere anhand des vorgesehenen vertraglichen Ausführungszeitraumes kalkuliert, sondern auch mit Schreiben vom 28.05.2001 (= Nachtrag 5, K 56) und vom 18.07.2001 (K 59) die ihr (bislang) entstandenen Mehrkosten mitgeteilt. Die Klägerin war demnach selbst in der Lage, ihren (vermeintlichen) Anspruch aus § 642 BGB zu beziffern.

Ohne Erfolg macht die Klägerin demgegenüber geltend (Berufungserwiderung S. 3), die Klägerin sei überfordert, die von der Rechtsprechung geforderte Darlegung der Voraussetzung des § 642 BGB selbst zu bewerkstelligen. Soweit die Klägerin über die hierfür erforderlichen Rechtskenntnisse nicht verfügt, darf sie sich gegebenenfalls der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen. Um die Kosten, die hierdurch entstehen bzw. entstanden wären, geht es hier aber nicht. Soweit es um die Darlegung der tatsächlichen Grundlagen der Kalkulation und des tatsächlichen Bauablaufs geht, besitzt die Klägerin bzw. die sie vertretenden Organe und Mitarbeiter naturgemäß die erforderliche Kenntnis. Unkosten, die im Rahmen dieser Mühewaltung (Dokumentation) zusätzlich entstehen, sind wiederum nicht streitgegenständlich. Dass sich die Parteien vor Beauftragung des Privatgutachters über Punkte gestritten haben, die einem baubetriebswirtschaftlichen Gutachten zugänglich sind – etwa die Frage ob die kalkulatorischen Voraussetzungen tatsächlich erfüllbar waren -, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten unter dem einzig in Betracht kommenden Gesichtspunkt eines materiellen Schadensersatzanspruches aus § 642 BGB scheitert unabhängig von obigen Ausführungen auch daran, dass das eingeholte Gutachten zur Rechtsverfolgung nicht zweckmäßig ist. Wie sich aus den nicht angegriffenen und in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Ausführungen des Landgerichts ergibt (LGU 17 ff.), kann sich die Klägerin zur Untermauerung des Klaganspruchs nicht auf das Privatgutachten stützen, da es hierfür untauglich ist. Zwar hat der Schädiger die Kosten eines zur Rechtsverfolgung an sich notwendigen Sachverständigenkostens grundsätzlich auch dann zu ersetzen, wenn es objektiv ungeeignet ist (vgl. Palandt-Heinrichs BGB 66. Auflage § 249 Rdn. 40 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Ungeeignetheit des Gutachtens vom Geschädigten zu vertreten ist (etwa wegen falscher Angaben des Geschädigten).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Klägerin hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das für den verfolgten Anspruch aus § 642 BGB nicht geeignet ist. Die Klägerin hat ein baubetriebswirtschaftliches Gutachten über die Beurteilung der vom Auftragnehmer geltend gemachten Behinderungen und der dadurch verursachten Mehrkosten in Auftrag gegeben. Dabei hat es die Klägerin versäumt, dem Gutachter eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderungen an die Hand zu geben und – gegebenenfalls mit juristischer Hilfe – die Fragestellung an den Privatgutachter so vorzunehmen, dass die Schlüssigkeitsanforderung des § 642 BGB erfüllt sind. Mit der tatsächlich erfolgten bloßen Mitteilung des geplanten und kalkulierten Bauablaufs und des tatsächlichen Bauablaufs, verbunden mit dem Auftrag, die hierdurch bedingten Mehrkosten gemäß Nachtrag Nr. 5 zu überprüfen, hat die Klägerin ein nicht zielführendes Gutachten in Auftrag gegeben und erhalten. Die hierdurch entstandenen und für die Darlegung, geschweige denn Nachweis eines Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB nutzlosen Kosten können schadensrechtlich der Beklagten nicht mehr zugerechnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 101 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.

 

 

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