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Restschuldversicherung – unwirksame Klausel hinsichtlich Vorerkrankung 

OLG Dresden

Az: 4 U 232/05

Urteil vom 30.06.2005


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2005 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 07.01.2005 – Az.: 4 0 619/04 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt in Prozessstandschaft aus einem Restschuldversicherungsvertrag Zahlung an die Erbengemeinschaft nach W H (bestehend aus ihr und ihren beiden volljährigen Kindern) und Freistellung der Erbengemeinschaft von den Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag zwischen dem Erblasser und der CC-Bank AG aus M .

W H beantragte zur Finanzierung eines Teils des Kaufpreises für einen Neuwagen am 18.03.2003 bei der CC-Bank ein Darlehen über 12 942,72 EUR, das in 35 monatlichen Raten à 360,00 EUR und einer ersten Rate à 342,72 EUR, fällig am 01.05.2003, zurückgezahlt werden sollte. Gleichzeitig beantragte er bei der Beklagten den Abschluss einer Restschuldversicherung, Versicherungsbeginn: 24.03.2005. Am 08.05.2005 kamen sowohl der Kaufvertrag mit dem Autohaus, als auch der Darlehensvertrag mit der Bank und der Versicherungsvertrag mit der Beklagten zustande.

Unter VIII. des Darlehensvertrages (Antrag auf Restschuldversicherung) und § 7 der Versicherungsbedingungen ist folgende „Gesundheitserklärung“ enthalten:

„Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen (ernstliche Erkrankungen sind z. B. Erkrankung des Herzens und des Kreislaufs, der Wirbelsäule und Gelenke, der Verdauungsorgane, Krebs, HIV-Infektion/Aids, psychische Erkrankungen, chronische Erkrankungen) oder Unfallfolgen, wegen derer sie in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich beraten oder behandelt wurde. Diese Einschränkung gilt nur, wenn der Versicherungsfall innerhalb der nächsten 24 Monate seit Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen oder Unfallfolgen in ursächlichem Zusammenhang steht.“

Der Erblasser hatte seit 1992 an Diabetes mellitus und krankhaftem Alkoholismus gelitten, der zur Leberzirrhose geführt hatte. Er befand sich deswegen in ärztlicher Behandlung und bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Am 23.10.2003 stürzte er in seiner Wohnung und erlitt eine Oberarmfraktur rechts mit Gefäß- und Nervenverletzungen. Versorgt wurden diese Verletzungen im Kreiskrankenhaus G , wo er am 03.11.2003 verstarb.

Sowohl in den Todesfallberichten an die Beklagte als auch im vertraulichen Teil der Todesbescheinigung gaben Hausarzt und Anästhesisten des Kreiskrankenhauses G als Todesursache Pneumonie, Multiorganversagen, aber auch den schweren chronischen Alkoholismus mit Leberzirrhose an. Die Anästhesisten sahen ferner im Diabetes mellitus eine Todesursache.

Die Beklagte lehnte jede Zahlung ab, weil die versicherte Person infolge der schon vor Vertragschluss bestehenden Alkohol- und Lebererkrankung verstorben sei.

Das Landgericht hat die Klage auf Gewährung von Versicherungsschutz abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Erblasser sei auch infolge seiner bereits vor Vertragsschluss bestehenden Vorerkrankungen verstorben; der Versicherungsschutz sei durch § 7 der Versicherungsbedingungen wirksam abgedungen worden. Wegen der näheren Begründung, des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und ihrer Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte könne sich die o. g. Klausel gem. § 34a VVG nicht berufen, die zudem gem. §§ 305 ff. BGB unwirksam sei.

Sie beantragt (klageerweiternd),

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach W H , bestehend aus der Klägerin, M H und T H , 5 760,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 360,00 EUR seit dem 01.12.2003, 01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004, 01.05.2004, 01.06.2004, 01.07.2004, 01.08.2004, 01.09.2004, 01.10.2004, 01.11.2004, 01.12.2004, 01.01.2005, 01.02.2005 und 01.03.2005 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Erbengemeinschaft nach W H von den weiteren Verbindlichkeiten gegenüber der CC-Bank AG aus dem Darlehensvertrag Nr. vom 08.05.2003 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Klageerweiterung im zweiten Rechtszug ist gem. § 264 ZPO zulässig und stellt keine Klageänderung i.S.v. § 533 ZPO dar (BGHZ 158, 295).

