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Betriebsgefahr – Nachweis eines technischen Defektes am Pkw als Brandursache

LG Karlsruhe – Az.: 7 O 173/16 – Urteil vom 24.11.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 24.818,56 € festgesetzt.

Tatbestand

Die klagende Versicherung nimmt die beklagte Versicherung auf Regress anlässlich eines Brandes in einer Garage in Anspruch.

Am frühen Morgen des 13.11.2014 kam es in der … zu einem Brand in einer Garage. Die Garage wurde teilweise zerstört, der in ihr befindliche, bei der Beklagten haftpflichtversicherte PKW Nissan Qashqai brannte vollständig aus. Auch in der Nachbargarage gelagerte Sachen wurden leicht beschädigt. Die Brandursache ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin regulierte als Gebäudeversicherung folgende Positionen:

  • Zahlung für die beschädigte Garage an die betroffene WEG 19.988,30 €
  • Zahlung für brandschutztechnische Sofortmaßnahmen 3472,54 €
  • Gutachterkosten 1325,72 €
  • Akteneinsichtskosten für Rechtsanwältin … 32,00 €

Mit Schreiben vom 11.2.2016 B begehrte die Klägerin Ersatz von der Beklagten bis 12.03.2016.

Betriebsgefahr - Nachweis eines technischen Defektes am Pkw als Brandursache
(Symbolfoto: Aleksandar Malivuk/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat zunächst die Klage gegen eine andere Versicherungsgesellschaft aus dem Konzern erhoben, die …, die unstreitig nicht die Haftpflichtversicherung des PKW Nissan ist. Im Einverständnis mit alter und neuer Beklagter wurde schließlich die Klage auf die jetzige Beklagte umgestellt.

Die Klägerin behauptet, dass Brandursache ein technischer Defekt am in der Garage untergestellten PKW gewesen sei. Für die geltend gemachten Schadenspositionen sei sie aktivlegitimiert, die von ihr geleisteten Zahlungen würden der tatsächlichen Schadenshöhe entsprechen.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.818,56 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten p. a. Über dem Basiszinssatz seit 8.3.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Das Gericht hat die Ermittlungsakten der StA Karlsruhe, 220 UjS 26519 beigezogen. Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Brandursache durch … . Zur Ergänzung des Tatbestands wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung. Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die gegen die Beklagte keine Ansprüche nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zu, da der Nachweis einer Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht gelingt.

I. Die Klage richtete sich ursprünglich nicht gegen die jetzige Beklagte. Daher kam eine Rubrumsberichtigung nicht in Betracht, sondern ist eine parteiauswechselnde Klagänderung gegeben (zur Kostenfolge siehe unten).

1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGH, Urteil vom 27. November 2007 – X ZR 144/06 -, NJW-RR 2008, 582 = juris Rn. 7 mwN).

2. Bei einer Auslegung von Klagschrift nebst Anlagen nach diesen Grundsätzen wollte die Klägerin die ursprünglich Beklagte in Anspruch nehmen. Die jetzige Beklagte wird in der Klagschrift nicht benannt, zudem hat sie ihren Sitz unter einer anderen Anschrift. Im Schreiben vom 11.02.2016 (Anlage K 5) wandte sich die Klägerin an die zuletzt Beklagte, das Antwortschreiben vom 07.03.2016 (Anlage K 6) stammt zwar von der zunächst Beklagten und formuliert „das bei uns versicherte Fahrzeug“, enthält jedoch in der ersten Zeile den fettgedruckten Passus „Im Auftrag und in Vertretung der

3. Vorliegend handelt es sich demnach um einen Parteiwechsel in Form der Klagänderung nach § 263 ZPO, dem sowohl alte als auch neue Beklagte zugestimmt haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.06.2016 – BGH Aktenzeichen X ZR 50/14 = juris Rn. 9 m.w.N.).

II. Die Beklagte haftet nicht nach der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für den durch den Brand verursachten Schaden.

II. Zwar wäre nach herrschender, jedoch umstrittener Auffassung in der Rechtsprechung ein technischer Defekt am streitgegenständlichen PKW der Betriebsgefahr im Sinne des §§ 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen.

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht. Steht der Brand eines geparkten Kraftfahrzeuges in einem ursächlichen Zusammenhang mit dessen Betriebseinrichtungen, etwa einem technischen Defekt, ist der dadurch verursachte Schaden an Rechtsgütern Dritter im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig der Betriebsgefahr zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 -, BGHZ 199, 377 = juris LS 1 + 2, Rn. 5 ff.. OLG Karlsruhe, NZV 2015, 440 = LS 1; ablehnend LG Köln, Urteil vom 05. Oktober 2017 – 2 O 372/16 -, juris LG Heidelberg, RuS 2016, 481 sowie weite Teile der Literatur, vgl. die Nachweise bei Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG Rn. 69 ff.).