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Todesfall nicht versichert ist und den Erben, deren Ansprüche die Klägerin im eigenen Namen geltend machen kann (§ 2039 BGB), daher kein Anspruch aus der Rechtsschuldversicherung zusteht. § 7 der Versicherungsbedingungen ist nach Ansicht des Senats wirksam (1.); seine Tatbestandsvoraussetzungen sind gegeben (2.).

1. Der Versicherungsschutz ist durch § 7 der Versicherungsbedingungen wirksam ausgeschlossen, da die Klausel weder § 34a VVG noch den §§ 305 ff. BGB unterfällt.

1.1. Die Restschuldversicherung auf den Todesfall ist eine Sonderform der Risikolebensversicherung. Sie sichert die Rückzahlung eines Darlehens gegen das Risiko des vorzeitigen Todes des Kreditnehmers ab. Sie entspringt einem verbreiteten Bedürfnis des Marktes und hat sich besonders in der Kfz-Branche zum Massengeschäft entwickelt. Dies führt dazu, dass Vermittler eines solchen Vertrages nicht nur der Mitarbeiter der finanzierenden Bank sein kann, sondern beispielweise auch der Kfz-Händler selber. Der Vertrag wird zusammen mit dem Darlehensvertrag und sogar auf derselben Vertragsurkunde abgeschlossen. Ein gesonderter Versicherungsschein wird nicht ausgestellt, er wird vielmehr durch den Antrag sowie die dem Darlehensnehmer überlassenen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen ersetzt. Der Abschluss einer zusätzlichen Kreditlebensversicherung ist häufig Voraussetzung für das Zustandekommen des Kreditvertrages. Der Darlehensnehmer hat vielfach ein elementares Interesse an der möglichst schnellen Kreditgewährung. Diese Besonderheit bedingt es, dass der Antrag auf Abschluss einer Kreditlebensversicherung von dem Versicherer oft bereits mit einer vorweg genommenen Annahmeerklärung versehen ist. Es bedarf dann auf Seiten des Versicherungsnehmers nur noch der Abgabe eines wirksamen Angebots, das sich in der Regel in dem Ankreuzen des dafür vorgesehenen Kästchens erschöpft. Im Unterschied zur üblichen Risikolebensversicherung wird der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers bzw. des Versicherten bei Abschluss des Restschuldversicherungsvertrages nicht geprüft (vgl. Krämer VersR 2004, 713).

Um trotz der unterlassenen Gesundheitsprüfung vor Abschluss des Versicherungsvertrages das Risiko überschaubar zu halten, versuchen die Versicherer durch Ausschlussklauseln den Versicherungsschutz zu beschränken. Verschiedene solcher Ausschlussklauseln haben in der Vergangenheit der Überprüfung durch die Rechtsprechung nicht standgehalten.

So hat der Bundesgerichtshof (NJW 1996, 1409) entschieden, dass sich der Versicherer nach § 34a VVG auf folgende Klausel nicht berufen könne: „Ferner erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Gesundheitsstörungen, die die versicherte Person in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes hatte, wenn der Versicherungsfall innerhalb der nächsten 24 Monate seit Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Gesundheitsstörungen in ursächlichem Zusammenhang steht.“ Zur Begründung führt der BGH aus: In den Fällen, in denen der Versicherer von der Möglichkeit einer Risikoprüfung Gebrauch gemacht habe, könne er Leistungsfreiheit nur in Anspruch nehmen, wenn ein dem Versicherungsnehmer bekannter Gefahrenumstand ihm – gefragt oder ungefragt – nicht mitgeteilt worden sei. Demgegenüber sei die beanstandete Klausel gerade nicht auf die dem Antrag der Versicherungsnehmer bei Antragstellung schon bekannten und bewussten Gefahrumstände beschränkt. Hinzu komme, dass der Versicherer den Zweck der Risikoprüfung verfehle. Er übernehme das ihm angetragene Risiko zunächst unbesehen, um erst nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu prüfen und zu entscheiden, ob er zurücktritt und sich auf Leistungsfreiheit beruft. Das aber verwehre ihm § 34a VVG. Die gesetzliche Regelung gebe diese Rechte nur demjenigen Versicherer, der bei Abschluss des Vertrages versucht habe, einen seinen praktizierten Risikoprüfungsgrundsätzen entsprechenden und damit für den korrekt handelnden Versicherungsnehmer voraussehbar bestandskräftigen Versicherungsschutz zu begründen, den der Versicherungsnehmer schließlich bezahlen müsse.

Auf diese Entscheidung reagierten die Versicherer mit einer angepassten Klausel, die den Ausschluss an die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Gesundheitsstörung knüpft.

Das OLG Frankfurt (VersR 2000, 1135) hat Zweifel angemeldet, ob diese Klausel §§ 16, 34a VVG bzw. § 307 BGB standhält. Auch bei ihr bleibe der Umfang des Versicherungsschutzes schwer abgrenzbar, wohingegen bei Anwendung des gesetzlichen Modells ggf. genau bezeichnete Ausschlüsse in den Vertrag aufgenommen würden, was die Nachteile der Klausel im Vergleich zur gesetzlichen Regelung zeige. Die Frage, ob demgegenüber bei bestimmten Versicherungen ein anerkennenswertes Interesse der Versicherer an einem Verzicht auf die Risikoprüfung deshalb zu bejahen sei, weil die in den §§ 16 ff. VVG vorausgesetzte Risikoprüfung zu mangelnder Praktikabilität führen und die Versicherung dadurch auch für den Versicherungsnehmer uninteressant würde, hat das OLG offen gelassen.

Das OLG Hamm (OLGR 1999, 307) meint, die obige Klausel weiche von den Vorschriften der §§ 16 ff. VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab. Auch beim Ausschluss bekannter Gesundheitsstörungen werde der Zweck der Risikoprüfung zu Ungunsten des Versicherten verfehlt. Sinn und Zweck des § 16 VVG sei es u.a., bei Vertragsschluss zu klären, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen der wahrheitsgemäß antwortende Versicherungsnehmer Versicherungsschutz erhalte. Der Versicherer sei gehalten, entsprechend seinen Risikoprüfungsgrundsätzen das ihm angetragene Risiko zu überprüfen und dann den Antrag entweder anzunehmen, abzulehnen oder aber mit Risikozuschlag bzw. teilweisem Ausschluss Versicherungsschutz zu bieten. Dies werde durch die Ausschlussklausel schon vom Ansatz her nicht gewährleistet. Der Versicherungsschutz bleibe zunächst in der Schwebe. Statt einer Risikoprüfung nehme die Versicherung einen Risikoausschluss vor. Das sei nicht interessengerecht. Trete beispielsweise der Versicherungsfall aufgrund einer dem Versicherungsnehmer bekannten Gesundheitsstörung ein, die der Versicherer bei entsprechender Risikoprüfung für unerheblich gehalten hätte, habe der Versicherte auf der Grundlage der Klausel gleichwohl keinen Versicherungsschutz, den er nach den §§ 16 f. VVG erhalten hätte. Auch der entgegengesetzte Fall benachteilige den Versicherungsnehmer. Leide er an einer erheblichen Gesundheitsstörung, die nach § 16 VVG zur Ablehnung des Versicherungsschutzes führen würde, dann hätte ihn dieser Umstand möglicherweise dazu bewogen, überhaupt keine Darlehensverpflichtung einzugehen. Die Klausel gebe dem Versicherungsnehmer keine Möglichkeit, seinen Versicherungsschutz und das Risiko der damit einhergehenden Kreditaufnahme verlässlich zu beurteilen.