III. Unabhängig vom Meinungsstreit über die Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr gelingt vorliegend nicht der Nachweis zur Überzeugung des Gerichts, dass Brandursache ein technischer Defekt am bei der Beklagten versicherten PKW war.

1. Der hier für die haftungsbegründende Kausalität maßgebliche § 286 ZPO verlangt den Vollbeweis. Das Gericht darf danach eine beweisbedürftige Tatsache nicht schon dann als erwiesen ansehen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht; dies reicht nur für eine Glaubhaftmachung. Für den Beweis ist dagegen die volle richterliche Überzeugung erforderlich. Diese kann nicht mit mathematischen Methoden ermittelt und darf deshalb nicht allein auf mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnungen gestützt werden. Es bedarf auch keiner absoluten Gewissheit oder „an Sicherheit grenzender“ Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 6.5.2015 – VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 = juris Rn 11; BeckOK ZPO/Bacher, 26. Ed. 15.9.2017, ZPO § 286 Rn. 2 m.w.N).

2. Ausgehend von obigem Maßstab kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass Zweifeln an der Ursächlichkeit eines technischen Defekts Schweigen geboten wäre.

a) Nachvollziehbar als sicher ausschließen als Brandursachen konnte der Sachverständige einen technischen Defekt mit unplanmäßiger Hitzewirkung auf brennbare Teile oder das Auftreffen von brennbarer Flüssigkeit auf eine heiße Oberfläche. Soweit der Sachverständige fahrlässige Brandstiftung im oder am Fahrzeug, z.B. durch Rauchen, ausschließt, mangelt es bereits an verlässlichen Feststellungen dazu, dass sich niemand – sei es auch jemand mit Berechtigung – in der Garage aufgehalten hat.

b) Auch eine externe Zündquelle in der Garage, z.B. ein Kurzschluss, oder die Selbstentzündung von – zugunsten der Beklagten als anwesend unterstelltem – brennbaren Material in Form von Holz und Reisig konnte der Sachverständige überzeugend ausschließen.

c) Mit für die Überzeugungsbildung des Einzelrichters hinreichender Sicherheit konnte jedoch vorlässige Brandstiftung als Ursache nicht ausgeschlossen werden, so dass mangels positiver Feststellungen zur Brandursache die Ausschlussmethode zur Ursachenermittlung nicht greift.

Zwar ist das zuletzt leicht offen stehende Garagentor kein hinreichendes Indiz für das widerrechtliche Eindringen eines Brandstifters, da sich ein nicht verschlossenes Tor durch die Hitzeentwicklung und den dadurch steigenden Innendruck sowie den Gasaustausch öffnen kann. Umgekehrt wiederum ist der von der Ermittlungsbehörde als zu eng für eine Brandstiftung erachtete Raum durchaus ausreichend, dass sich eine Person darin bewegen kann.

Der Sachverständige beruft sich zum Ausschluss dieser Variante jedoch allein auf – zudem außerhalb seines Sachgebietes liegenden – Mutmaßungen zur Häufigkeit und Erscheinungsformen von Brandstiftungen. Es mag zutreffend sein und wird durch die oben zitierte, entsprechende Fälle behandelnde Rechtsprechung belegt, dass technische Defekte insbesondere an der Elektronik als Brandursache keine Einzelfälle darstellen. Gleichwohl begründet dies keinen Anscheinsbeweis. Für die Wahrscheinlichkeit als Ursache im konkreten Fall lässt sich daraus ebenfalls nichts ableiten, gleiches gilt für die Vermutungen des Sachverständigen zur Häufigkeit von Brandstiftungen. Positive Feststellungen zur Brandursache konnte der Sachverständige schließlich weder für und wider eine Brandstiftung noch einen technischen Defekt treffen. Das sodann zur Anwendung gelangte Ausschlussverfahren basiert überwiegend auf Vermutungen und nicht auf konkret messbaren Wahrscheinlichkeiten.

Im Ergebnis reicht dies zur Überzeugung des Einzelrichters von einem technischen Defekt als Brandursache nicht aus.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Ein Ausspruch über die Entlassung der ursprünglich Beklagten aus dem Rechtsstreit nebst Kostenentscheidung über deren außergerichtlicher Kosten entsprechend der Entscheidung BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 11/16 -, NJW-RR 2009, 582 kam vorliegend nicht in Betracht, da es sich im hiesigen Fall nicht um eine Scheinbeklagte handelte, sondern um einen Parteiwechsel. Einen – ohnehin gesondert zu verbescheidenden – Antrag analog § 269 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 ZPO hat die ehemals Beklagte nicht gestellt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. 12. 2005 – V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 = juris Rn. 23).

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