Das OLG Düsseldorf (VersR 2000, 1093) hält eine ähnliche Klausel (wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot) für unwirksam. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers lasse sie nämlich nicht hinreichend deutlich erkennen, in welchem Umfang Versicherungsschutz bestehe. Zwar sei es unter Beachtung der bereits genannten BGH-Entscheidung nicht zu beanstanden, die herkömmliche Gesundheitsprüfung durch die Verwendung einer Ausschlussklausel zu ersetzen, doch seien besonders hohe Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens zu stellen. Die Formulierung einer solchen Ausschlussklausel müsste nicht nur klar erkennen lassen, wann die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt seien, sondern auch, dass die dadurch geschaffene Rechtslage im Einzelfall nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers vom gesetzlichen Leitbild des Versicherungsvertrages abweiche. Die zu beurteilende Klausel erwecke beim durchschnittlichen Kunden den Eindruck, als seien sämtliche ihm einmal bekannt gewordenen Erkrankungen maßgeblich, unabhängig davon, ob er sich bei gehöriger Gedächtnisanstrengung an sie erinnern könne oder nicht, auch eröffne der nicht näher erläuterte Begriff „Gesundheitsstörungen“ dem Versicherer die Möglichkeit, sich gegenüber dem Versicherungsnehmer auf ein über die gesetzliche Regelung der §§ 16 ff. VVG hinausgehendes Leistungsverweigerungsrecht zu berufen.

1.2. Die vorliegende Klausel unterscheidet sich von den von der Rechtsprechung behandelten Klauseln in wesentlichen Punkten. Sie stellt zum einen klar, dass der Versicherungsschutz nur bei Erkrankungen eingeschränkt ist, die dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person bei Vertragsschluss bekannt sind. Zum anderen wird der Versicherungsschutz nur bei ernstlichen Erkrankungen beschränkt, die beispielshaft beschrieben werden: Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufes, der Wirbelsäule und Gelenke, der Verdauungsorgane, Krebs, HIV-Infektion/Aids, psychische Erkrankungen, chronische Erkrankungen. Hierdurch wird deutlich, dass die Ausschlussklausel nur eingreifen soll, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, deretwegen der Versicherer den Vertrag im Falle der Risikoprüfung vor Vertragsschluss nicht oder nur mit erheblichen Risikozuschlägen geschlossen hätte. Mithin ist sichergestellt, dass der Versicherungsschutz nur versagt wird, wenn bei Offenbarung der Krankheit vor Vertragsschluss ebenfalls kein oder nur ein mit Zuschlägen versehener Versicherungsschutz gewährt worden und bei Verschweigen Leistungsfreiheit nach § 16 VVG eingetreten wäre.

Dies gilt für sämtliche namentlich aufgezählten Erkrankungen, auch für die chronischen Erkrankungen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Klausel erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (vgl. zur Auslegung Langheid in Römer/Langheid VVG 2. Aufl. Vor § 1 Rdn. 15 f.), dass auch hier nicht jedwede chronische Erkrankung gemeint ist, sondern nur eine solche von erheblichem Gewicht, die geeignet ist, Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls zu haben.

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1.3. Die Entbindung von der vorvertraglichen Risikoprüfung allein führt entgegen der Ansicht der Klägerin und des OLG Hamm zu keiner Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Versicherungsvertrages. Dies verhindert die Kopplung des Ausschlusses an – beispielhaft aufgeführte – ernstliche und bekannte Erkrankungen, die nach dem gesetzlichen Leitbild ebenfalls zur Versagung des Versicherungsschutzes führen. Bei positiver Risikoprüfung kommt es hier von vornherein nicht zum Vertragsschluss; bei Verschweigen der Erkrankung tritt nachträglich Leistungsfreiheit ein. Die Klausel formuliert also nur einen – generalisierenden – Ausschluss für diejenigen eng begrenzten Fälle, in denen auch nach dem gesetzlichen Leitbild keine Leistungspflicht bestünde (vgl. Krämer VersR 2004, 713; Teslau in van Bühren Handbuch Versicherungsrecht 2. Aufl. § 13 Rn. 167; Prölss in Prölss/Martin VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rn. 45; Prölss VersR 1994, 1216; Langheid in Römer/Langheid VVG 2. Aufl. §§ 16, 17 Rn. 53 ff.; a.A. Knappmann in Beckmann/Matuschek-Beckmann Versicherungsrechtshandbuch § 14 Rn. 95).

Ein Verstoß gegen § 34a S. 1 VVG liegt nur vor, wenn die Würdigung der Klausel im Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile ergibt, dass sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff. VVG abweicht. Bei dieser Prüfung ist eine abstrakte Gesamtwürdigung ohne Rücksicht auf den Einzelfall vorzunehmen (vgl. Knappmann aaO. § 14 Rn. 88). Diese Gesamtwürdigung von § 7 der Vertragsbedingungen ergibt, dass die Vorteile für den Versicherungsnehmer abstrakt gesehen im Ergebnis überwiegen.

Die Klausel hat der vorherigen Risikoprüfung gegenüber keine nennenswerten Nachteile in Bezug auf die Disposition des Kreditsuchenden (so aber OLG Hamm aaO.; Knappmann aaO.). Sie ist verhältnismäßig gut verständlich abgefasst und führt damit dem erkrankten Interessenten die Gefahren des Kreditengagements deutlich vor Augen. Damit kann er die Grundlagen für seine Entscheidung für oder gegen das Kreditgeschäft zutreffend abschätzen.

Auch der Umstand, dass der Ausschluss nach der Klausel automatisch eintritt, während der Versicherer nach § 20 VVG nur innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht zurücktreten kann, benachteiligt den Versicherungsnehmer letztlich nicht. Vergleichsmaßstab kann allein der redliche, vertragstreue Versicherungsnehmer sein, der seiner Anzeigepflicht nachkommt. Dessen Lage ist nicht günstiger, wenn er an einer schweren Krankheit leidet, weil es unter diesen Umständen erst gar nicht zum Vertragsschluss kommt. Im Übrigen wird der Versicherer von dem Verstoß gegen die Anzeigepflicht häufig erst erfahren, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist; auch hier steht der Versicherungsnehmer regelmäßig nicht besser als bei Geltung der Ausschlussklausel, weil der Versicherer innerhalb der Frist vom Vertrag zurücktreten wird.

Eine erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Rücktrittsrecht nach § 16 Abs. 3 VVG ein Verschulden des Versicherungsnehmers voraussetzt. Verschuldet ist die Anzeigepflichtverletzung stets, wenn der Versicherungsnehmer klare Fragen unvollständig oder falsch beantwortet (Langheid aaO. §§ 16, 17 Rn. 63). Da sich der Ausschluss allein auf ernstliche Erkrankungen bezieht, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt waren und wegen derer er die letzten 12 Monate in ärztlicher Behandlung war, würde er in jedem Fall schuldhaft gehandelt haben, wenn er die Frage nach seinen Vorerkrankungen falsch beantwortet hätte. Zudem statuiert § 16 VVG zunächst für den Versicherungsnehmer eine Anzeigepflicht. Auch an dieser Stelle darf die streitgegenständliche Klausel nicht nur mit dem Fall verglichen werden, in dem der Versicherungsnehmer vertragswidrig seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt.

Schließlich wird als Nachteil der Ausschlussklausel gewertet, dass der Versicherer gleichzeitig ermächtigt werde, die behandelnden Ärzte bei Eintritt des Versicherungsfalls über den Gesundheitszustand bei Vertragsschluss zu befragen. Denn nach ganz herrschender Meinung dürfe die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Anzeigeobliegenheit (§ 34 Abs. 1 VVG) nicht auf Umstände erstreckt werden, die in den Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht fielen (Wriede VersR 1990, 1001). Dieser Nachteil ist jedoch nicht schwerwiegend; er ist konsequente Folge des Wegfalls der vorvertraglichen Risikoprüfung und Anzeigepflicht, weswegen der Versicherer auch nicht nachträglich nach § 41 VVG eine Prämienerhöhung verlangen kann.

Demgegenüber hat die Klausel für den Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person gewichtige Vorteile:

Sie führt im Allgemeinen nicht zu einer völligen Freizeichnung des Versicherers im Fall von Vorerkrankungen, sondern hat nicht nur ihrem Wortlaut, sondern auch regelmäßig ihrem Inhalt nach allein die Wirkung einer Wartefrist, deren Vereinbarung generell keinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Es verhält sich keineswegs so, dass die Wartezeit wegen der verhältnismäßig kurzen Laufzeit von Ratenkrediten in Wahrheit einem vollständigen Risikoausschluss für Vorerkrankungen gleichkommt. Eine Laufzeit von unter 24 Monaten, die durch das geringe Kreditvolumen bedingt ist, ist nicht der Regelfall. So musste der Versicherungsnehmer vorliegend den Kredit über 36 Monate zurückführen. Häufig kommen auch Kredite mit einer Laufzeit von vier und mehr Jahren vor. Hat aber der Versicherte die Wartefrist von zwei Jahren überstanden, ist er für die restliche Kreditlaufzeit versichert, mag der Versicherungsfall auch als Folge der Vorerkrankung eintreten. Damit kann er sich im Einzelfall besser stehen als in den Fällen, in denen der Versicherer vor Vertragsschluss eine Risikoprüfung durchgeführt und das dabei festgestellte Leiden wegen seiner Erheblichkeit zum Anlass für einen Prämienzuschlag oder gar für einen Risikoausschluss genommen hat (vgl. OLG Köln VersR 1996, 1399)

Auch bei kürzeren Laufzeiten ist die Versicherung nicht wertlos, weil sie immerhin Schutz bei unvorhersehbaren Unglücks- oder sonstigen Todesfällen bietet.

Ein weiterer Vorteil liegt in der Beweislastverteilung. Wenn der Versicherer nach § 20 VVG zurücktritt, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass zwischen dem verschwiegenen anzeigepflichtigen Umstand und dem Eintritt des Versicherungsfalls bzw. dem Leistungsumfang keine Kausalität besteht, damit die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung nach § 21 VVG gleichwohl bestehen bleibt (Langheid in Römer/Langheid aaO. § 21 Rn. 6). Demgegenüber trägt der Versicherer in der Rechtsschuldversicherung für die Kausalität die Beweislast.

Der Vertrieb der Restschuldversicherungen durch Banken bzw. der Vertrieb der Reise-Krankenversicherung, bei der ähnliche Ausschlussklauseln vereinbart werden, über die Touristikbranche macht eine vorvertragliche Risikoprüfung gänzlich unpraktikabel. Der Verzicht hierauf liegt also nicht nur im Interesse der anbietenden Versicherer, sondern erst Recht im Interesse der Kunden an einem raschen, unkomplizierten und kostengünstigen Abschluss des Versicherungsvertrages (so auch Nies in Beckmann/Matusche-Beckmann aaO. § 41 Rn. 187).

1.4. Allerdings muss das „Ob und Wie“ des Versicherungsschutzes bei Vertragsschluss klar erkennbar sein, damit die Klausel sowohl nach § 34a VVG als auch nach § 307 BGB wirksam ist. § 7 der Versicherungsbedingungen entspricht diesen Anforderungen an die Transparenz aber nach Ansicht des Senates jedenfalls für die beispielhaft aufgezählten Krankheiten. Für den durchschnittlichen Interessenten ist ohne jeden Zweifel erkennbar, dass der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, wenn er wegen einer der dort aufgezählten Krankheiten in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes in ärztlicher Behandlung war, er darum wusste, die Erkrankung schwerwiegend war und sie innerhalb von 24 Monaten nach Vertragsschluss zum Tod führt.

Die Frage kann offen bleiben, ob diese Klausel auch für sonstige schwerwiegende Erkrankungen, die in der Klausel nicht besonders aufgeführt sind, transparent ist. Ungeachtet des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion führte die teilweise Unwirksamkeit nicht zur vollständigen Wirkungslosigkeit der Klausel. Denn sie besteht aus von einander abtrennbaren, selbstständigen Teilen, die unabhängig voneinander aus sich heraus verständlich sind (vgl. Heinrichs in Palandt BGB Vorb v § 307 Rn. 11).

1.5. Die Klausel verstößt auch nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Gefährdung des Vertragszwecks), gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (missverständliche Klauseln) oder gegen § 305 c Abs. 1 BGB (überraschende Klauseln). Der Ausschluss ist nach dem Gesamtbild des Vertrages über eine Restschuldversicherung und nach den Erwartungen, die üblicherweise an einen derartigen Vertrag geknüpft werden, nicht derart ungewöhnlich, dass nicht mit ihm zu rechnen wäre. Es entspricht vielmehr dem Grundgedanken und der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechts der privaten Versicherungsverträge, dass sie regelmäßig nur Schutz gegen künftige ungewisse Ereignisse bieten und Gefahren, die bei Vertragsschluss bereits latent vorhanden sind, ausschließen (vgl. OLG Köln Urteil vom 04.10.1990 – 5 U 21/90 – VersR 1990, 1381).

2. Die Voraussetzungen von § 7 der Versicherungsbedingungen sind erfüllt. Der Versicherungsnehmer befand sich unstreitig 12 Monate vor Beginn des Versicherungsschutzes wegen schweren chronischen Alkoholismus, Leberzirrhose und Debitus mellitus in ärztlicher Behandlung und wusste darum. Bei diesen Erkrankungen handelt es sich um ernstliche Erkrankungen im Sinne der Versicherungsbedingungen, weil die Beklagte – unstreitig – im Falle einer Gesundheitsprüfung entweder Versicherungsschutz gänzlich abgelehnt oder nur unter Ausschluss dieser Erkrankungen oder mit erheblich erhöhten Versicherungsprämien Versicherungsschutz gewährt hätte. Die Ernstlichkeit der Erkrankungen ist unstreitig und ergibt sich nicht nur aus den Arztberichten, sondern auch aus den Angaben der Klägerin und der Krankenschwester W gegenüber der Polizei. Der Erblasser hatte aufgrund seiner Alkoholkrankheit die Pflegestufe 2, wurde täglich von einer Krankenschwester versorgt und hatte mehrere Entziehungskuren hinter sich. Die Wohnungstür wurde verschlossen gehalten, damit er nicht versehentlich die Wohnung verlässt. Bereits vor dem zum Tod führenden Unfallereignis war er alkoholbedingt mehrfach gestürzt, einmal so schwer, dass er operiert werden musste. In Vorbereitung dieser Operation war die Klägerin darauf hingewiesen worden, es bestehe die Gefahr, dass er krankheitsbedingt aus der Narkose nicht erwachen würde.

Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Berichte ist der Senat mit dem Landgericht davon überzeugt, dass der chronische Alkoholismus, die Leberzirrhose und zusätzlich der Diabetes mellitus zumindest mitursächlich für den Tod des Erblassers acht Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes waren. Der Hausarzt des Erblassers hat in dem ärztlichen Todesfallbericht für die Beklagte als Todesursache neben der Lungenentzündung und dem Multiorganversagen auch die Alkoholerkrankung angeführt und ausdrücklich ausgeführt, dass es aufgrund der bestehenden Organschäden durch den langjährigen Alkoholismus zur Lungenentzündung und zum finalen Ausgang der Behandlung gekommen ist. Der schwere chronische Alkoholismus habe den Tod mit herbeigeführt. Entsprechend klar sind die Angaben der Anästhesisten des Krankenhauses im ärztlichen Todesfallbericht für die Beklagte (Mitbeteiligung der Leberzirrhose im Rahmen des Multiorganversagens) und im vertraulichen Teil der Todesbescheinigung (Krankheiten, die zum Tode beigetragen haben, ohne mit der unmittelbaren Todesursache oder dem Grundleiden in Zusammenhang zu stehen: Chronischer Alkoholabusus). Die Bewertung der ärztlichen Berichte durch das Landgericht greift die Klägerin letztlich mit ihrer Berufung nicht an. Zudem sehen die Anästhesisten auch in der Zuckerkrankheit eine Mitursache für seinen Tod.

Unerheblich ist, dass die Vorerkrankung des Versicherungsnehmers nicht allein kausal für den Todeseintritt war. Mitursächlichkeit ist ausreichend. Dies gilt zumindest im Rahmen des § 21 VVG (vgl. Knappmann in: Beckmann/Matuschek-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch § 14 Rn. 82). Für die hier streitgegenständliche Klausel, die die Risikoprüfung und deren Folgen nach §§ 16 ff. VVG nur nach hinten verlagert, kann nichts anderes gelten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709, 108 ZPO.

Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wird die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. In Literatur und Rechtsprechung (vgl. die o.g. Zitate) ist streitig, ob und inwieweit in der Reisekranken- und der Restschuldversicherung Ausschlussklauseln wirksam vereinbart werden können.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 11.506,18 EUR (Antrag 1: 5.760,00 EUR; Antrag 2: 5.746,18 EUR, nämlich 12.942,72 EUR – 5.760,00 EUR = 7.182,72 EUR, abzüglich 20 %).

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